prolog
Der Tod sollte friedlich sein - wie einschlafen.
Sie hatte schon so viel über das vermeintliche Ende des Lebens gehört und gelesen, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Jede Reise ging einmal zu Ende und jedermann sollte sich damit abfinden. Sie hatte es schon vor so langer Zeit getan.
Das Ende machte ihr keine Angst - vielmehr sah sie es als Anfang einer neuen Reise an. Nichts war für immer; die schönste Blume auf der Wiese verwelkte, ließ ihre Blütenblätter zu Boden fallen und fiel in sich zusammen; die schönste Erinnerung an einen geliebten Menschen verblasste, dass man sich nicht mehr an sein Lächeln oder die Lachfalten erinnern konnte, geschweige denn an seinen Geruch. Die erste Liebe verwandelte sich in Hass, doch selbst er verschwand. Nichts war von Dauer - gar nichts, so sehr man es sich auch wünschte.
Einige Historiker mochten argumentieren, dass etwas von Dauer wäre. Der Krieg, der die Menschheit seit Anbeginn der Zeit heimsuchte; so allgegenwärtig wie die fallenden Blätter und genauso tödlich wie der Winter. Der Krieg, der auch jetzt herrschte und die Menschheit bedrohte und spaltete, wie ein Blitz den alten Baum. Krieg und Tod gingen immer Hand in Hand. Kam der eine dich besuchen, wartete der andere in deinem Bett auf dich, um dir ins Gesicht zu lächeln. Die Bedrohung und der Tod waren allgegenwärtig, sodass niemand verschont blieb. Die Familie der Nachbarn, die Familie der Freunde, sogar die eigene Familie musste Verluste in Kauf nehmen, in der Hoffnung, diesen Krieg - diese Kriege, in der Zaubererwelt und in der Mugglewelt zu beenden. Denn wenn es so blieb, wäre das Leben nicht mehr lebenswert und das einzige Gefühl die Angst, die man verspürte, wenn man aus dem Fenster schaute und schon wieder Flugzeuge sah.
Sogar der Teufel, verkörpert durch den wohl aristokratischsten Mann der Welt, ein Abbild Gottes oder eher des gefallenen Engels Luzifers, die Gesichtszüge in Stein gemeißelt, wie eine römische Statue aus dem Museum, fürchtete sich vor dem Tod, sogleich er alles versuchte, ihn aufzuhalten. Doch gegen die Gestalt in Schwarz, der anthropomorphen Allegorie des Todes, mit dem einladenden Umhang, der wie ein Leichentuch Erlösung und Ruhe versprach, konnte keiner etwas tun. Der Tod, obgleich der Diener Satans, gleichzeitig aber auch sein einziger Beschwörer und Gegner, kam durch das Fenster gestiegen, mähte mit seiner Sense, so scharf wie alle Dolche der Welt, die Menschen dahin und ließ die Leichen der Leute wie Dünger auf dem Feld, wie Garben hinter dem Schnitter liegen. Der skelettierte vierte Reiter der Apokalypse auf dem fahlen Pferd zog mit allen Bewohnern der Unterwelt um die Welt, um die Seelen einzusammeln und in die Tiefe zu reißen.
Tom Riddle, anders als in den Sagen keine furchteinflößende Figur, verbarg sich vor dem vierten Reiter, schwor sich, der erste Reiter, der erste Beschwörer des Todes zu werden, die Bewohner der Unterwelt um sich herum zu scheren und der Welt seine Kraft und die Kraft aller Zauberer zu zeigen, wie es laut ihm schon immer der Fall hätte sein sollen. Er wollte selber der Teufel werden, der gefallene Engel Luzifer, der unsterbliche und doch lebende Satan, mit seinen Kreis der sieben Teufel, dass sich jeder vor ihnen fürchtete und nicht vor dem Tod. Denn wenn er genügend Macht besaß, genügend Anhänger versammelt hatte, so konnte er alles bezwingen und keine Angst mehr haben, obwohl ein kleiner Teil seiner selbst, ein kleiner verängstigter Teil in den hinteren Ecken seines Gehirns übrig bleiben und ihn immer wieder an den nahenden Tod und den vierten Reiter erinnern würde.
Anders als Samodiva konnte er seine Angst nicht ablegen, nur verschleiern, wie die dunkle Gestalt das Skelett mit dem Leichentuch verschleierte. Die Furcht blieb bei zunehmender Macht immer noch bestehen, verblasste nicht wie das Gefühl eines Kusses auf seinen Wangen, dass er immer wieder erneuert werden musste. Verblasste nicht wie die Erinnerung an seine Mutter, die ihm genommen wurde, ohne dass er etwas tun konnte oder es hätte wollen würden. Die Furcht blieb bestehen.
Samodiva fürchtete nur die Reue, nicht den vierten Reiter. Sie fürchtete, dass ihre Entscheidungen sie einholen könnten und auf ewig in die dunklen Abgründe rissen, denn Reue war nicht nur das Bedauern, sondern auch die Furcht über das Ergebnis. In ihren jungen Jahren hatte sie schon so viele Entscheidungen getroffen, dass sie bei jeder fürchtete, es würde die letzte sein und sie könnte nichts wieder gut machen. denn alles hatte ein Ende und niemand wusste, was es soweit sein würde.
Alles hatte ein Ende. Sogar der Krieg in ihrem Inneren.
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