012. Unbekannte Gesichter
02. September 1977
Hermine, Ron, Neville und Draco traten nach einem höflichen Klopfen durch die Tür zurück in das Büro ihres ehemaligen Schulleiters, Professor Dumbledore. Der blonde Slytherin wirkte nach wie vor nicht überzeugt von ihrer Erklärung, wieso sie hier waren und was dieses 'hier' überhaupt sein sollte.
Denn um ehrlich zu sein, schien eine Zeitreise doch mehr als nur weit hergeholt zu sein. Er wusste nicht, was er hinter der dunklen Holztür erwartet hatte zu sehen, doch als er den alten Mann mit der krummen Nase, dem langen weißen Bart und den halbmondförmigen Brillengläsern hinter seinem alten Schreibtisch sitzen sah, schoss ihm das Blut in den Kopf.
Augenblicklich fühlte er sich zurückversetzt in sein sechstes Schuljahr, als ihm von Lord Voldemort persönlich aufgetragen wurde, seinen Schulleiter umzubringen...
Er wagte es nicht dem großen Mann direkt in die Augen zu sehen und senkte lieber seinen Blick, das Atmen fiel ihm immer schwerer.
"Wie schön, gerade rechtzeitig", sagte Dumbledore und erhob sich. "Mr. Potter hier hat mich, was ihre Reise hierher betrifft, ins Bild gesetzt und ich kann ihnen versichern, von so einer Art Zeitreise habe ich zuvor noch nie gehört, doch selbstredend werde ich mich um Euretwillen darum bemühen, einen Weg für euch zurück in eure Zeit zu finden."
Er trat auf die vier Neuankömmlinge zu. Seine Pupillen verfolgten jede von Dracos Bewegungen, ehe er vor ihm zum Stillstand kam, vor ihm hoch aufragte.
"Sie sind demnach Mr. Draco Malfoy?"
Draco hob den Kopf und nickte. "Professor."
Seine Nase war nicht mehr gebrochen, und das Blut war auch verschwunden. Die junge Madam Pomfrey hatte ihn nicht ohne eine gründliche Untersuchung gehen lassen wollen - zumindest das schien sich in keiner Zeit zu verändern.
"Nun, nun", senierte der alte Mann, "auch von Ihnen habe ich so einiges gehört. Ich bin überrascht, Sie in einer solch guten Verfassung zu sehen. Darf ich annehmen -?"
"Madam Pomfrey."
Dumbledore nickte zufrieden. Sein eisblauer Blick glitt über die Unhänge der fünf und fand schließlich wieder Dracos Gesicht.
"Sie sind ein Slytherin?", fragte er.
"Ja, wieso? Haben Sie immer noch Vorurteile gegenüber unserem Haus?", blaffte der Malfoy unwirsch zurück, woraufhin Granger nach Luft schnappte, doch Draco hatte keinerlei Interesse daran Nettigkeiten vorzutäuschen, wenn alles was er beim Anblick des ehemaligen Schulleiters spürte Schuld war... ein Gefühl, das er gerade nun wirklich nicht gebrauchen konnte, wo die Wut ohnehin unter der Oberfläche brodelte und wieder nur darauf wartete freigelassen zu werden.
Das wäre alles nicht passiert, wenn Potter nicht seine Klappe aufgerissen hätte - oder wenn er selbst, Longbottom in Frieden gelassen hätte... - es war Potters Schuld, es war immer seine Schuld. Er, der Auserwählte, der Junge, der alles in den Schoß gelegt bekommen hatte... und Draco?
Im Grunde bemitleidete er nur sich selbst, dass er in einer solchen Situation gelandet war, wo er doch sowieso schon genug ertragen musste. Potter, der immer währende Held. Dabei war er es doch, der ihnen allen den ganzen Schlamassel überhaupt erst eingebrockt hatte.
Dumbledore rümpfte die Nase. "Man sollte die Schuld nicht immer nur bei den anderen suchen, Mr. Malfoy. Das ist keine gute Eigenschaft."
Draco runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen, er war so sauer gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie seine Gedanken durchforstet worden waren.
"Genauso wenig wie in den Köpfen der anderen herumzustöbern", entgegnete er scharf, doch Dumbledore gluckste nur.
"Da haben Sie wohl Recht."
Der alte Mann breitete festlich die Arme aus und deutete auf ihre Roben.
"Sie vier", er nickte Potter, Granger, Longbottom und Weasley zu, "werden auch in dieser Zeit das Haus Gryffindor besuchen, während Sie, Mr. Malfoy, nach Slytherin gehen werden - ich denke, so sollten wir am wenigsten für Komplikationen sorgen, auch wenn das von Ihnen, Mr. Potter, einiges abverlangen dürfte. Ich vertraue aber auf Ihre Diskretion, bis wir mehr in Erfahrung gebracht haben, wie sehr Ihr Eingreifen die Zeitachse beeinflusst."
Potter nickte matt.
Dumbledore fuhr fort: "Die Schulbücher finden Sie auf den Nachttischen ihrer Betten, die soeben in den für sie vorgesehenen Schlafsälen erschienen sind. Dort warten Sie bitte, bis zum Abendessen, wenn ich Sie ankündigen werde. Mr. Malfoy, bevor sie ebenfalls aufbrechen, möchte ich mich auch noch einmal mit ihnen unterhalten. Die anderen denken bitte daran, dass ihre Namen, Ihre echten Namen, ein Geheimnis bleiben sollten."
Das Funkeln hinter seinen halbmondförmigen Brillengläsern besänftigte Harry. Er spürte sich zurückversetzt in eine Zeit, als Tod und Zerstörung noch nicht auf seinem Tagesplan gestanden hatte, als er einfach nur Harry war und dieser große, weise Mann ihm das Gefühl von Sicherheit vermittelt hatte, dass ihm nie etwas zustoßen würde... da hatte Harry sich getäuscht, denn der Ärger klebte ihm an den Fersen wie Druhbels bester Blaskaugummi.
"Ja, Professor. Selbstverständlich", sagte Hermine und zusammen verließen wir das Schulleiterbüro, um den Gryffindorturm in Angriff zu nehmen...
**
Feixend stolperten vier Jungen durch das Schloss, als würde es nur ihnen gehören. Ihr breites Grinsen allein versprühte schon gute Laune vom allerfeinsten.
Sirius hatte seinen Arm um James gelegt und zog ihn schon den ganzen Weg hinauf zu ihrem Schlafsaal damit auf, wie die letzte Stunde von statten gegangen war.
"Evans und du, ihr saht ja richtig niedlich zusammen aus!"
"Tatze, noch ein Wort und ich schneide dir die Zunge ab und verfüttere sie an den Riesenkraken!", entgegnete James, doch das Zucken seiner Mundwinkel verriet, dass ihn die Aussage überhaupt nicht ärgerte, ganz im Gegenteil.
"Heute teilt ihr euch ein Tintenfass, morgen kommt die Hochzeit und übermorgen werde ich Großvater!"
Remus, Peter und James hoben je eine Augenbraue.
"Großvater?", sagte Remus skeptisch.
"Übermorgen?", sagte Peter.
"Also gegen eine Hochzeit habe ich nichts einzuwenden", murmelte James und lachte.
Sirius warf einen Blick über seine Schulter zu den zwei Skeptikern und seufzte. "Ich bin Krones moralische Unterstützung - seit Jahren -, da verdiene ich einen besonderen Titel, immerhin bin ich für den Großteil seiner Erziehung verantwortlich!"
Remus hustete übertrieben, um seine abfälligen Kommentare zu überdecken, doch Sirius verstand jedes Wort, verengte die Augen zu Schlitzen und schoss ihm giftige Blicke zu, bevor er sich wieder an seinen selbsternannten Bruder/Sohnemann wandte.
"Du weißt aber, dass es neun Monate dauert, bis ein Kind auf der Bildfläche erscheint?", fragte Peter.
Sirius wackelte mit den Augenbrauen. "Dann würde ich sagen, muss sich unser werter Krone hier mal ranhalten und sein Mädchen endlich für sich gewinnen."
James rollte mit den Augen. "So einfach ist das nicht, Tatze! Sie hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden-"
Eingeschnappt schüttelte Sirius den Kopf, wobei ihm die langen Haare um die Ohren flogen.
"Faule Ausreden!" Sein Blick flog durch den Korridor, ehe er an einer Gruppe Mädchen hängen blieb und sich ein triumphierender Ausdruck auf sein Gesicht legte.
Remus und Peter sahen unsicher zwischen ihrem Freund und den Mädchen hin und her, während James noch viel zu sehr damit beschäftigt war, beleidigt dreinzusehen, weil er einfach unterbrochen worden war.
Sirius allerdings tat drei Schritte und schnappte sich die Hand eines der Mädchen, ehe er sie auf der Stelle herumdrehte und einen Kuss auf ihren Lippen platzierte, bevor er sich strahlend umdrehte, die Hände in die Hüften gestemmt und stolz darauf, was er soeben getan hatte.
"Siehst du! So geht das!"
Das Mädchen, Jillian Herb, blinzelte ein paar Mal, ehe sie sich kichernd mit ihren Freundinnen verdrückte. Remus rollte mit den Augen. Das war doch einfach nur peinlich...
Verärgert wamdte er den Kopf ab.
"Tatze, das ist nicht einfach", räumte James dann mit einem Grinsen ein, "das nennt sich sexuelle Belästigung."
Sirius schüttelte den Kopf. "Umhang wie Hose. Ihr hats gefallen, wem würde es auch nicht gefallen, von dem Sirius Black geküsst zu werden?"
"Dann heirate du doch, Evans", warf Peter grinsend ein.
Sirius hob das Kinn und feixte. "Ich bin schließlich der Hauptgewinn." Als ihm auffiel, wie James bloß skeptisch den Kopf schüttelte und weiterzog, eilte der junge Black ihm hinterher.
"Hey, du bist auch nicht zu verachten, ein richtiger Top-Gewinn, Evans könnte sich glücklich schätzen, wenn..."
"Wenn was?"
Die Rumtreiber erstarrten. Peter schob sich ganz unauffällig zwischen Remus und Sirius, in der Hoffnung, der rote Wirbelwind, der soeben hinter ihnen aufgetaucht war, würde ihn übersehen, er hatte dabei nicht mit dem Speck auf seinen Hüften gerechnet, der von Remus' knochiger Statur nicht im geringsten verdeckt wurde.
Langsam drehten sich James und Sirius um hundertachzig Grad.
James' Hand flog automatisch zu seinen Haaren, während er verlegen dreinblickte.
"Vergiss es Evans, Sirius ist bloß ein Idiot." Leise fügte er hinzu: "Ich bring dich um, Black!"
Lily verschränkte die Arme vor der Brust. Ein teuflischer Ausdruck lag in ihren Augen, der die Beine der Jungen in Wackelpudding verwandelte.
"Das ist nichts Neues... ich würde trotzdem gerne erfahren, worüber ihr euch so angeregt unterhalten habt." Ihre Augen flogen zu Peter, der unter Druck sowieso gerne mal Dinge preisgab, die er eigentlich für sich behalten sollte und besonders dann, wenn eine wütende Lily Evans ihn mit ihren Blicken taxierte, doch sie hatte nicht mit James gerechnet, der sich zwischen seinen Freund und sie schob und ihr ein breites Lächeln schenkte.
"Evaaaaaans, ich wollte sowieso noch mit dir sprechen - Schulsprecherangelegenheit." Lily schnaubte.
"Achja? Ich dachte du wälzt einfach die ganze Arbeit auf mich ab und heimst am Ende dennoch die Lorbeeren für alles ein."
Ihren schnippischen Unterton ignorierend, legte er einen Arm um ihre Schultern, den sie sogleich wieder abschüttelte, woraufhin er sie mit einer Hand an ihrem Rücken den Korridor entlang führte, Richtung Gemeinschaftsraum.
"Ich dachte mir, dieses Jahr werde ich ein wenig verantwortungsbewusster. Ich bin jetzt seit zwei Jahren Quidditchkapitän, ich weiß wie man ein Team anführt. Ein Team - eine ganze Schülerschaft, das ist doch kaum ein Unterschied."
Wieder entwich Lilys Lippen bloß ein Schnauben.
"Wie würdest du denn mit der Situation der Austauschschüler umgehen?", fragte sie provozierend.
"Den was?!", kam es von James, Sirius, Remus und Peter unisono.
"Potter!", gab Lily entsetzt von sich, "wie konntest du das nicht wissen! Du bist Schulsprecher!" Sie warf sich das flammend rote Haar über die Schulter und stolzierte weiter, das böse Grinsen vor ihren Augen versteckend.
Entgeistert starrte James ihr nach.
"Merlin, die schmeißen mich raus aus meinem Job..."
Eilig wetzte er ihr hinterher, die restlichen Rumtreiber im Schlepptau.
"War das dein Ernst?", keuchte James verängstigt. Lily konnte es nicht verbergen und lachte. "Ha! Reingelegt!"
Sie wandte sich an die fette Dame. "Zinnkessel."
Beleidigt und ein klein wenig stolz hob James eine seiner Augenbrauen und grinste. "Evans, das war nicht lustig."
Schmunzelnd zuckte sie bloß mit den Schultern und stieg durch das Portraitloch. "Wenn du meinst, Potter."
Sie kletterten ihr hinterher, nicht bereit für das, was sie im Gemeinschaftsraum antreffen würden. Lily deutete auf die vier unbekannten Gesichter.
"Die Austauschschüler, Potter."
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