Kapitel 43

Ein freier Elf

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Zitternd versuchte ich, mich aufzusetzen, und zuckte erschrocken zusammen, als Harry neben mir erschien und seine Hände auf meine Schultern legte. "Ivy, ist schon okay, wir sind außer Gefahr... Wir sind alle außer Gefahr..."

"Wo... Wo sind die anderen?" Suchend schaute ich mich um und entdeckte Ron, der wenige Meter entfernt Hermine schützend an sich drückte. Dobbys schwache Stimme ließ uns zu ihm herumfahren. "Harry Potter..."

"Dobby..." Harry stolperte auf Dobby zu und fing ihn auf, als er zusammenklappte. Mühsam rappelte ich mich auf und ging auf die beiden zu. Harry hatte Dobby auf seinen Schoß gebettet. Ich erschrak, als ich das viele Blut sah, das die lumpige Kleidung des Elfen durchnässte.

"Kannst du irgendwas tun?" Flehend sah Harry mich an. "Du musst ihn retten!"

"Das kann ich leider nicht, Harry", murmelte ich betrübt. Ich nahm Dobbys Hand in meine und nutzte das bisschen Kraft in mir, das ich noch übrig hatte, um ihm den Schmerz zu nehmen. "Aber ich kann es ihm leichter machen... Er soll nicht so sehr leiden, wenn er..." Ich unterbrach mich, schluckte und schloss die Augen. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte ich, Dobbys Schmerz zu lindern.

"Ivy Clover ist eine gute Hexe... Sie ist auf dem rechten Weg", lächelte Dobby, worauf mir Tränen in die Augen traten. "Sei still, du dummer Elf", schniefte ich. "Du musst dich schonen..."

"Wir kriegen dich wieder hin." Harry hatte inzwischen angefangen, zu weinen. "Hermine hat etwas in ihrer Tasche... Stimmt doch? Hermine? Hermine..." Verzweifelt sah Harry zu Luna und den anderen, die auf uns zuliefen. "Helft mir!"

"Ein wirklich wunderbarer Ort", sprach Dobby wieder, "um bei seinen Freunden zu sein... Dobby ist überglücklich, dass sein Freund bei ihm ist..." Schluchzend drückte Harry Dobby an sich, als der Elf seine letzten Worte aushauchte. "Harry Potter..."

Ich schniefte und ließ von Dobbys Hand ab, strich mir die Haare aus dem Gesicht. "Wir sollten seine Augen schließen", sagte ich an Harry gewandt und versuchte, ihm ein ermutigendes Lächeln zu schenken. Luna setzte sich neben ihn. "Sie hat recht, findest du nicht?"

Zitternd nickte Harry und ließ zu, dass Luna Dobbys Augen schloss. "So. Jetzt sieht es aus, als würde er schlafen."

"Ich will ihn begraben", entschied Harry nach einer Weile. "Und zwar richtig, ohne Zauberei." Nickend setzte ich mich auf seine freie Seite und legte meinen Kopf auf seine Schulter. "Okay... Wir helfen dir. Es wird alles gut, Harry."

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Nachdenklich stand ich neben Hermine vor Bill und Fleurs Haus und sah zu Harry hinüber, welcher noch immer an Dobbys Grab saß.

Er hatte sehr an dem kleinen Elf gehangen und ihn nun verloren, wie er auch seine Eltern und andere verloren hatte. Ich verstand, was er fühlte, immerhin hatte auch ich geliebte Menschen verloren, aber ich hatte das Gefühl, dass etwas in Harry sich geändert hatte, nachdem Dobby in seinen Armen gestorben war.

Es war der Ausdruck in Harrys Gesicht. Diese Wut und der Schmerz. Zuletzt hatte ich das gesehen, als Bellatrix Sirius ermordete...

Und dann meine Schwester.

"So viele Tote", murmelte ich. "Wann hört das endlich auf?"

"Wenn wir den Dunklen Lord gestoppt haben", gab Hermine zurück, klang aber nicht sonderlich zuversichtlich. "Wie geht's deinem Arm?"

"Er verheilt bereits", antwortete ich ausweichend und zog den Ärmel meines Oberteils noch etwas weiter vor, sodass er sogar meine Hand überdeckte. Ich weiß nicht, wieso, aber nicht einmal meine Werwolfkräfte hatten die Schmerzen oder die Wunde lindern können, welche Lestrange mir zugefügt hatte. Vermutlich, weil ich kein vollwertiger Werwolf bin, schoss es mir durch den Kopf und ich biss wütend die Zähne zusammen. Diese Scheißregel sucht sich immer ein Schlupfloch. Hätte Remus mich gebissen und ich hätte mich vollständig verwandelt... Wie würde mein Leben dann aussehen?

Aber um ehrlich zu sein, war ich trotz einiger Nachteile meiner Heilfähigkeiten froh, nur ein "halber" Werwolf zu sein, immerhin hatte ich mich so etwas besser unter Kontrolle und würde meinen Freunden nicht so schnell etwas antun.

Nachdenklich ging ich ins Haus zurück und nach oben, wo ich an die Tür von Mr Ollivanders Zimmer klopfte. Als ich eintrat, saß der alte Mann am Fenster und schaute hinaus.

"Mr Ollivander, Sir?" Leise schloss ich die Tür und setzte mich auf die Bettkante, dem Zauberer gegenüber. Er wandte seinen Kopf zu mir. "Ah, Miss Clover, nicht wahr?"

"Ja." Ich nickte und biss mir zögerlich auf die Zunge, strich meine Haare hinters Ohr. "Mr Ollivander... Ich habe mir seit Längerem eine Frage gestellt."

"Nur zu", ermutigte er mich.

Sorgfältig legte ich mir die Worte zurecht, bevor ich sie aussprach. "Als ich in meinem ersten Schuljahr mit Professor McGonagall zu Ihnen kam, um meinen Zauberstab zu kaufen, sagten Sie, ich solle mir der Tatsache bewusst sein, dass Macht nicht alles ist. Haben Sie... also... Dachten Sie, ich könnte so werden wie-"

"Meine Liebe, ich dachte nichts dergleichen", unterbrach Mr Ollivander mein Gestottere. "Ich muss allerdings zugeben, dass Sie mich damals... Wie soll ich sagen? Überrascht haben."

Irritiert runzelte ich die Stirn. "Überrascht?"

"Ja. Sie waren eine noch so junge, unerfahrene Hexe, strahlten aber bereits ziemliches Potential und Macht aus. Sie sind eine Slytherin, nicht wahr? Das hätte ich nicht gedacht, hätte man es mir nicht erzählt. Sie haben kein bisschen dieser rücksichtlosen Gier in sich, die er mit sich bringt."

"Wissen Sie, Mr Ollivander", sagte ich und betrachtete den Schlangenring an meinem Finger. "Eine Slytherin zu sein, hat damit nichts zu tun. Alle sagen immer, jeder böse Zauberer und jede böse Hexe war in Slytherin. Aber das heißt nicht, dass jeder Slytherin böse wird!" Außerdem war Pettigrew ein Gryffindor. Aber das erwähnte ich nicht.

"Hm", machte Ollivander und schenkte mir ein schwaches Lächeln. "Sie haben wohl recht, Miss Clover. Ich würde es allerdings nicht glauben, würden Sie nicht als Beweis vor mir sitzen."

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"Und du bist sicher, dass es von ihr ist?", fragte Ron noch einmal.

Leicht zitternd sah ich auf das gelockte Haar in meiner Hand. "Todsicher, Ronald."

Hermine, welche mein Unbehagen bemerkte, nahm das Haar in die Hand und warf es in den Vielsafttrank, den wir gebraut hatten. "Das sollte funktionieren. Bist du sicher, dass du ihn trinken willst?"

"Nichts für Ungut, Hermine", antwortete ich, "aber ich glaube, ich kann sie überzeugender imitieren."

"Ja, da hast du recht. Das ist allerdings nicht wirklich ein Kompliment", brummte Harry. Ich zuckte bloß mit den Schultern und wenig später stand ich als Bellatrix Lestrange vor meinen Freunden. "Und? Denkt ihr, sie kaufen uns das ab?"

"So grausig, wie du aussiehst?", fragte Ron zurück. "Ohne Zweifel."

Somit machten wir uns mit dem Kobold Griphook auf den Weg zu Gringotts, wo wir verkleidet (Harry und Griphook unter dem Tarnumhang) verlangten, Bellatrix' Verlies zu besichtigen. Überraschenderweise fiel es mir leicht, Bellatrix nachzumachen.

Wir kamen auch in ihr Verlies, jedoch mussten wir dort erst mal (in unserer normalen Gestalt, übrigens) an einem weißen, vernarbten Drachen vorbei. Griphook machte irgendwelche Geräusche, worauf der Drache zurückwich, und erklärte: "Er wurde darauf trainiert, bei dem Geräusch Schmerzen zu erwarten."

"Das ist barbarisch", kommentierte Hermine zähneknirschend. Wir schlichen weiter und als wir am anderen Ende des Raums angekommen waren, hielt ich inne. Ich sah zu dem Drachen zurück. Wie lange er wohl schon hier eingesperrt ist? Er hat Wunden am ganzen Körper...

"Ivy, kommst du?" Harry stand vor mir und wartete auf mich. Ich nickte nur und wir setzten unseren Weg fort.

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"Denkst du, was ich denke?" Ich sah Hermine an, welche neben mir hinter einer Säule Schutz vor den Angriffen der Kobolde suchte. Sie nickte und sagte: "Ich gebe dir Deckung, spring du zuerst!"

Ich wartete ein paar Sekunden, dann nahm ich Anlauf und sprang mit Leichtigkeit auf den Rücken des weißen Drachen. "Los!", schrie ich meinen Freunden zu.

"Sie ist ein Werwolf, wie sollen wir das schaffen?", jammerte Ron.

"Es ist nicht so schwer, wie es aussieht. Los jetzt!", drängte ich. Hermine sprang als erste, dann Harry und zum Schluss Ron. Ich löste die Ketten des Drachen mit einem Zauber und er begann, nach oben zu klettern, wortwörtlich durch die Decke und aufs Dach, wo er erst einmal freudig brüllte, da er nun endlich wieder frei war. Hermine rief: "Reducto!" und der Drache schlug befreit mit den Flügeln, stieg in die Luft und trug uns davon.

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