𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏 - 𝐃𝐞𝐫 𝐛𝐞𝐬𝐜𝐡𝐰𝐞𝐫𝐥𝐢𝐜𝐡𝐞 𝐌𝐚𝐫𝐬𝐜𝐡 𝐝𝐞𝐬 𝐇𝐞𝐞𝐫𝐬
𝒟ie blendend grelle Sonne vermochte schier unbarmherzig zu Grunde zu strahlen, brachte diesen wahrhaftig zum Erglühen. Lavastein schenkte der von Gebirgen umgebenen Landstraße ihr tiefes Schwarz, was das Aufheizen gewiss nur begünstigte. Ich erinnere mich an flirrende Schliere in der stehenden Luft, indes die Hitze gleichsam bleischwer auf den Schultern lastete. Mit keinem japsenden Atemzug schien sie einem genug Sauerstoff schenken zu wollen, sondern raubte einem viel lieber listig den Versand.
Ragnars jugendlicher Körper bettelte nach kühlem Wasser, seine Zunge klebte misslich schwer an seinem Gaumen, Mund und Hals wirkten wie ausgedörrt. Aber und abermals schluckte er, doch wollte dies einfach keine Besserung bringen. Bei Mondgöttin Vidår, womit nur hatte er dies verdient: Seit Stunden schon peinigte ihn der Durst, zerrte gemeinsam mit der stählernen Erschöpfung schwer an seinem Leib. Kopfschmerzen stichelten aufgeregt umher. Die fest zusammengebundenen Arme und Hände schon ganz taub, vermochte sein entkräfteter Unterleib dafür umso mehr zu schmerzen: Ein ziehendes Elend schlängelte sich von den wunden Füßen über seine Knie bis zu den Schenkeln. Derweil ein ungestümer Dolch mit jedem Schritt tiefer und tiefer in seine lodernden Lungen schnitt.
Am liebsten hätte der Junge nach seiner Brust gegriffen, so sehr tobte und ziepte sein Herz vor Schwäche darunter. Konnte er jedoch nur auf seine dreckige, zerfetzte Kleidung hinab sehen. Das seichte Blau, sowie die weißen Ausschmückungen seines Oberteils waren durch all den Schmutz kaum noch zu erkennen. Das tiefe Blau seiner Hose wurde von ungezählten, dunklen Flecken eingenommen. Blickte er auf seine mit Pelz gefütterten Stiefel, Mondgöttin Vidår behüte hatte er überhaupt noch welche, deren Leder sich bereits von der Sohle abzulösen drohte. Seinen tiefblauen Mantel hatte man ihm weggenommen, trauerte er jenem bei dieser Hitze aber gewiss nicht weiter hinterher.
Ich kann euch getrost verraten, von Ragnar Rekjåvic, dem jüngsten Prinzen des Wasserkönigreichs, war kein Deut mehr übrig: Das blonde Haar matt zerzaust, die helle Haut befleckt mit fahlem Unrat. Die sonst blassblauen Iriden grau getrübt. All den güldenen Schmuck hatte man ihm entrissen. Seine schwingenden Ohrringe, die eindrucksvolle, sattblaue Juwelen aufgewiesen hatten. Die Kette, mit dem selbigen Edelstein. Überdies die prünkvollen Armbänder, welche mit ihrer Schönheit gewiss ebenbürtig gewesen waren. Die Krieger des Feuerkönigreichs hatten prompt ihren Wert erkannt - natürlich hatten sie das. Und schon bald würden sie der werten Königsfamilie als Präsent überreicht werden. War es fürwahr kein Geheimnis, dass diese sich an exotischen Schmuckstücken erfreute, schließlich ließ sich das eigene Haupt doch so gut damit brüsken.
Das Heer, in welchen Ragnar mit anderen seines Stammes dazu verdammt war, zu marschieren, kroch nur mühsam die Berge hinauf. Oh nicht doch, keiner von ihnen vermochte auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, Wasser zu bändigen und hierdurch gar eine Rebellion anzuzetteln. Nein, hatten sie geraden ganz andere Sorgen. Zudem war das Element des Wassers gewiss nicht närrisch schwächlich, doch in einem solch entkräfteten Zustand hatten sie gegen die Bezwinger des Feuers gewiss keinerlei Aussichten auf Erfolg. Und so liefen sie weiter auf einem Pfad, welcher, zu unser aller Leidwesen, meist steil war. Wurde dieser, wenn überhaupt, nur geradlinig, verbanden steinerne Brücken die emporragenden Berge miteinander. Angeführt von Feuerbändigern auf stolzen Reittieren, hintenrum getrieben von Kriegern ohne jegliches Mitleid. Über hundert Mann musste die Truppe stark sein, dieweil weit mehr als die Hälfte in Ketten lag. In drei Reihen waren sie hierbei nach Adel und Bürgerlichen getrennt worden, wodurch das spätere Verteilen auf den Sklavenmärkten erleichtert werden sollte.
Die Eltern oder die Geschwister unseres Prinzen konnte ich in den Reihen jedoch nicht ausfindig machen.
Ragnar konnte nicht mehr. Die Atmung des Jungen ging schwer, dieweil es in seinem Hals ganz merkwürdig zu ziepen begann. Bei Vidår, er brauchte dringend etwas zu Trinken und endlich eine Pause.
Den langwierigen Weg zu Schiff und zu Fuß von dem weit entfernten Wasserkönigreich hatte er bereits hinter sich gebracht, doch jetzt, mit dem angstverzerrten Blick auf die ferne Hauptstadt, schien seine Kraft unumstößlich den Hinschied zu finden. Was nur würde mit ihnen geschehen? Wo würde man sie hinbringen - auf einen Handelsplatz? Und was würde danach passieren? Dem Kinde des Wassers vermochten unendliche Gedanken durch den Kopf zu schießen, waren es sogar so viele, dass er nicht auch nur einen von ihnen wirklich klar fassen konnte. Doch waren es gleichsam Fragen, auf die er sobald Antworten erhalten würde. Auch, wenn sie ihm gewiss nicht gefallen werden.
Zusammen mit der lodernden Angst und der barschen Ruhelosigkeit, die seinen Körper einnahmen wie eine tückische Krankheit, ergab dies eine wirklich arglistige Mischung. Überdies zerbrach er sich sein hübsches Köpflein darüber, wie er nur den Tätigkeiten eines gewöhnlichen Sklaven nachgehen sollte.
Er, der Prinz eines fernen Landes. Hatte er doch überhaupt keinen Deut, wie man jemandem diente!
War er es gewohnt gewesen, ein Leben in honigsüßem Luxus zu führen. Mit duzenden Bediensteten, welche nur nach seinem Wohlergeben gestrebt hatten. Jeder noch so kleine, unbedeutende Wunsch hatte man ihm von den Lippen gelesen, ihn von allem ferngehalten, was Anstrengung bedeutete. Und nun solle er selbst diese mindere Stellung einnehmen? Wie könnte er nur?
Wie-
Eine ältere Frau nebst dem Prinzen fiel zu Grunde, riss diesen aus seinen trüben Gedanken. Aufgrund der Fesseln, welche die Reihen zusammen hielten, rupfte sie andere auch noch mit sich. Mit einem Ächzen vermochte sie auf dem Lavastein aufzukommen. Wie auch hätte sie ihren Sturz abfangen sollen, wenn ihre Hände doch fest miteinander verbunden waren?
Die ohnehin langsame Geschwindigkeit des Heers kam ins Taumeln: Die vorderen Bändiger zerrten an den eisernen Ketten, die Hinteren drohten die zu Grunde gestürzten beinah zu übertrampeln. Nur die Mitte kam mit all den Gefallenen nicht recht voran.
„Steht auf, ihr Gesindel!", ertönte alsgleich eine entnervt dunkle Stimme. „Na wird's bald!", ein donnernder Hieb über den Köpfen folgte. Die aus Flammen bestehende Peitsche, entsannt der Hand eines Kindes des Feuers, schellte erneut durch die Luft. Im Licht schimmernde Glut fiel hinab und drohte beinahe, die umliegende Pflanzenwelt in Brand zu setzen.
Denn bei dieser Hitze genügte sicher nur ein Funke und alles würde in gierigen Flammen aufgehen.
Die Natur um sie herum erstrahlte in sattem Grün, blühte in den farbenfrohsten Tönen. Bäume mit auffällig gezeichneter Rinde ragten gen Himmel empor, indes große, dunkle Felsen zwischen ihnen ruhten. Prächtige Wasserfälle flossen von den hohen Bergen hinab und wenn die Lage nicht so überaus misslich gewesen wäre, muss ich unverblümt zugeben, hätte Ragnar diesen malerischen Anblick womöglich sogar genießen können. Denn jener idyllischer Augenschmaus war dem Jungen fremd: Dort, wo er herzukommen vermochte, beherrschte blütenweißer Schnee und frostklirrendes Wasser das Bild. Für einen Wimpernschlag, so sah Ragnar das ozeantiefe Blau seiner Königsflagge und die aus reinem Schneefall errichteten Gebäude. Ja, glaubte er sogar, die ewige Kälte des Südpoles auf seiner blassen Haut spüren zu können, die klaren Nebelschwaden von Schwadronaden vor sich ausmachen zu können. Doch das alles vermochte nur ein verächtliches Gebilde seiner Fantasie zu sein.
All diese Gewächse, die vielen Vulkane um sie herum, die in Größe und Form nicht hätten unterschiedlicher sein können - all das war völlig neu.
„Ihr wurdet ganz gewiss nicht gefasst und den ganzen beschwerlichen Weg hier her gebracht, um nun niederzugehen und nach euren Müttern zu rufen.", plärrte einer der Kinder des Feuers. „Also lauft gefälligst weiter, sonst gnade euch Elendigen Feuerdrache Ozai!", nur sehr schwerfällig konnten sich die gestürzten Wasserbändiger erheben, hinderten sie die schweren Ketten daran, Balance halten zu können.
Ich kann euch leider nicht genau sagen, wie lange das Heer noch über die Landstraße marschierte, doch schien der Weg nie seinen Hinschied finden zu wollen und das eiserne Mauerwerk der Hauptstadt vermochte auch weiterhin in weiter Ferne zu bleiben.
Doch fiel Ragnar auf, je näher das Heer dem rot-güldenen Stadttor kam, desto geschmückter wurde die dunkle Landstraße: So vermochten glutrote, runde Laternen ihren Platz gefunden zu haben, meist geziert von dem allmächtigen Feuerdrachen. Von güldenen Mustern und Symbolen. Hingen sie etwa von hölzernen Pfählern hinab oder waren meterlang zwischen ihnen gespannt. Im Einklang mit dem Grün der Natur, den reich gefüllten Seen und den Bergen im Hintergrund gab dies ein wirklich malerisches Bild ab.
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Die pflanzliche Vielfalt tauchte das Feuerkönigreich entgegen aller Erwartungen in ein kräftiges Grün. Die Vulkanerde so reich an vielen Nährstoffen, brachte die Flora so ungestüm zu gedeihen. So konnten sich die Kinder des Feuers eines beträchtlichen Ertrags der Felder gewiss sein. Waren sie gleichwohl bei der großen Bewohnerzahl die das Land beherbergte, auch darauf angewiesen. Doch Feuer gab und Flammen nahmen, so waren verheerende Brände gewiss nichts ungewöhnliches.
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