Kapitel 37
Das Hier und Jetzt
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Schweigend saßen Draco und ich nebeneinander auf dem Holztisch im Raum der Wünsche, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ich dachte an Sirius. An ihn und das, was er mir damals über Schlangen gesagt hatte.
"Manchmal können Schlangen sich nicht heuten. Sie können ihre alte Haut nicht loswerden. Daraufhin werden sie krank und sterben in ihrer alten Haut, und niemand sieht das neue Muster. Um deine alte Haut endlich zum Reißen zu bringen, bedarf es einer wirklich verzweifelten Rücksichtslosigkeit. Dann ist dir einfach egal, was mit dir passiert, wenn du dich selbst in Stücke reißt, solange du nur rauskommst."
War es das, was Draco gerade durchmachte? Er hatte mir alles erzählt; wie Snape den unbrechbaren Schwur geleistet hatte, was Dracos Auftrag war und dass Voldemort seine Eltern und ihn selbst umbringen würde, sollte er versagen.
Zum Ende seiner Erzählung hin fragte ich, wieso er es meinen Freunden und mir nicht gesagt hatte, da ich der Meinung war, wir hätten ihm helfen können. Daraufhin schnaubte er bloß abfällig und erklärte: "Komm schon, Clover, du weißt genau, dass ich das nicht kann. Für Gryffindors, besonders Potter, sind wir Slytherins nichts als Abschaum."
"Hast ja recht", seufzte ich und klemmte meine Strähne hinters Ohr. "Aber wenigstens mir hättest du es sagen können."
"Du irrst dich wieder." Draco sah mich eindringlich an. "Wenn der Dunkle Lord herausfindet, dass du Bescheid weißt..." Draco beendete den Satz nicht, sondern starrte vor sich her.
Genauso saß er auch jetzt noch da. Ich sah ihn an und dachte an das, was er über die Gryffindors gesagt hatte. Er hatte recht - sie würden uns immer als Schlangen betrachten. Als hinterlistige Lügner, Mörder - Todesser. Ob es nun der Wahrheit entsprach oder nicht. Sogar Harry, einer meiner engsten Freunde, hatte mit mir gestritten, weil er mir nicht getraut hatte, weil er dachte, ich könnte mich dem Dunklen Lord anschließen. Das war doch verrückt! Dieser Zauberer hat meine Schwester und Cedric auf dem Gewissen! In diesem Moment entschied ich, dass die Zeit des Selbstmitleids und der Trauer vorbei waren. Sollte Voldemort wirklich angreifen, musste ich bereit sein, wir alle. Ich musste stärker werden und aufhören, in der Vergangenheit zu schwelgen. Ich musste im Hier und Jetzt leben und etwas unternehmen.
Vielleicht war es Zeit für mich, meine alte Haut abzulegen. Aber hatten andere auch diese Möglichkeit?
Draco hatte sie nicht. Würde er sich weigern, waren er und seine Eltern verloren. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
"Dieses Verschwindekabinett, von dem du gesprochen hast", durchbrach ich vorsichtig die Stille. "Zeigst du es mir?"
Draco schluckte, nickte aber und stand auf. Er hielt mir die Hand hin, welche ich ergriff, und führte mich durch all die Gegenstände zu einem hohen, schwarzen Schrank, den Draco vorsorglich mit einem großen Tuch überdeckt hatte, welches er nun herunterzog.
"Ich habe alles versucht", erklärte er und sah dabei unglaublich müde und erschöpft aus. "Aber es funktioniert nicht."
"Woher weißt du das?" Neugierig öffnete ich das Kabinett und sah hinein. Es war leer.
"Ich habe mehrere Tests gemacht", lautete die Antwort. "Vorhin habe ich einen Vogel zu dem anderen Kabinett und wieder zurückgeschickt, aber..."
"Aber was?", bohrte ich nach.
Unschlüssig fuhr Draco sich erneut durchs Haar. "Er ist gestorben."
Alarmiert sah ich auf. "Okay, ähm... wow." Eine Weile war ich still, um mir die Worte in meinem Kopf zurechtzulegen. "Draco, ich habe versprochen, dir zu helfen, und das will ich auch, aber... Ich kann doch nicht die Anhänger des Dunklen Lords einen Weg nach Hogwarts finden lassen."
Draco schien enttäuscht, nickte angespannt. "Das habe ich mir gedacht. Vielleicht wäre es besser, wenn du wieder gehst."
"Warte, was? Nein!"
Draco wandte sich ab, doch ich stellte mich ihm in den Weg. "So habe ich das nicht gemeint! Ich..." Um Worte ringend versuchte ich, mich zu erklären. "Es... Ich will natürlich nicht, dass dir oder deinen Eltern etwas zustößt, aber ich kann auch nicht zulassen, dass die Todesser in Hogwarts eindringen und weiß Merlin was anrichten." Draco war sichtlich wütend, darum nahm ich seine Hände in meine, was ihn dazu veranlasste, seine Wut zu dämpfen. "Es tut mir leid, Draco, ehrlich, aber bitte, versteh das", flehte ich leise.
Langsam nickte er, löste seine Hände jedoch aus meinen. "Ich weiß, wie du dich fühlst, und ich verlange auch nicht, dass du mir hilfst. Aber ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun soll." Er setzte sich auf den Boden vor dem Kabinett, lehnte den Kopf dagegen und schloss die Augen.
Seufzend ließ ich mich neben ihn sinken, legte meinen Kopf auf seine Schulter. Zu meiner Überraschung ließ er es zu. "Wir finden eine Lösung", murmelte ich. "Es muss einen Ausweg geben. Ich wünschte, ich könnte dir helfen, aber ich weiß einfach nicht, wie..."
"Du bist die begabteste Hexe, die ich kenne." Dracos Stimme klang rau und erinnerte mich an den Herbst, wenn die Blätter von den Bäumen fielen und Kälte die Natur einhüllte. "Wenn du keine Lösung weißt, wer dann?"
"Ich bin nicht so begabt, wie du denkst", widersprach ich beschämt. "Seit Rose gestorben ist, kann ich nicht einmal mehr einen gestaltlichen Patronus heraufbeschwören."
Draco schnaubte. "Das konnte ich noch nie."
Beinahe erschrocken hob ich meinen Kopf und sah ihm in die Augen. Sie waren leer, ohne jegliche Gefühle, und wieder einmal kam es mir so vor, als wären tausend Geheimnisse darin verborgen. "Wirklich nicht?"
"Nein, wirklich nicht."
"Das können wir ändern." Ich stand auf und hielt ihm meine Hand hin. Missbilligend sah er von ihr zu meinem Gesicht. "Was soll das werden?"
"Wir finden jetzt heraus, was dein Patronus ist. Na los." Augenrollend nahm Draco meine Hand und stellte sich hin. "Okay", begann ich und zog meinen Zauberstab hervor. "Wenn du einen Patronus heraufbeschwören willst, musst du an etwas denken, dass dich glücklich macht. Es muss etwas sein, das dir viel bedeutet."
Ich hob meinen Zauebrstab und sagte: "Expecto Patronum!" Anstelle eines Wolfs bildete sich bloß ein blauer, glänzender Ball aus Energie, der um uns herumschwebte und nach wenigen Sekunden wieder in meinen Stab zurückgesogen wurde. "Jetzt du", wies ich Draco an.
Lustlos hob er seinen Zauberstab. "Das ist albern", brummte er.
"Halt den Mund und mach die Augen zu."
Genervt machte er, was ich ihm aufgetragen hatte. Ich trat neben ihn, legte meine Hand auf seine Schulter und sprach mit gesenkter Stimme. "Jetzt konzentrier dich und versuche, deine glücklichste Erinnerung zu finden. Wenn du sie hast, sprich den Zauber."
Einige Herzschläge lang war es komplett still. Ich nutzte die Zeit, um Dracos Gesicht zu studieren; seine Lippen waren aufeinander gepresst und die Stirn hatte er vor Konzentration in Falten gelegt, die Augen hielt er geschlossen. Nach einiger Zeit öffnete er sie wieder und sagte: "Expecto Patronum..."
Blaue Energie trat aus seinem Zauberstab hervor und verformte sich zu einem eher kleinen, leuchtenden Ball, aber nicht zu einem Tier. Nach wenigen Sekunden verschwand er wieder. Niedergeschlagen ließ Draco seinen Zauberstab sinken. "Siehst du? Ich habe doch gesagt, dass ich das nicht kann."
"Vielleicht war deine Erinnerung einfach nicht stark genug", versuchte ich, ihn aufzumuntern. "An was hast du gedacht?"
Draco riss leicht die Augen auf. "Ähm... Nicht so wichtig." Schnell wandte er sich ab. Was war denn jetzt los?
"Sag es mir ruhig." Da kam mir ein Gedanke und mein Gesicht verdüsterte sich. "Hatte deine Erinnerung mit Pansy zu tun?"
"Was?" Mehr als nur verwirrt starrte Draco mich an. "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Nein, hatte sie nicht."
Es fiel mir schwer, ihm zu glauben, weshalb ich nachbohrte. "Warum sagst du es mir dann nicht einfach?"
"Wieso sollte ich? Du musst doch nicht alles wissen, Clover!"
"Was stellst du dich so an? Es bricht dir schon kein Zacken aus der Krone, wenn du es mir sagst!"
"Na schön!" Entnervt stöhnend warf er die Hände in die Luft. "Sie hatte mit dir zu tun."
Ich blinzelte. "Pardon, wie war das?" Draco verdrehte die Augen und lief zu dem Tisch zurück, lehnte sich dagegen. Ich folgte ihm. "Wieso hast du das nicht einfach gesagt? An was hast du gedacht?"
Er zuckte mit den Schultern und murmelte etwas vor sich hin.
"Bitte?"
"An die dritte Klasse", antwortete er schließlich deutlicher.
Verständnislos verzog ich das Gesicht. "Wieso denn an die dritte Klasse? Da habe ich deinen Umhang in Brand gesteckt."
"Ich habe ja auch nicht daran gedacht." Draco sah mich an, als sei ich der dümmste Mensch der Welt.
"Sondern?"
"Erinnerst du dich an die Stunde, in der wir den Riddikulus-Zauber gelernt haben?", fragte er gedehnt.
Ernst nickte ich. Mein Irrwicht hatte sich in Feuer verwandelt. Unwillkürlich stellte ich mir die Frage, ob er heute noch dieselbe Gestalt hätte. "Ja. Warum, was ist damit?"
"Erinnerst du dich auch noch, dass du rausgerannt bist und ich dir an den See gefolgt bin?" Nach einem erneuten Nicken meinerseits, fuhr er fort. "Wir haben über diesen bescheuerten Neuanfang Witze gemacht und alles und, naja..."
Er stoppte und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. "Das ist deine schönste Erinnerung?" Beschämt nickte er. "Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll", sagte ich monoton, worauf er mir einen giftigen Blick zuwarf. "Deswegen wollte ich es dir nicht erzählen!"
"Okay, entschuldige." Beschwichtigend hob ich die Hände und setzte mich neben ihn. "Weißt du", begann ich, "das ist das kleinste Problem bei der Sache. Wenn du wenige, glückliche Erinnerungen hast, oder einfach keine, die stark genug ist, machen wir eben neue."
Mit gehobener Augenbraue sah er mich von der Seite an. "Muss ich jetzt Angst haben?"
Lächelnd nahm ich seine Hand. "Nein", versicherte ich ihm, lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Zunächst war er verkrampft, doch dann entspannte er sich und legte seinen Kopf auf meinen, verschränkte unsere Finger ineinander.
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Ich stand auf der Wiese vor dem See. Vor mir im Gras lagen zwei Schüler. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass es Draco und ich waren. Unsicher ging ich näher ran. Spinne ich jetzt total? Als ich merkte, dass die beiden mich nicht sehen konnten, wusste ich irgendwie, dass ich träumte. Lächelnd setzte ich mich ins Gras und beobachtete... nun ja, uns.
"Hey, Clover, ich bin Draco. Wie heißt du?"
Mein jüngeres Ich sah von Dracos Hand zu seinen Augen. "Das ist bescheuert."
Draco zuckte mit den Schultern. "Wenn du das machen darfst, wieso nicht ich? Jetzt hab dich nicht so, du machst es peinlicher, als es eh schon ist."
Ich nahm seine Hand, seufzte dabei dramatisch. "Na schön. Hallo, Draco, ich bin Ivy."
Wenig später lagen wir lachend im Gras. Ich musste schmunzeln bei der Erinnerung daran.
Plötzlich verdunkelte sich der Himmel, die Wolken zogen an mir vorbei und Draco und ich - also das Ich aus der dritten Klasse - verschwanden vor meinen Augen. Panisch sah ich nach oben an den nachtschwarzen Himmel, an welchem das Dunkle Mal prangte.
Das Zeichen des Dunklen Lords.
"Ivy, du musst aufstehen!" Jemand warf ein Kissen in mein Gesicht. Ich riss die Augen auf und entdeckte Daphne vor mir. "Herrje, du bist gestern scheinbar ziemlich spät hergekommen. Wo warst du so lange?" Sie war bereits fertig angezogen und band gerade ihre Haare zu einem hohen Pferdeschwanz.
Müde und verwirrt setzte ich mich auf, versuchte, die Erinnerung an meinen Traum zu verscheuchen. "Ich... Ich war bei Draco, und-"
Daphne und Astoria fingen natürlich sofort an, aufgeregt zu quietschen, bevor ich überhaupt ausgesprochen hatte. "Uuuhh! Und was ist dann passiert?"
"Gar nichts." Augenrollend stieg ich aus dem Bett. "Wir haben nur geredet und irgendwie die Zeit vergessen." Ich konnte den beiden ja schlecht sagen, dass wir versucht hatten, eine Lösung wegen des Verschwindekabinetts zu finden. Daphne und Astoria reichte meine Antwort anscheinend, denn Daphne flüsterte irgendwas, worauf Astoria kicherte. Ich beachtete die beiden nicht weiter, zog mich in Rekordgeschwindigkeit um, kämmte meine Haare und putzte Zähne. "Okay, wir können los", meldete ich mich, den Haargummi zwischen die Zähne geklemmt. Mit meinen Händen versuchte ich, mein Haar zu bändigen und zu flechten.
Im Gemeinschaftsraum angekommen, hatte ich das auch endlich geschafft. Daph, Astoria und ich beeilten uns mit dem Frühstück, damit wir nicht zu spät kamen für Verteidigung gegen die dunklen Künste.
Im Klassenzimmer setzte ich mich auf meinen Platz neben Draco. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen und sah aus, als würde er jeden Moment einschlafen. Als er mich bemerkte, bekam er ein schwaches Lächeln zustande.
"Du siehst echt gestresst aus", begrüßte ich ihn leise, damit Professor Snape uns nicht hörte.
"Könnte daran liegen, dass ich es auch bin", gab Draco zurück. "Vorhin beim Frühstück hat jemand genießt und ich hab versehentlich Halt die Fresse anstatt Gesundheit gesagt."
Ich musste schmunzeln. "Ich bezweifle, dass das ein Versehen war."
Draco, der genau wusste, dass ich recht hatte, grinste leicht. "Siehst du? Stress!"
Klar. Weil er normalerweise auch Gesundheit sagen würde.
"Übrigens", fuhr ich fort, sah dabei knapp nach vorn zu Snape, um sicherzugehen, dass er nichts mitbekam. "Ich werde nach dem Unterricht in die Bibliothek gehen und nachsehen, ob ich eine Lösung wegen... du weißt schon was, finden kann."
"Clover, mach dir nicht erst die Mühe." Ein Gähnen unterdrückend, fuhr Draco sich mit der Hand durchs zerzauste Haar. Zerzaust? Draco Malfoys Haar ist zerzaust?! Wow, er muss echt fertig sein, wenn er sich nicht mal die Haare richtig macht.
"Ich habe schon gesucht, aber nichts Passendes gefunden. Ich muss es einfach weiterversuchen."
"Trotzdem, es kann nicht schaden, wenn ich nochmal nachsehe."
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Draco seinen Kopf zu mir wandte. "Ich dachte, du willst mir nicht helfen."
"Hängenlassen kann ich dich auch nicht", seufzte ich und verdrängte mein schlechtes Gewissen, denn ein kleiner Teil von mir hoffte, Draco würde es nicht schaffen, das Kabinett zu reparieren...
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"Ich habe ausnahmslos jedes Buch, das in Frage kam, durchsucht. Wenn hier nichts drinsteht, ist es aussichtslos." Ich ließ einen Stapel Bücher auf den Holztisch im Raum der Wünsche fallen, nahm eines in die Hand und öffnete es. "Dieser Zauber sah für mich am vielversprechendsten aus", erklärte ich und zeigte auf die Seite, die ich aufgeschlagen hatte.
Draco stand neben mir und beugte sich über das Buch. Er überflog die Zeilen nicht mal, sondern schüttelte gleich den Kopf. "Habe ich schon versucht. Hat nicht geklappt."
Grummelnd nahm ich das nächste Buch und Draco schnappte sich auch eins. Eine gute Stunde durchforsteten wir alles, bis er schließlich fündig wurde. "Schau dir das mal an." Draco stellte sich erneut neben mich und ich las mir den Zauber durch, auf den er mit dem Finger deutete.
Schluckend beurteilte ich: "Das könnte tatsächlich funktionieren."
Sein Gesicht hellte sich auf. Ich versuchte, mich für ihn zu freuen, aber ich konnte es nicht. Draco würde - nun teilweise dank mir - einen Weg finden, die Todesser nach Hogwarts zu lassen. Aber was sollte ich denn tun? Ich hatte versprochen, ihm zu helfen, außerdem konnte ich nicht tatenlos rumsitzen, wissend, dass der Dunkle Lord Draco und seine Eltern ermorden würde, sollte er die Sache mit dem Verschwindekabinett nicht wieder in Ordnung bringen.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Draco sich von dem Buch zu mir drehte und sprach: "Damit muss es klappen! Danke, Clover." Zu meiner Überraschung umarmte er mich. Nach ein paar Sekunden realisierte ich, was passierte, und drückte ihn an mich, die Tränen blinzelte ich weg. Es wird eine Lösung geben... Irgendwie werde ich meine Freunde retten... Alle meine Freunde.
Als wir uns nach nur wenigen Sekunden voneinander lösten, versuchte ich, meine Sorge zu überspielen, aber Draco durchschaute mein aufgesetztes Lächeln sofort und runzelte die Stirn. "Was ist los?"
"Gar nichts. Ich freue mich für dich."
"Clover..."
Wütend wischte ich die Träne weg, die mir über die Wange rollte. "Ich bin es so leid, zu heulen, ehrlich", murmelte ich mehr zu mir selbst und atmete tief ein, um mich zu beruhigen. Es klappte nicht.
Draco kam näher und nahm mein Gesicht in seine Hände. Mit dem Daumen wischte er eine weitere Träne auf meiner Wange weg. Ich wich seinem Blick nicht aus, als er zu sprechen begann. "Dir wird nichts passieren. Das lasse ich nicht zu, versprochen."
"Es geht nicht um mich", schniefte ich und räusperte mich, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden. "Was wird aus meinen Freunden und den anderen Schülern, wenn sie tatsächlich in Hogwarts eindringen? Draco... Du sollst sie hier einschleusen, das... Du kannst das nicht machen!"
"Ich muss", murmelte er betrübt.
Blinzelnd, um nicht weiter zu weinen, nickte ich. "Ich weiß..."
Draco sagte nichts mehr, sondern zog mich in eine weitere Umarmung. Ich klammerte mich an ihm fest, als würde das all unsere Probleme lösen. Das Ganze war auch für ihn gefährlich und ich wollte nicht, dass ihm etwas passierte. Aber Hogwarts war für so viele ein Zuhause! Wir konnten doch nicht zulassen, dass die Todesser hier eindrangen!
Mein Kopf lehnte auf Dracos Brust. Ich konnte sein Herz hören, das regelmäßig schlug, seinen Atem spüren, der mein Ohr streifte, und seine Hände fühlen, die mich fest an ihn drückten.
Nach ein paar Minuten in dieser Position durchbrach ich die Stille. "Draco?"
"Ja?"
Ohne ihn loszulassen, sah ich auf, in seine Augen. "Versprich mir... Versprich mir, dass du vorsichtig bist."
Dasselbe hatte auch Cedric mir damals vor der dritten Aufgabe des Trimagischen Turniers versprochen. Er war nicht lebend zurückgekehrt und ich hoffte aus tiefstem Herzen, dass es Draco anders ergehen würde. Ich brauchte ihn. Früher hatte ich gedacht, es sei Blödsinn, wenn Daphne sagte, wir wären füreinander gemacht. Aber inzwischen fühlte es sich an, als könnte ich ohne ihn nicht atmen, als würde etwas fehlen, wenn er nicht bei mir war. Wann immer er mich berührte, zog ein Schauer durch meinen Körper, und ich fühlte mich sicher, wenn er mich in seinen Armen hielt.
Ich liebte ihn.
Verdammt, Daphne hatte es die ganze Zeit gewusst und ich hatte sechs Jahre gebraucht, um es zu erkennen, aber ja. Ich liebte ihn.
Und es tat weh, zu wissen, dass er mich nicht liebte. Wieso sollte er? Wir würden nie etwas anderes als Freunde sein. Womöglich ist das auch besser so...
Unsicherheit funkelte in seinen graublauen Augen. Er wusste genauso gut wie ich, dass es schwer sein würde, ein solches Versprechen zu halten, besonders, wenn man dem Dunklen Lord unterstellt war.
"Ich will nicht, dass dir etwas passiert..."
Wir waren einander wieder so nah. Ich spürte, dass mein ganzer Körper kribbelte. Mein Herz blieb beinahe stehen, als Draco sich statt einer Antwort bloß noch etwas weiter zu mir runterbeugte, bis unsere Lippen sich fast berührten.
"Ich kann dir das nicht versprechen", hauchte er.
Ich biss mir auf die Zunge. "Ich weiß", würgte ich hervor und kam Dracos Gesicht mit meinem noch etwas näher.
Nun berührten unsere Lippen sich, nur ganz leicht. Sie streiften einander, das war alles. Meine Hände lagen inzwischen um Dracos Nacken, während er mich immer noch an der Hüfte nah bei ihm hielt. Sein Blick suchte meinen, als wolle er sichergehen, dass es für mich in Ordnung wäre, wenn er mich jetzt küsste. Zur Antwort überwand ich die letzten Millimeter zwischen uns und küsste ihn einfach, eine meiner Hände fuhr von seinem Nacken in sein Haar. Wir lösten uns erst voneinander, als wir keine Luft mehr bekamen. Mit zittrigem Atem sah ich zu ihm auf, mein Herz hämmerte wie wild.
In Dracos Augen spiegelte sich Verwirrung. "Was..." Er räusperte sich, sagte aber nichts mehr.
Wir standen nur so da, in den Armen des anderen, und sahen einander an. Dann lachten wir. Wir lachten, obwohl wir wussten, die Weld würde bald untergehen, wir lachten, obwohl nichts Lustiges passiert war, wir lachten, weil wir beide zusammen waren und alles andere gerade keine Rolle spielte.
"Das hätte ich viel früher tun sollen", merkte Draco an.
Grinsend lehnte ich meine Stirn an seine. "Besser spät als nie." Er lächelte, und es war ein ehrliches Lächeln. "Daphne würde ausflippen, sollte ich ihr das erzählen", murmelte ich nach einer Weile.
"Blaise auch", erwiderte Draco. Keiner von uns machte Anstalten, den anderen loszulassen. "Er meinte die ganze Zeit, du würdest..." Er suchte nach den richtigen Worten.
"Was?", fragte ich.
"Mich mögen..."
Lächelnd malte ich mit meinen Fingern Kreise in Dracos Nacken und konnte spüren, wie er Gänsehaut bekam. "Das tue ich."
"Wieso?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung", wisperte ich und ging mit dem Kopf ein Stück zurück, sodass seine und meine Stirn nicht mehr aneinander lehnten. "Du hättest es wirklich früher machen sollen."
Dracos leises Lachen war rau und jagte mir einen Schauer über den Rücken. "Vermutlich."
"Mach es doch jetzt nochmal", schlug ich vor.
Draco schien überrascht, beugte sich dann jedoch wieder vor und berührte sanft mit seinen Lippen meine.
Mein Herz fühlte sich an, als würde es platzen, und die Gefühle, die ich in mir spürte, konnte ich nicht erklären. Nichts spielte eine Rolle, außer das Hier und Jetzt.
Ich war hier, mit Draco, und küsste ihn, wie es schon lange hätte passieren sollen.
Jetzt.
~~~~~~~~~~
*singt* Halleluhjah!
Na, das wurde auch echt Zeit, findet ihr nicht? Was denkt ihr, wie es weitergeht?
All the Love xx
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