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Chan

Unwohl stand ich von einem Fuß auf den anderen. Die Straßenlaterne neben mir spendete kaum Licht und die langen Schatten verschmolzen mit der Dunkelheit um mich herum.

Wo bleiben nur die anderen? Wir haben doch eine Uhrzeit und einen Treffpunkt ausgemacht, also wo sind sie?

Noch während dieser Gedanke durch meinen Kopf flog, leuchteten zwei helle Scheinwerfer die Straße rauf auf.

Erleichtert atmete ich auf und zog mir die Kopfhörer vom Kopf, während das Auto den Hügel hinunter fuhr und dann am Straßenrand parkte. Ungeduldig wartete ich darauf, dass meine Freunde aus dem Auto stiegen, das im Dunkeln parkte, doch als nur der Fahrer ausstieg, legte ich leicht den Kopf schief.
Als sich die Person mir näherte, erkannte ich im Halbschatten Soonyoungs Gesicht. Unwillkürlich musste ich lächeln; es freute mich insgeheim, dass der Ältere als Erster nach mir hier war.

Ich war schon seit einer Weile in ihn verliebt. Es hat jedoch gedauert, bis ich es realisiert hatte - um genauer zu sein hat es so lang gedauert, bis Seungkwan und Hansol es mir verklickert hatten.
Die beiden konnten es nicht fassen, als sie mich gefragt haben, ob ich auf Soonyoung stand und ich ihnen zur Antwort gab, dass ich nicht wusste, was sie meinen. Daraufhin hatten sie mir zwei Stunden lang beschrieben, wie ich dem Älteren seit Jahren auf Schritt und Tritt folgte und wie ich ihm verstohlen mit 'Herzen in den Augen' (Seungkwans Worte) Blicke zuwarf. Wie ich nie die Bitten unseres gemeinsamen Freundes ablehnte, nach Trainingsende auch noch bis in die späte Nacht hinein weiter zu tanzen und wie ich willenlos jegliche Umarmungen und Kuscheleinheiten seitens Soonyoungs hinnahm - ja, sie sogar erwiderte.

Um es kurz zu fassen, ich war ziemlich dumm, und ziemlich blind.

»Hey, Channie.«, das Lächeln des Schwarzhaarigen, als er bei mir ankam und sich zu mir stellte, ließ mein Herz ein wenig schneller schlagen.
»Hey, weißt du, wo die anderen stecken? Wir haben doch ausgemacht, uns hier um Mitternacht zu treffen. Und außerdem, wollten Seokmin und Seungkwan nicht mit dir herfahren?«, fragte ich neugierig, woraufhin Soonyoung nur seufzte und mit den Schultern zuckte.

»Gute Frage. Boo hat sich rausgeredet, er hatte zu viel Schiss und sich strikt gegen meine Überredungsversuche geweigert. Seokmin ist daraufhin ebenfalls abgesprungen. Was mit den anderen ist, kein Plan. Soweit ich weiß, wollte Cheollie mit Shua, Hannie, Minghao und Jun herfahren, Mingyu mit Wonwoo. Jihoon und Vernon hatten ja von Anfang an kein Bock.«, erklärte der Ältere, woraufhin ich die Stirn runzelte.

»Dann lass sie uns anrufen und die Lage checken. Immerhin ist es schon...«, ich linste nach unten auf mein Handy, »...fast halb eins. Hast dir ja auch reichlich Zeit gelassen.« Ich warf Soonyoung einen vorwurfsvollen Blick zu, woraufhin er beschwichtigend seine Arme hob. »Ey, wirf mir hier jetzt nichts vor, ich bin nur zu spät gekommen, weil ich versucht hab, die anderen beiden Angsthasen noch zu überreden.«

Ich rollte schmunzelnd mit den Augen und suchte auf meinem Handy Jeonghans Kontakt raus. »Egal, ich ruf jetzt einfach mal Jeonghan an. Falls Cheol schon losgefahren ist, geht der eh nicht an sein Handy.«, meinte ich und drückte auf die Rufnummer.
Jeonghan lebte nur einen Block entfernt vom Ältesten aus unserer Gruppe, mit Sicherheit hatte er ihn zuerst aufgesammelt.

Während mein Handy in mein Ohr tutete, rückte Soonyoung näher an mich ran und legte von hinten seine Arme um mich herum, sowie sein Kinn auf meine Schulter.
Die plötzliche Nähe überforderte mich kurzzeitig so sehr, dass ich ein wenig versteifte und gar nicht mitbekam, dass Jeonghan den Anruf angenommen hatte. Erst als der Ältere meinen Namen sagte, konnte ich mich wieder zusammenreißen.

»Jeonghan! Ja, sorry, ich war kurz- egal. Wo steckt ihr? Soonyoung und ich sind ganz allein an unserem Treffpunkt. Seid ihr bald da?«, sagte ich schnell, woraufhin Soonyoung seinen Kopf ein wenig drehte und mich neugierig ansah, sich jedoch kein Stück wegbewegte.
Ein Seufzen drang durch mein Handy an mein Ohr und zog damit meine Aufmerksamkeit wieder auf den Anruf.

»Tut mir echt leid, Channie, aber es sieht so aus, als würden wir doch nicht kommen. Seungcheol hat mir vorhin geschrieben, dass es ihm nicht so gut ginge und er krank geworden sei. Minghao und Jun haben daraufhin gemeint, sie seien raus, weil keiner von beiden sonst eine Fahrtmöglichkeit gehabt hätte. Wir haben dann bis gerade eben noch diskutiert und jetzt sieht es so aus, als ob Jisoo keine Lust mehr hat. Und ich hab um ehrlich zu sein auch keine Lust darauf, mit dem Fahrrad noch hinzuradeln - tut mir leid, dass wir nicht Bescheid gegeben haben.«, erklärte mir Jeonghan und klang beim letzten Part ein wenig schuldbewusst.

»Aber das Ganze war doch erst eure blöde Idee! Ihr habt mich und Seungkwan für den Scheiß doch erst überredet! Der ist apropos auch abgesprungen - Seokmin ebenfalls.«, jammerte ich und musste an das vergangene Wochenende denken, als Cheol bei einem Trinkspiel den Vorschlag mehr im Scherz brachte, doch als die anderen anfingen, zuzustimmen, sprudelte die irrwitzige Idee zu einem festen Vorhaben über.

Jeonghan räusperte sich verlegen. »Tut mir leid, Channie. Vielleicht machen wir das ja ein anderes Mal. Am besten gehen du und Soonyoung einfach nach Hause und-«, der Ältere wurde unterbrochen, als sich Soonyoung auf einmal von mir löste und mir mein Handy aus der Hand riss.

»Auf keinen Fall! Tschau, Hannie!«, rief er und legte auf.

Verblüfft sah ich den Schwarzhaarigen vor mir an, der sich mein Handy jetzt wieder ans Ohr hielt. Dieser lächelte mich nur unschuldig an, während er darauf wartete, dass sein Anruf angenommen wurde. Als dies jedoch nicht geschah, wählte Soonyoung einen anderen Kontakt raus und als ich Mingyus Namen auf dem Bildschirm las, verstand ich, dass Soonyoung gerade wohl Wonwoo versucht hatte anzurufen.

Doch auch Mingyu ging nicht ran und schulterzuckend reichte mir Soonyoung mein Handy zurück. »Gehen beide nicht ran. Will gar nicht wissen, was die grad treiben. Ich wette, Gyu-«
»Ugh, Soonyoung! Halt die Klappe, ich will kein Kopfkino!«, rief ich dem Größeren ins Wort und boxte ihm in die Schulter, der daraufhin nur frech lächelte.

Leise seufzte ich und schulterte meine Tasche, die ich in meiner Wartezeit auf den Boden gestellt hatte. »Wir können glatt wieder heimfahren. Super, dass ich mir die Mühe gemacht hab mit dem Fahrrad herzufahren.« grummelte ich vor mich hin und lief bereits auf mein Fahrrad zu, das ich im Dunkeln an einen Baum gelehnt hatte.
Doch Soonyoung hielt mich an der Schulter zurück, bevor er sich meine Hand schnappte und mich mit sich zog. »Das seh ich gar nicht ein. Wenn die anderen alle zu große Pussies sind, ihr Problem.«, grinste der Dunkelhaarige.

Erstaunt sah ich den Älteren an, bevor ich meine Hand von seiner riss und stehen blieb. »Aber Soonyoung, wir sind doch nur zu zweit! Das lohnt sich doch gar nicht.«, protestierte ich, woraufhin Soonyoung ebenfalls stehen blieb, sich wieder zu mir drehte und mir näher kam. Kurz vor mir hielt er dann inne und beugte sich mit einem verschmitzten Grinsen zu mir runter.

»Sieht wohl so aus, als wären wir nur zu zweit. Wir werden unseren ganz eigenen Spaß haben.«, raunte Soonyoung, bevor er mich anzwinkerte, erneut meine Hand griff und mich mit sich zog.
Ich musste schlucken und spürte, wie mir die Hitze bei seinen Worten ins Gesicht stieg. Die Dunkelheit um uns herum wusste ich auf einmal deutlich mehr zu schätzen, so konnte der Ältere nicht sehen, wie rot ich geworden war.

Er war so nah...

Dass wir jetzt am Zaun angekommen waren, beruhigte meinen heftigen Herzschlag nicht besonders - im Gegenteil, er wurde nur noch schneller.
Soonyoung nahm mir meine Umhängetasche ab und warf sie über den Zaun, bevor er anfing, ihn selber hochzuklettern.

Verunsichert beobachtete ich den Größeren, wie er flink den Zaun erklomm, darüber stieg und geschmeidig zu Boden sprang. Auf der anderen Seite ergriff Soonyoung wieder meine Tasche und lächelte mich dann aufmunternd an. »Komm schon, Channie, das wird lustig. Vertrau mir! Sobald wir auch nur irgendwas hören oder bemerken, machen wir uns sofort aus dem Staub, versprochen.«

Ich sah ihn noch eine kurze Weile zweifelnd an, in der der Ältere meinen Blick bettelnd erwiderte, bevor ich ergebend seufzte und begann, den Zaun raufzuklettern. »Ugh, Kwon Soonyoung, du machst mich fertig...«, murmelte ich kaum vernehmbar vor mich hin.

Ich kann ihm doch sowieso nichts abschlagen. Ihm und seinem verdammten Hundeblick. Warum ist er auch so verdammt süß?

Als ich gerade über den Zaun stieg, verfing sich mein Ärmel im Draht und ich verlor das Gleichgewicht. Ich hörte ein lautes Stoffreißen und spürte kurz darauf, wie ich durch die Luft flog und krachte mit einem spitzen Schrei zu Boden. Ächzend landete ich auf der Seite, doch keine Sekunde später wurde ich bereits wieder aufgesetzt.

»Chan! Alles okay? Bist du verletzt?«, ich blickte in Soonyoungs besorgtes Gesicht, bevor ich blinzelnd an mir runter sah.
Mein rechter Arm schmerzte vom Gewicht meines Körpers beim Aufprall und mein linker Unterarm blutete leicht durch den Zaun, als ich mich mit meinem Hoodie dort verfangen und aufgerissen hatte. Auch meine Knie waren dreckig und ein wenig aufgeschürft. Aber alles war noch dran, lediglich der Hoodieärmel hatte gelitten mit dem Riss.

»Nein, alles gut. Tut kaum weh und mein Arm brennt ein bisschen, aber nichts Schlimmes. Mir gehts gut, sind nur ein paar Kratzer.«, meinte ich und schenkte dem Schwarzhaarigen ein warmes Lächeln, was ihn wohl ein wenig beruhigte.
»Okay, gut. Ich hab schon angefangen mich dafür zu verurteilen, dich doch noch dazu überredet zu haben. Ich könnte gar nicht aufhören, mir die Schuld für eine ernsthafte Verletzung zu geben.«, murmelte Soonyoung und lächelte mit einem gequälten Ausdruck auf dem Gesicht, während er mich vorsichtig wieder auf die Beine zog.

Leicht musste ich schmunzeln.
»Soonyoung, alles okay, wirklich. Und es wäre absolut nicht deine Schuld, ich hab mir meine Tollpatschigkeit selbst anzurechnen. Also, lass uns jetzt schwimmen!«, sagte ich lächelnd und war diesmal derjenige, der unsere Hände miteinander verschloss und den anderen mit sich zog.

Als der irrsinnige Vorschlag, nachts irgendwo einzubrechen, von einem angetrunkenen Seungcheol kam, hatte dieser in unserer Freundesgruppe erstaunlicherweise einige positive Reaktionen ausgelöst. Nachdem Mingyu vorschlag, in ein Schwimmbad einzubrechen, bekam die Idee noch mehr Befürworter.
Nur Jihoon, Hansol, Seungkwan und ich wollten uns da raushalten, aber unglücklicherweise war Soonyoung erstaunlich gut darin, Leute für seine Sache zu gewinnen. Oder ich war ihm einfach so sehr verfallen, dass ich sowieso nicht Nein sagen konnte.

Das leergefegte Schwimmbad war kaum beleuchtet, auch die Beckenleuchten waren aus. Lediglich zwei Lampen an den oberen Ecken des Gebäudes spendeten uns ein wenig Licht.
Es war fast schon unheimlich, wie still das Wasser des Außenbeckens in der Dunkelheit lag, ohne die übliche Geräuschkulisse von lachenden Menschen und Plätschern, die tagsüber darin stattfand.

Soonyoung, dessen schelmisches Wesen wieder in seinen Körper zurückgekehrt war, fing aufgeregt an zu lächeln, als wir am Beckenrand ankamen. Er legte meine Tasche ein wenig entfernt davon ab, bevor er meine Hand losließ, damit er sich sein Oberteil über den Kopf ziehen konnte.

Ich konnte nicht anders, als den Körper des Größeren anzustarren.

Soonyoung hatte schon immer einen eher schmalen Körperbau, aber ich wusste, dass er dennoch regelmäßig Sport trieb, um sich fit zu halten.
Nur war mir bis jetzt nicht bewusst gewesen, wie fit er sich hielt.

Hastig riss ich meinen Blick von Soonyoungs Bauchmuskeln, bevor der Ältere meine Gafferei bemerkte, und spürte, wie meine Wangen begannen zu glühen. Schwer schluckend zog ich meinen Hoodie aus, versuchte das leichte Zittern meiner Hände zu ignorieren und gewisse sündhafte Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.

Reiß dich zusammen, Chan.

Soonyoung war derweil in die Hocke gegangen und beobachtete fasziniert, wie die Stille der Wasseroberfläche gebrochen wurde, wenn er mit seinen Fingern darauf tippte. Es bildeten sich leichte Wellen drum herum und breiteten sich in immer größer werdenden Kreisen aus.

»Was machst du da?«

Bei dem Anblick konnte ich ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken und legte verwirrt meinen Kopf schief.

Egal, wie heiß ich Soonyoung in einem Moment finden konnte, der Ältere schaffte es im gleichen Atemzug immer wieder, mir die Hitze aus dem Kopf zu blasen. Stattdessen dehnte sich eine wohlige Wärme in meinem gesamten Körper aus und ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, wie süß er war.

Der Schwarzhaarige grinste schief zu mir hoch, während er sich wieder aus seiner Hocke erhob.

»Abwarten.«

Bevor ich jedoch nachfragen konnte, worauf, hatte Soonyoung bereits seine Hände an meinem Rücken, die mich mit Gewalt nach vorn stießen.

Mit einem überraschten Schrei fiel ich kopfüber ins Becken, die Kühle des Wassers jagte sofort eine Gänsehaut über meinen Körper.
Japsend tauchte ich wieder auf, blinzelte mir das Wasser aus den Augen und strich mir die klatschnassen Haare aus dem Gesicht.

Soonyoungs schallendes Gelächter erfüllte die stille Nacht und als ich zu dem Älteren blickte, stützte sich dieser auf seine Knie - so sehr musste er lachen.

»Na warte...«, murmelte ich leise und beschloss, diese Situation auszunutzen. Ich stemmte mich blitzschnell mit einem Arm am Beckenrand wieder hoch, der andere ergriff Soonyoungs Handgelenk. Kraftvoll zog ich den Größeren in meine Richtung, dessen Gelächter abrupt verstummte und mit erstauntem Geschrei ersetzt wurde, als er ebenfalls ins Becken fiel.

Kichernd beobachtete ich, wie Soonyoung nach Luft schnappend auftauchte und sich das Chlorwasser aus den Augen strich.
Er sah mich genervt an, doch das kleine Lächeln auf den Lippen konnte er nicht verstecken. Es wandelte sich um in ein Grinsen, als er begann, Wasser in meine Richtung zu spritzen und erschrocken zuckte ich zusammen. Als ich mit aufgeklapptem Mund verblüfft auflachte und zu dem Älteren sah, vergrößerte sich dessen Grinsen umso mehr.

»So ist das also... Du hast es drauf angelegt, Kwon Soonyoung. Mach dich auf deinen Untergang gefasst!«, rief ich kampflustig, spritzte Wasser zurück und entfachte damit eine kleine Wasserschlacht zwischen uns.
Wir kämpften beide tapfer, niemand wollte die Niederlage einkassieren. Meine Wangen taten schon ganz weh vom vielen Lachen, als Soonyoung irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit seine Arme in die Luft hielt und damit schließlich kapitulierte.
»Okay, okay! Ich geb auf!«, japste der Größere, woraufhin ich schmunzelnd meine Angriffe beendete. Mein Gegenüber senkte wieder seine Arme ins Wasser und für ein paar Augenblicke herrschte zwischen uns einfach nur Ruhe, in der wir uns gegenseitig angrinsten. Dann brach Soonyoung die Stille.

»Und du meintest, das hier sei keine gute Idee gewesen.«, meinte er neckisch, während er sich nach hinten lehnte und dann mit dem Rücken auf dem Wasser trieb. Er paddelte mit seinen Füßen ein wenig in meine Richtung und durch seine Lage grinste er mich kopfüber an.
Dafür erntete er nochmal einen kleinen Spritzer im Gesicht, was den Schwarzhaarigen sich ruckartig aus dem Wasser erheben und das wiederum mich auflachen ließ. »Hey, ich hab doch aufgegeben!«

»Tja, für so blöde Sprüche... Man erntet, was man sät.«, erwiderte ich in dem gleichen neckischen Tonfall wie der Ältere zuvor, während ich nur grinsend tiefer ins Becken sank, bis meine Lippen fast die Wasseroberfläche berührten.
»So ist das also...« wiederholte Soonyoung meine Worte von vorhin und ließ sich ebenfalls ins Becken sinken, wobei er mir währenddessen näherkam. In seinen Augen funkelte Tatendrang, ein spitzbübisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Willst du etwa eine zweite Runde?«, seine Stimme war kaum mehr als ein Raunen.

Meine Nackenhaare stellten sich bei diesem Satz auf und obwohl ich den eigentlichen Sinn dessen verstand, konnte ich es dennoch nicht verhindern, ihm eine ganz andere Bedeutung zu verleihen.
Leicht nervös räusperte ich mich und schüttelte den Kopf. »Nicht besonders.«, antwortete ich leise, wich unwillkürlich ein Stück nach hinten und senkte meinen Blick.

Obwohl das Thema einer weiteren Schlacht damit abgehakt war, lag noch immer eine gewisse Anspannung in der Luft. Es machte mich nervös und ich spürte, wie ich anfing, die Kontrolle über meine Gedanken zu verlieren; sie begannen wie wild in meinem Kopf zu sprudeln und spucken. Schwer atmete ich durch und versuchte ein innerliches Machtwort zu sprechen.

Lee Chan, hör endlich auf damit, ständig Soonyoungs Worte und Gesten so zu drehen und biegen, wies dir am besten gefällt. Du bist keine 15 mehr, also hör auf dich wie ein hormonell verkorkster Pubertierender zu benehmen! Soonyoung ist dein Freund.

Mein Herz machte einen Hüpfer, als ich auf einmal Finger an meiner Stirn spürte und sah wieder auf. Unterbewusst spannte ich meine Muskeln an, als ich feststellte, dass Soonyoung mir leicht lächelnd ein paar nasse Strähnen aus der Stirn strich. Während er das tat, musterte ich sein Gesicht und spürte, wie mein Machtwort versagte und ich mich immer weiter in meinen Gedanken verlor, je länger ich mit meinen Augen den Zügen des Älteren folgte.

Er ist so hübsch...

Das Licht der Lampen am Gebäude fiel von der Seite auf ihn, was ein interessantes Schattenspiel in seinem Gesicht erzeugte. Seine rosigen Lippen glänzten in dem spärlichen Licht, das leichte Lächeln, das auf ihnen saß, zog mich in einen Bann.
Mir war nicht bewusst, dass ich mich dem Schwarzhaarigen instinktiv wieder genähert hatte, bis eine meiner Hände unter Wasser die seine streifte. Seine andere Hand ließ Soonyoung an meiner Schläfe runter streichen, bis sie auf meiner Wange ruhte, sein Gesicht nicht mehr weit von meinem entfernt. Mein Herz wummerte gegen meinen Brustkorb.

Er ist so nah...

Als ich meinen Blick von den mit Wassertropfen benetzten Lippen reißen konnte, zogen mich Soonyoungs einzigartig geformte Augen in den nächsten Bann. Darin glitzerte sein üblicher Schelm, doch dahinter lag etwas anderes. Etwas, das ich nicht klar identifizieren konnte, doch es ließ meinen Bauch rumoren.
Die Spannung, die zwischen uns in der Luft knisterte, raubte mir den Atem; Soonyoungs Daumen, der sanft über meine Haut strich, machte es mir unmöglich, einen kühlen Kopf zu bewahren. Meine innere Stimme gab einen letzten Versuch der Vernunft von sich.

Lee Chan, mach jetzt bloß nichts Überstürztes!

Doch ehe ich mich versah, überbrückte ich die letzten Zentimeter zwischen uns und ergriff seinen Nacken, um ihn in einen Kuss zu ziehen.

Ich spürte Soonyoungs leichtes Grinsen, ehe er den Kuss erwiderte und seine freie Hand auf meine Hüfte legte, die andere verstärkte ihren Druck auf meiner Wange.
Die Lippen des Älteren waren leicht rau, ich wusste, dass er regelmäßig auf ihnen herumkaute, wenn er nervös war, und doch - sie waren einfach perfekt.

Wir küssen uns.

Mein Herzschlag schoss bei dieser Realisation in die Höhe, mein Körper fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen, obwohl er sich gerade in kühlem Nass befand.
Ich krallte als Reaktion darauf meine Finger in Soonyoungs weiches, schwarzes Haar, was ihm ein leichtes Seufzen aus der Kehle entlockte; Musik für meine Ohren.

Mehr. Ich will mehr.

Wie als hätte er meine Gedanken erhört, zog er mich an sich, presste mich an sich, bis nicht mal ein Blatt mehr zwischen uns passte. Brust an Brust, nackte Haut auf nackter Haut, es stellte meine Welt völlig auf den Kopf.
Es war elektrisierend, diese Nähe - seine Hände auf meinem Körper, seine Lippen auf meinen. Sie schmeckten nach Chlor und stillten einen Durst, der mich schon seit geraumer Zeit plagte.

Und ich wusste, ich wollte nie wieder etwas anderes spüren als diese Lippen auf meinen, seinen Körper an meinen gepresst.

Nach einer Weile lösten wir schwer atmend den Kuss, blieben aber mit unseren Körpern so eng verschlungen. Soonyoung lehnte seine Stirn gegen meine, unsere Nasen berührten sich leicht und ich fühlte mich, als ob ich gleich anfangen würde zu schweben.

Wir haben uns geküsst. Wir haben uns ernsthaft geküsst! Er hat den Kuss erwidert - aber warum?

»Meintest du sowas mit 'Wir werden unseren ganz eigenen Spaß haben?'«, fragte ich leise und grinste, während ich dem Älteren in die funkelnden, braunen Augen sah.
Soonyoung schmunzelte, seine Hände, die während unseres Kusses beide auf meinen Rücken gewandert waren, umrahmten jetzt zärtlich mein Gesicht, während der Größere mir einen sanften Kuss auf die Nasenspitze gab. »Eventuell hatte ich sowas unter anderem im Sinne, ja... Um ehrlich zu sein, hatte ich das schon eine ganze Weile im Sinne. Ich hätte dich schon früher zu unserem ganz eigenen Spaß zwingen sollen, wenn ich dich dadurch küssen durfte.«, antwortete der Schwarzhaarige genauso leise mit einem schiefen Grinsen.

Ich musste breit lächeln, zog Soonyoung mit meinen Armen, die um seinen Nacken gelegt waren, wieder zu mir und verband unsere Lippen zu einem weiteren Kuss. Mein Herz tanzte vor Freude, als Soonyoung ihn erneut gefühlvoll erwiderte.
Seine nassen Hände kühlten meine erhitzten Wangen - auch wenn es sich so anfühlte, als ob sie sich gleichzeitig in meine Haut einbrannten - und ich schlang meine Beine eng um Soonyoungs Hüfte. Glücklich seufzte ich in den Kuss.

Es gibt nichts Besseres auf dieser Welt.

Auf einmal hörten wir einen Hund bellen, der uns auseinander schrecken ließ. Es klang nicht gerade weit entfernt und sofort wurde ich nervös.
Soonyoung bemerkte meine entgleisten Gesichtszüge und gab mir kurz einen Kuss auf die Stirn, bevor er meine Hand ergriff und mich mit zum Beckenrand zog. »Komm, wir verschwinden. Nicht, dass wir noch erwischt werden.«

Wir zogen uns aus dem Außenbecken und unmittelbar überzog eine Gänsehaut meinen gesamten Körper. Im Wasser waren wir geschützt vor dem Wind, der hier draußen herrschte und außerdem vermisste ich die Wärme von Soonyoungs Körper.
Ich zog ein Handtuch aus meiner Tasche und rubbelte damit flink über meinen Kopf und Körper, bevor ich es Soonyoung reichte, der keines bei sich hatte. Dankbar nahm er es an und fing an, sich abzutrocknen, als plötzlich erneut ein Hundebellen ertönte, diesmal viel näher als vorhin.

Meine Augen weiteten sich vor Schreck, als ich den Schein einer Taschenlampe erblickte. Ich hatte gerade meinen Hoodie wieder übergezogen, doch jetzt riss ich Soonyoung das Handtuch aus der Hand und stopfte es in meine Tasche, zusammen mit meinen Flip Flops und dem Oberteil des Größeren, die ich vom Boden gefischt hatte. Daraufhin ergriff ich das Handgelenk des Schwarzhaarigen, der gerade in seine Sneaker geschlüpft war, und zog ihn mit in Richtung Zaun.
Soonyoung hatte durch mein hektisches Verhalten ebenfalls das Taschenlampenlicht entdeckt und nahm mir die Umhängetasche ab. Kraftvoll schmiss er sie über den Zaun, während ich diesen schon begann zu erklimmen. Als ich gerade auf die andere Seite stieg, war Soonyoung bereits neben mir und gemeinsam sprangen wir auf den Boden.

Wir waren bei dieser Kletterei nicht gerade leise, insbesondere dadurch, dass wir uns so beeilten, weswegen der Taschenlampenschein jetzt in unsere Richtung schwenkte, das Hundebellen wurde lauter.
Panik stieg in mir auf und erneut packte ich Soonyoungs Hand, der gerade meine Tasche vom Boden aufgehoben hatte. Ich sprintete mit ihm los in die Dunkelheit, hörte, wie hinter uns auf einmal auch mehr Trubel herrschte. »Sollten wir nicht eher mit meinem Auto abhauen?«, warf Soonyoung im Rennen ein, als er bemerkte, dass ich ihn mit zu meinem Fahrrad zog.

Ich schüttelte energisch meinen Kopf und zog das Fahrrad vom Baum weg, als wir bei diesem ankamen. »Ich will nicht, dass sie dein Kennzeichen sehen.«, entgegnete ich, während ich mich auf das Rad schwang.
Soonyoung verstand sofort, legte sich den Tragegurt der Umhängetasche über seinen nackten Oberkörper und stieg hinten auf mein Fahrrad drauf. Als sich seine Arme schließlich um meine Mitte wickelten, fuhr ich los.

Das Hundebellen hinter uns war inzwischen noch näher gekommen und kurz nachdem ich losgefahren war, tauchte sich unser Umfeld in kaltes Licht.
»Hey, ihr da! Halt stopp!«, rief eine Männerstimme hinter uns, wodurch Adrenalin meinen gesamten Körper durchschoss und ich trat mit noch mehr Kraft als zuvor in die Pedale. Dadurch, dass ich barfuß war, schmerzte das ziemlich, aber das war mir in dem Moment mehr als egal.

Einfach nur schnell weg!

Ich wagte es nicht, nach hinten zu sehen, sondern düste einfach nur durch die Dunkelheit über den Rasen, bis dieser schließlich endete und eine Häuserreihe begann, und ich auf die Straße ins Licht wechseln musste.
Energisch erklomm ich den Hügel, den Soonyoung vorhin mit dem Auto runtergefahren war, und spürte schwer atmend, wie sich meine Panik langsam löste, als wir diesen Hügel auf der anderen Seite in einem enormen Tempo herunterrollten, das Hundebellen weit entfernt hinter uns.

Endgültig löste sie sich, als Soonyoung hinter mir auf einmal begann lautstark zu lachen. Er lachte so manisch und so unerbittlich, dass es mich erst verwirrte, bevor es mich ansteckte und ich ebenfalls begann zu lachen.
Und so lachten wir wie zwei Verrückte, während wir mit dem Fahrrad durch die Nacht fuhren. Meine Nerven lagen völlig blank, Adrenalin pumpte immer schwächer durch meine Adern.

Doch dann spürte ich Soonyoungs raue Lippen in meinem Nacken, wie sie mir einen herzlichen Kuss auf die Haut drückten, und mein Lachen verwandelte sich in ein leises Kichern. Soonyoungs Arme schlangen sich enger um mich, ich nahm jetzt auch den warmen Körper des Schwarzhaarigen an meinem Rücken wahr, den ich seit vorhin so vermisst hatte.
Unwillkürlich musste ich lächeln, ein wohliges Kribbeln durchzog meine Magengegend.

Vielleicht hatte es sich doch gelohnt, dass wir nur zu zweit in das Schwimmbad eingebrochen sind.

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Frohes Neues,
auf ein schönes 2025 :)

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