Chapter 10


Castiel bahnte sich seinen Weg durch die Feiernden. Umging Umklammerungen oder den Versuchen der Leute sie von ihm zu zerren.

Erst als er sich weit genug von allen entfernt sah, ließ er sie los. Ließ seine Hand von ihrer Taille gleiten und nahm auf einem umgefallenen Baumstand Platz.

Vorsichtig umfasste er ihren Haarschopf. Die Kapuze war verrutscht und er konnte endlich die weichen Züge ihres Gesichts sehen. Behutsam umfasste er ihren Kopf, die Dämonen in ihm verstummten, als er diesen auf seinen Schoß legte.

Ein Kribbeln fuhr durch seine Finger. Jagte Stromschläge durch seinen ganzen Körper. Ihr regelmäßiger Herzschlag, die Hebung ihrer Brust, all
das ... beruhigte ihn.

Wieso hatte sie solch eine Wirkung auf ihn? War sie eine Magierin? Hatte sie Kräfte?

Ein leises Wimmern riss ihn aus seinen Gedanken. Die Kapuzengestalt zitterte am ganzen Leibe und wenn er genau hinhörte, vernahm er ein Schluchzen.

Sie war wieder zu sich gekommen.
Doch war unglücklich.
Er wusste was sie empfand. So war es ihm etliche Male gegangen.
Sie empfand eine Art Leere.

Jemanden in höchste Ekstasen zu versetzten, nur um ihn dann wieder alles zu entreißen, bevor er auch nur begreift, was geschieht, war eine ganz eigene Hölle.

Es trieb jeden in den Wahnsinn.
Selbst ihn. Er wusste nicht, wie viel Zeit sie brauchen würde, um wieder zu sich zu kommen.

Er hatte Tage gebraucht. Tage die er alleine, nahe am Abgrund verbracht hatte. In jeder Sekunde hatte er sich selbst verflucht, geschworen diesen Baum zu fällen. Und in den Momenten der Schwäche mit dem Gedanken gespielt, zurück in seine Lüge zu kehren.

Ganz in seinen Gedanken versunken, hatte er nicht bemerkt wie seine Hand auf ihren Kopf lastete. Bloß ihre Schönheit riss ihn wieder aus seinen Überlegungen.

Ihre gebräunte Haut, das leichte rote Schimmern auf ihren Wangen. Die vom Wein geschwollenen Lippen. Die kleine Narbe an ihrem Kinn, in Herzform. Mit dem Daumen fuhr er über das blasse 'V'.

Als sie ihren Kopf urplötzlich bewegte und die rotbraunen, verwirrten Locken um ihr Gesicht spielten, hielt er den Atem an. Er wagte es nicht sich zu bewegen. Hoffte bloß sie würde die Augen öffnen, ihn wieder mit dem Anblick dieser blauen Edelsteine belohnen.

Und das tat sie auch. Von einem Moment auf den anderen schlug sie ihre Diamanten auf.

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Sie erschrak. Instinktiv schlug sie mit ihren Faust auf das Hindernis über ihr. Ein keuchendes Schnauben ließ sie hochfahren. Ihre Sicht war verschwommen und auch sonst sah sie durch den Tränen verschleierten Blick nicht viel.

Sie machte bloß die Umrisse einer Person aus. Einer, wie sie vermutete, männlicher Person, die sich ächzend die Hand auf die Nase drückte.

Verwirrt verzog sie die Augenbrauen. Die Frau sah sich um. Überall lagen Scherben und Menschen mit aufgesetzten Lächeln wiegten sich zur Musik.

"Wo bin ich?", murmelte sie, während sie sich die Augen rieb. "Was ist passiert?", sie hielt sich einen Arm vors Gesicht, es war zu hell. Viel zu hell.

Die klaren Strahlen der Morgensonne kündigten den kommenden Tag an. Der Himmel war klar und leuchtete in einem matten Gold. Eine Seltenheit, denn ansonsten war das Sternenzelt Nightbrooks immer bewölkt und trüb.

Doch spüren konnte sie die Wärme ihrer geliebten Sonne nicht, ein großgewachsener Körper stellte sich ihr in den Weg. Ihr Blick fuhr von den sauberen schwarzen Stiefel immer weiter nach oben, bis zu den schwarzen Harren, die unter einem Hut versteckt waren. Er verdeckte das Gesicht der Person, doch das aufblitzen der goldenen Augen konnte er nicht verstecken.

Geschockt wich sie zurück. Soweit es auf dem Baumstand, auf dem sie, wie sie feststellte saß, überhaupt möglich war. Tollpatschig und noch immer im Halbschlaf kippte sie, wie ein schwerer Sack, zu Boden.

Die verängstigten blauen Augen, die dennen eines Rehs glichen starrten vom Boden zu Castiel hinauf. Denn das Mädchen hatte ihn erkannt.
Sie hätte ihn überall wiedererkannt.
Selbst mit blutender Nase.

Ein schallendes Lachen ließ ihre Blick aufmerksamer werden. Sie wagte es nicht zu blinzeln, zu sehr plagte sie die Angst er könnte sie in diesen 100 Millisekunden Nachlässigkeit überwältigen. Was natürlich völliger Schwachsinn war, doch sie konnte in ihrem jetzigen Zustand nicht klar denken.

"Tue nicht so, als wärst du
ein sanftmütiges, erbärmliches kleines Mädchen, wenn ich die Bösartigkeit hinter deinen Augen sehen kann.", herausfordernd legte er den Kopf schief, die Miene ausdruckslos. Doch auf ihrer bewegte sich etwas:
Sie grinste.

Grinste und offenbarte ihre Hinterhältigkeit. In Sekundenschnelle griff sie nach ihrem Dolch. Der Wurf war mehr als gezielt, unmöglich, dass er das Herz verfehlen würde. Wäre das Opfer nicht Castiel Blanz. Blitzschnell  drehte er sich, fing die Waffe geschickt auf. Gerade mal so bohrte sie sich nicht in seine Seite. Doch etwas überwältigt von der Wurfkraft tummelte er zurück. Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während seine Augen nur so vor Anerkennung strahlten.

Doch schnell hatte er sich wieder gefangen. Mit einem selbstgefälligen Ausdruck wirbelte er den Dolch in seiner Hand umher.

Hingegen sie in dem Moment versuchte auf die Beine zu kommen.
Castiel verdrehte die Augen als er mit dem Dolch auf sie zeigte. So wie sie da wankelnd ihr Gleichgewicht suchte, konnte er sie nicht sehen.
Er wollte sie nicht schwach sehen.

"Okay, normalerweise würde ich lachen, aber das hier wird einfach lächerlich.", klagte er. "Hinsetzen, bevor du ohnmächtig wirst.", doch sie dachte nicht einmal daran, seinen Befehlen zu gehorchen. Stattdessen sah sie seinen Dämonen in die Augen und lächelte. Sie lächelte der einen Sache entgegen, von der er dachte sie würde sie fürchten.

Doch sie fürchtete sie nicht.
"Wieso bin ich hier, mit dir?", sie betonte das letzte Wort angewidert, während sie mit wild fuchtelten Armen auf das Geschehen um sich zeigte. Gelangweilt warf Castiel ihr den Dolch zu. Ihn interessierte nicht, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand, gerade mit den Gedanken wo anders war, er wusste sie würde ihn auffangen, und er behielt recht.

"Was ist das für ein Ort? Wieso sehen die Menschen so aus als wären sie der Ohnmacht nahe? Wieso...", er beendete ihren Redefluss indem er auf sie zu schlenderte. Irritiert wollte sie gerade wieder den Mund öffnen, als er sie mit einer Berührung verstummen ließ. Sanft umfasste er ihren Arm, so verwirrt wie sie war, ließ sie es einfach geschehen.

Ließ zu, dass er ihren Arm, auf einem Baum lenkte. Falls er dachte, damit hätte sie alle Antworten die sie brauchte, täuschte er sich. Als die Frau sich gerade augenverdrehend abwenden wollte, hielt er sie fest. Dicht bei ihm, als wäre er mit seine Erklärung noch nicht ganz fertig.
"Dieser Baum lässt dich dein Glück fühlen.", die raue Stimme so nah an ihrem Ohr, jagte ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Eine ihr nur allzu bekannte Hitze ließ ihren Haut erglühen.

So unkonzentriert wie noch nie, versuchte sie trotzdem weiter seinen Worten zu lauschen. "Du warst im Rausch deines Glückes. Hast Dinge gefühlt, gesehen die nicht real waren.", sie atmete immer schneller. "Was?", schwer schluckte Castiel.
"Dieser Baum ist magisch.", er drehte seinen Kopf zu ihr, wollte den Ausdruck sehen, der sich auf ihrem Gesicht gebildet hatte. Obwohl er es schon vorher wusste: Sie würde an diesem Erkenntnis zerbrechen.

Entsetzt sah die junge Frau zum Baum. Das sonst so strahlende blau ihre Augen, verblasste. Zurück blieb der lebloser Blick, den sie Castiel schenkte. "Es war niemals Wirklichkeit?", fragte sie mit brechender Stimme. Tief und auch leicht zitternd atmete sie ein. Sie war mit den Nerven völlig am Ende und das konnte Castiel sehr gut nachvollziehen.

"Niemals.", antwortete Castiel leise.
Als er gerade glaubte, damit wäre ihr Gespräch über den Baum dem Ende nahe, überraschte sie ihm. Laut schnaubend drehte sie sich zu ihm, die Spitze ihres Dolches an seinen Oberkörper gedrückt.
"Denkst du wirklich ich wäre so dumm?", die Empörung war nur schwer zu überhören. "Sag mir die Wahrheit. Erzähl mir keinen Schwachsinn über magische Bäume! Wieso hast du mich an diesen Ort verschleppt? Wieso kann ich mich an nichts erinnern?", jetzt klang sie schon beinahe verzweifelt, hysterisch.

Gerade als Castiel zum sprechen ansetzten wollte, unterbrach sie ihn mit zusammen gebissenen Zähnen.
"Glaub ja nicht du konntest mich täuschen. Ich zögere einen finalen Schlag nie aus.", drohte sie leise. Der Dolch drückte immer fester auf seinen Mantel, doch das ließ Castiel nicht in Unruhe fallen. Er verbracht die Sekunden der Stille damit, sie zu mustern.

Den entschlossenen Gesichtsausdruck, das gefährliche Glitzern in ihren Augen, das...
"Sprich.", rieß sie ihn fordernd aus seinen Gedanken. Ein kleines Lächeln umspielte die Mundwinkel des Mannes. "Ich sprach die Wahrheit, Liebes. Aus meinen Mund hast du noch nie eine Lüge gehört.", antwortete er offen. So selbstsicher, dass die Frau wusste er habe bei diesem Punkt nicht gelogen. Kurz spielte sie mir dem Gedanken, ihn eine detailliertete Erklärung zu entlockten, doch sie ließ es bleiben, sie hatte in etwa verstanden, was es mit dem Zauber auf sich hat.

Und so unsinnig, wie sie behauptet hatte, war die Vorstellung eines magischen Baumes auch nicht. Gerade weil sie selbst in Sache Zauber keine Niete war...

Sie ging noch mal seine Worte durch. Baum, Magie, Glück, irreal.
Kraftlos ließ sie ihre Arme sinken
und wandte ihr Gesicht ab.
Den Schmerz, der sich in ihren Blick einschlich, wollte sie keiner Menschenseele zeigen.

Ihr Verstand wollte immer
noch nicht akzeptieren, dass das
hier die brutale Realität war und sie  nicht nur wieder träumte.
Momentan fragte sie sich, wie sie
es schaffte, noch halbwegs klare
Gedanken zu fassen und nicht in
Panik auszubrechen. Wahrscheinlich war es ihrem Verstand verschuldet, ihrer kleinen inneren Stimme, die ihr drohte jetzt keine Schwäche zu zeigen.

Schluckend verstaute sie ihren Dolch in die Innentasche ihres Mantels, schien sich langsam vom Schock zu erholen. Sie war immerhin nicht zerbrechlich
wie eine Blume; sie war zerbrechlich wie eine Bombe.
Und die Explosion sollte man fürchten.

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