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Erneut stöhnte Kili unter Qualen auf. Es ging ihm immer schlechter und langsam wurde guter Rat teuer. Oin tat, was er konnte, doch es war nicht genug. Was sollten wir tun? Wir hatten nicht die nötigen Mittel, ihn zu heilen.
Bofur brachte Oin eine Schüssel mit heißem Wasser. "Kannst du denn gar nichts machen?", fragte Fili den älteren Zwerg hoffnungsvoll.
"Ich brauche Kräuter. Etwas, um sein Fieber zu senken."
"Ich habe Nachtschatten... Ich habe Hundskamille...", listete Bard auf und breitete einige Kräuter auf dem Tisch aus.
"Die nutzen mir nichts. Habt ihr kein Königskraut?"
Bard runzelte die Stirn. "Nein, das ist Unkraut. Damit füttern wir die Schweine."
"Schweine?", echote Bofur. "Unkraut... Genau!" Er hielt seinen Zeigefinger auf Kili. "Rühr dich nicht vom Fleck!" Als könne er irgendwohin! Bofur drehte sich um und wollte gehen. "Warte!" Ich trat ihm in den Weg. "Wo willst du denn jetzt hin?"
"Ich glaube, ich weiß, wo wir noch Königskraut finden können. Kommst du mit?"
Zögernd sah ich von ihm zu den anderen drei Zwergen. "Nein, ich bleibe lieber bei ihm, wenn du allein zurecht kommst", entschied ich dann.
Bofur legte eine Hand auf meine Schulter und lächelte beschwichtigend. "Natürlich. Ich bin bald zurück." Schon war er fort.
Die Zeit, in der wir auf ihn warteten, fühlte sich wie Stunden an. Mit jeder Sekunde verschlechterte sich Kilis Verfassung. Zu allem Überfluss ging plötzlich auch noch eine leichte Erschütterung durch Bards Haus. Sie kam vom Erebor.
"Ihr solltet verschwinden", riet Fili und trat auf Bard zu. "Nehmt Eure Kinder, geht fort von hier!"
Oin versuchte weiter, Kilis Schmerzen zu lindern. Die ganze Zeit über verließ ich nie seine Seite, hielt seine Hand. Er drückte meine oft, wenn Krämpfe seinen Körper durchzuckten. Seine Haut fühlte sich an, als stünde sie in Flammen und ich betete, er möge gesund werden. Ich konnte nicht mehr leugnen, wie viel er mir bedeutete.
"Und wohin?", fragte Bard, nicht das kleinste Fünkchen Hoffnung war in seinem Gesicht oder seiner Stimme zu finden. "Wir können nirgendwohin."
"Werden wir sterben, Vater?", fragte Tilda mit Tränen in den Augen.
"Nein, Schatz", versicherte Bard ihr. Er log. Er hatte keine Ahnung, ob irgendjemand in diese Stadt - einschließlich uns - überleben würde. Auch Tilda wusste das. "Der Drache...", schniefte sie. "Er wird uns alle töten."
Entschlossen riss Bard etwas von der hölzernen Decke seiner Küche. Es war ein schwarzer Pfeil - die einzige Waffe, mit der man einen Drachen vernichten konnte. "Nicht, wenn ich ihn zuerst töte."
"Das ist Wahnsinn!" Oin sprach, ohne von seiner Arbeit aufzublicken. "Ihr riskiert Euer Leben!"
"Nicht, wenn ich mein Ziel nicht verfehle. Bain, komm mit mir. Tilda, Sigrid, ihr bleibt bei Tiaret und den Zwergen."
"Aber Vater-"
"Tut, was ich sage!", unterbrach Bard Sigrid. Mit seinem Sohn an seiner Seite verließ er das Haus.
Kili schrie auf und drückte meine rechte Hand, sodass es beinahe wehtat. Mit meiner freien Hand drehte ich sein Gesicht sanft zu mir. "Kili, lass die Augen offen, hörst du?"
"Ich... kann nicht...", keuchte er, stöhnte erneut auf.
"Doch, du kannst!", keifte ich. Das passierte oft, wenn ich Angst hatte oder panisch war; ich wurde wütend und herrisch. "Du hast deiner Mutter ein Versprechen gegeben, zu ihr zurückzukehren", erinnerte ich ihn. "Das darfst du nicht brechen! Du wirst zu ihr zurückkehren, hast du mich verstanden?" Als Antwort kam nur ein weiterer Schrei. "Wo bleibt denn Bofur?", fragte ich niemand bestimmten durch zusammengebissene Zähne. Es antwortete auch niemand, denn keiner wusste, wann der Zwerg zurückkehren würde.
Das Dach über uns knarzte. Sigrid, die auf dem Balkon stand, kreischte. Alarmiert hoben wir die Köpfe. Dass das Schicksal dir einen Strich durch die Rechnung macht, wenn man denkt, dass es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen kann, ist wohl sowas wie ein unausgesprochenes Gesetz, denn Orks brachen in das Haus ein.
Bain, der inzwischen ohne seinen Vater zurückgekehrt war, versuchte sofort, seine Schwestern zu schützen. Fili stürzte sich auf den nächstbesten Ork und ich gab ihm Rückendeckung, Oin blieb bei Kili.
"Verschwindet, ihr widerlichen Viecher!" Ich griff nach einer Blumenvase und zerschlug sie auf dem Kopf des Orks, mit dem ich gerade kämpfte. Mir wurde die Luft abgeschnürt, als er mich am Hals ergriff. Röchelnd versuchte ich, nach ihm zu treten, seine Hände von mir zu stoßen, doch es gelang mir nicht.
"Tia!" Fili wollte zu mir eilen, doch ein Ork hielt ihn davon ab. Ich bekam immer weniger Luft und langsam wurde mir schwarz vor Augen.
Plötzlich stand Tauriel im Zimmer und schlug dem Ork vor mir den den Kopf ab, worauf ich hustend auf die Knie fiel, mich aber bald wieder fing. Wo kam sie denn auf einmal her? Ich muss allerdings zugeben, dass ich ausnahmsweise einmal froh war, die rothaarige Elbin zu sehen. Legolas war bei ihr, erfasste die Situation binnen Sekunden und sprang an Filis Seite, während ich an Tauriels kämpfte, welche mir eines ihrer Langschwerter zugeworfen hatte.
Einer der Orks packte Kili am Knöchel und wollte ihn vom Bett zerren. "Oh nein, das wirst du nicht!" Ich rannte zu ihnen und trennte den Kopf des Orks mit einem kräftigen Schnitt von seinen Schultern.
"Sauberer Schlag", widerholte Legolas meine Worte von dem Kampf am Fluss.
"Habe ich mir bei Euch abgeguckt", scherzte ich trocken, fuhr herum und stieß dem nächsten Ork das Schwert in die Brust. Eigentlich kämpfte ich am liebsten mit Pfeil und Bogen, aber diese Elbenschwerter lagen leicht in der Hand und waren ungemein praktisch.
Als wir alle Orks getötet hatten, gab ich Tauriel ihre Waffe zurück. Legolas machte sich daran, das Haus zu verlassen. "Tauriel, komm!" Zögernd sah sie zu dem am Boden liegenden Kili. So sehr ich auch hasste, dass die beiden scheinbar etwas für einander übrig hatten, hoffte ich, dass sie ihm helfen konnte. "Bitte, er hält nicht mehr lange durch", sagte ich daher.
"Tauriel." Legolas wartete nicht auf sie, sondern ging einfach. Die Rothaarige wollte ihm folgen, als Kili aber aufschrie, blieb sie im Türrahmen stehen.
Da kam Bofur mit dem Königskraut zurück. Tauriel nahm es ihm aus der Hand und wies uns an, Kili auf den Tisch zu legen. Das taten wir auch. Hoffnungsvoll beobachtete ich Tauriel dabei, wie sie das Königskraut zerkleinerte und in eine Schüssel mit Wasser gab.
Kili wand sich mit aller Kraft auf dem Tisch hin und her. "Haltet ihn fest", befahl Tauriel. Fili und ich packten Kilis Handgelenke, während Oin und Bofur seine Beine auf den Tisch drückten. Tauriel besah Kilis Wunde am Knie, ihr Blick sprach Bände.
"Tut, was Ihr könnt", sagte ich.
Tauriel nahm das Königskraut in die Hände und rieb es, begann, etwas auf Elbisch zu sagen. Sie drückte das Kraut auf Kilis Wunde, worauf er laut brüllte und erneut versuchte, sich zu befreien. Sigrid und Tilda drückten ihn nun ebenfalls auf den Tisch. Mit der Zeit wurde Kili ruhiger, Tauriel führte ihren Zauber fort. Als sie fertig war, legte sie noch einen frischen Verband an. Fili, Oin und ich standen etwas entfernt und beobachteten sie dabei.
Oin faselte irgendetwas über die Wunder der elbischen Arznei, während ich den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken versuchte, der sich gebildet hatte. Ich sah, dass Kili mit Tauriel redete, hörte aber nicht, was er sagte. Ich wollte es auch gar nicht hören.
Ich drehte mich um und setzte mich ins Wohnzimmer, wo ich den Kopf in die Hänge stützte. Fili folgte mir. Er ließ sich neben mir sinken, sagte aber nichts. Vermutlich fielen ihm nicht die richtigen Worte ein.
"Denkst du, er liebt sie?", fragte ich und sah auf, in Filis Gesicht. Der blonde Zwerg runzelte die Stirn. "Wie kommst du darauf?"
"Schau doch, wie er sie ansieht!" Meine Stimme hatte einen wehleidigen Ton angenommen und ich merkte, wie die Tränen sich einen Weg an die Oberfläche bahnten. Ich drehte den Kopf in die andere Richtung, damit Fili es nicht sah. "Ich bin froh, dass sie ihn geheilt hat", murmelte ich emotionslos. "Das ist das Wichtigste."
"Und dennoch leidest du." Fili fragte nicht, er wusste es. Darum versuchte ich gar nicht erst, es zu leugnen, sondern hielt einfach den Mund. Das war Antwort genug für den Zwerg. Er legte einen Arm um meine Schultern und zog mich an sich. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Oberteil und weinte leise, zwischendurch wurde mein Körper von Schluchzern geschüttelt. "Ist es das?", jammerte ich.
"Was meinst du?"
"Fühlt sich so die Liebe an? Denn wenn ja, will ich sie nicht." Verbittert schloss ich meine Augen, ballte die Hände zu Fäusten. Es schmerzte. Es schmerzte sehr. So hatte ich mir die Liebe sicher nicht vorgestelt.
Fili saß einfach da und tröstete mich. Ich hasste es, dass er mich so verwundbar sah. Ich hasste, dass Kili der Grund für meinen Zustand war. Doch ich empfand Dankbarkeit für Filis Verständnis und seine Versuche, mir zu helfen.
"Es ist furchtbar", murmelte er nach einer Weile. "Zu wissen, dass die Person, die du liebst, jemand anderen liebt."
Erstaunt setzte ich mich auf, wischte mir die Tränen weg. "Dann... bist du verliebt?", schniefte ich und strich mir die Haare aus dem Gesicht.
Fili lachte kurz freudlos auf. "Ja... Und sie ist die mutigste und wunderschönste Person, die ich je kennengelernt habe."
Ihn so reden zu hören, ließ mich lächeln. Wer auch immer die Glückliche war, der Filis Herz gehörte, hatte die Chance verpasst, einen der tollsten Zwerge Mittelerdes an ihrer Seite zu haben. "Sie ist eine Närrin, wenn sie nicht erkennt, welches Glück sie hat, dich zu haben", versicherte ich ihm.
Fili schmunzelte, was mich ein wenig verwirrte. "Ich schätze, dass der Kerl, den sie liebt, einfach der bessere Mann ist..."
"Das glaube ich nicht", meinte ich sofort. Zweifelnd sah Fili mir in die Augen. Ich nahm seine Hand und sagte: "Sie könnte kaum jemand besseren finden als dich." Das zauberte ihm ein leichtes Lächeln auf die Lippen.
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Well...
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