Kapitel 4
Schlammblut
-
"Wie kannst du nur so auf diesen Lockhart abfahren?", fragte ich Hermine genervt. Ron und ich saßen im Hof auf einer Bank und hörten Hermine neben uns zu, wie sie von Lockhart schwärmte.
"Ich fahre nicht auf ihn ab", berichtigte sie mich angespannt. "Ich finde einfach, er ist ein guter Lehrer, das ist alles."
"Nach der Sache mit diesen Gnomen?" Zweifelnd hob ich eine Braue.
"Wichtel", korrigierte sie mich.
Ich schnaubte. "Wie auch immer."
"Hey, Leute." Ron zeigte auf etwas vor uns. Wir folgten der Richtung mit den Augen und entdeckten das Gryffindor-Quidditchteam, ihnen gegenüber stand das der Slytherins. "Na toll", stöhnte ich, als Draco sich vor Harry stellte.
"Was macht der denn im Team?" Hermine sog scharf die Luft ein.
"Hab ich euch das noch nicht erzählt?" Ich setzte ein riesiges, gefälschtes Lächeln auf. "Er ist jetzt unser neuer Sucher. Sein Daddy hat ihn in die Mannschaft gekauft."
Natürlich wollte ich, dass unser Team beim Quidditch gut abschnitt. Ich liebte Quidditch und würde selbst gern spielen, aber ich würde mich nicht ins Team kaufen. Man brauchte talentierte Spieler, die mit ganzem Herzen dabei waren, nicht jemanden, der nur dank seines Geldes dabei war und weil er manchen Leuten eins auswischen wollte.
"Gleich brennt die Luft", murrte Ron und stand auf. Hermine und ich folgten ihm.
-
Nachsitzen.
Professor Snape hatte mir allen Ernstes Nachsitzen aufgebrummt. Nachdem Malfoy meine Freunde beleidigte, hatte ich mir einen giftigen Kommentar erlaubt ("Kein Wunder, dass jemand, der mehr Haargel als Gehirn hat, so einen Schwachsinn von sich gibt!") und er nannte mich daraufhin ein Schlammblut.
Schlammblut.
Im ersten Moment habe ich ihn geschockt angesehen. Im zweiten hat Ron seinen Zauberstab gezückt und zu meiner Verteidigung versucht, Malfoy zu verhexen. Im dritten sind wir an Blondie vorbeigerauscht, weil Ron begann, Schnecken auszuspucken. Harry hat Malfoy im Vorbeigehen angerempelt und könnten Blicke töten, hätte Hermine den Slytherin umgebracht. Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich beruhigen sollen, weil es mir nichts ausmachte.
Das war zwar gelogen, aber erstens konnte ich mir nicht erklären, wieso es mich störte, und zweitens sollte es mir eigentlich egal sein. Es war doch bloß Malfoy, warum also aufregen?
Damit meine Freunde jedoch nicht merken würden, wie sehr mich Malfoys Worte aufgewühlt hatten, habe ich ihnen gesagt, sie sollten schon mal ohne mich zu Hagrid gehen, der versuchen würde, Ron zu helfen. Ich hätte noch etwas zu erledigen. Und das hatte ich auch.
-
"Du arroganter Idiot!" Ich fand Malfoy in Begleitung seiner Kumpel in einem von Hogwarts Fluren. Als er mich auf ihn zurauschen sah, hob er spöttisch seine Augenbrauen. "Wen haben wir denn da? Das Schlammblut ist zurück!"
Er hielt sofort den Mund, als ich meinen Zauberstab zückte und ihm diesen an den Hals hielt. "Du hast keine Ahnung, wie viel Mühe es mich gerade kostet, dich nicht zu verhexen!", fauchte ich, während Malfoys Freunde bloß daneben standen.
"Was steht ihr da so rum?", keifte er und sah mich dabei beinahe ehrfürchtig an. "Tut gefälligst was!" Daraufhin erklang ein "Expelliarmus!" aus Theodore Notts Mund und mein Zauberstab flog in seine Hand.
Okay, zugegeben, ich hatte mir das Ganze vielleicht nicht sonderlich gut überlegt... Schön, eigentlich gar nicht. Eigentlich hatte ich aus purer Wut gehandelt.
Ich erwartete, dass sie mich verhexen würden. Dennoch hörte ich nicht auf, Malfoy, der wieder seinen arroganten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, in die Augen zu sehen. "Jemand wie du gehört nicht nach Slytherin!", spuckte er mir entgegen.
Ich verdrehte bloß die Augen. "Die alte Leier schon wieder... Malfoy, du wiederholst dich. Aber weißt du was?" Ich trat einen Schritt näher an ihn ran, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. "Deine Meinung interessiert mich 'nen Scheiß. Der Hut hat entschieden und ich bin genauso Slytherin wie du!"
"Wie kannst du es wagen, jemanden wie dich mit mir zu vergleichen!" Wütend funkelte er mich an und hob bereits seinen Zauberstab gegen mich. Er öffnete den Mund, um einen Zauber auszuführen, als das Holz plötzlich aus seiner Hand flog.
Ein Hufflepuff fing es auf. Er hatte dunkelblonde Haare und war ein paar Jahre älter als wir, ich schätzte, dass er womöglich im fünften Jahrgang war.
"Gebt ihr ihren Zauberstab zurück", verlangte er ruhig und sah Nott auffordernd an. Dieser zögerte, doch als der Hufflepuff seinen eigenen Stab auf ihn richtete, knickte Theodore ein und händigte mir meinen Zauberstab aus. Malfoy bekam seinen auch zurück. "Und jetzt verschwindet", befahl der Hufflepuff. Malfoy funkelte ihn wütend an, bevor er sich umdrehte und ging, die anderen folgten ihm.
Misstrauisch sah ich meinen Gegenüber an. "Wieso hast du das gemacht?"
Er zuckte mit den Schultern. "Es sah aus, als könntest du Hilfe gebrauchen." Lächelnd reichte er mir seine Hand. "Ich bin Cedric. Cedric Diggory."
-
Danach hatte Malfoy mich an Snape verpetzt in der Erwartung, ich würde Ärger bekommen. Als ich Snape jedoch erzählte, was Malfoy getan hatte, fing zwischen meinem Hauskameraden und mir eine hitzige Diskussion an. Dies ging Snape irgendwann auf die Nerven und er verdonnerte uns beide zum Nachsitzen.
Darum war ich nun, drei Tage später, hier. Saß in einem beinahe leeren Raum, Malfoy ein paar Tische von mir entfernt, und schrieb mir die Hände wund. Eigentlich konnte Snape mich gut leiden, und Malfoy auch (insofern Snape jemanden leiden konnte). Aber wir konnten einander überhaupt nicht ausstehen und ich schätze, irgendwann hatte Snape einfach genug von unseren ständigen Auseinandersetzungen.
So wie die meisten um uns herum.
Unser Hauslehrer war gerade nicht im Raum. Er meinte, er hätte eine Klasse zu unterrichten und würde am Ende der Stunde zu uns kommen, um den von ihm verlangten, zehnseitigen Aufsatz abzuholen.
Als ich gerade meine vierte Seite anfing, spähte ich zu Malfoys Tisch hinüber. Er saß gelangweilt da, den Kopf auf die Hände gestützt, und starrte Löcher in die Luft. Ich schnaubte.
Daraufhin sah er sofort zu mir. "Was?", keifte er.
"Willst du nicht mal anfangen?" Spöttisch hob ich eine Augenbraue. "Oder erwartest du, dass Snape dich das durchgehen lässt?"
Nun war es an Malfoy, zu schnauben. "Mich jedenfalls mehr, als so ein neunmalkluges Schlammblut!"
Gereizt pfefferte ich meine Feder auf den Tisch. "Hör auf, mich so zu nennen!"
"Aber du bist doch eins." Scheinheilig zuckte Malfoy mit den Schultern und setzte sich aufrecht hin. "Oder etwa nicht, Clover?" Er grinste.
Ich kniff die Augen zusammen. "Du kennst mich überhaupt nicht. Was ist eigentlich dein Problem mit mir, huh?"
Er antwortete nicht, stattdessen sah er mich eine ganze Weile an. Schließlich fragte er: "Steht deine Mum auf Blumen oder sowas?"
Diese Frage verwirrte mich so sehr, dass ich einige Sekunden nichts sagte. Dann: "Äh... was?"
"Dein Name ist Ivy Clover." Abwertend rümpfte er die Nase. "Da erübrigt sich meine Frage eigentlich schon."
Ich biss die Zähne zusammen. "Ich weiß nicht, ob sie Blumen mag", flüsterte ich so leise, dass ich dachte, er würde es nicht hören. Doch das tat er.
"Wie kannst du das nicht wissen?" Er hob eine Braue, doch ich wandte nur den Blick ab und schrieb verbissen weiter an meinem Aufsatz, versuchte, Malfoys Sticheleien zu ignorieren. "Du bist doch sonst so schlau und dann weißt du nicht mal, ob deine Mutter Blumen mag? Im Ernst?" Er lachte und fuhr fort. "Ich weiß nicht mal, wieso mich das interessiert, während es sogar dir scheinbar egal ist. Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke... Interessiert es mich auch nicht."
Ich versuchte, nicht hinzuhören. Ignorier ihn, er ist es nicht wert, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Ich gab ihr recht, doch ich hatte mich schon immer leicht provozieren lassen. Die einzigen, die, abgesehen von Dumbledore und McGonagall, wussten, dass meine Eltern vor neun Jahren umgekommen waren, waren die Weasleys, Harry, Hermine, Daphne und Hagrid. Und dabei sollte es auch bleiben.
Doch irgendwann konnte ich Malfoys vor Arroganz triefende Stimme nicht mehr ausblenden. Ich fuhr zu ihm herum. "Sie ist tot!", kreischte ich beinahe. Augenblicklich verstummte er. "Meine Eltern sind tot, okay?", fuhr ich mit etwas ruhigerer Stimme fort. "Sie sind vor neun Jahren gestorben. Ich weiß nicht, was dein Problem mit mir ist oder warum du mich ständig so herablassend behandelst, aber lass gefälligst meine Eltern aus dem Spiel, kapiert?" Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte ich mich wieder dem Pergament auf meinem Schreibtisch zu. Idiot. Verbissen schrieb ich weiter, versuchte, mich auf die Aufgabe zu konzentrieren.
"Es... tut mir leid."
Überrascht hörte ich auf, zu schreiben, bewegte mich jedoch nicht.
"Ich wusste nicht, dass deine Eltern tot sind", sprach Malfoy weiter.
Ich schloss die Augen. "Halt einfach den Mund, okay?", murmelte ich.
Doch natürlich tat er das nicht. "Was erwartest du eigentlich von mir?"
Mit gerunzelter Stirn sah ich ihn nun doch an. "Was?"
"Du verlangst, dass ich dich in Ruhe lasse", spottete er, "während du selbst herumläufst, als wärst du die Königin der Schule. Du lässt doch auch keine Möglichkeit aus, mich zu nerven."
"Das... Das stimmt doch gar nicht!", widersprach ich. Malfoy hob erneut eine Braue. Ich seufzte. "Okay, ja, ein bisschen vielleicht. Aber du fängst damit immer an!"
"Stimmt nicht!"
"Wohl!"
"Nein!"
Wir sahen uns kurz an, dann lachte ich plötzlich los und kurz darauf stieg Malfoy leise mit ein. Die Situation war ziemlich surreal; hier saßen wir, Draco Malfoy und Ivy Clover, und lachten. Miteinander. Beinahe merkwürdig und vor allem verwunderlich.
Als wir uns beruhigt hatten, biss ich mir nachdenklich auf die Unterlippe. "Was hältst du von einem Neuanfang?", fragte ich dann. Malfoy sah mich misstrauisch an. Ich rollte mit den Augen und hielt ihm meine Hand hin. "Hey, Malfoy, ich bin Ivy. Wie heißt du?" Grinsend sah ich von meiner Hand zu ihm.
Nun hob er beide Brauen. "Das ist bescheuert. Das weißt du, oder?"
"Nicht bescheuerter als du", konterte ich.
"Du tust es schon wieder!"
"Weil du dich wie ein Kleinkind verhältst! Jetzt hab dich nicht so und schlag einfach ein, bei Merlins Bart."
Er verdrehte die Augen, kam schließlich jedoch zu mir rüber und schlug ein. "Na schön", brummte er. "Aber das bleibt unter uns. Ich habe immerhin einen Ruf zu wahren."
"Welchen Ruf?" Fragend sah ich ihn an, worauf er wütend zurückschaute. Ich grinste. "Man, du verstehst aber auch gar keinen Spaß." Da merkten wir, dass wir immer noch die Hand des anderen hielten. Schnell ließen wir los, sein Gesichtsausdruck nicht minder angewidert als meine, und wischten unsere Hände an unseren Roben ab.
"Okay, ähm... Du kannst jetzt wieder gehen." Mit einer Handbewegung scheuchte ich ihn zurück auf seinen Platz. Genervt murmelte er etwas vor sich hin, setzte sich dann aber.
Eine Weile war es still, dann sagte ich: "Ich glaube, sie mochte Dahlien."
Malfoy sah verwirrt auf, dann machte es klick. Weiterhin irritiert fragte er: "Wieso das?"
Ich schmunzelte. "Weil mein Zweitname Dahlia ist."
Er sah mich ungläubig an, dann grinste er. "Soll ich dich jetzt so nennen?", foppte er.
"Bloß nicht." Ich grummelte und stützte den Kopf in meine Hände. Außer Malfoy wusste keiner von meinem Zweitnamen. Nicht, dass ich ihn mit Absicht geheim hielt, aber wenn es nicht nötig war, redete ich nicht darüber. Ich mochte Ivy lieber und hatte keine Lust auf blöde Spitznamen wie-
"Okay, dann nicht, Blümchen."
Daraufhin schenkte ich Malfoy meinen schönsten Todesblick. Beruhigend hob er die Hände. "Schon gut, ich hab nur Spaß gemacht. Kein Grund, auszuflippen... Dahlia."
"Halt doch den Mund, Dracy." Er verzog das Gesicht, als ich Pansys Spitznamen für ihn verwendete. "Sag das nie wieder..." Er sah ehrlich verstört aus. "Nie. Wieder."
Ich lachte. "Okay. Wenn du aufhörst, mir Spitznamen zu geben und versprichst, niemandem zu sagen, dass ich Dahlia heiße."
Erneut verdrehte er die Augen. "Meinetwegen."
Den Rest der Stunde unterhielten wir uns und vergaßen die Strafarbeit komplett. Als Snape dann reinkam, gab er uns weitere zehn Seiten auf. Seufzend machten wir uns an die Arbeit.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top