Kapitel 38
Sectumsempra
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An diesem Morgen wachte ich auf, weil etwas neben dem Bett auf und ab lief. Nicht etwas, sondern jemand, stellte ich fest, als ich meine Augen aufschlug und sah, wie Draco, sich die Haare raufend, umherlief. Hatten wir im selben Bett übernachtet?! Scheinbar ja...
Geschockt sah ich an mir hinab, stellte kurz darauf erleichtert fest, dass ich immer noch meine Klamotten trug. Beinahe lief ich rot an bei dem Gedanken, dass so etwas hätte passieren können. Das wäre ziemlich schnell eskaliert...
Das Rascheln der Bettwäsche erweckte Dracos Aufmerksamkeit und er wandte sich zu mir um, setzte sich auf die Bettkante.
"Hey...", grüßte ich unsicher und strich meine Haare aus dem Gesicht.
"Hey", widerholte Draco, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Die Lippen, die ich gestern noch geküsst habe... "Wir sollten langsam gehen, wenn wir noch etwas frühstücken wollen."
Sofort nickte ich und stand auf; die Situation war mehr als unangenehm. Ich meine - wir hatten miteinander geschlafen! Also, nicht miteinander, aber nebeneinander... Und wir hatten uns geküsst! Waren wir jetzt in so einer Art... Beziehung? Oder hatte es Draco eigentlich nichts bedeutet? Vielleicht war er ja bloß verwirrt wegen seinem Auftrag vom Dunklen Lord und hatte mich deshalb geküsst?
Ich zog meine Schuhe an, Draco tat es mir gleich, und nebeneinander verließen wir den Raum der Wünsche. Bevor wir jedoch zum Frühstück gingen, steuerten wir die Kerker an, um uns umzuziehen. Keiner von uns sagte auch nur ein Sterbenswörtchen.
Im Gemeinschaftsraum trafen wir auf Daphne, Blaise und eine genervte Astoria. Als letztere Draco und mich sah, wie wir nebeneinander den Raum betraten, warf sie frustriert die Hände in die Luft. "Ihr auch? Im Ernst? Ist heute Tag des Bettsports oder was?"
Daphne und Blaise bekamen ihre Münder nicht mehr zu, Draco und ich rissen entsetzt die Augen auf. "Nein, nein, nein!", sagte ich schnell.
"So war das nicht!" Energsich schüttelte Draco den Kopf.
Daphne grinste breit. "Mhm, klar."
Ich verfluchte mich selbst gedanklich. Natürlich sah es so aus, als hätten wir letzte Nacht unsere Zeit etwas anders als gewöhnlich verbracht - unsere Haare waren zerzaust und wir hatten am frühen Morgen zusammen den Gemeinschaftsraum in den Klamotten betreten, die wir am Vortag auch angehabt hatten.
"Daph, ich schwöre dir, es war so nicht."
"Jaja, sicher, Süße." Daphne zwinkerte. "Wir reden nachher weiter, dann erzählst du mir alles."
"Mir reicht's, ich hau ab!" Astoria lief an mir vorbei und verließ den Gemeinschaftsraum.
Fragend sah ich Daphne und Blaise an. "Was ist denn mit ihr?"
Nun waren es die beiden, die nervös wurden. "Eventuell... haben wir gestern Nacht... Nicht wirklich viel Rücksicht auf sie genommen", berichtete Daphne beschämt.
Es war somit an mir, mit offenem Mund dazustehen. Draco war ebenfalls sprachlos. Wir sahen einander an und liefen gleichzeitig los, an unseren Freunden vorbei und in unsere jeweiligen Schlafsäle.
In meinem angekommen, spritzte ich mir erstmal kaltes Wasser ins Gesicht, dann machte ich mich fertig. Draco kam zur selben Zeit wieder im Gemeinschaftsraum an, wie ich. Zwar war die Situation etwas... unangenehm, aber ich beschloss, gerade deswegen mit ihm zur Großen Halle zu gehen, als sei alles in bester Ordnung. Irgendwann mussten wir doch über den Kuss reden, also besser jetzt als später. Wer weiß, wann genau später ist...
"Hi... Nochmal."
"Hey..." Verlegen kratzte Draco sich im Nacken, als wir den Gemeinschaftsraum Seite an Seite verließen.
Draco Malfoy und verlegen? Dass ich sowas noch zu sehen bekam...
"Also..." Ich suchte nach etwas, worüber wir reden konnten, schon seit ich aufgewacht war - "Wie geht's dir?" - und das war scheinbar alles, was ich seitdem hinbekam. Super.
Draco runzelte die Stirn, antwortete jedoch. "Ich habe heute Morgen den Zauber ausprobiert, den ich gestern in deinen Büchern gefunden habe."
Unwillkürlich hielt ich die Luft an. "Und?"
Zähneknirschend schüttelte er den Kopf. "Hat nicht funktioniert."
Er sieht mich nicht an.
Doch das ignorierte ich, stieß die angehaltene Luft wieder aus. Im nächsten Moment fühlte ich mich sofort schlecht, weil ich erleichtert war, dass er keinen Erfolg hatte. "Es tut mir leid, Drace. Aber ich bin sicher, du findest eine Lösung." Ehe ich mich zurückhalten konnte, hatte ich nach seiner Hand gegriffen.
Draco sah auf unsere Hände hinab und ich wollte meine schon beschämt wegziehen, da verschränkte er unsere Finger ineinander. Er lief weiter, als wäre nichts gewesen, doch ich konnte hören - also, wirklich hören, dank meiner Wolfgene - wie sein Herz begann, schneller zu schlagen.
Ich musste lächeln, bis mir der Kuss wieder einfiel. "Sag mal..."
Abwartend sah er mich an.
"Das, was gestern passiert ist..." Ich biss mir auf die Unterlippe. Was sollte ich sagen?
Wir erreichten die Große Halle.
"Lass uns nachher darüber reden, okay?", murmelte Draco.
Etwas enttäuscht, weil er so abweisend wirkte, nickte ich und zwang mich, zu lächeln. "Okay."
Draco lächelte halbherzig zurück. Als sein Blick auf einen Punkt hinter mir fiel, wurde er blass und riss die Augen auf. Irritiert drehte ich mich um und sah Harry in der Großen Halle stehen, der zu uns rüber sah.
Neben ihm stand Katie Bell.
In der nächsten Sekunde hatte Draco meine Hand losgelassen und eilte davon. Ich konnte kaum reagieren, denn ich begriff, was das bedeutete.
Draco hatte Katie verhext. Er hätte sie beinahe umgebracht und ich hatte das inzwischen schon fast wieder vergessen.
Da stieß Harry mich mit der Schulter zur Seite und ging ihm nach. Ich tauschte einen schnellen Blick mit Hermine und Ron. Die zwei wussten genauso gut wie ich, dass nichts Gutes passieren würde, sollte Harry Draco zur Rede stellen. Darum folgte ich den zwei Jungs mit schnellen Schritten.
Fluchend lief ich eine Treppe hoch und stellte fest, dass ich sie im Gewimmel der Schüler aus den Augen verloren hatte. Kurzerhand blieb ich stehen, schloss die Augen und lauschte, atmete tief ein in der Hoffnung, einen meiner Freunde zu wittern.
Tatsächlich konnte ich sie ausfindig machen und rannte ihnen nach, bis ich vor dem Mädchenklo ankam. Ich konnte hören, wie sie einander Flüche zuriefen, die immer wieder an den Wänden, Toiletten und Waschbecken abprallten. Ohne die Risiken zu bedenken, stürmte ich hinein. Blöderweise hatte ich meinen Zauberstab auf meinem Zimmer vergessen und konnte daher nichts weiter tun als wütend "Aufhören!" zu brüllen. "Hört sofort damit auf!" Während ich sprach, passierten mehrere Dinge gleichzeitig: Draco wurde abgelenkt und sah kurz erschrocken zu mir herüber, Harry nutzte das und rief: "Sectumsempra!" und Draco stürzte rücklings auf den Boden, der bedeckt war mit dem Wasser aus den zersprengten Waschbecken.
Er... weinte. Draco weinte. Mit Schrecken erkannte ich, dass sich das Wasser unter ihm rot färbte, genau wie sein zuvor noch schneeweißes Hemd.
"Harry, was hast du getan?", keuchte ich, stolperte nach vorn und kniete mich neben Draco. Er blutete immer stärker und bald waren wir umgeben von einer roten Lache. Ohne aufzusehen, keifte ich Harry an: "Hol einen Lehrer, los!"
Dracos Schluchzen drang an mein Ohr. "Shhh", versuchte ich, ihn zu beruhigen, und drückte eine meiner Hände auf seine Wunden. Vor Schmerz verzog Draco das Gesicht. "Tut mir leid, aber ich versuche, dir zu helfen", nuschelte ich vor mich her und nahm mit meiner freien Hand eine von Dracos.
Ich schloss die Augen, um mich besser zu konzentrieren. Bald merkte ich, wie ein Teil seiner Schmerzen auf mich überging. Es tat weh, war aber meiner Erfahrung nach nichts im Vergleich zu dem, was Draco gerade spürte. Ich konnte seinen Schmerz lindern, die Wunden aber nicht heilen. Warum holt Harry keinen Leher? Steh nicht nur so da, Potter, beweg dich! Kaum hatte ich den letzten Satz zu Ende gedacht, hörte ich Schritte durch das Wasser stapfen. "Clover, weg da", schnarrte Snape und zog mich am Arm zur Seite. Er beugte sich über Draco, der inzwischen kaum noch bei Bewusstsein war. Den Zauberstab gezückt, wiederholte mein Lehrer murmelnd immer wieder einen Zauber.
Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie Harry mir einen knappen Blick zuwarf, sich umdrehte und schnellen Schrittes die Toilette verließ.
Etwas benommen rappelte ich mich auf und starrte auf das Blut, das durch Snapes Beschwörung wieder in Dracos Körper zurückkehrte. Wut machte sich in mir breit und ich folgte Harry leise knurrend.
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Wir - Ginny, Hermine, Ron, Harry und ich - saßen im Gryffindorgemeinschaftsraum. Ich hatte mit Harry bisher noch nicht geredet, obwohl es einige Dinge gab, die ich ihm gern an den Kopf werfen würde.
Schweigend saßen wir alle da, Harry starrte auf das Buch des Halbblutprinzen, welches vor ihm lag. Der Zauber, mit dem er Draco verwundet hatte, stammte daraus und war mir bisher vollkommen unbekannt gewesen.
"Ivy..." Harry rang um Fassung. Er war wütend, aber ich glaube, nicht auf mich, sondern auf sich und vermutlich auch Draco. "Ich habe es nicht mit Absicht getan." Als ich nicht reagierte, sondern nur weiter aus dem Fenster sah, sprach er angespannt weiter. "Ich hatte doch keine Ahnung, dass der Zauber so etwas anrichten würde!"
"Das ist der Punkt, Harry!" Nun stand ich auf und drehte mich zu ihm um. Meine Augen glühten gelb und ich musste einige Male blinzeln, um sie wieder unter Kontrolle zu haben. "Wir haben dir alle gesagt: Werde das Buch los. Aber du hast nicht auf uns gehört."
"Ich konnte doch nicht ahnen-"
"Du bist echt gut darin, Menschen zu verurteilen, Harry", unterbrach ich ihn gereizt. "Ja, vielleicht war es ein Versehen, aber das ändert nicht, dass du nicht einmal versucht hast, ihn zu verstehen."
"Ihn zu verstehen?" Harry sprang auf vor Wut und Fassungslosigkeit. "Das kann nicht dein Ernst sein! Malfoy ist der Feind, er ist ein Todesser!"
"Er ist nicht mein Feind, sondern einer meiner besten Freunde - genau wie du!"
"Wäre ich ein Todesser, würdest du anders reagieren!"
Empört schnappte ich nach Luft. "Das ist nicht wahr!"
"Natürlich ist es das! Aber du bist zu blind, um es zu erkennen!"
Bebend vor Wut, funkelten wir einander an. Ginny, Ron und Hermine sahen aufgebracht zwischen uns hin und her.
"Du magst ihn", presste Harry hervor, "aus welchen absurden Gründen auch immer, und das macht dich blind."
Ich wollte widersprechen, tat es aber nicht. Stattdessen erwiderte ich mit ruhiger Stimme: "Ja, Harry, du hast recht. Ich mag ihn. Genauso, wie du Ginny magst. Und?"
"Und?" Harrys Augen funkelten vor Zorn. "Er ist ein Todesser, Ivy!"
"Wann verstehst du endlich, dass mir das egal ist?", rief ich verzweifelt aus.
Harry schüttelte den Kopf. Der Blick, mit dem er mich ansah, brachte mir nichts als Wut, Enttäuschung und Abscheu entgegen.
"Verschwinde."
Blinzelnd wich ich zurück, als hätte Harry mich geschlagen. "Was?"
"Du hast schon verstanden", knurrte er. "Raus hier."
Hermine sprang auf. "Harry, ich glaube, wir sollten uns alle beruhigen und-"
"Nein, schon okay." Verärgert biss ich mir auf die Lippe, strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr. "Wenn er mich nicht hier haben will, gehe ich eben. Und so schnell werdet ihr mich hier auch nicht wiedersehen."
Und dann ging ich. Harrys bedauernden Blick sah ich nicht mehr, denn ich hatte den Gryffindorgemeinschaftsraum bereits verlassen.
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Ich fand mich vor den Türen des Krankenflügels wieder. In mir hatte ein Sturm der Wut getobt, Harrys Worte und sein abwertender Blick waren sehr verletzend gewesen, sodass ich mich beinahe verwandelt hatte. Doch nun spürte ich nichts als Unsicherheit.
Es fühlte sich an, als hätte ich meine Freunde verloren, und die Sorge um Draco machte es nicht besser. Eine Stimme in meinem Kopf rief mir zu, dass ich mich bei Harry entschuldigen sollte, dass er womöglich recht hatte wenn er sagte, meine Gefühle für Draco machten mich blind für das Offensichtliche.
Doch ich verdrängte alle Zweifel und Gedanken.
Ein letztes Mal atmete ich tief ein, dann zog ich die Türen zum Krankenflügel auf und trat hinein. Suchend ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten, bis er an Dracos Bett hängenblieb. Leise schlich ich zu ihm rüber und setzte mich auf einen Hocker daneben.
"Was ein leichtsinniger Idiot", murmelte ich bei dem Anblick auf seinen Oberkörper, der vorhin noch blutüberströmt gewesen war.
Auf einmal merkte ich, wie müde ich eigentlich war. Ich gähnte, wieder und wieder, und meine Augenlider wurden schwer. Ich versuchte, wach zu bleiben, driftete nach kurzer Zeit jedoch in einen unruhigen Schlaf.
Ich wachte auf, weil ich merkte, wie Draco sich neben mir bewegte. Blinzelnd hob ich den Kopf von der Bettkante und stellte fest, dass er ebenfalls aufwachte. Gleichzeitig trafen sich unsere Blicke.
"Hi", krächzten wir gleichzeitig und mussten leise lachen. Zischend verzog Draco das Gesicht, weil ihm das scheinbar Schmerzen bereitete.
"Warte..." Vorsichtig umgriff ich seine Hand mit meinen, schloss die Augen und nahm ihm den Schmerz.
"Clover."
Irritiert hielt ich inne, als seine freie Hand sich auf meine legte, und erwiderte seinen Blick.
"Hör auf." Seufzend raufte er sich die Haare. "Ich wollte nicht, dass du mich so siehst..."
Ich wusste sofort, auf was er hinauswollte. Natürlich hatte es Dracos Stolz verletzt, vor mir zu weinen. Ich verkniff mir ein Grinsen und sagte: "Das muss dir nicht peinlich sein. Du hast ja keine Ahnung, wie oft ich die letzte Zeit geweint habe! Und weißt du..." Mit meinem Daumen fuhr ich sanft über Dracos Hand. "Das ist okay. Alle weinen mal, sogar die bekanntesten Helden, da bin ich sicher. Aber nicht, weil sie schwach sind", fügte ich hinzu, als Draco verächtlich schnaubte. "Sondern, weil sie schon für sehr lange Zeit stark waren."
Kopfschüttelnd murmelte er: "Der Unterschied ist, ich bin kein Held..."
Darauf sagte ich nichts. Wieso sieht er nichts Gutes in sich? So, wie ich es tue? So kam es, dass wir lange Zeit schweigend dasaßen und ich gedankenverloren Muster auf Dracos Hand malte, bis er die Stille durchbrach. "Du warst es, oder?", fragte er, die Stimme leise und rau. "Du hast mir geholfen, nachdem Potter-"
"Stopp", unterbrach ich ihn. "Für den Rest des Tages ist Harry der, dessen Name nicht genannt werden darf."
Draco setzte sich auf und sog scharf die Luft ein. Eine seiner Hände blieb dabei mit meiner verankert, was mir die Hitze ins Gesicht steigen ließ. "Habt ihr Streit oder so?"
"Irgendwie schon, ja. Aber ich will jetzt nicht darüber reden..."
Draco runzelte die Stirn. "Seid ihr nicht sowas wie beste Freunde?"
Schulterzuckend wandte ich den Blick auf das Bettlaken. "Scheinbar nicht mehr." Ein leichter Druck an meiner Hand von Seitens Draco ließ mich zu ihm blicken. "Die nervige, treudoofe Ivy Dahlia Clover, die ich kenne, würde nicht einfach so aufgeben."
Missbilligend schnalzte ich mit der Zunge. "Nummer eins: Das war nicht wirklich ein Kompliment."
"Sollte es auch nicht sein", grinste Drace.
"Nummer zwei", fuhr ich ungerührt fort, "wir hatten doch ausgemacht, meinen Zweitnamen nie mehr zu erwähnen! Und drittens: Du hast verdammt recht, darum lasse ich dich jetzt allein, Dornröschen, und komme später wieder."
Ohne nachzudenken, beugte ich mich vor, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und stand auf. Draco zog mich an der Hand zurück. "Warte..."
Ich blieb stehen und sah zu ihm hinab. "Ja?"
"Du bist vermutlich die Einzige, die mich..." Er unterbrach sich, schüttelte bloß den Kopf und betrachtete den Schlangenring an meinem Finger, den er mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. "Nicht so wichtig..."
Ich hob eine Augenbraue. "Dein Ernst? Das ist total nervig - du bist nervig."
Ein selbstgefälliges Grinsen schlich sich auf Dracos Lippen. "Mach dir nichts vor, wir wissen beide, dass du mich vergötterst."
"Pah!" Amüsiert verdrehte ich die Augen. "Denkst du, ja?"
Draco reckte das Kinn. "Ich weiß es sogar. Du liebst mich."
Obwohl ich wusste, dass er es vermutlich im Scherz meinte, sagte ich: "Vielleicht", was das Grinsen in Dracos Gesicht durch Schock ersetzte. "Das macht dich aber nicht weniger nervtötend." Bevor er noch etwas sagen konnte, hatte ich mich aus seinem Griff gewunden und schlüpfte durch die Tür nach draußen.
Dort schlug ich mir mehrmals mit der Hand gegen die Stirn. "Idiotin!", schimpfte ich mich selbst. "Dämliche Idiotin!"
Dann machte ich mich auf den Weg, Harry zu suchen. Wenn die Welt bald unterging, musste ich eben meinen Stolz überwinden und mich entschuldigen, bevor es dafür zu spät war.
Tatsächlich fand ich ihn auf dem Weg zu Dumbledores Büro. Wir standen einander gegenüber und wussten nicht, was wir sagen sollten. Gleichzeitig fingen wir an, zu reden.
"Harry, es tut mir-"
"Ich hab es nicht so ge-"
Beschämt lachten wir.
"Du zuerst", bot ich an.
"Okay, ähm..." Nervös kratzte Harry sich im Nacken. "Das Felix Felicis scheint nachzulassen..."
"Oh, du hast es benutzt?", fragte ich, froh über ein Gesprächsthema.
Harry nickte bestätigend. "Ja. Ich hatte den Auftrag, eine veränderte Erinnerung von Professor Slughorn zu finden..." Harry begann, mir alles zu erzählen, und gemeinsam betraten wir Dumbledores Büro, wo wir die Erinnerung anschauten und von den Horkruxen erfuhren.
Natürlich war ab da jede Sekunde des Streits vorerst vergessen und zu dritt beschlossen wir, dass die Horkruxe zerstört werden mussten.
Seite an Seite verließen Harry und ich das Büro des Schulleiters. "Denkst du, dass wir sie finden?", fragte ich, als wir eine Treppe hinuntergingen.
"Ich hoffe es, denn das ist vermutlich unsere einzige Chance, Voldemort zu vernichten."
-
Am nächsten Morgen machten Harry und ich uns gemeinsam auf den Weg zu Dumbledore.
Eine Weile gingen wir schweigend, bis Harry sprach: "Ivy, es tut mir leid, was ich gestern gesagt habe." Er stellte sich vor mich und veranlasste mich so dazu, ebenfalls stehen zu bleiben und ihm in die Augen zu sehen. "Ich war ein Idiot - mal wieder - aber du musst mich verstehen! Malfoy ist einer von denen! Seine Tante hat Rose auf dem Gewissen."
"Ich weiß, Harry", sagte ich ruhig. "Aber Draco ist nicht für die Taten seiner verrückten Tante verantwortlich." Seufzend fuhr ich mir durchs Haar. "Du hattest recht... Ich war blind. Und ich habe einen riesigen Fehler gemacht."
Beunruhigt sah Harry mich an. "Was hast du getan?"
Sag's ihm, drängte ich mich selbst. Also tat ich es.
Ich erzählte ihm, wie ich herausgefunden hatte, dass Draco etwas plante, und gab zu, ihm die Zauberbücher gegeben zu haben. "Ich konnte nicht zulassen, dass Voldemort ihn umbringt!" Das schlechte Gewissen nagte an mir und drohte, mich von innen heraus zu zerfressen. "Aber das entschuldigt nichts. Du hattest recht, Harry, ich hätte anders handeln sollen. Es tut mir leid."
Geschockt riss Harry die Augen auf. "Also wird er Todesser in die Schule bringen?"
"Nein." Ich schüttelte den Kopf. "Alle Zauber sind fehlgeschlagen. Das Kabinett ist immer noch nutzlos. Sollten sie versuchen, hier her zu gelangen... werden sie scheitern."
Harry nickte erleichtert. "Okay... Ich... Ich bin nicht sauer auf dich, nur... Sorg bitte dafür, dass das Kabinett zerstört wird."
"Das kann ich nicht! Der Dunkle Lord wird ihn umbringen, Harry!"
Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Ich hätte schwören können, dass ihm Malfoy egal war, doch als er meinen flehenden Blick sah, sagte er: "Nicht, wenn wir ihn zuerst aufhalten."
Gesagt, getan. Wir setzten unseren Weg fort und fanden Professor Dumbledore auf dem Astronomieturm, von wo aus wir auf eine Insel deapparierten, wo wir den nächsten Horkurx fanden. Als Harry von wandelnden Toten unter Wasser gezogen wurde, sprang ich ihm aus Reflex hinterher. Verzweifelt versuchte ich, die tote Frau von ihm zu lösen, doch sie hielt ihn fest im Griff. Schließlich war es Dumbledore, der uns rettete und zurück zur Schule brachte.
"Wir müssen Sie in den Krankenflügel bringen, Sir", keuchte ich. "Zu Madam Pomfrey." Es war schwer, Dumbledore zu stützen, obwohl Harry und ich ihn gemeinsam trugen. Daher setzten wir ihn vorsichtig ab. Was zur Hölle waren das für Dinger, die uns angergriffen haben?!
Dumbledore bestand darauf, nur Professor Snape zu sehen, darum eilten Harry und ich los, auf die Treppe des Astronomieturms zu. Wir hielten inne, als wir hörten, dass jemand näherkam. Dumbledore wies uns an, uns unter den Treppen zu verstecken, was wir nach einigem Zögern auch taten. Wir spähten hinter einer Wand hervor und erkannten mit Schrecken, wer da die Treppe nach oben ging.
"Es ist Draco", hauchte ich so leise, dass sogar Harry direkt neben mir es kaum hören konnte.
Gebannt beobachteten wir, wie er sich Dumbledore gegenüberstellte und seinen Zauberstab auf ihn richtete. "Wer ist noch hier? Ich habe Sie reden hören!"
"Ich führe oft Selbstgespräche..."
Zig Gedanken wirbelten mir durch den Kopf. Was hatte Draco vor? Was hatte er mir verschwiegen? Meine schlimmsten Vermutungen sollten sich bald bewahrheiten...
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