Kapitel 23

Das Herz will, was es will... oder so

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Um mich herum machten alle sich für den Ball fertig.
Daphne rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn im Badezimmer herum und suchte nach ihrer Haarbürste, Astoria band sich gerade ihr dunkelblaues, mit schwarzem Glitzer bedecktes Kleid zu und Rose stand vor dem Spiegel und schminkte sich. Der dunkelrote Lippenstift passte perfekt zu ihrem cremefarbenen Kleid.

"Willst du dich nicht auch langsam fertig machen?" Fragend besah sie meine Reflektion im Spiegel und trug dabei Maskara auf. Ohne aufzusehen, nickte ich. "Sekunde noch... Ich schreibe nur schnell den Eintrag fertig."

Eigentlich war ich nicht der Typ für Tagebücher. Seit ich herausgefunden hatte, was es mit Mums Tagebuch auf sich hatte, habe ich es nicht ein Mal geöffnet. Ihr fragt euch sicher, wieso. Sollte ich nicht neugierig sein? Nun, um ehrlich zu sein, meine Angst war größer als meine Neugierde.
Ich hatte Angst vor dem gehabt, was mir die bis davor unbekannten Seiten in dem Tagebuch meiner Mutter offenbaren würden. Aber nach der Nacht, in der Draco mir während meiner Verwandlung beigestanden hatte, habe ich die unsichtbare Tinte mit einem Zauber offenbart und das gesamte Buch noch Mal gelesen. Vieles kannte ich beinahe auswendig, und die neuen Dinge fesselten mich genauso wie die alten. Dort stand nichts, vor dem ich mich hätte fürchten müssen. Manchmal schrieb sie bloß den Tagesablauf auf, an anderen Tagen erzählte sie von Hogwarts, Sirius, Remus und den Potters, oder davon, wie sie Dad kennenlernte, und auch von Rose und mir.

Und es waren immer noch ein paar Seiten frei gewesen.

Vermutlich war Mum nie dazu gekommen, das Buch komplett zu füllen... Ich hatte entschieden, es selbst zu tun, und begonnen, hineinzuschreiben. Heute erzählte ich davon, dass ich mit Cedric auf den Ball gehen würde...

Und davon, dass ich mit Draco seit knapp zwei Wochen nicht mehr geredet hatte. Er ging mir aus dem Weg, wann immer ich versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen, und ich verstand einfach nicht, wieso. Im Laufe der Zeit war er zu einem meiner engsten Freunde geworden, was ich vor ein paar Jahren für unmöglich gehalten hätte. Doch jetzt? Ich wollte ihn nicht wegen eines Grundes verlieren, den ich nicht einmal wusste.

Ich formulierte die Sätze im Tagebuch so, als würde ich alles, was ich auf Papier brachte, meiner Mutter erzählen. Natürlich würde sie nicht antworten, aber der Gedanke, jemanden zu haben, dem ich alles über mich erzählen konnte, ohne verraten, belogen, ausgelacht oder ausgenutzt zu werden, war schön.

Noch schöner war es, zu wissen, dass ich nun eine Schwester hatte, der ich blind vertrauen konnte. Und sie mir. Rose und mich würde so schnell nichts auseinanderbringen.

"Das kannst du doch später noch machen", rief Daphne aus dem Bad, wo sie sich ihr langes, dunkles Haar kämmte. "Wir kommen sonst noch zu spät!"

Und Daphne, die stets für mich da war. Was würde ich ohne meine Freunde tun? Hermine, die mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Harry, der mich besser verstand als die meisten anderen. Die Weasleys, welche mich großzügig in ihre Familie aufgenommen hatten...

Ich hatte eine Familie.

Gedankenverloren schloss ich das in Leder gebundene Buch wieder und legte es unter mein Kopfkissen. "Ich bin sowieso fertig. Brauchst du noch lange im Bad?" Ich stand auf und ging auf einen der zwei Kleiderschränke im Raum zu, welchen ich mir mit Rose teilte. Anders als Daphne und Astoria stritten wir uns nicht um unsere Kleidung, wenn der andere sie ohne zu fragen trug, denn sowas passierte bei uns nicht. Während ich lieber dunkle Farben trug, mochte Rose helle.

Ich öffnete die Spiegeltür des Schranks und holte vorsichtig mein Kleid von seinem Bügel. Rose hatte recht gehabt, als sie behauptete, sie und die Mädels hätten mein perfektes Kleid gefunden. Ich hatte es nur kurz anprobiert und mich sofort wohl gefühlt. Es hatte einen weiten, mehrlagigen schwarzen Rock, der von vorn nach hinten länger wurde und in einer Art Schleppe endete. Das Oberteil sah aus, als wäre es beinahe durchsichtig, und war mit schwarzen, eleganten Rosenstickereien verziert. Die Ärmel liefen spitz auf meinem Handrücken zu und am Rücken ließ das Kleid sich mit einem Reißverschluss öffnen. Ich verschwand im Bad, kaum, dass Daphne herauskam, und zog meine Klamotten aus. Ich schlüpfte ins Kleid und streifte mir die Ärmel über. Den Reißverschluss bis ganz oben zu kriegen war ein Kampf, aber irgendwann bekam ich es hin.

Als ich zurück in den Gemeinschaftsraum trat, waren die anderen bereits fertig; Astoria verlieh ihrer Frisur gerade den letzten Schliff.

"Wow!" Daphne kam auf mich zu. "Diggory und Malfoy werden die Augen rausfallen, wenn sie dich sehen."

"Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass ich mich heute mit Draco unterhalten werde", sagte ich trocken und nahm meinen Zauberstab zur Hand, um meine Haare mit einem Zauber zu einer komplizierten, eleganten Frisur hochzustecken.

"Wieso das?" Daphne verstand nicht.

"Ist er immer noch eingeschnappt?", fragte Rose und reichte mir die goldenen Schuhe, die sie und Daphne für mich ausgesucht hatten. Kritisch betrachtete ich den Absatz, zog sie aber an. "Okay, ein Tanz in diesen Dingern und mir fallen die Füße ab...", murmelte ich, zog sie wieder aus und ging zum Spiegel. Normalerweise legte ich so gut wie nie Makeup auf, aber heute war nichts dagegen einzuwenden. Wirklich Lust, mich sehr aufzuhübschen, hatte ich aber auch nicht, darum nahm ich wahllos irgendwelche Dinge.

Ich griff nach einem Lipgloss und trug ihn auf. "Allerdings", antwortete ich dann auf Rose' Frage. "Er benimmt sich wie ein Kleinkind und das wird mir langsam zu blöd. Ich renne dieser Diva doch nicht hinterher!" Gereizt griff ich nach meinem dunkelbraunen Lidschatten, der leicht glitzerte. Vor Wut achtete ich kein bisschen auf die Schminke, die ich mir ins Gesicht klatschte.

Astoria und Daphne tauschten belustigte Blicke, bevor die ältere der zwei Greengrass-Schwestern an meine Seite trat. "Auf keinen Fall", stimmte sie zu und nahm mir den Lidschatten aus den Händen. "Wir sorgen dafür, dass er es bereut, dir aus dem Weg gegangen zu sein, und du wirst sowohl Cho Chang, als auch Pansy in den Schatten stellen."

"Das ist echt lieb gemeint, aber das ist kein Wettkampf...", seufzte ich und ließ mich auf mein Bett sinken.

Rose und Astoria sahen mich geschockt an. Daphne stemmte bloß die Hände in die Hüften. "Bist du da sicher?"

Gereizt stand ich wieder auf. "Verdammt, nein!" Ich lief zum Spiegel und setzte mich davor. Ich hatte nicht vor, Draco - oder Cedric - eifersüchtig zu machen. Merlin, bewahre! Das könnte ich vermutlich auch nicht, aber das war mir egal, denn mein einziges Ziel war es, Cedric zu beeindrucken und Draco zu zeigen, was er verpasste, indem er mit Pansy statt mit mir, seiner besten Freundin, zu dem Ball ging.

Okay, vielleicht wollte ich Drace ein bisschen eifersüchtig machen...

Und ich wusste auch, dass es nicht seine Schuld war, dass wir nicht Tanzpartner waren, aber hätte er nicht etwas früher fragen können? Davon abgesehen war seine "Lösung", mir aus dem Weg zu gehen und nicht mit mir zu reden, einfach nur unreif und kindisch. Typisch Jungs eben.

Doch ich würde mir den Abend nicht von Malfoy kaputtmachen lassen. Cedric war ein netter Junge, ich mochte ihn. Und wenn ich mit ihm auf diesen blöden Ball gehen wollte, tat ich das auch, verdammt nochmal.

"Na dann..." Vorfreudig grinste Daphne und griff nach einem Abschminktuch. "Fangen wir nochmal von vorne an."

(AN// So hat Daphne sie geschminkt (: )

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"Schnell, schnell, schnell!", hetzte Rose, Daphne zog Astoria an der Hand hinter sich her.

Ich folgte als Letzte. Mit den Händen hob ich meinen Rock ein kleines Stück an. "Diese scheiß Schuhe!", fluchte ich. Mit denen konnte ich einfach nicht laufen, geschweige denn rennen! Wie sollte ich erst darin tanzen?

Kurzerhand drehte ich um.

Rose hielt an und rief außer Atem: "Wo gehst du hin? Die Partner der Champions müssen beim Eröffnungstanz dabei sein!"

"Ich bin gleich wieder zurück! Wartet nicht auf mich!", rief ich nur und rannte um die nächste Ecke. Dort blieb ich ruckartig stehen und klatschte mir mit der Hand gegen die Stirn. "Wozu bin ich eine Hexe? Meine Güte..." Verärgert über mich selbst zog ich meinen Zauberstab hervor, den ich extra mitgebracht hatte. In der Eile hatte ich das total vergessen. "Accio Schuhe", murmelte ich, kurz darauf hielt ich schwarze Ballerinas mit einem Nietenbesetzten Band vorn in den Händen. "Flache Schuhe - viel besser!" Erleichtert entledigte ich mich der goldenen Mordwaffen - mal ehrlich, was hatten die anderen sich dabei gedacht? Sah ich aus wie eine Gryffindor? Oder wie Daphne und Rose, die in sowas laufen konnten? - und zog die Ballerinas an. Die Absatzschuhe ließ ich mit einem Zauber verschwinden.

Meinen Stab packte ich wieder weg und beeilte mich, zu den anderen aufzuholen. Zu meiner Überraschung standen sie an derselben Stelle, wo ich sie zuletzt gesehen hatte, bei ihnen Hermine.

"Ihr hättet nicht warten müssen", sagte ich, freute mich aber, dass sie es getan hatten.

"Und dich allein zurücklassen? Sehen wir so aus?" Daphne grinste und harkte sich bei Astoria unter, während Hermine und Rose dasselbe bei mir machten.

"Hübsch siehst du aus", komplimentierte ich Hermine zur Begrüßung. Auch die Gryffindor hatte ihr braunes Haar hochgesteckt und gelockt.

Sie lächelte. "Danke. Denkst du, Viktor wird das auch so sehen?"

"Wenn nicht, ist er blind. Oder dumm. Oder beides", sagte ich ernst, was Hermine leicht lachen ließ.

Im Geheimen dachte ich daran, wie Ron wohl reagieren würde, wenn er sie sah.

Bei der Treppe angelangt, die zur Großen Halle führen sollte, hielten wir hinter einer Wand nochmal an. "Sitzen meine Haare?", fragte Astoria und Daphne rückte ihr Kleid zurecht.

"Ich bin unglaublich aufgeregt", flüsterte Rose neben mir und zwirbelte eine ihrer blonden Locken, die sie sich vorhin gemacht hatte, zwischen den Fingern. "Ich hoffe, Harry ist ein guter Tänzer, sonst blamieren wir uns beim Eröffnungstanz total."

Hermine und ich grinsten einander an, da wir beide wussten, wie schlecht Harry im Tanzen war.

"Also dann, wollen wir?" Daphne sah in die Runde. Astoria und Rose nickten, Hermine hielt mich jedoch am Arm zurück und bedeutete mir, dass sie unter vier Augen mit mir reden wollte. "Geht schon vor, wir kommen gleich nach", antwortete ich daher.

Daphne zögerte, als Rose sie jedoch bei der Hand nahm und in Richtung Treppe zog, ließen die drei uns allein.

"Was ist los?" Fragend sah ich Hermine an.

"Sag du's mir", erwiderte sie. Gerade wollte ich fragen, was sie meinte, als sie bereits sagte: "Nicht nur mir ist aufgefallen, dass zwischen dir und Malfoy eisernes Schweigen herrscht, wann immer ihr im selben Raum seid. Versteh mich nicht falsch, ich kann ihn nach wie vor nicht leiden und eigentlich würde es mir nichts ausmachen, aber ich weiß, dass er dir etwas bedeutet."

"Moment mal, was soll das denn jetzt heißen?" Ich hob eine Braue. "Draco bedeutet-"

"Ivy, lenk jetzt nicht ab und sag mir, was los ist."

Seufzend verschränkte ich die Arme vor der Brust und erzählte Hermine in Kurzfassung, warum Draco und ich nicht miteinander reden. "Total kindisch, ich weiß", endete ich.

"Aber sowas von", stimmte sie zu. "Ich würde vorschlagen, du redest mal mit ihm. Falls er nicht zur Vernunft kommt, lass dir den Abend nicht verderben und genieß die Tänze mit Cedric."

Ich lächelte und umarmte Hermine kurz. "Danke, Mine."

"Kein Problem. Und übrigens..." Sie grinste, als wir uns aus der Umarmung lösten. "Ich meinte damit, dass das Herz will, was es will - und das weißt du." Sich grinsend zur Treppe begebend, ließ sie mich verdattert stehen. "He, warte!" Unelegant stolperte ich ihr nach, als ich mich aus meiner Starre gelöst hatte.

Grinsend harkte sich Hermine bei mir unter. "War nur ein Spaß", zwinkerte sie, was mich die Augen verdrehen ließ.

Nebeneinander schritten wir die Treppe hinab, wo ich einige meiner Freunde stehen sah; Harry unterhielt sich stotternd mit einer erröteten Rose, Daphne lachte mit Blaise und Astoria begab sich mit Theodore Nott in die Große Halle. Ron war nicht hier, vermutlich war er schon drin. Er wird Augen machen, wenn er Hermine sieht. Selbst Schuld, wenn er zu blöd ist, sie zu fragen.

Ich sah mich weiter um. Scheinbar haben wir es doch pünktlich geschafft... oder die anderen waren auch zu spät. Vermutlich eher Letzteres.

Ich ließ von Hermine ab, als wir am Ende der Treppe ankamen, wo Krumm vor ihr stehenblieb und galant einen Kuss auf ihrem Handrücken platzierte, bevor er die strahlende Gryffindor in Richtung Eingang führte.

Auch Daphne und Blaise begaben sich hinein. Daphnes Blick fand meinen und sie grinste mich breit an, was ich, meine Daumen hochhaltend, erwiderte.

Meine Freude schwand, als mein Blick auf Dracos traf. Es schien, als hätte er mich die ganze Zeit beobachtet. Unwohl räusperte er sich, als er merkte, dass ich ihn erwischt hatte, und für einen Moment dachte ich, er würde herkommen und mit mir reden. Zumindest hoffte ich es insgeheim.

Stattdessen wandte er sich wütend Pansy, die ununterbrochen redete und neben ihm stand, zu. Nur wenige Herzschläge später erfuhr ich auch, weshalb.

"Du siehst wunderschön aus." Ein aufrichtiges Lächeln lag, wie immer, auf Ceds Lippen.

Ich musste mich beherrschen, nicht, genau wie Daphne, breit zu grinsen. "Danke. Du siehst auch nicht schlecht aus", witzelte ich.

Cedric lachte leise und hielt mir seinen Arm hin. "Wollen wir, Miss Clover?"

Ich beschloss, mitzuspielen, und harkte mich ein. "Sehr gern, Mr Diggory."

Ohne Draco noch eines Blickes zu würdigen, stolzierte ich an ihm vorbei. Ich wusste, dass er mir enttäuscht hinterher sah, aber würde ich jetzt mit ihm reden, wäre der Abend komplett im Eimer.

Davon abgesehen, mussten Cedric und ich mit den anderen Champions jetzt den Eröffnungstanz beginnen.

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