i. thanatos
In autumn's death and its bewitching kiss of darkness is where she's most alive.
Ann Mane Eleazer
She's magic & midnight lace
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Krieg und Tod gingen immer Hand in Hand, denn sie hatten einen Pakt geschlossen, alles gemeinsam zu erfahren. Sobald der Krieg die Menschen heimsuchte, die Gesellschaft ins Chaos stürzte, das sich auf der ganzen Welt ausbreitete, begann die Gewalt; die brutaler war, als was sich jemand vorstellen konnte. Denn während der Tod nahm, so wie es sein Job war, tötete der Krieg mit Freude.
Ein irres Lächeln lag immer auf seinen Lippen, wenn er seine Wut und seinen Frust an den Menschen ausließ, schuldig oder unschuldig war ihm egal, solange er Blut sah. Er hatte kein Ziel vor Augen, schlachtete jedes Lebewesen ab, dass seinen Weg kreuzte, und hinterließ die kahle Erde; nichts als Schutt und Asche. Einen Ort, den sich die Natur zurückerobern konnte; durch die Asche und das vergossene Blut jedoch für immer verflucht.
Von den Männern in Anzügen, mit ihren vornehmen Bällen und betrunkenen Lächeln, angestachelt, tötete er noch mehr, hinterließ dem Tod mehr Arbeit, die Leichen an den Straßenrändern, in den Gassen und auf dem Schlachtfeld einzusammeln, weil sich sonst keiner um sie sorgte. Sie würden für eine lange Zeit in einem fremden Land liegen, ohne Familie, die trauerte und sich fragte, wo ihr geliebter Sohn war. Sie würden nicht zur Ruhe gelegt werden, nie ihren Frieden finden und auf der Erde herumwandern, für immer verflucht, wie die Dämonen, die ihren Geist heimgesucht hatten, als sie immer verzweifelter wurden, diesen Krieg zu beenden.
All der Schmerz, das Leiden und die Trauer lagen auf seinen Schultern. Er nahm es auf sich damit es niemand anderes musste, denn so sehr er auch gehasst wurde, seit er den Menschen ihre Wünsche erfüllte, sie ihren Frieden finden zu lassen und ihr Leiden zu beenden, genauso sehr versuchte er, seine Pflicht, sein Gebot zu erfüllen, um allen zu zeigen, dass nicht er der Teufel war. Er erinnerte sich an die flehenden Hilferufe, die sehnsüchtigen Berührungen, die für immer auf seiner Haut verweilen würden.
Samodiva war schon seit sie ein kleines Kind war die Bürde des Todes bewusst, trug sie sie mit der gleichen Anstrengung, nur noch nicht für so lang. Sie konnte den Tod nicht hassen, denn er war mit ihr verbunden, fügte ihr die größten Schmerzen hinzu, die sie kannte, doch sie wusste nicht, was sie ohne ihm sein sollte. Er war schon immer ihr treuer Begleiter, ihr Weggefährte, der sich auf eine absurde Art um sie kümmerte. Selbst in diesen dunklen Zeiten, mit dem Krieg, der drohte, jeden alles zu nehmen, wenn er es nicht bereits getan hatte, schützte er sie, ließ sie ihre Aufgabe erfüllen und unterstützte sie, wie es wahrscheinlich niemand anderes konnte.
Tief atmete Samodiva ein, schaut aus ihrem bereits vergilbten Fenster, was den Blick auf die zerstörte Stadt freigab. Selbst nach all der Zeit war die Stadt nicht aufgebaut worden, hatten die Bewohner nach der letzten großen Bombardierung im Jahre 1942 es aufgegeben, vor Kriegsende ihre sonst so schöne und kostbare Stadt zu errichten. Samodiva hatte ihre Heimatstadt geliebt, das fröhliche Lachen der kleinen Kinder, die unbesorgt in den Straßen gespielt hatten, das helle Gerede der alten Damen, die sich gegenseitig den Kuchen der kleinen Bäckerei um der Ecke empfohlen hatten. Das Leben war in Coventry perfekt gewesen, doch dann besuchte der Teufel mit seinem Fegefeuer die Bewohner, die nicht einmal mehr hoffnungsvoll gen Himmel blicken konnten, weil er sich nur öffnete, um neue Flugzeuge zu offenbaren. In der Zeit schien es keine Sonne gegeben zu haben; der Himmel war geschwärzt gewesen, als Zeichen für den anwesenden Tod, der sich alles holen sollte.
Die Stadt hatte sich nie erholt; die Trümmer lagen noch immer auf den Straßen, in den Gärten der Familien, waren nun zum Spielfeld der Kinder geworden, doch die, die sich an die zwei Höllenjahre erinnern konnten, brachten es nicht zustande, mit einem Lächeln auf die kleineren zuzugehen. Es sah vielmehr aus wie eine Grimasse, die die Kinder nur noch mehr verschreckte.
Eine Gänsehaut schlich sich über Samodivas Körper, stellte alle Haare auf, so wie vor zwei Jahren, und brachte sie dazu, ihre zitternden Hände gegen ihre Oberschenkel zu drücken. Sie hatte sich nie von dieser Nacht erholen können und sie war auch nicht sicher, ob sie es jemals tun könnte. Selbst wenn in ferner Zukunft der Krieg beendet sein würde und jeder seinem Alltag nachgehen würde, so war jede Seele gezeichnet, noch mehr, als die Last des Todes, die sie schon seit Kindesjahren begleitete.
Ein kleines rothaariges Mädchen spielte in den Trümmern ihres alten Schuppens, der die letzten Bombardierung nicht überlebt hatte. All die Jahre hatten sie Glück gehabt, die ganze Stadt schien in Schutt und Asche zerfallen zu sein, doch ihr Haus hatte wie ein Lichtblick einer Kerze inmitten der Trümmer gestanden, bis es zu dem Tag kam, an dem sich alles änderte. Samodiva war sich nicht einmal sicher, ob es Glück gewesen war oder Zauberei, war sie doch nicht die einzige Hexe in dem Haus.
Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie wieder zu dem kleinen Mädchen blickte, das von seiner Mutter am Arm von den Trümmern weggezogen wurde, als würde das sie von dem Grauen befreien. Die alte Dame erinnerte sie an ihre eigene Mutter, die im Erdgeschoss wahrscheinlich gerade nervös auf und ab lief, weil ihre Tochter es nicht für wichtig erachtete, pünktlich ihr Zimmer zu verlassen, damit sie nicht wieder fast zu spät zum Zug kamen. Doch dies schien Samodiva nicht zu stören. Sie genoss die letzten Minuten in ihrem kleinen kargen Zimmer, blickte durch ihr gelbes Fenster und prägte sich jedes kleinste Detail ein, konnte es beim nächsten Besuch durch eine erneute Bombardierung verschwunden sein. Sie hatte das schon häufig in Hogwarts gehört, dass die Schüler in ihr zerstörtes Zuhause zurückgekehrt waren und nicht dabei gewesen waren, als das Grauen ihre Familie heimgesucht hatte.
„Samodiva, kommst du bitte. Wir sind schon spät dran." Die laute und etwas raue Stimme ihrer Mutter ertönte aus dem Erdgeschoss und erinnerte sie, dass sie sich nun doch beeilen sollte, denn ihre Mutter würde nicht nach ihr rufen, wenn die Zeit nicht knapp wäre. Schwermütig erhob sie sich aus ihrem kleinen Sessel, den sie vor einigen Wochen an ihr Fenster gestellt hatte, um während des Lesens oder Musik Hörens aus dem Fenster zu schauen und in Erinnerungen zu schwelgen, wie schön ihre Heimatstadt einst gewesen war. Samodiva schob den alten braunen Sessel wieder vor ihren Schreibtisch, nahm sich ihre Ringe aus dem Schmuckkästchen, dass sie nicht eingesteckt hatte, und blickte ein letztes Mal in ihr Zimmer. Sie würde diesen kleinen Raum vermissen, obwohl er die wohl schlimmsten Erinnerung bereit hielt.
Schnell schnappte sie sich ihren großen Koffer, da sie ihre Mutter bereits die Treppe hinaufgehen hörte, nahm sich noch ihren kleinen Rucksack, den sie eigentlich nicht brauchte, den sie jedoch von ihrem Bruder zum 16. Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Gerade als sie die alte Tür öffnen wollte, schwang sie auf und gab ihre Mutter frei, eine alte Frau mit leicht ergrauten Haaren, die streng zurückgebunden waren und ihre eisblauen Augen unterstrichen. Obwohl alles an ihr Strenge und Disziplin ausstrahlte, konnte Samodiva nicht anders, als bei dem Lächeln auf den blassrosa Lippen ihrer Mutter ebenfalls zu lächeln. Sie strömte Wärme und Heimat aus, was in der Zeit fehlte, besonderes wenn ein wichtiger Teil ihres Lebens mehrere hundert Kilometer entfernt auf dem Festland kämpfte, ohne sich mit Magie zu schützen. Samodiva bezweifelte, dass die vielen Schutzzauber, die ihre Mutter gesprochen hatte, gegen die Gewalt und den Blutdurst des Gegners ankamen.
„Wir müssen jetzt wirklich los." Die raue Stimme ihrer Mutter brachte sie aus ihren Gedanken, die sich erneut nur um ihren Bruder drehten. Sie hatte Angst, ihn nie wieder zu sehen, waren die Gefallenzahlen in letzter Zeit um ein vielfaches gewachsen, weil sich die Alliierten zusammen getan hatten, um die uneinnehmbare Festung Europa einzunehmen. Ihre Mutter lächelte etwas schief; sie wusste genau, an was ihre Tochter dachte. Ihre eigenen Gedanken hingen auch jeden Tag an dem Leben ihres Sohnes. Sie wartete eigentlich nur darauf, dass sie einen Brief kriegte. Doch bisher war alles gut gegangen und die Schutzzauber schienen zu wirken.
Vorsichtig nahm Ludmilla ihrer Tochter den rostbraunen Rucksack ab, warf ihn sich über die Schulter und schob das Mädchen aus der Tür, hin zur Treppe, vorbei an der geschlossenen Tür, an der noch das alte Schild ihres Bruders hing. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie er vor sechs Jahren das Schild angebracht hatte, um seinem Unmut zur Schau zu stellen, den er seit ihrer Einschulung in Hogwarts hegte. Nicht, dass er sie oder ihre Magie verachten würde, beides war ihm fast schon heilig, denn seit sie ein kleines Kind gewesen war, hatte er sie immer beschützt, vor allem außer ihrer eigenen Dämonen, wobei er ihr dabei ein sicherer Hafen gewesen war. Er hatte es nicht akzeptieren können, dass seine kleine Schwester nicht mehr unter seinem Schutz stehen würde, doch nun war er auch nicht mehr da und das Schild erinnerte sie an sein Versprechen, immer zu ihr zurückzukommen und sie vor allem zu beschützen. Ein Duplikat war in ihrem Koffer in ein Kissenbezug eingewickelt verstaut, damit sie eine Erinnerung von ihm mit nach Hogwarts nehmen konnte.
Ihre Schritte hallten laut von den Wänden wieder, als sie die alte und vermoderte Treppe hinuntergingen, der Koffer schwebte hinter ihnen her, war er doch viel zu schwer, um getragen zu werden. Samodiva wollte am liebsten die Hand ihrer Mutter abschüttelt, die immer noch auf ihrem Rücken lag. Sie hasste Körperkontakt, besonders jener, den sie nicht selber initiiert hatte. Als die beiden Frauen, so unterschiedlich wie Tag und Nacht am Sockel angekommen waren, hörten sie nur ein leises Klappern aus dem Nachbarzimmer, das durch eine geschlossene Tür von dem kleinen Flur getrennt war. Erschrocken blickte Samodiva zu ihrer Mutter auf, die sie selbst ohne ihr hohen Schuhe, die sie immer trug, wie es ihr von ihrer eigenen Mutter beigebracht wurde, ihre Tochter mit einem Kopf überragte. Es war nicht so, dass Ludmilla sehr groß war; eigentlich war ihre Größe der Durchschnitt; Samodiva war nur wirklich sehr klein, was ihr von ihrem Bruder immer wieder einige Sprüche eingebracht hatte.
Ein breites Lächeln legte sich auf ihre blassrosa Lippen und in ihre Augen kam wieder ein Hauch Leben, als sie die Kaffeemaschine hörte, die laut klapperte, da sie so selten benutzt wurde. Schnell schüttelte sie die Hand ihrer Mutter ab, die immer noch auf ihrem Rücken lag, und rannte in die Küche, die in den letzten zwanzig Jahren nicht renoviert wurde und noch so aussah, wie sie sich eine Küche eine sehr alten Dame vorstellte. An der Küchenzeile, die mit einem hellen Marmorton ausgekleidet war, stand ein älterer Herr in Uniform, sein Abzeichen glänzte in dem leichten Licht, das von der einsamen Glühbirne an der Decke den kleinen Raum erhellte. Erleichtert atmete Samodiva doch, als sie die blaue Uniform sah, die ihr immer Schutz versprach.
„Dad?" Eine kleine, glitzernde Träne rann ihre helle Wange hinunter, landete auf ihrer weißen Bluse und hinterließ einen nassen Fleck. Der angesprochene drehte sich bei der schwachen Stimme seiner Tochter mit einem breiten Lächeln um, dass die dunklen Augenringe und geschwollenen Augensäcke durch die vielen Lachfalten hervorhob. Die Welt war mit ihm in den letzten Jahren nicht gnädig gewesen, musste er viele Bataillone anführen und hatte er noch mehr Männer verloren, als Blätter an einem Baum hingen. Egal wie sehr er versuchte, vor seiner Frau und besonders vor seiner Tochter sich nichts anmerken zu lassen, so durchschauten beide Frauen ihn direkt. Die leicht gebückte Haltung, die auf seinen seelischen und körperlichen Schmerz zurückzuführen waren, war nicht zu übersehen.
Samodiva rannte ihm nur entgegen und schlang ihre zarten Arme um seine breiten Schulter, die er seit dem Training vom ersten Weltkrieg beibehalten hatte. Wie ein kleines Kind drückte sie sich so eng wie es ging an die Brust ihres Vaters, verbarg ihren zitternden Atem in seiner Uniform und ihre Tränen in seinem Hemd. Sie wollte ihn nicht mehr loslassen, hatte sie Angst, dass sie ihn beim nächsten Treffen nicht mehr sehen würde. Jedes Jahr verabschiedeten sie sich bei sich Zuhause, da ihr Vater nicht mit zum Bahnhof kommen konnte. Es war schon eine Seltenheit, wenn er einmal zu Hause war und nicht arbeitete, denn die Zeiten verlangten allen alles ab, besonders aber den Männern, die kämpfen mussten und nicht wussten, wie lang der Krieg noch dauern würde.
Mit einem zittrigen Einatmen kam Samodiva aus der aus der Halsbeuge wieder hervor und schaute in die ebenfalls mit Tränen versehen grauen Augen ihres Vaters, der sich noch ein Lächeln abmühte, dass eher wie eine Grimasse aussah. Es war fast schon Tradition, dass keiner von beiden ohne Tränen die Küche verließ. Dafür standen sie sich zu nahe.
Vorsichtig setzte Volant seine Tochter wieder auf den Boden auf und versicherte sich, dass sie sicher stand, bevor er seine Hände von ihrer Taille nahm und auf ihre Schultern legte, bedacht, sich nicht zu schnell zu verhalten und ihr die Zeit zu gehen, die Berührung abzuschütteln. Obwohl sie die Umarmung initiiert hatte, kam diese Berührung von ihm und er wusste, wie empfindlich sie bei sowas war.
„Was machst du denn hier, Dad?" Samodiva schüttelte die Hand nicht ab, verzog aber leicht das Gesicht, während sie voller Neugierde sprach. Ihr Vater war in letzter Zeit selten Zuhause, musste er so viele Entscheidungen treffen, die sie höchstwahrscheinlich nie wissen würde. Ein kleines erleichtertes Lächeln legte sich auf die alten und faltigen Züge ihres Vaters, als er die Freude und Liebe in ihren Augen sah, weil das in letzter Zeit die einzige Quelle seiner Kraft war und sie würde nun für eine ganze Weile in Schottland sein, ohne, dass er sie sehen konnte. Die Familie hatte sich am Anfang des Krieges dafür entschieden, dass Samodiva die Ferien auf Hogwarts verbringen würde, um dem Krieg und der Zerstörung zu entkommen, weshalb diese Umarmung wahrscheinlich die letzte für die nächsten Monate sein würde.
„Ich habe noch nie deinen Abschied verpasst, oder?", fragte Volant seine Tochter mit einem leichten schiefen Lächeln, dass sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte und ihr ebenfalls ein kleines Lächelns auf die Lippen zauberte, was direkt ihre Stimmung hob, obwohl sie sich noch immer in der veralteten Küche in der zerstörten Stadt befand, die sie in den letzten Jahren sowohl zu lieben als auch zu hassen gelernt hatte. Schnell schüttelte sie ihren Kopf, um die Frage nicht offen im Raum stehen zu lassen, doch die Antwort war jedem bekannt, selbst ohne ihre Kopfbewegung konnte jeder Blinder die Liebe zwischen den beiden sehen, die sie in der Zeit zusammenhielt. Denn ohne sie - ohne dieses kleine angenehmen und warme Feuer in ihrem Inneren, dass sie in der kältesten Nacht mit ihren schlimmsten Erinnerungen etwas erwärmte - wäre die Familie schon längst zerbrochen.
Ein lautes Krachen ertönte aus dem Flus, ließ beide stark zusammenzucken und mit panischen Augen in Richtung Tür schauen, die Erinnerung saß tief in ihrem Kochen. Panik machte sich in ihren Körpern breit, erfüllte jede Zelle und erfror die Adern, sodass sie steif dastanden. Niemand sprach über die Folgen des Krieges und der Zerstörung, doch jeder erlebte es am eigenen Körper, wenn alte Bilder wieder auftauchten und den ganzen Geist einnahem, obwohl man so lange daran gefeilt hatte, sie hinter dicken Mauern zu verstecken.
In der Tür stand Ludmilla, die, während sie auf die alte Stehuhr, die mit wunderschönen goldenen Ornamenten verziert war, geschaut hatte, den Zauber, der den Koffer zum Schweben brachte, aufgehoben hatte. Möglicherweise vor Schock, dass es schon so spät war und sie erneut auf die letzte Sekunde am Bahnhof ankommen würde, wie es die letzten jähre ebenfalls der Fall gewesen war. Eigentlich achtete die Familie darauf, immer pünktlich zu erscheinen, denn es schien, dass sich das militärische Training Volants aus dem ersten Weltkrieg auch in der Erziehung durchgesetzt hatte. Doch bei Verabschiedungen war die Familie schlecht. Die Eltern konnten nicht noch ein Kind in die Weite schicken, ohne zu wissen, wann sie es wiedersehen würden.
„Es ist schon kurz vor 11 Uhr, wir müssen los." Panisch begann Ludmilla den zu Boden gefallenen Koffer neben die bereits im Flur stehende große Tasche zu stellen, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hatte. Das grau-braune Teil hatte Ludmilla auf ihrer Reise aus Sowjetunion nach England begleitet und war nun treuer Begleiter der Jüngsten aus der Familie. In der Familie war Tradition und Familienangehörigkeit sehr wichtig und so besaß Joshua das Erbstück der Familie Knight; eine Kette mit dem Familienwappen, dass Samodiva schon immer hässlich gefunden hatte. Sich verkreuzende Schwerter, auf denen laut ihrem Großvater ‚Amor est pretiosior auro - Liebe ist kostbarer als Gold' stand. Da die Schwerter jedoch so klein waren und hinter einem alten Raben lagen, konnte man das Sprichwort nicht erkennen.
Ludmilla nahm ihre Tochter an die Hand; eine Angewohnheit, die sie seit dem ersten Tag in Hogwarts nicht abgelegt hatte; und zog sie in dem kleinen Flur, damit sie nicht zu spät kommen würden. Volant folgte den beiden Frauen und sah zu, wie sie ihre bereits heruntergelaufenen Schuhe und ihre Mäntel anzogen, um aus dem Haus zu treten. Obwohl es erst der erste September war, schien die Wärme des Sommers bereits verflogen und der kühlen Herbstluft Platz gemacht zu haben, dass es ohne eine Jacke zu kühl war. Als die beiden in ihren grauen Mänteln vor ihm standen, so unterschiedlich wie Tag und Nacht, konnte Volant nicht anders, als erleichtert zu lächeln, dass es doch noch etwas Schönheit auf der Welt existierte. Während er die beiden beobachtete, hob Samodiva die große grau-braune Tasche hoch und hängte sie sich um die Schultern. Ihre Mutter kümmerte sich währenddessen um den großen Koffer, in dem das ganze Hab und Gut ihrer Tochter verstaut war, da, im Fall eines Angriffs so jedes Erinnerungsstück sicher verstaut war. Der kleine rostbraune Rucksack hing ihr bereist auf dem Rücken. Bevor Samodiva durch die Tür ging, rannte sie noch einmal in die Arme ihres Vaters und genoss das bisschen Geborgenheit, dass er ihr spendete.
„Vergiss nicht den Zauber. Nicht, dass wieder etwas passiert." Obwohl Volant nicht viel Ahnung von Magie hatte, schaffte er es immer, seiner Tochter mit ihrer zu helfen. Eine Gänsehaut lief ihren Rücken herunter, als sie sich an das letzte Mal erinnerte, als sie den Zauber vergessen hatte; das würde ihr nie wieder passieren. Die Menschen in ihrer Umgebung hatten sie noch Wochen danach gemieden. Vorsichtig nickte sie, um ihrem Vater zu zeigen, dass sie den Fehler nicht noch einmal begehen würde. Als sich ihre Mutter zum wiederholten Mal räusperte, zog sich Samodiva aus der Umarmung zurück, wischte sich eine einzelne Träne, von der Wange und lächelte ihren Vater ein letztes Mal an, bevor sie die ausgestreckte Hand ihrer Mutter nahm und das vertraute Gefühl des Apparierens.
Das Gefühl war immer unangenehm. Ihr Magen schien kein Essen mehr bei sich zu behalten, ihre Arme schienen nicht mehr zu ihrem Körper zu gehören, so sehr wurden sie gestreckt und verdreht, und ihr Kopf schien durch die vielen Farben und Eindrücke keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können, so sehr drehte sich alles. Sie sah ihren Körper aus Richtungen, die sie für unmöglich gehalten hatte, doch ihre Anatomie setzte sich nach nicht einmal einer Sekunde wieder zusammen und sie kam auf dem überfüllten Bahngleis 9 3/4 zu stehen.
Eine bunte Menge aus Zauberern und Muggeln erschien vor ihren descloizitfarbenen Augen. Von dicken Pelzmänteln bis komischen Hüten war alles dabei, was zusätzlich zu der durch den Bahnhof hervorgehoben guten Stimmung ihr ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte. Die rote Eisenbahn pfiff einmal laut, um den letzten Schülern zu signalisieren, sich schnellstmöglich in den Zug zu begeben. Erschrocken drehte sich Samodiva zu ihrer Mutter um, die sie bereits mit Tränen in den Augen anschaute und haderte, wobei sie sich schlussendlich doch entschied und ihre Tochter in eine knochenbrechende Umarmung zog. Samodiva versteifte sich kurzerhand, sie verstand jedoch die Gefühle ihrer Mutter, dass sie kein weiteres Kind wegschicken wollte, weshalb sie der älteren Frau vorsichtig eine Hand auf den Rücken legte und ihn tätschelte. Ihr war es schon immer schwer gefallen, andere Menschen zu trösten.
Tief atmete Ludmilla ein, drückte Samodiva ein letztes Mal eng gegen ihre Brust und erinnerte sich, wie sie als Elfjährige ganz aufgeregt vor ihr gestanden hatte; Angst hatte in ihren Augen geflimmert, da sie sich gefürchtet hatte, keine Freunde zu finden und als Freak abgestuft zu werden. Doch die Befürchtungen ihrer Tochter waren nicht wahr geworden und ihre beiden Freundinnen warteten wahrscheinlich schon ganz nervös in dem Zug, der einen letzten Pfiff von sich gab. Schnell legte Ludmilla Samodiva den Rucksack um die Schultern, gab ihr den Koffer und schob sie in Richtung Lock; sah ihr hinterher, wie sie sich mit den vielen großen Taschen umständlich durch die Menge wand und dabei bedacht war, niemanden zu berühren. Ihre Angst vor Körperkontakt schien bei fremden Personen noch stärker hervorzutreten als bei ihren Freunden oder in ihrer Familie. Eine kleine Träne rann Ludmilla die Wange hinunter, als sie weiterhin versuchte den rabenschwarzen Haarschopf ihrer Tochter auszumachen, der langsam aus ihrem Blickfeld verschwand und erst wieder an der noch geöffneten Tür des Zuges auftauchte.
Samodiva war erleichtert, als sie den vielen Eltern, die ihren Kindern zuwanken und Tränen vergossen, endlich entkommen war und in den vollen Zug einsteigen konnte, denn selbst durch die von dem Bahngleis hervorgehobene gute Laune schienen ihre Mundwinkel nach unten gerichtet und ihre Schultern zusammengesunken zu sein. Mit den vielen Taschen war der Aufstieg der Leiter zum Zug beschwerlich, sie musste sich aber beeilen, da sie den Schaffner bereits sah, der auf sie zukam, um die Tür zu schließen. Sie durfte den Zug nicht verpassen. Laut ihren Informationen hatte das bisher kein Schüler geschafft und sie wollte nicht die erste sein und herausfinden müssen, was dann geschehen würde. Als sie endlich in dem Gang von ihrem Wagen stand, die Luft vibrierte von den vielen Stimmen und der guten Laune, atmete sie erleichtert durch und machte sich auf den Weg zu dem Abteil, dass sie seit der ersten Klasse mit ihren Freundinnen belegte.
Der Gang war schmal und erdrückte sie fast, als sie versuchte, den großen Koffer hinter sich herzuziehen. Einmal stolperte sie sogar über ihre eigenen Füße, stieß einen leisen Schrei aus und ließ fast ihre große Tasche und ihren Rucksack fallen, fing beides jedoch noch auf, was ihrem Gleichgewicht nicht half. Genau in dem Moment kam ihr eine Gruppe Jungs entgegen, die in ihrem Jahrgang waren. Die Aura und Macht der sieben Herren, die so gepflegt und hochnäsig wie immer durch den Gang liefen, als würde er ihnen gehören, fror die Luft ein und ließ jeden den Kopf senken. Es war nicht so, dass sie irgendwie die Könige oder Monarchen der Schule waren, ganz im Gegenteil, aber sie hatten eine Ausstrahlung, die jeden einschüchterte, oder zumindest dachte sich das Samodiva, da sie keinen von ihnen in die Augen schauen konnte und hoffte, nicht die einzige zu sein. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust und ihre Handflächen waren schwitzig, wodurch sie ihren Griff an ihrer Tasche verlor, die mit einem lauten Knall auf dem Boden aufkam und zwei der Männer dazu veranlasste, in ihre Richtung zu blicken. Die beiden Augenpaare, das eine so grau wie ein Wintersturm, der alles und jeden mit sich in die Tiefe nahm, das andere in einem haselnussbraun, dass sie an ihre Freundin erinnerte, jedoch ohne die ihr bekannte Wärme, wanderten einmal über ihre kleine und zusammengesunkene Figur, bevor sie sich wieder zu ihrem ursprünglichen Ziel wendeten.
Die leisen und tiefen Stimmen drangen zu ihr durch, doch sie konnte keine Worte ausmachen und bevor sie genauer darüber nachdenken konnte, wandte sich die Gruppe um den wohl aristokratischsten Mann der Welt und Abbild eines Gottes nach rechts und betrat ein großes Abteil, das anscheinend schallisoliert war, denn das Brummen verstummte und zurück blieb das Quietschen der Scharniere und das leise Klappern der Türe, die bei jeder Bewegung gegen ihre Rahmen zu stoßen schienen. Erreichtert atmete Samodiva einmal ein, verstärkte ihren Griff um ihr Gepäck, dass sie wieder aufgehoben hatte, und machte sich weiter auf den Weg zu ihrem Abteil, dass nur noch einige Meter entfernt war. Die kleine Tür, hinter der sich ihre beiden Freundinnen befanden, hatte noch nie so anziehend gewirkt wie in diesem Moment und als sie mit ihren immer noch schwitzigen Händen den Griff umschlang, etwas angespannt, da sie jegliche Bewegung der Räder wahrnahm, freute sie sich auf die freundlichen Gesichter, die ihr mit großen Lächeln entgegen blicken würden.
Mit einem kräftigen Zug flog die Tür auf und gab das Innenleben des kleinen Abteils frei, in dem sich zwei Frauen befanden, jeweils eine auf einer Bank, die Gepäckstücke in dem Gepäckfach über ihnen, wodurch viel Platz frei war, den Samodiva mit ihrem großen Koffer und ihrer großen Tasche einnahm. Sie fragte sich in solchen Momenten immer, warum ihre Mutter ihre Zauberkraft nicht dazu einsetzte, das Gepäck schrumpfen zu lassen oder mehr Platz zu schaffen, wodurch sie nicht mit zwei großen Gepäckstücken rumlaufen musste; ihre Mutter verehrte jedoch die Lebensweise der Muggle, die ihr von ihren Eltern immer als unsittlich und unschön beschrieben wurde. Und so musste Samodiva die Vorliebe ihrer Mutter ertragen und mit für ihren Geschmack viel zu vielen und viel zu großen Taschen reisen.
Als sie eintrat, richteten beide Frauen ihre Augen auf sie; die braunen Augen, die denen von vor einen Minuten so sehr ähnelten, aber unendlich viel Wärme ausstrahlten, gehörten zu der Blondine, die rechts saß und ein breites Lächeln auf den Lippen hatte, bereits sprungbereit, um ihrer Freundin um den Hals zu fallen, als ihr in dem letzten Moment einfiel, wie sehr die Schwarzhaarige Umarmungen hasste. Stattdessen versuchte sie noch mehr Wärme und Liebe durch ihren Blick und ihr Lächeln in den Raum zu transportieren, da sie wieder mit den für sie wichtigsten Menschen auf der Welt vereint war. Die grünen Augen gehörten zu der braunhaarigen Schönheit, die mit geradem Rücken und zurückgezogenen Schultern auf der anderen Bank saß und ihr ebenfalls ein kleines Lächeln entgegenbrachte, das ihre weißen Zähne zum Vorschein brachte.
„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen", lachte Estrella auf, während sie sich wieder an die Bank lehnte und ihre blonden Haare hinter ihr Ohr strich, in dem ein kleiner glitzernder Ohrring steckte. Samodiva hätte am liebsten aufgelacht, denn das passierte ihr jeden Tag, doch sie wusste, dass sie nach dem Vorfall im Gang wie eine Leiche aussehen müsste; noch mehr, als sie es durch ihren sowieso sehr hellen Teint tat. Während sie versuchte, ihren großen Koffer neben den roten Koffer von Orphea in das Kofferfach zu heben, schüttelte sie ihren Kopf, wodurch ihr ihre offenen Haare vor die Augen fielen, die sie wieder hinter ihr Ohr streichen musste.
„Sag nicht, dass du Riddles Gang über den Weg gelaufen bist", sprach Orphea verachtend aus und lehnte sich langsam gegen die Metallwand des Abteils, wobei ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Die Kälte fraß sich durch ihr elegantes schwarzes Seidenoberteil, dass ihre Oberweite zum Vorschein brachte. Während sie sich nach vorn beugte, um ein Kissen aus ihrer magisch vergrößerten Tasche zu fischen, dass sie sich dann hinter ihren Rücken legen konnte, schaffte es Samodiva ihren Koffer auf die Ablage zu legen und ließ sich erschöpft in die Kissen neben Estrella fallen. Die Blondine bot ihr einen Schokofrosch an, da sie wusste, wie sehr ihre Freundin diese liebte. Sie hingegen hasste sie, kaufte jedoch immer einen, um ihrer Freundin eine Freude zu machen.
„Wem sollte ich denn sonst über den Weg gelaufen sein?" Samodiva schüttelte mit einem Lächeln auf den Lippen ihren Kopf. Von ihren Freundinnen umgeben zu sein, befreite sie von dem Druck der Welt auf ihren Schultern und ließ sie wieder ein ganz normaler Teenager sein. Während sie bei sich Zuhause immer an die Schrecken des Krieges erinnert wurde, an die vielen Toten, die sie jede Nacht heimsuchten, um vielleicht doch ihren Frieden finden zu können, schien Hogwarts schon immer wie ein Lichtschimmer am Ende des Tunnels. Keine Geister mehr, die nicht wussten, wer sie umgebracht hatte und deswegen nicht ihren Frieden finden konnten. Keine schattenhaften Erinnerungen an die schlimmste Nacht ihres Lebens. und vor allem keine Nachbarn, die so taten, als hätte nach 1942 das Leben wieder einen Sinn, selbst wenn sie sich quälten. Samodiva konnte zum ersten Mal wieder befreit atmen. Entspannt zog sie ihre Schuhe aus und zog ihre Beine an ihren Körper, wodurch sie als kleine Kugel auf der Bank saß.
„Irgendwann musst du dich an sie gewöhnen", lachte Estrella laut auf und kniff Samodiva in die Seite, was sie laut aufschreien und danach lachen ließ. Die Blondine zauberte ihr immer ein Lächeln auf die Lippen. vielleicht war es auch ihre Bestimmung, gegen die Schatten in ihrer Seele anzukämpfen und etwas Wärme in die sonst so dunklen Gedanken zu bringen. „So schlimm sind sie nicht, glaub mir." Schnell schnappte sich Estrella eine Kürbispastete, bevor Orphea sie von dem kleinen Tischchen klauen konnte, weshalb jene nur die Augen rollte, sich wieder an die Metallwand anlehnte und über die Bemerkung ihrer Freundin verachtend den Kopf schüttelte. Nach all den Jahren, die sie die beiden Frauen nun schon kannte, konnte sie die Diskussion nicht mehr mit anhören.
„Das sagst ausgerechnet du." Samodiva schüttelte bei Orpheas Kommentar lachend den Kopf, weil ihre Freundin Recht hatte. Estrella kannte sich in den Reihen von Riddles Gang nur zu gut aus, weil ihr Bruder ein Teil davon war. Obwohl sich die Freundinnen nur zu gern über Riddles Gang aufregten, da Samodiva jedes Mal, wenn einer der Jungs ihr entgegen lief, einen Umweg machte, konnte Estrella nicht umher, jedes Mal zu lachen. Sie hatte es noch nie verstanden, wie man vor ihrem Bruder Angst haben konnte. Für sie war er der größte Idiot, den die Welt jemals gesehen hatte, aber so liebten sich die Geschwister. Sie konnten sich nicht leiden, aber ohne einander konnten sie auch nicht. Samodiva wünschte sich in solchen Momenten ihren eigenen Bruder an ihre Seite; ihren Anker und Fels in der Brandung, denn egal wie viel Freude sie bei ihren Freundinnen empfand, gegen das Loch in ihrem Herzen, gegen die unheilvolle Stille in ihrer Seele, konnte nur ein Mensch auf dieser Erde etwas tun und dieser war auf dem Festland und kämpfte um sein Leben und das seiner Kameraden.
Die Schwarzhaarige hatte ihn schon immer für seinen Mut bewundert, wusste sie von sich selber, dass sie sich nie auch nur aus dem Haus getraut hätte, wenn sie eine solch schwerwiegende Aufgabe zu erfüllen hätte. Doch sie war nicht ihr Bruder und er hatte sie vor seiner Abreise etwas versprechen lassen, dass sie in den letzten Jahren versuchte, einzuhalten. Für ihn ließ sie sich nicht unterkriegen und lebte von einem Tag zum nächsten; nur, damit sie den Goldjungen, der ihr nicht einmal ähnlich sah, wiedersehen würde.
„Als ob du besser wärst", warf Estrella Orphea vor, riss Samodiva aus ihren Gedanken, die ein leicht schwermütiges Lächeln hinterließen, und hielt sich immer noch ihre Seite, da sie von dem ganzen Lachen Seitenstiche bekam. Die Kürbispastete schien in ihrer Hand vergessen und weichte langsam auf, wodurch sie später nicht mehr genießbar sein würde. Doch in diesem Moment konnte Estrella nicht umhin, ihre beste Freundin aufzuziehen und über den leichten roten Schimmer, der sich auf die blassen Wangen der Schwarzhaarigen legte, noch mehr zu lachen. Auch Samodiva konnte sich, nachdem sie das Thema verstanden hatte, nicht zusammenreißen und musste schadenfroh auflachen. Vergessen waren die schweren Gedanken und Gefühle, die ihre Seele vergifteten und ihre Adern zu Eis werden ließen. Vergessen war für einen kurzen Augenblick die Furcht der letzten Tage und Monate.
Ihre Freundin tat immer, als würde sie nichts und niemand interessieren, doch sie hatte schon seit einer Weile einen Blick auf den Bruder ihrer besten Freundin geworfen. Obwohl sie sich immer vorgenommen hatte, es niemanden zu sagen und es sich auch nicht anmerken zu lassen, kannten Samodiva und Estrella sie nur zu gut. Und der Blondine machte es überhaupt nichts aus, dass eine ihrer besten Freundinnen auf ihren Bruder stand, denn so hatte sie nicht nur eine Schwester im Herzen, sondern hoffentlich auch bald - wenn sich die beiden Turteltauben endlich durchringen und aufeinander zugehen würden - eine echte Schwester.
„Das stimmt nicht." Orphea schüttelte vehement den Kopf. Ob sie sich das selbst einreden wollte oder ihren Freundinnen, war nicht eindeutig. Sie konnte es einfach nicht verstehen, wie sich ihr Herz den in ihren Augen größten Idioten auf der Welt aussuchen konnte. Sie kannte den Jungen nun schon seit sechs Jahren und hatte ihn die ersten Jahre gehasst; nicht nur ihn, sondern alle Jungs aus Riddles Gang, doch seit letztem Mal schlich sich immer wieder ein Lächeln auf ihre Lippen, wenn Raphaël das Thema war.
Estrella wackelte nur noch einmal mit den gezupften Augenbrauen, die einen angenehmen Schwung hatten, und wandte sich wieder ihrer Kürbispastete zu, die sie mit einem leicht verzogenen Gesicht in den Mund nahm und aß. Wie sie nach all den Jahren noch ihre Figur halten konnte, war Samodiva ein Rätsel, ebenso das sie ihre andere Freundin nie essen sah. Irgendetwas schien die Braunhaarige davon abzuhalten, sich in manchen Situationen ihren Freundinnen zu öffnen und sich ihnen anzuvertrauen, doch sie war es gewohnt, hatten sie die letzten sechs Jahre in ihrem Schlafsaal genügend Lachen geteilt, Wutanfälle überstanden, Tränen verdrückt und schlaflose Nächte gehabt. Die Freundinnen sind bereits vor Ende der Schullaufbahn durchs Feuer gelaufen und würden es für den jeweils anderen auch noch weiter tun.
Schmunzelnd schüttelte Samodiva ihren Kopf. Ihre Freundesgruppe war wirklich eine interessante Mischung, doch sie wollte sie nie wieder missen, denn jede von ihnen hatte einen Teil ihres Herzens, einen Teil ihrer Seele eingenommen und wenn auch nur einem etwas zustoßen würde, wüsste sie nicht, was sie tun könnte. Doch wenn sie sich nun in dem kleinen Abteil umschaute, das vor ihrer Ankunft ordentlich gewesen und nun vollgestellt mit ihren Taschen war, Decken auf dem Boden und über ihren Beinen, jeder in etwas vertieft und eine angenehme Stille in der Luft, die eine willkommene Abwechslung zu den rauen Nächten der letzten Jahre war, hatte sie Vertrauen, dass sich alles wieder zum Besseren neigen würde und die Menschheit nicht immer auf der Hut sein müsste. Doch das Vertrauen der Unschuldigen war des Lügners beste Waffe.
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Herzlich willkommen zu whispers of the past.
Ich hoffe, euch hat das erste Kapitel gefallen und ihr seid gespannt wie es weitergeht. Natürlich habe ich die Geschichte schon durchgeplant, aber ich liebe es, eure Theorien zu hören.
Wenn euch etwas aufgefallen ist, was euch stört oder wo ihr Verbesserungsvorschläge habt, könnt ihr mir sehr gerne schreiben; Kritik ist wichtig, um sich weiterzuentwickeln und zu lernen.
Das nächste Kapitel wird leider erst in ein paar Wochen kommen, ich wollte euch dieses jedoch nicht vorenthalten.
Ich wünsche euch einen schönen Start in die neue Woche <3
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