✜48✜

Taehyung

Ich wollte schreien. Am liebsten hätte ich nach ihm getreten. Es waren alle Sicherung bei mir rausgesprungen. Hatte Justin gerade vier Männer getötet? Bei der bloßen Vorstellung stellte sich mir der gesamte Mageninhalt quer.

Ich versuchte mich mit Leibenskräften von ihm loszureißen. Ich konnte einfach nicht dieser schmerzhaften Wahrheit ins Auge blicken. Ich fühlte mich einfach nur verraten, hintergangen und benutzt . "Wer bist du überhaupt?! Kenne ich dich eigentlich?" ich war total starr in dieser Lage. Allein der Blick mit dem er mich ansah, war plötzlich so befremdlich. Er zeigte keine Gnade. Kein Funken Verständnis, als er mich trotz der heftigen Gegenwehr mit sich zerrte. Justin sprach nicht, erklärte nichts und es wirkte so als wäre es ihm auch herzlichst egal was mit mir war.

In mir rumorte es ununterbrochen. Ich konnte das Erlebte nicht verstehen und die Zeit wurde mir dafür auch nicht gegeben, denn sobald der Strom ausging, musste alles furchtbar schnell gehen. Justin brachte mich aus diesem Wohnkomplex mit einer so unberechenbarer Gabe, fast so als täte er sowas nicht zum ersten Mal. Wie dieser Einbruch bei dem verlassenen Hochhaus. Der ekelhaft nagende Gedanken der in mir aufstieg hatte noch niemals mein Bewusstsein so sehr erreicht wie jetzt - und es machte mir Angst. Große Angst.

Irgendwann fehlte mir einfach nur noch die Kraft mich zu wehren. In nur wenigen Minuten, bevor die Wächter auf die Unstimmigkeiten der Überwachungskameras richtig aufmerksam werden konnten, hatten wir es sicher nach draußen geschafft. Nicht nur das er zielsicher handelte, es war als würde er den Wohnkomplex in und auswendig kennen.

Ich riss mich los sobald die Luft rein war und lief einfach los. Ich dachte zunächst das Justin mich aufhalten würde aber er tat es nicht. Er ließ mich gehen und ich fragte nicht, rannte einfach wie so ein Irrer durch die Straßen. Die verwirrten, zum Teil völlig entsetzten Blicken der Passanten bemerkte ich überhaupt nicht. Ich hatte das Blut an meiner Kleidung vergessen, nicht aber die grauenvoll Tat.

Noch nie zuvor hatte ich ihn so schweigend erlebt. So deutlich ohne Zeichen von Menschlichkeit. Es zog mit den Boden unter den Füßen weg und mitten auf der Straße sackte ich schließlich auf die Knie. Traumatisiert, erstarrt. Ich versuchte tief Luft zu holen, einzuatmen aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Es fühlte sich an als wäre alles in meiner Brust zugezogen. Mein Herz, eingepfercht in einem kleinen Käfig aus Stahl, nicht im Stande sich zu befreien, klopfte dumpf und hallte hohl in meinen Ohren. Ich brach unter der Last meines Körpers zusammen. Glaubte unter der Last meiner Gefühle zu ersticken. Mein ganzes Bewusstsein stürzte sich auf dieses eine Bild seiner kalten Augen. Dieser absolut verzerrten Wahrnehmung.

"Verdammt..." ich schüttelte den Kopf, doch diesese Erinnering blieb hartnäckig und ich wusste nicht was ich jetzt tun sollte. Diese unbändige Verzweiflung, die so heiß durch mein Körper pulsierte, überforderte mich dermaßen, daß ich nicht wusste wohin mit mir, wohin mit diesem Entsetzen und dieser kalten Angst.

Wie ich mich schlussendlich aufgerappelt bekam und es bis zur Wohnung schaffte, konnte ich mir selbst nicht erklären. Ein Wunder das mich unterwegs kein Auto überfahren hatte, so abwesend reagierte ich auf meine Umwelt und auf die Menschen die mir begegneten. Sie sahen mich an als wäre ich der Irre, dabei hatten sie dem wahren Irrsinn nicht direkt in die Augen schauen können - nicht so wie ich.

Torkelnd streifte ich mir die Schuhe am Eingang ab und zog wie ein Schatten durch den Flur. Ich ging ins Bad, stellte mich ans Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf, wusch mir die Hände. Sekundenlang blieb ich regungslos davor stehen und sah dem Blut dabei zu wie es in den Abfluss lief. Diese intensive Stille um mich herum, und ich merkte erst das ich die Augen geschlossen hatte, als ich einen Druck an meiner Hand spürte.

"Taehyung...?" ich öffnete die Augen und sah zur Seite. Jimin stand dort, mit einem tief besorgten Blick. Einem Blick den ich so noch nie an ihm gesehen hatte. "Was ist mit dir? Ist das etwa... Blut an deiner Kleidung?!"

Seltsamerweise musste ich trocken Lachen. Ich lachte, dabei war das hier alles andere als Lustig aber ich konnte mir nicht anders helfen. Es passte nicht zu meinen Gefühlen, denn in meinem Inneren war ich immer noch tief versunken, verwirrt und unglaublich wütend. Jimin runzelte die Stirn, packte mich an meinen Schultern und zerrte mich in seine Richtung. "Tae?! Was um Himmels willen ist in dich gefahren? Bist du irgendwo verletzt worden? Warum zur Hölle siehst du... so... aus?!"

"Er hat mich angelogen." murmelte ich, nachdem ich Jimin ansah und merkte wie mir unter einem Schlucken die Kehle versiegte. Ich sah hinab. Jimin wiederrum trat näher, gab nicht nach, als er drängend an meinen Schultern rüttelte. Er schüttelte mich weiter, versuchte mich aus meinem Zustand der Leere zurückzuholen aber ich fürchtete mich davor. "Du musst mit mir reden! Wer hat dich angelogen? Wem gehört dieses Blut, wenn es nicht deines ist? Was ist geschehen?"

"I-ich.. weiß es nicht..."

"Du weißt es nicht?" wiederholte er ungläubig und die Falten zogen sich noch tiefer über seine Stirn. "Wo warst du verflucht! Wer ist dafür verantwortlich? Steckst du etwa in Schwierigkeiten? Wenn ich dir helfen soll, dann sprich mit mir."

Mit trockenen Mund und zittender Unterlippe, drehte ich den Kopf zu ihm zurück, immer noch nicht in der Lage eine Erklärung abzugeben. Seine Stimme gelang dumpf und doch überraschend laut an meine Ohren aber ich wollte dem am liebsten ausweichen. Ich war zu müde und wollte nicht reden. Nicht fühlen, geschweigeden denken. "Ich leg mich hin.."

"Du tust- was? Nein, du bleibst hier und redest jetzt mit mir!" er riss mich forsch zurück, packte grob mein Gesicht und zwang mich dazu ihn anzusehen. "Sprich mit mir, bitte Tae. Ist es wegen dem Stick? Bist du so sehr hinter dem Reaper her, das dir selbst deine eigene Gesundheit egal ist?"

Der Lärm in meinem eigenen Kopf brachte mich halb um. Mein eigener Atem wurde hektisch und laut, Jimins Erwähnung über den Reaper, allein seinen Namen zu hören übertönte selbst die lauten Stimmen in meinem Kopf. Die Muskeln in meinem Körper spannten sich an und mit ziemlicher Sicherheit erkannte auch Jimin das verräterische brennen in meinen Augen. Er setze erschrocken einen Fuß zurück, ließ mich aber immer noch nicht los. "Tae...." auch er schien um Fassung zu ringen aber versuchte es sich nicht so sehr anmerken zu lassen. "Lass den Auftrag endlich fallen. Bitte. Es bringt dich nur noch mehr in Gefahr. Siehst du denn nicht, was es mit dir macht? Der Reaper ist unberechenbar. Er ist... gefährlich."

Gefährlich...

Unpassende Bilder eines jungen Mannes mit unschuldig breiten Lächeln und großer Hornbrille tauchten vor meinem geistigen Auge auf, zerstörte noch das restliche menschliche Bild was mir von ihm geblieben war.

"Wieso bist du dir da so sicher?" fragte ich schwach und erhielt ein verständnisloses Runzeln. "Fragst du mich das gerade ernsthaft? Man Tae, er ist ein Serienkiller! Er mordet im Auftrag! Er ist der meist gesuchte Mann in Korea! Wenn er nicht gefährlich ist, wer dann?" es sah so aus, als würde Jimin mich entgültig für Verrückt erklären und vermutlich sollte er das auch tun. Ich war verrückt.

"Wenn er der meist gesuchte Mann in ganz Korea ist und blutrünstig tötet, wieso mich nicht? Wieso lässt er mich am Leben?" mich zu bewegen viel mir schwer, etwas zu sagen viel mir schwer, alles zog mich einfach nur noch in ein tiefes Loch und ich starrte auf meine Hände die ich verzweifelt in Jimins Unterarme grub. Meine Stimme wankte hörbar, man sah mir an, wie sehr ich um Beherrschung rang und selbst die beruhigenden Worte erreichten mich nicht.

"War das vielleicht sein Plan?" hauchte Ich zittrig und nun kam Jimin überhaupt nicht mehr mit. Er schüttelte zweifelnd den Kopf, versuchte wieder auf mich einzureden aber ich reagierte nicht darauf.

"Hat er vor mich erst zu quälen, bevor er mich töten will?"

"Du redest wirres Zeug. Hörst du dir eigentlich selbst zu? Ich hab von Anfang an gesagt das es eine dumme Idee ist." Jimin zog sanft an mir, wollte mich von hier wegführen aber ich wollte nicht, weigerte mich wie ein stures Kind. Er seufzte schwer. "Komm schon, du solltest dich etwas ausruhen und den Reaper endlich vergessen."

"Ich kann nicht." ich konnte ihn nicht vergessen. Keine Sekunde... Kein Atemzug lang...

"Du.. kannst nicht?" eine merkwürdige Unruhe legte sich über Jimins Gesichtszüge, als er mein Gesicht krampfhaft studierte bis ihn nach Sekunden langer Stille plötzlich die Erkenntnisse hinter meinen schwimmenden Tränen hart traf. Seine Finger krallten sich schmerzhaft in meine Haut. "Nein Tae, nein... Das- das ist nicht gesund." er holte tief Luft, zerrte noch harscher an mir, als er manisch auf mich versuchte einzuwirken. "Du bist bestimmt nur etwas verwirrt! Du solltest dich etwas ausruhen, ja genau, nimm etwas Abstand zur Arbeit. Nimm dir etwas Urlaub, fahr zur deiner Familie, erhol dich vom ganzen Stress. Du wirst sehen, es wird alles wieder gut."

Ich holte Luft, atmete aus und schaute Jimin dann so anzweifelnd in die Augen, daß es ihn ruckartig verstummen ließ. Ich presste die Augen zusammen, drückte die Lippen fest aufeinander, als ich schließlich den bitteren Tränen nicht mehr einhalt gebieten konnte.

Es war zu spät...

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