41 || 𝙬𝙞𝙘𝙠𝙚𝙙 𝙜𝙖𝙢𝙚𝙨 ☽
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Louisa PoV
Nichts ahnend stellte ich meine Handtasche auf der Kommode ab. Mein Tag war lang gewesen, und die Stille meiner Wohnung versprach endlich den Frieden, den ich so dringend brauchte. Doch gerade als ich mich in Richtung Schlafzimmer bewegte, stockte mir der Atem. Eine Gestalt saß auf meiner Couch.
„Oh mein Gott!" schrie ich erschrocken auf und hielt mir die Hand an die Brust, mein Herz klopfend wie ein Trommelwirbel. „Jeon Jungkook, bist du verrückt? Erschreck mich nie wieder so! Hast du verstanden?"
Mein jüngerer Bruder hob entschuldigend die Hände. „Tut mir leid", murmelte er, seine Augen schuldbewusst auf mich gerichtet.
Ich musterte ihn misstrauisch. „Warum bist du überhaupt unangekündigt hier? Solltest du nicht genug zu tun haben mit deinem Gym?" fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Doch anstatt auf meine Frage zu antworten, stand er plötzlich auf und kam auf mich zu. Ohne ein weiteres Wort zog er mich in eine enge Umarmung. Seine Arme hielten mich so fest, dass ich für einen Moment verwirrt und überfordert war.
„Geht's dir gut?" fragte er leise, seine Stimme schwer vor Sorge.
Ich löste mich ein wenig aus seinem Griff und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ja, natürlich. Warum fragst du? Was ist los mit dir, Kook?"
Ein leises Seufzen entfloh seinen Lippen, bevor er endlich sprach. „Mina hat mir erzählt, dass Taehyung in derselben Klinik ist, in der du arbeitest."
Für einen Moment hielt ich inne, dann nickte ich. „Ja, das weiß ich."
Seine Stirn legte sich in tiefe Falten. „Hast du ihn schon gesehen?" fragte er vorsichtig, seine Augen suchten meine.
Ich atmete einmal tief durch, bevor ich antwortete: „Jungkook... ich bin seine Therapeutin."
Sein Kopf fuhr ruckartig hoch, seine Augen weiteten sich vor Schock. „WAS?!" rief er ungläubig und starrte mich an, als hätte ich ihm gerade die unglaublichste Neuigkeit seines Lebens erzählt.
„Du willst mir ernsthaft sagen, dass du weißt, wer er ist, und ihn trotzdem behandelst?" Seine Stimme überschlug sich vor Ungläubigkeit und Ärger.
„Ja", erwiderte ich ruhig, auch wenn mein Herz ein wenig schneller schlug. „Ich glaube, es gibt niemanden, der besser für ihn geeignet ist als jemand, der seine Vergangenheit kennt und versteht, wie er tickt."
Jungkook schüttelte den Kopf, seine Augen voller Unruhe. „Nein, Louisa. Das glaubst du nur. Du denkst, du kennst ihn – oder das, was er früher war. Aber Taehyung ist nicht mehr derselbe Mensch. Er ist... anders. Dunkler. Er ist eine Zeitbombe, und du hast keine Ahnung, wann er explodieren wird."
Er ließ sich schwer auf die Couch fallen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das sich bei jeder seiner Bewegungen zerzauster anfühlte. „Er ist unberechenbar, Lou. Für andere – und für sich selbst."
Ich setzte mich neben ihn, mein Herz schwer. „Das weiß ich, Kook. Aber..."
Er unterbrach mich, seine Stimme schneidend: „Weiß er von Jinho?"
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag, und für einen Moment war ich unfähig, zu antworten. Schließlich schüttelte ich den Kopf. „Nein. Er ist nicht bereit, es zu erfahren. Wenn ich es ihm jetzt sage, würde es ihn nur noch mehr destabilisieren."
Jungkook nickte langsam, seine Schultern sanken ein wenig. „Ich kenne dich, Louisa. Ich weiß, warum du das machst. Du glaubst, du kannst ihn retten. Du willst ihn retten."
„Weil ich weiß, dass ich es kann", sagte ich mit fester Stimme. „Jedes Mal, wenn ich ihm in die Augen sehe, spüre ich, dass da noch ein Teil von ihm ist, der gerettet werden will. Ein Teil, der Hoffnung hat. Wie soll er gesund werden, wenn niemand an ihn glaubt? Wenn niemand ihm sagt, dass er es schaffen kann?"
Jungkook schwieg einen Moment, seine Augen ruhten auf mir, voller Sorgen und Zweifel. „Louisa, ich will ja an ihn glauben, wirklich. Aber es ist... kompliziert. Jedes Mal, wenn er mit Mina allein ist, habe ich Angst, dass er ihr etwas antun könnte. Und jetzt muss ich mir auch noch Sorgen um dich machen. Ich sage nicht, dass er ein schlechter Mensch ist – ich weiß, dass er vieles nicht absichtlich macht, dass er... kaputt ist. Aber er ist unberechenbar. Und das macht ihn gefährlich."
Ich runzelte die Stirn, seine Worte verunsicherten mich. „Was meinst du damit?" fragte ich zögerlich.
Jungkook sah einen Moment lang weg, bevor er leise sprach. „Er hat versucht, sich umzubringen."
Die Luft entwich meinen Lungen, und ich spürte, wie mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog. „Was?" flüsterte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch.
„Er wollte sich ertränken... in der Badewanne. Jin und Jimin haben ihn noch rechtzeitig gefunden und gerettet."
Jungkooks Stimme zitterte leicht, doch in seinem Blick lag etwas Kaltes, fast Abwehrendes. Es war, als würde er sich zwingen, die Worte auszusprechen, obwohl sie ihn selbst zu zerreißen schienen.
Ich stand wie versteinert da, unfähig, zu reagieren. Mein Gehirn versuchte, die Worte zu verarbeiten, doch mein Herz pochte so laut in meinen Ohren, dass ich kaum klar denken konnte.
„Das ist.." Meine Stimme brach, und ich schluckte schwer. „Wow." Es war alles, was ich sagen konnte.
Aber Jungkook war noch nicht fertig.
Sein Kiefer spannte sich an, und seine Augen wurden weicher, fast schon vorsichtig, als würde er mich mit dem nächsten Satz verletzen wollen, obwohl er genau wusste, dass er es musste.
„Ich weiß nicht, ob es richtig ist, dir das zu sagen..." Er hielt inne, sah mich an und ließ schließlich den Atem aus, als ob er die Worte aus seiner Brust reißen müsste. „Aber in seinem Abschiedsbrief stand, dass er sich eigentlich schon zum zweiten Mal umbringt. Das erste Mal, Louisa, hat er gesagt, war der Moment, als er dich verlassen hat."
Ich hob meinen Blick, und seine Augen suchten unsicher die meinen. „Er schrieb, dass er sich nun schon das zweite Mal umbringt. Das erste Mal war, als er dich verlassen hat."
Die Worte trafen mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ein ersticktes Keuchen entwich meinen Lippen, und meine Hand griff instinktiv an mein Herz, als könnte ich so den Schmerz dämpfen, der sich in meiner Brust ausbreitete. Die Tränen stiegen mir unkontrolliert in die Augen, und ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht laut loszuweinen.
„Louisa..." Jungkooks Stimme war weich, vorsichtig, und er streckte die Hand nach mir aus, wollte mich berühren, wollte mir Trost spenden.
Doch ich wich zurück, schüttelte den Kopf und stand auf.
„Bitte, Jungkook", sagte ich mit brucht-
ger Stimme, die kaum mehr als ein Flustern war. „Hol Jinho von der Schule ab und mach etwas Schönes mit ihm.
Ich... ich muss noch etwas erledigen."
Er sah mich mit einer Mischung aus Besorgnis und Schmerz an, als wollte er protestieren. Doch irgendetwas in meinem Blick hielt ihn davon ab. Schließlich nickte er langsam, wenn auch widerwillig.
Ich griff nach meiner Handtasche und ging zur Tür. Noch bevor ich sie hinter mir schließen konnte, hörte ich seine leisen Worte: „Pass auf dich auf, Louisa."
Doch ich konnte nicht antworten.
Nicht jetzt. Mein Herz fühlte sich an, als wurde es unter der Last der Offenbarung zerbrechen, die Jungkook mir gerade gemacht hatte.
•••
Im Auto ließ ich die Tranen endlich freien Lauf. Sie strömten über mein Gesicht, heiß und unaufhaltsam, wahrend ich die Hande fest ums Lenkrad schloss. Ich wollte schreien, die Wut und den Schmerz hinausschreien, aber die Welt draußen war ruhig. Der Regen prasselte sanft gegen die Windschutz-scheibe, als ob er mich beruhigen wollte, doch es half nicht.
„Ganz ruhig, Louisa", murmelte ich zittrig zu mir selbst, während ich mir mit zitternden Fingern die Tranen wegwischte. „Einatmen. Ausatmen."
Ich presste die Handflächen an meine Brust und zwang mich, tief durchzu-atmen. Meine Lungen füllten sich langsam mit Luft, und mein Atem wurde gleichmäßiger. Doch das Brennen in meinem Herzen blieb.
Nachdem ich mich einigermaßen gesammelt hatte, griff ich nach meinem Handy und tippte den Zielort ins Navi:
Seoul.
Die kalte Stimme des Systems leitete mich, während ich den Motor startete und die Hande wieder ans Lenkrad legte. Mein Ziel war klar, auch wenn alles andere in meinem Kopf verschwommen war.
Ich wusste nicht genau, was ich tun oder sagen wollte, wenn ich ihn sah. Aber eines wusste ich mit jeder Faser meines Wesens: Ich konnte ihn nicht so lassen. Nicht in diesem Zustand, nicht mit all dem Schmerz, den er in sich trug.
Während ich durch die grauen, regen-verhangenen Straßen fuhr, spürte ich die Schwere seiner Worte erneut auf mir lasten. „Das erste Mal hat er schon sein Leben verloren, als er dich verlassen hat."
Die Tränen liefen wieder, leise, fast unbemerkt. Doch dieses Mal hielt ich nicht an, um sie wegzuwischen. Denn sie waren nicht nur Tranen des Schmerzes, sondern auch des Entschlusses. Ich würde zu ihm gehen. Ich würde ihm helfen. Und ich würde ihm zeigen, dass er nicht allein war.
•••
Aufgeregt stand ich vor der Haustür, mein Herz schlug wie ein Trommelwirbel in meiner Brust. Meine Hände waren feucht vor Nervosität, und ich fühlte, wie meine Beine leicht zitterten. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt – die Adresse aus dem Telefonbuch, das Apartment, von dem ich nur hoffen konnte, dass es das richtige war.
„Bitte, bitte, bitte..." murmelte ich leise vor mich hin, während ich tief durchatmete. Mein Finger zögerte nur einen Moment, bevor ich schließlich entschlossen an die Tür klopfte.
Die Sekunden, die ich wartete, fühlten sich wie Stunden an. Mein Blick wanderte zur Tür, zu meinen Schuhen, zurück zur Tür. Mein Herz pochte immer lauter, je länger die Stille anhielt. Was, wenn es das falsche Apartment war? Was, wenn niemand aufmacht?
Doch dann hörte ich Schritte. Die Tür öffnete sich langsam, und mein Atem stockte.
Vor mir stand jemand, den ich so lange nicht mehr gesehen hatte, dass es sich fast surreal anfühlte. Sein Gesicht war vertraut und doch fremd zugleich – als hätte die Zeit Spuren hinterlassen, die ich nicht kannte. Seine Augen weiteten sich, und für einen Moment war nichts als Stille zwischen uns, ein schwerer, geladener Moment, in dem nur die Zeit zu stehen schien.
„Louisa?" Seine Stimme war rau, überrascht – ein Flüstern, das mehr als nur meinen Namen trug. Es war ein Echo aus einer Zeit, die wir beide längst hinter uns glaubten.
Ich schluckte schwer, bevor ich ein Lächeln aufsetzte, das ich nicht ganz kontrollieren konnte. „Hobi."
Sein Name kam leise über meine Lippen, fast ehrfürchtig. Und doch trug er eine Vertrautheit, die sich wie ein warmer Mantel um mich legte. Wir standen da, wortlos, unsere Blicke ineinander verhakt. Seine Augen waren weit, voller Emotionen, die ich nicht entschlüsseln konnte.
Ich wusste, dass dies nur der Anfang war – ein Moment vor dem Sturm. Aber in diesem Augenblick zählte nur, dass ich ihn gefunden hatte.
•••
„...Alter, und ich dachte immer, du wärst mit einem heißen Typen durchgebrannt", meinte Hoseok plötzlich und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Seine Stimme war leicht, fast spielerisch, aber in seinen Augen lag die gleiche Wärme wie immer – ein Gefühl von Vertrautheit, das ich so lange vermisst hatte.
Ich schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Entschuldigung, dass ich mich nicht schon früher gemeldet habe", sagte ich ehrlich, meine Stimme etwas leiser werdend. „Jungkook war der Einzige, den ich regelmäßig informiert habe, wo ich bin. Ich war einfach so gestresst mit Jinho, mit allem... Ich hatte keine Zeit für gar nichts."
Hoseok stellte seine Tasse ab und beugte sich ein wenig vor, als wollte er sicherstellen, dass ich ihm auch wirklich glaubte. „Louisa, mach dir keine Vorwürfe", sagte er ernst. „Du solltest stolz auf dich sein, nach allem, was du durchmachen musstest." Er hielt kurz inne, als wollte er seine nächsten Worte mit Bedacht wählen. „Dass du damals mit Taehyung zusammen warst, wissen ja eh schon alle. Er konnte es nach deinem Verschwinden nicht mehr für sich behalten."
Mein Herz zog sich bei diesen Worten schmerzhaft zusammen, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Ein leises Seufzen entwich mir, während ich den Blick abwandte und mich auf die leichten Wellen in meiner Kaffeetasse konzentrierte. „Natürlich nicht", murmelte ich fast mehr zu mir selbst.
Das Thema wurde schwerer, als ich es ertragen konnte, also beschloss ich, die Richtung des Gesprächs zu ändern. „Und was macht ihr alle so? Seid ihr immer noch befreundet?" fragte ich mit einem schwachen Lächeln, in der Hoffnung, dass die Leichtigkeit seiner Antwort mich ablenken würde.
Hoseok nickte sofort, und ein breites, aufrichtiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Rate mal, wer verlobt ist."
Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch, während er seinen linken Zeigefinger hob. Dort, an seinem Ringfinger, glänzte ein schlichter, aber wunderschöner Verlobungsring.
„Der ist hoffentlich von Yoongi?" fragte ich mit einem schmunzelnden Unterton, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
„Selbstverständlich! Er ist meine einzige und wahre Liebe." Hoseok lehnte sich zurück, und ich konnte die Zufriedenheit und das Glück förmlich von ihm ausstrahlen sehen.
Ich lächelte breit, und für einen Moment fühlte ich mich wirklich leicht, fast glücklich. „Schön zu wissen, dass wenigstens ein Paar hier ein Happy End hatte. Beziehungsweise zwei", fügte ich hinzu und dachte dabei an Mina und Jungkook.
Doch mein Tonfall musste etwas verraten haben, denn Hoseoks Blick veränderte sich. Sein Lächeln verblasste leicht, und ich konnte das Mitleid in seinen Augen sehen. Es war kein unangenehmes Mitleid, eher eine stille Anteilnahme, aber es reichte, um den Knoten in meinem Hals enger zu ziehen.
Hoseok war gut darin, Emotionen zu lesen, und er wechselte geschickt das Thema, als hätte er gespürt, dass ich gerade nicht weiter über meine Vergangenheit sprechen konnte.
„Was hat dich eigentlich nach Seoul geführt?" fragte er, dieses Mal mit einer weicheren, beinahe vorsichtigen Stimme.
Ich atmete tief ein und richtete mich in meinem Stuhl auf, meine Hände umklammerten die Tasse fester. Die Worte kamen schwer, doch ich wusste, dass ich sie aussprechen musste. „Namjoon. Ich muss mit ihm reden."
•••
„Hier wohnt er, soweit ich weiß." Hoseok deutete auf das alte, abgebrannte Haus vor uns, das inmitten des Waldes stand. Ich konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das Gebäude sah aus, als hätte es schon bessere Tage gesehen.
„Gut zu wissen, dass die richtigen Menschen für ihren ganzen Unfug bestraft wurden," sagte ich, und Hoseok nickte zustimmend.
„Er wurde von seinen Eltern enterbt, als sie herausgefunden haben, dass er die ganze Stadt mit Drogen versorgt hat. Die haben ihn einfach rausgeschmissen, und seitdem lebt er hier, ganz alleine und abgelegen.", erzählte Hoseok, während er mir einen Seitenblick zuwarf. „Abgelegen" war hier wirklich die richtige Beschreibung. Wir standen mitten im Wald, und wenn der Typ ein bisschen mehr verrückt war, als Hoseok sagte, dann könnte er uns hier in Stücke schneiden, und niemand würde es jemals erfahren.
„Hier wohnt er, soweit ich weiß." Hoseok deutete auf das alte, abgebrannte Haus vor uns, das inmitten des Waldes stand. Ich konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das Gebäude sah aus, als hätte es schon bessere Tage gesehen.
„Gut zu wissen, dass die richtigen Menschen für ihren ganzen Unfug bestraft wurden," sagte ich, und Hoseok nickte zustimmend.
„Er wurde von seinen Eltern enterbt, als sie herausgefunden haben, dass er die ganze Stadt mit Drogen versorgt hat. Die haben ihn einfach rausgeschmissen, und seitdem lebt er hier, ganz alleine und abgelegen.", erzählte Hoseok, während er mir einen Seitenblick zuwarf. „Abgelegen" war hier wirklich die richtige Beschreibung. Wir standen mitten im Wald, und wenn der Typ ein bisschen mehr verrückt war, als Hoseok sagte, dann könnte er uns hier in Stücke schneiden, und niemand würde es jemals erfahren.
„Bist du bereit?" fragte Hoseok, der etwas nervös wirkte. Ich nickte entschlossen.
„Entschlossen, ihm in die Eier zu treten? Das ist der Plan. Auf jeden Fall."
Das war das Letzte, was ich sagte, bevor ich die Tür öffnete, aus dem Auto stieg und auf das Haus zuging. Hoseok folgte mir zögernd.
Als ich vor der Tür stand, klingelte ich ohne ein Zögern. Es dauerte keine zehn Sekunden, da hörte ich aus dem Inneren des Hauses ein unverschämt fröhliches:
„Sofooooort!"
Ich starrte Hoseok mit großen Augen an. „Bist du dir sicher, dass Namjoon hier wohnt und nicht irgendein Hippie?" fragte ich, halb lachend, halb besorgt.
„Uh-" wollte Hoseok antworten, aber bevor er noch etwas sagen konnte, flogen die Türen auf und es stand eine Person vor uns, die ich so schnell nicht vergessen würde.
„Was für eine Freude, dass ein paar alte Schulfreunde mich besuchen kommen!"
Namjoon. Oder, besser gesagt, das, was von ihm übrig war. Wenn er früher mal wie Leonardo DiCaprio aussah, dann war er heute mehr der „schlechteste" Cosplay von Oli London – und zwar auf Crack. Er hatte eine ganze Armee von Zöpfen mit bunten Federn und irgendwelchen auffälligen Perlen darin. Sein Hemd war das krasseste Lila, das ich je gesehen hatte, und seine Hosen waren so eng, dass sie fast eine modische Lebensgefahr darstellten. Er strahlte uns an, als wäre er der König von allem, was wir je kannten.
„Schulfreunde...? Was habe ich da verpasst?" Ich runzelte meine Stirn, völlig perplex, und Namjoon nickte zustimmend, als hätte er gerade das tiefste Geheimnis des Universums lüften müssen.
„Na, jetzt sagt mir nicht, ihr lasst euch immer noch von den negativen Energien von damals runterziehen?" fragte er, als ob wir gerade in einer therapeutischen Sitzung wären. „Wenn ja, dann müsst ihr sofort damit aufhören! Das tut euch nicht gut!" Er schüttelte seinen Kopf so dramatisch, dass es beinahe wirkte, als wäre er der spirituelle Heiler, der uns gerade vor einer geistigen Katastrophe rettete.
Ich war zu sehr verwirrt, um sofort zu antworten. Stattdessen drehte ich mich zu Hoseok, der genauso starr vor Entsetzen dastand wie ich. Seine Augen schienen den ganzen Sinn der Welt zu hinterfragen.
„Wie auch immer, kommt doch erstmal rein! Ihr müsst doch Durst haben nach so einer langen Fahrt!" Namjoon packte uns direkt bei den Armen – viel zu fest – und zog uns ins Haus.
Drinnen war es genauso ein Fall für die Bild-Zeitung. Überall hingen bunte Tücher, exotische Postkarten und einige Kristalle, die mehr versprachen, als sie halten konnten. Namjoon führte uns in sein „Reich" und wedelte mit den Armen, als sei er der Herrscher über ein Königreich des Wahnsinns.
„Was für einen Tee bevorzugt ihr? Kräuter? Minze? Oder vielleicht Petersilie?" fragte er mit einer solchen Überzeugung, dass es mir fast den Atem nahm. Er schnappte sich eine Teekanne und hielt sie hoch, als wäre sie der Heilige Gral des Teetrinkens.
Ich seufzte so laut, dass es fast wie ein lautes „Hilfe" klang. „Ich bin nicht hier, um Tee zu trinken, Namjoon."
„Das hab ich mir schon fast gedacht," sagte er mit einem wissenden Blick und schüttelte seinen Kopf, als wäre er der erfahrene Zen-Meister der Tee-Welt. „Aber ein Tee lockert die Stimmung auf, ihr werdet sehen! Wie wär's mit Kräutertee?"
Er hob seine Tasse Kräutertee in die Luft, als hätte er gerade das Geheimnis des Universums entschlüsselt.
„Nein, wirklich, ich bin nicht hier, um zu entspannen, sondern um... nun ja, dich zur Rechenschaft zu ziehen!"
Namjoon grinste nur und setzte sich auf ein überdimensionales Kissen auf dem Boden, als wäre das alles ein großes, friedliches Yoga-Retreat. „Kräutertee ist der Schlüssel zur Harmonie, Leute. Ihr werdet sehen, der Tee wird uns alle wieder ins Gleichgewicht bringen!"
Ich rollte mit den Augen und stöhnte laut auf. „Wo bin ich hier bloß gelandet?" fragte ich mich und konnte mich kaum zurückhalten, nicht einfach loszulachen. Denn egal wie verrückt Namjoon war – die Situation war irgendwie auch noch komisch.
•••
„Okay, Kinder, was führt euch zu Joonie?" Namjoon ließ sich mit einem übertriebenen, dramatischen Seufzer in den Sessel plumpsen. Die Arme weit ausgebreitet, als ob er der König seines eigenen kleinen Königreichs war. Sein Lächeln war ein bisschen zu breit, und seine Augen blitzten so, als ob er die Antwort schon längst kannte – nur dass er sie nicht wirklich hören wollte.
Hoseok setzte sich mit einer müden Bewegung auf das Sofa, die Augenbrauen hochgezogen, als er sich die Situation ansah. „Wie ich sehe, hat sich der Reichtum für dich erledigt. Muss hart gewesen sein", bemerkte er, und die Spöttelkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Namjoon schüttelte den Kopf, als ob Hoseok gerade die größte Lüge des Jahrhunderts erzählt hätte. „Das ist das Beste, was mir je hätte passieren können!" sagte er mit einem Gesichtsausdruck, als ob er gerade das Geheimnis des Universums entschlüsselt hätte. „Früher wollte ich immer reich und schön sein, mein Lieblingstier war ein Sparschwein... aber jetzt trink ich Kräutertee", fügte er hinzu, als würde das in irgendeiner Weise die Existenz der Menschheit verändern. Er blickte dann bedeutungsvoll aus dem Fenster. „Ich lebte zwar in einem Schloss, aber jetzt bin ich glücklicher, auch wenn hier reinregnet."
Ich und Hoseok tauschten einen skeptischen Blick. Das war zu viel, selbst für Namjoon.
„Das ganze Geld und Drama war einfach nicht gut für mein Karma", fuhr er fort, als hätte er gerade die tiefste Weisheit verkündet. Wir hatten ihn früher nie so erlebt – als wären all seine oberflächlichen Ziele plötzlich von gestern. Doch bevor ich überhaupt eine Antwort geben konnte, stand er mit einer fließenden Bewegung auf und grinste breit.
„Das ist es, was der spirituelle Namjoon von heute tun würde", dachte ich mir, als er plötzlich begann, zu singen. Ja, zu singen. Einfach so. Ohne Vorwarnung.
„Die ganze Kohle und der Klunker, ziehen uns doch nur runter! Das brauch ich nicht!~"
Mit den Armen wild in der Luft fuchtelnd, drehte er sich im Kreis, als wäre er der Star eines Musikvideos aus den 80ern. Hoseok und ich starrten nur fassungslos zu, während er sich immer weiter drehte, als ob er der Mittelpunkt eines völlig verrückten Dance Moves war.
„Alle wollen doch nur das eine – höher, schneller, weiter! Ohne mich!~"
Ich konnte nicht anders, als mit offenem Mund zuzusehen, wie er weiter durch den Raum tanzte, als würde er seine eigene private Show abziehen. Ein einziger, kompletter Wirbelwind.
„Ich sag nur, das Leben ist zu kurz, zerbrich dir nicht den Kopf!~"
Und dann, ohne Vorwarnung, rannte er auf einen Baum zu, der mitten im Wohnzimmer stand. Ja, ein Baum. Der wohnte nicht einfach in einem Garten – nein, der Baum war Namjoons zentrales Wohnaccessoire. Mit offenen Armen umarmte er ihn, als wäre es der einzig wahre Freund, den er je hatte.
„Wir bleiben alle kurz mal stehen, umarmen einen Baum und sagen... omm, omm, omm-"
„NAMJOON!" rief ich aus, und plötzlich stoppte er mitten in seiner Baumumarmung und drehte sich mit einem unglaublich unschuldigen Lächeln zu mir um.
„Ihr solltet auch mal einen Baum umarmen", sagte er ruhig, als ob er uns gerade den Weg zur Erleuchtung gezeigt hätte. „Ihr sammelt so viel Kraft dadurch."
Ich konnte mir ein Stirnrunzeln nicht verkneifen und funkelte ihn mit einem Blick an, der alles andere als ruhig war. „Nein, danke! Außerdem bin ich nicht hier, um zu meditieren, sondern weil ich dich um etwas bitten möchte."
Namjoon löste sich mit einem langen Seufzer von dem Baum und kam nun mit einem seltsamen, fast übertrieben friedlichen Lächeln auf uns zu. Es war fast, als ob er uns alle auf einem Zen-Trip mitnehmen wollte.
„Und was möchtest du?" fragte er, als hätte er alle Zeit der Welt und wir wären die, die es eilig hatten.
„Ich möchte, dass du mit mir nach Busan kommst und—"
„Nein." Unterbrach er mich mit einer Überraschung, die fast schon komisch war, und schüttelte bestimmt den Kopf.
„Ich verlasse meinen Wald nicht", fügte er entschlossen hinzu, als ob er gerade den heiligen Pakt mit dem Universum geschlossen hätte und nichts ihn davon abbringen konnte.
„Kim Namjoon—"
„Joonie!" unterbrach er mich wieder und erhob einen Finger, als wolle er mir gerade das größte Geheimnis seiner neuen, erleuchteten Existenz offenbaren. „Ich bin nicht mehr Kim Namjoon", sagte er mit so viel Überzeugung, dass es beinahe schon wieder komisch war.
Und jetzt war es genug. „Ist mir fucking egal", brüllte ich, die Wut stieg in mir hoch. „Du tust hier einen auf heiligen Hippie, aber hast du vergessen, was du damals für unzählige Sünden begangen hast? Du hast mein Leben ruiniert!"
Meine Stimme zitterte vor Wut, als der Druck, den ich jahrelang in mir getragen hatte, endlich wie ein Vulkan aus mir herausbrach. Mein Herz pochte laut, und ich fühlte, wie sich alles in mir anstaute.
Namjoon war plötzlich nicht mehr so ruhig wie zuvor. Sein Blick veränderte sich, er schluckte und trat einen Schritt zurück, als ob er in einer schwierigen Entscheidung gefangen war.
„Ich müsste euch bitten, mein Zuhause nun zu verlassen", sagte er mit einer Stimme, die jetzt weniger überzeugend, eher so klang, als würde er versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bekommen.
„EINEN SCHEISS MACH ICH!" brüllte ich, und wollte auf ihn losgehen, doch bevor ich einen Schritt tun konnte, hielt Hoseok mich fest. Er packte mich am Arm und zog mich mit überraschender Stärke zurück.
„Louisa, ich glaube, es ist das Beste, wenn wir jetzt einfach gehen", sagte er ruhig, doch es war kein Zweifel in seiner Stimme. Er hatte die Situation erkannt, während ich den Dampf abließ.
„NEIN! Ich nehme dieses Arschloch auseinander!" schrie ich aufgebracht, aber Hoseok hielt mich weiterhin fest. Und obwohl ich strampelte und versuchte, mich zu befreien, schaffte er es, mich sanft, aber bestimmt aus der Tür zu ziehen.
„Herz 5, meine Kinder!" hörte ich Namjoon noch rufen, und ich konnte wirklich nicht glauben, dass ich das gerade erlebt hatte. Es fühlte sich an, als wäre ich in einem Irrenhaus gelandet.
Wieder im Auto, saß ich immer noch zitternd vor Wut. „Was sollte das? Hättest du mich noch etwas länger gelassen, hätte ich den an seinen Zöpfen nach Busan gezerrt", fauchte ich Hoseok an, als meine Gedanken sich wieder zu sammeln versuchten.
Hoseok blickte mich mit einem sanften, fast schon verschmitzten Lächeln an. „Das glaube ich dir, aber ich hab einen besseren Plan."
Und dieses Grinsen auf seinem Gesicht ließ mir das Gefühl kommen, dass der wahre Plan erst noch kommen würde.
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Kakmann war immer so legendär damals
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