- 17 -

"Ist irgendwas hinter uns?"

"Soweit ich sehe, nicht!"

Wir hatten es geschafft, vorerst sowohl die Orks, als auch die Elben abzuhängen und schwammen mit unseren Fässern nun durch seichtere Gewässer. Wir steuerten Felsen am Rande des Flusses an und kletterten dort an Land.

Nass, müde, aber am Leben und unversehrt, dachte ich, bis mir Kili einfiel. Sofort suchte ich die Gruppe mit den Augen nach ihm ab und fand ihn schließlich auf dem Boden sitzend, das Gesicht vor Schmerz verzogen. Ich ging auf ihn zu und hörte, wie er Bofur gegenüber behauptete, es ginge ihm gut.

"Schwachsinn", mischte ich mich ein und kniete mich neben Kili, Fili war ebenfalls sofort an der Seite seines Bruders.

"Tia, ich sagte doch, es geht mir-"

"Und ich sagte, das ist Schwachsinn!", fauchte ich, worauf er verstummte. Grob schob ich seine Hand weg, mit der er versuchte, seine Wunde zu verbergen, sog mitleidig die Luft durch die Zähne ein. "Kili, das sieht echt übel aus..."

"Steh auf!", befahl Thorin, der gerade an uns vorbeilief.

"Das wäre keine gute Idee", sagte ich, ohne Kilis Bein aus den Augen zu lassen. Die Wunde hatte eine komische Farbe angenommen und egal, wie sehr Kili versuchte, es zu verstecken, ich wusste, dass er höllische Schmerzen hatte. "Wir müssen sein Bein erst einmal versorgen."

"Eine Orkmeute verfolgt uns", merkte Thorin an und spähte wachsam umher. "Wir müssen weiter."

"Und wohin?", fragte Balin. Derweil hatte ich bereits ein Stück meines Kleides abgerissen, es ins Wasser getaucht und machte mich daran, Kilis Wunde so gut es ging zu säubern, wobei er immer wieder unterdrückte, schmerzerfüllte Geräusche von sich gab. "Halt gefälligst still", befahl ich streng, ging aber behutsam vor, um ihm keine unnötigen Schmerzen zuzufügen. Während dieser Zeit spürte ich Kilis Blick auf mir, ununterbrochen, und auch, wie Bofur und Fili zum einen einander, aber auch uns beide ansahen, blieb mir nicht verborgen. Im Moment war mir das ausnahmsweise alles egal, denn gerade musste ich mich auf Kilis Bein konzentrieren.

"Zum Berg", schlug Bilbo auf Balins Frage vor. "Wir sind dicht dran."

"Ein Fluss liegt zwischen uns und dem Berg. Wir haben nichts, um ihn zu überqueren."

Als ich fertig war, die Wunde grob zu säubern, legte Fili einen provisorischen Druckverband an, um die Blutung zu stoppen.

"Gehen wir doch drum herum", versuchte Bilbo es weiter.

"Dann werden uns die Orks zur Strecke bringen", argumentierte Dwalin. "Todsicher. Wir haben keine Waffen, um uns zu verteidigen."

"Verbindet sein Bein, schnell", wies Thorin uns - überflüssigerweise - an und hielt weiter nach Orks Ausschau. "Ihr habt zwei Minuten."

Tatsächlich schafften wir es in dieser kurzen Zeit, Kilis Bein zu Ende zu verbinden, doch heilen würde es so schnell nicht. "Er braucht richtige Medizin", erklärte ich Fili, während ich meine Hände im Fluss wusch. Bofur war bei Kili geblieben, sie konnten uns nicht hören. Trotzdem sprach ich mit gesenkter Stimme. "Es sieht nicht gut aus."

Wir hoben die Köpfe, als auf einem Felsen über uns ein Mann erschien und Pfeil und Bogen auf uns richtete. Egal, mit was die Zwerge sich bewaffneten - Äste, Steine - er schoss es ihnen aus der Hand. "Macht das nochmal, und ihr seid tot", warnte er, seine Waffe weiterhin auf uns gerichtet.

Fili griff unauffällig nach meiner Hand und drückte sie leicht, als wolle er mir versichern, dass er mich beschützen würde, sollte es nötig sein. Ich drückte zurück, behielt den Bogenschützen dabei im Auge.

"Verzeihung, aber... Ihr seid wohl aus der Seestadt, wenn ich nicht irre." Mit erhobenen Händen kam Balin etwas näher auf den Fremden zu. Er schlug vor, ihn gut zu bezahlen, solange er uns sicher über den Fluss bringen würde. Wir erfuhren, dass er zwei Töchter und einen Sohn hatte, die er versorgen musste. Und das allein, denn seine Frau war verstorben. Obwohl ich ihm misstraute, empfand ich Mitleid für den Mann. Eine geliebte Person zu verlieren, wünschte ich niemandem.

Schlussendlich willigte er ein, uns auf seinem Boot über den Fluss zu bringen, uns Waffen und Vorräte zu geben, denn ganz offensichtlich brauchte er das Geld.

Die Zwerge vertrauten ihm auch nicht. Sie fürchteten, er würde uns ertränken, da er seinen Karn knapp an einigen Felsen vorbeilenkte. "Dieser vorlaute Seemensch", brummte Dwalin. "Ich sage, wir werfen ihn über Bord, dann ist Ruhe."
Das war schon etwas... primitiv.

Bilbo stöhnte genervt. "Bard, der Mann heißt Bard."

"Woher weißt du das?" Bofur legte den Kopf schief.

"Ähm - ich hab ihn gefragt?"

"Ist mir egal, wie er heißt, ich kann ihn nicht leiden", sagte Dwalin.

Ich stand mit vor der Brust verschränkten Armen neben Bofur und sah immer wieder besorgt zu Fili und Kili rüber. "Wieso gehst du nicht einfach zu ihm?", wisperte Bofur mir zu, worauf ich meinen Kopf zu ihm drehte. "Was? Zu wem?"

"Na, Kili." Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. "Du magst ihn doch, oder nicht?"

"Wir werden nicht schon wieder diese Diskussion haben, Bofour!", knurrte ich. Beschwichtigend hob er die Hände. "Nein, schon gut. Werden wir nicht."

Ich seufzte, strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr und murmelte: "Ich mag ihn genug, um nicht zu wollen, dass ihm etwas Schlimmes passiert." Damit ich nicht weiter mit Bofur darüber reden musste, ging ich zu Fili und Kili rüber und kniete mich neben die beiden. "Wie geht's deinem Bein?"

Überrascht sah Kili zu mir auf. "Das schert dich?"

Ich runzelte die Stirn. "Was meinst du? Natürlich schert es mich." Fili stand auf und ging weg, um uns allein reden zu lassen. Mir wäre lieber gewesen, er wäre geblieben.

"Obwohl du allen hier ständig sagst, du kannst mich nicht leiden?" Kili sah ernsthaft gekränkt aus, biss die Zähne aufeinander.

Schuldbewusst sah ich zu Boden. "Das... Das war nur..."

Der Zwerg legte eine Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf an. Schalk blitzte in seinen Augen, er grinste. "Schon gut. Wir wissen es beide, du stehst total auf mich."

Ich hob eine Braue und schlug seine Hand weg. "So, weiß ich das?"

Sein Grinsen wurde breiter. "Natürlich. Du kannst gar nicht genug von mir haben."

Belustigt schnaubte ich und lehnte mich neben Kili an den Rand des Bootes. "Einbildung ist auch 'ne Bildung." Er lachte leise und nach kurzem Zögern stieg ich mit ein. Es war ungewohnt, so mit ihm dazusitzen und weder wütend, noch genervt wegen seiner Kommentare zu sein, sondern sie einfach mit Humor zu nehmen. Aber irgendwie war es auch schön, zur Abwechslung mal nicht mit ihm zu streiten. Vielleicht, flüsterte eine Stimme in meinem Inneren, haben die anderen ja recht, was deine Gefühle für Kili betrifft?

Dieser Gedanke machte mir ein wenig Angst. Tatsächlich hatte ich, seit Kili von dem Pfeil getroffen wurde, gemerkt, dass dieser Mann mir mehr am Herzen lag, als ich zugeben wollte. Und was, wenn ich nun tatsächlich Gefühle für ihn habe? Oh Gott, was soll ich dann machen? Ich war noch nie verliebt, ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Soll ich es ihm sagen? Nein, auf keinen Fall! Das wäre ja total peinlich. Aber wenn ich Kili tatsächlich mag, sollte ich vielleicht irgendwen um Rat fragen, jemanden, der ihn besonders gut kennt. Sofort kam mir Fili in den Sinn, welcher sich mit Bofur und Gloin unterhielt. Er war nicht nur Kilis Bruder, sondern mein bester Freund. Wenn mir irgendjemand helfen konnte, dann ja wohl er. Ein Gedanke huschte mir durch den Kopf. Was, wenn Kili mich aber nicht mag? Oh man, so, wie er Tauriel angeschaut hat, mag er sie ganz bestimmt! Was-

"Hallo, Erde an Tia?" Kili wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. Ich zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an. "Hm? Entschuldigung, hast du was gesagt?"

Belustigt hob er die Mundwinkel. "Ich sagte, du sollst dir das anschauen."

"Mir was anschauen? In diesem Nebel kann man absolut gar nichts er- Whoa." Kili hatte mein Gesicht sanft nach rechts gedreht, und dort stand er. Selbst im Nebel konnte man ihn erkennen: Der Erebor. Er war allemal eine Heimat, auf die man stolz sein konnte, und die Zwerge waren es defintiv.

Bard störte diesen epischen Moment, indem er uns befahl, uns in den Fässern zu verstecken, damit die Wachen von Seestadt uns nicht entdecken und einsperren konnten. Wir quetschten uns also jeder in ein Fass und Bilbo, der durch ein Loch nach draußen spähen konnte, hielt uns flüsternd darüber auf dem Laufenden, was Bard gerade tat. "Er spricht mit jemandem... Jetzt zeigt er direkt auf uns!" Ich schnappte nach Luft und spielte nervös mit dem Saum meines Kleides. Würde Bard uns etwa verraten? Er hatte nichts zu verlieren, denn das Geld hatten wir ihm bereits gegeben. "Jetzt geben sie sich die Hand!", keuchte Bilbo und ich schloss die Augen, atmete tief durch. Wir durften nicht erwischt werden, wir waren so kurz vorm Ziel! Die Zwerge hatten denselben Gedanken.

"Was?!"

"Verräter! Er will uns ausliefern!"

Doch es kam ganz anders, denn wir wurden mit toten Fischen überhäuft. Angewidert hielt ich mir die Nase zu, ich konnte Fisch noch nie leiden. Weder den Geschmack, noch den Geruch, noch sonst etwas an ihnen. Aber immerhin hielt Bard sein Wort, denn die Fische versteckten uns vor feindlichen Blicken. Ich nahm meine Hand von der Nase und presste sie auf den Mund, als wir in die Zollkontrolle kamen, aus Angst, versehentlich Geräusche von mir zu geben.

Kurz dachte ich, alles würde glattgehen und wir würden ungehindert in die Stadt gelangen, doch Irrtum. Natürlich konnte nichts auf unserer Reise schlichtweg einfach sein, denn Alfrid, der Stellvertreter des Bürgermeisters, hielt Bard davon ab, einfach durch das Tor zu fahren. Er sagte, sein Fisch sei nicht genehmigt, und wies an, ihn über Bord werfen zu lassen. Ich drückte mir beide Hände fester auf den Mund und hielt die Luft an, als jemand aufs Boot stieg und die Fässer bewegt wurden.

"Die Bürger der Stadt leiden Not, die Zeiten sind schwer. Nahrung ist knapp!", versuchte Bard es weiter.

"Das ist nicht mein Problem." Was war dieser Alfrid für ein egoistischer Mensch? Klar, der Hauptzweck dieser Fische war, uns zu verstecken, doch wenn die Bürger in seiner Stadt Hunger litten, war es selbstverständlich sein Problem!

"Und wenn die Leute hören, dass der Bürgermeister Fisch in den See wirft... Wenn die Aufstände beginnen... Wird es dann Euer Problem sein?"

Das Wasser platschte, als weitere Fische hineinfielen. Zitternd atmete ich die angehaltene Luft aus, als Alfrid rief: "Aufhören!", und die Fässer wurden wieder auf das Boot gestellt, das Tor geöffnet. Das war gerade nochmal gutgegangen.

Bard kippte die Zwerge kurzerhand aus ihren Fässern, als wir angekommen waren, während er mir seine Hand reichte, damit ich rausklettern konnte. "Herzlichen Dank", sagte ich und grinste die bereits miesgelaunten Zwerge provokant an. Bard lächelte kurz, so kurz, dass ich schon dachte, es mir eingebildet zu haben. Er drückte einem Mann, der alles beobachtet hatte, ein paar Münzen in die Hand und überließ ihm den Fisch, damit er niemandem etwas verriet.

Der eigentliche Plan war, unauffällig zu Bards Haus zu gelangen, aber unauffällig war (wie ihr inzwischen sicher wisst) nicht gerade unsere Stärke. Eine Wache, die uns entdeckt hatte, endete dank der Zwerge bewusstlos hinter dem Marktstand einer Frau.

"Super, Jungs, wirklich subtil", lobte ich sie sarkastisch und duckte mich neben Dwalin hinter ein Fass, damit die anderen Wachen mich nicht sahen. Bard sprang vor und lenkte sie ab. Er schien sehr beliebt beim Volk zu sein, denn als einer der Männer am Boden drohte, aufzuwachen, ließ eine Frau unauffällig einen Blumentopf auf seinen Kopf fallen und er sackte wieder zusammen. Dank der Bürger wurden weder wir, noch die bewusstlosen Wachleute entdeckt.

Sobald die Luft rein war, deutete Bard uns, ihm zu folgen, und wir schlichen schnellen Schrittes davon. Ein Junge kam ihm entgegen. "Vater, unser Haus - es wird beobachtet!"

Die Lösung für dieses Problem gefiel keinem von uns.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top