Kapitel 26
Die letzte Prüfung
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Nicht einmal Mr Crouches Tod war die Unterbrechung des magischen Turniers wert, darum versammelten sich alle am Eingang des Labyrinths, in das die Champions gehen mussten, um ihre Aufgabe zu vollenden.
Hermine, Ron, Harry, Cedric, Daphne, Rose und ich gingen gemeinsam dorthin. Vor den Tribünen trennten sich unsere Wege.
Rose sagte nichts, umarmte Harry nur, so fest sie konnte. Hermine tat dasselbe, wünschte ihm jedoch viel Glück. So auch Ron und ich. Daphne nickte ihm bloß zu, die Spannung zwischen den beiden würde sich so schnell nicht einfach beseitigen lassen.
Während die anderen sich bereits Plätze suchten und Harry in Richtung des Labyrintheingangs schritt, standen Cedric und ich stumm voreinander.
"Tja... Da wären wir. Die letzte Aufgabe." Ich versuchte mich an einem Lächeln, aber es wollte einfach nicht gelingen.
Ich hatte Angst. Unglaubliche Angst und ein furchtbares Gefühl im Magen, als wüsste ich, dass heute Abend etwas schlimmes passieren würde.
Ich blinzelte wütend, als Tränen mir in die Augen stiegen. Cedric umarmte mich sofort und ich schlang meine Arme fest um ihn. "Du bist seit der zweiten Klasse immer für mich da gewesen, ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun soll... Es..." Ich schniefte. "Sei einfach vorsichtig, okay? Versprich es mir", flüsterte ich und konnte nun nicht mehr verhindern, dass eine Träne meine Wange hinunterrollte und auf Cedrics schwarzgelbes Trikot tropfte.
"Ich verspreche es", flüsterte er und rieb mir beruhigend mit der Hand den Rücken auf und ab, wodurch meine leisen Schluchzer verstummten.
Nach ein paar Sekunden, in denen wir so dastanden, riss ich mich zusammen und ließ Cedric los. Ich setzte ein Lächeln auf und wischte mir die Tränen weg. Er hat eine gefährliche Aufgabe vor sich, Ivy, und nicht du. Du solltest ihm Mut machen, nicht umgekehrt.
"Viel Glück", sagte ich.
Cedric lächelte, dann fragte er: "Wartest du hier auf mich?"
Beinahe lachte ich. Aber nur beinahe. "Natürlich!"
Sein Lächeln wurde breiter. Er beugte sich vor, hielt dann inne. Schließlich überwand er sich und gab mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Vor Überraschung konnte ich nicht reagieren.
"Es tut mir leid, ich..." Verwirrt blinzelnd trat er zurück. "Ich musste es tun, wenigstens ein Mal."
"Ist in Ordnung", beruhigte ich ihn, in meinem Bauch flogen die Schmetterlinge umher.
Oder war es immer noch meine Angst?
Dumbledore kündigte den Anfang der letzten Aufgabe an.
"Na dann... Bis nachher." Winkend drehte Cedric sich um und ging auf den Eingang zu, um mit den anderen Champions das Feld zu betreten, wo sein Vater auf ihn wartete.
Ich ging zu Daphne, welche mir einen Platz zwischen sich und Draco freigehalten hatte. Blaise, der auf Daphnes anderer Seite saß, begrüßte mich und ich grüßte zurück, bevor ich mich setzte und zu Draco sah.
Auch mit ihm hatte ich seit dem Weihnachtsball nicht viel geredet. Ich hatte die Befürchtung, er würde mich wieder ignorieren, stattdessen lächelte er. Doch dieses Lächeln war anders als das beim Ball...
Es war nicht ehrlich, sondern aufgesetzt, und kein Gefühl verbarg sich dahinter.
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"Sie sind seit Stunden da drin, sollten sie nicht längst wieder draußen sein?", fragte ich Daphne unruhig. Sie zuckte mit den Schultern, schien jedoch ebenfalls etwas beunruhigt.
Ein Blick auf Hermine, Ron und Rose, die bei den anderen Gryffindors saßen, verriet mir, dass sie ebenfalls angespannt waren.
Und dann erschien Harry plötzlich auf der Wiese vor uns. Er lag da, den Pokal und Cedric neben sich. Ich wollte gerade erleichtert aufatmen und wie alle anderen anfangen, zu jubeln, als ich merkte, dass Harrys Körper bebte.
Er weinte.
Und ein Blick auf Cedric verriet mir auch, wieso.
"Nein...", war alles, was ich hervorbrachte. Anders als die anderen stand ich nicht applaudierend auf, um meine Freunde zu beglückwünschen, sondern saß einfach nur da. Geschockt hing mein Blick an Cedric, welcher reglos auf der Wiese lag. Die Augen offen, sein vor wenigen Minuten noch schlagendes Herz verstummt.
Er war tot.
Ich konnte jemanden schreien hören. Auch die anderen schienen nun zu erkennen, was los war, denn der Jubel verstummte. Dumbledore versuchte, Harry von Cedric wegzuziehen, gab es aber gleich wieder auf.
Als Harry rief: "Er ist wieder da! Er ist wieder da, Voldemort ist wieder da!", erwachte ich aus meiner Starre. Ich stand auf und rannte aufs Feld, die Rufe meiner Freunde ignorierend.
Ich schmiss mich neben Harry aufs Gras und nahm Cedrics leblose Hand in meine. Ich wollte schreien, weinen, doch ich konnte nicht. Das alles ist nicht echt, er ist nicht tot... Das ist nicht echt... Ich hoffe es so sehr... Ich wollte nicht glauben, dass er fort war.
Als aber Amus Diggory sich durch die Massen drängte und auf Cedrics anderer Seite auf die Knie fallen ließ, schwand meine Hoffnung immer mehr.
Amus schrie sich die Seele aus dem Leib. "Das ist mein Sohn! Warum mein Junge?!"
Plötzlich wurde alles still. Ich sah, wie die Leute um mich herum sich wie in Zeitlupe bewegten, redeten, aber ich hörte nichts.
Ich ließ zu, dass Professor McGonagall mich auf die Füße zog und an den Rand der Tribüne begleitete. Selbst, wenn ich mich hätte wehren wollen, konnte ich es nicht. Mein Körper gehorchte mir nicht und ich verstand auch gar nicht, was passierte.
Meine Lehrerin redete auf mich ein, doch ich hörte sie nicht. Ich hörte und fühlte gar nichts.
Leere.
Und dann war es auf einmal wieder laut. Ich hörte Mr Diggorys Schreie und spürte einen so heftigen Schmerz in meinem Herzen, wie ich ihn selten erlebt hatte. Er war so heftig, dass ich zurücktaumelte und beinahe zu Boden gefallen wäre, hätte mich nicht jemand aufgefangen.
Draco.
"Ivy, du musst atmen...", begann auch er, auf mich einzureden.
Atmen? Wie geht das? Ich bekam keine Luft in meine Lungen, ganz egal, wie sehr ich versuchte, den durch Sauerstoffmangel verursachten Schmerz zu vertreiben.
Ich sah zu Mr Diggory hinüber und da traf es mich: Es war nicht die fehlende Luft, sondern der Schmerz in meinem Herzen, der mir das Atmen erschwerte.
"Ivy..." Draco streckte eine Hand nach mir aus, doch ich schüttelte bloß den Kopf, drehte mich um und rannte davon. Ich rannte aus der Arena, über das Feld davor und in Richtung Hogwarts. Auf halber Strecke blieb ich stehen, stemmte die Hände auf die Knie und versuchte, Luft zu bekommen.
Ich sank auf den Boden und stützte mich auf der Erde unter mir ab. "Nein...", schluchzte ich. "Nein... Du hast es versprochen..." Wut machte sich in mir breit. "Du hast versprochen, du wärst vorsichtig..."
Kurz dachte ich, ihn neben mir zu spüren. Als wäre er hier, oder zumindest sein Geist, um mir zu sagen, dass es ihm leidtat, dass er mich zurückließ. Vielleicht wollte er auch, dass ich Cho oder seinem Vater noch etwas ausrichtete, oder er wollte sich verabschieden.
Aber als ich aufsah, war da niemand.
Erneut schluchzte ich auf, ich bekam einfach keine Luft. Es tat unglaublich weh.
Als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, meinte ich, verrückt zu werden, denn Cedric war doch fort. Er konnte mich nicht trösten.
Meine Sicht war verschwommen, als ich aufsah, doch ich erkannte, wer neben mir saß. Es war tatsächlich nicht Ced, sondern Draco.
Ich versuchte, etwas zu sagen, weinte aber zu stark, und als ich endlich sprechen konnte, kamen nur abgehackte Sätze aus meinem Mund. "E-er ist... weg, ich... Er hat... hat es versprochen..." Blinzelnd sah ich Draco an, dessen Blick voller Mitgefühl war. Es war ungewohnt.
"Es tut so weh, Drace", hauchte ich und schüttelte den Kopf, um das Dröhnen darin zu vertreiben. "So, so weh..."
Draco sagte nichts, setzte sich bloß neben mich und nahm mich in den Arm. Ich legte meine Kopf an seine Schulter, umfasste sein Oberteil mit der Hand und weinte. Dass Dracos Klamotten vollkommen durchnässt wurden, störte ihn nicht. Er saß einfach da und hielt mich fest, bis ich erschöpft in seinen Armen einschlief.
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"Heute beklagen wir einen fürchterlichen Verlust", begann Professor Dumbledore seine Ansprache.
Ausnahmslos jeder Schüler und Lehrer hatte sich in der Großen Halle versammelt, um Cedric die letzte Ehre zu erweisen.
Harry hatte Rose erzählt, was passiert war, als sie ihn, Hermine und Ron gestern Abend im Gryffindorgemeinschaftsraum besucht hatte. Daraufhin hatte sie es mir gesagt.
Töte den Überflüssigen... Das waren Voldemorts Worte, bevor Wurmschwanz Cedric... vernichtet hatte.
Den Überflüssigen...
Für mich war er alles andere als das. Für mich und so viele andere Leute, war Cedric Diggory so viel mehr.
Ein Sohn, ein Freund, ein guter Zuhörer... Ein Mensch mit dem Herz am rechten Fleck.
Und Voldemort hatte ihn ausgelöscht.
Einfach so, weil er ihn nicht gebraucht hatte.
Ich brauchte Cedric aber. Und Amus und Cho und Harry und alle anderen, die ihn gekannt und geliebt hatten, brauchten ihn auch. Er war nicht überflüssig, er war mein Freund gewesen.
Voldemorts Worte lösten nichts als Wut in mir aus.
Ich hatte seit Cedrics Tod mit niemandem geredet und mein Bett nicht verlassen. Gegessen hatte ich auch fast nichts. Cho ging es ebenfalls miserabel, und von Amus wollte ich gar nicht erst anfangen.
Heute Morgen jedoch hatten Daphne und Rose entschieden, dass es genug war. Sie hatten sich bei dem Versuch, mich aus dem Bett zu kriegen, Hilfe geholt.
Sie hatten Draco zu mir geschickt.
Dieser hatte sich, nachdem die anderen den Raum verlassen hatten, an mein Bett gesetzt und mir so lange zugeredet, bis ich zuließ, dass er mich an der Hand nahm und in die Große Halle brachte.
Dort gedachten wir nun Cedric.
Dumbledore stand auf. "Cedric Diggory war, wie ihr wisst, ein überaus engagierter Schüler, ein unendlich aufrichtiger Mensch und - was am Wichtigsten ist - ein wahrer, wahrer Freund."
"Er war all das...", flüsterte ich. Meine Stimme war rau und kratzig dadurch, dass ich vorher so lange nichts mehr gesagt hatte.
Ich spürte, wie Draco meine Hand nahm und sie leicht drückte. Ich war froh, ihn zu haben.
"Ich finde, deshalb habt ihr das Recht, genau zu erfahren, wie er gestorben ist..."
Ich blendete Dumbledores Worte aus. Ich wollte es nicht noch einmal hören. Als er zum Ende seiner Rede kam, traten mir wieder die Tränen in die Augen, doch ich wischte sie wütend weg. Ich war das Weinen leid.
"Und wir feiern einen Jugen, der ehrlich war, und freundlich. Und tapfer und treu, bis zum Ende."
Wir feierten Cedric Diggory.
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Raise your wands /*
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