Kapitel 10
Riddikulus
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"Halte deinen Zauberstab einfach hoch und sage laut und deutlich Riddikulus, wie wir es geübt haben." Remus - Professor Lupin - lächelte mich an. Ich nickte bloß und versuchte, das Gespräch über unsere Eltern zu verdrängen. Seitdem hatte ich, außer im Unterricht, kaum mit ihm geredet.
Neville, Ron und einige andere Schüler hatten den Riddikulus-Zauber bereits geschafft, nun war ich an der Reihe.
Ich sah dem Irrwicht in seiner jetzigen Gestalt in die Augen, kurz darauf verwandelte er sich in meine größte Angst.
Feuer.
Mein Herzschlag verschnellerte sich und mein Atem ging flach. Meine ausgestreckte Hand, in der ich den Zauberstab hielt, zitterte, der Angstschweiß stand mir auf der Stirn. "Nein...", hauchte ich.
Plötzlich umkreiste mich das Feuer, schnitt mich von meinen Klassenkameraden ab. Ich konnte die geschockten Blicke meiner Freunde und Schwester sehen, und Malfoy, wie er sich alarmiert aufrichtete.
Doch ich beachtete sie alle nicht. Das Feuer um mich herum engte mich immer mehr ein und mir wurde immer heißer. Ich schloss die Augen, hörte Schreie. Ich wusste nicht, von wem sie kamen, aber irgendwann konnte ich Professor Lupins Stimme heraushören und wie er laut "Riddikulus!", rief. Ich sah nicht, in was sein Irrwicht sich verwandelte, denn ich kniete mit zusammengekniffenen Augen und meinen Händen über den Ohren auf dem Boden. Mein Zauberstab lag neben mir.
"Ivy." Professor Lupin legte seine Hand auf meine Schulter. Ich schreckte auf und sah ihn an. Das Feuer war fort. "E-es tut mir leid, Professor, ich... ich wusste nicht, was-"
"Ist in Ordnung, das passiert manchmal." Seine Stimme war ruhig und sein Lächeln spendete Trost. Er verstand, warum mein Irrwicht so aussah. Ein Seitenblick auf Rose verriet, dass sie es auch wusste. Sie sah ebenfalls ängstlich aus und ich fragte mich, ob ihr Irrwicht dieselbe Gestalt angenommen hätte. "Du darfst dich von der Angst nicht besiegen lassen, Ivy", erklärte Lupin mir leise.
Ich nickte bloß, versuchte, mich zusammenreißen, nahm meinen Zauberstab in die Hand und stand taumelnd auf. Alle starrten mich an, es war nicht zum aushalten. Beschämt schlängelte ich mich an der Klasse vorbei und rannte aus dem Raum, die Flure entlang und nach draußen, wo ich mich ans Ufer des Dunklen Sees setzte.
Die frische Luft einzuatmen tat mir gut, sie half mir, klare Gedanken zu fassen. Erst spät merkte ich, wie sich jemand neben mir niederließ. Als ich die Augen öffnete und Malfoy erblickte, war ich nicht nur überrascht, sondern auch schlecht gelaunt. "Was willst du?", fragte ich und sah auf den See hinaus. "Wenn du gekommen bist, um dich über mich lustig zu machen, muss ich dich wohl kaum an deinen heldenhaften "Tod" erinnern, oder?" Ich setzte das Wort "Tod" in Anführungszeichen, denn nur weil jemand "Ich sterbe!" rief, hieß das noch lange nicht, dass dies auch geschah.
"Nein, deshalb bin ich nicht hier." Malfoy rollte genervt mit den Augen, bevor er tief einatmete und sagte: "Lupin wollte, dass jemand nach dir sieht."
"Ach, und da hast du dich natürlich liebend gern freiwillig gemeldet", schlussfolgerte ich voller Sarkasmus.
"Wäre das so schwer zu glauben?", fragte Malfoy.
"Um ehrlich zu sein, ja!", pfefferte ich ihm entgegen und sah ihn nun doch an. "Letztes Jahr wolltest du meinen Tod, dieses Jahr sorgst du dich um mich... Entscheide dich endlich, wie du zu mir stehst, denn langsam wird mir das ganze Theater zu blöd." Damit wandte ich mich wieder ab.
Malfoy seufzte. "Ich weiß, dass das letztes Jahr eine Scheißaktion war."
Ich schnaubte. "Allerdings."
"Aber", fuhr er fort, ohne meinen Einwand zu beachten, "ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht."
Sofort rutschte ich ein ganzes Stück von Malfoy weg und sah ihn schräg von der Seite an. "Wer bist du und was hast du mit Draco Malfoy gemacht?"
"Haha, sehr witzig, Clover", machte er, doch ich konnte sehen, dass er ein Schmunzeln unterdrückte. Lächelnd rutschte ich wieder etwas näher. Blöderweise machte er dasselbe, sodass sich unsere Hände und Schultern versehentlich berührten.
Sofort brachten wir wieder etwas Abstand zwischen uns.
Malfoy räusperte sich. "Also... Was hältst du von einem Neuanfang?"
Ungläubig sah ich den Jungen neben mir an, der grinste und seine Hand ausstreckte. "Hey, Clover, ich bin Draco. Wie heißt du?"
"Das ist bescheuert", zitierte nun ich seine Worte von damals, als wir zusammen Nachsitzen hatten und das Kriegsbeil begraben wollten.
Er zuckte mit den Schultern. "Wenn du das machen darfst, wieso nicht ich? Jetzt hab dich nicht so, du machst es peinlicher, als es eh schon ist."
Dramatisch seufzend schlug ich ein. "Na schön. Hallo, Draco, ich bin Ivy."
Wir schüttelten uns die Hände und mussten kurz darauf, genau wie damals, laut loslachen, worauf wir uns ins Gras legten und in den Himmel sahen.
"Denkst du wirklich, dass es diesmal klappt?", fragte ich leise, sobald wir uns beruhigt hatten. Aus dem Augenwinkel fiel mir auf, wie Malfoy mich fragend anschaute. "Oder dass ich es noch will?", fügte ich hinzu.
Er seufzte und setzte sich wieder auf, um mich besser ansehen zu können. "Ich habe mich doch entschuldigt. Du bist echt nachtragend, weißt du das?"
"Und du bist 'ne Dramaqueen." Mit verzerrtem Gesicht griff ich mir dramatisch an den Arm. "Ah, ich sterbe! Das blöde Federvieh hat mich gekratzt! Mein Vater wird davon erfahren!" Lachend legte ich mich wieder normal hin. Malfoy sah mich mit erhobenen Augenbrauen an und sah dabei alles andere als amüsiert aus. "Was?", grinste ich. "So hast du dich angehört."
"Du findest das also lustig, ja?" Ein hinterhältiges Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er näherkam. "Mal sehen, wie dir das gefällt." Ohne Vorwarnung fing er an, mich durchzukitzeln. Kreischend wand ich mich, kam jedoch einfach nicht davon. Ich versuchte, Malfoy von mir zu stoßen, doch er war zu stark und stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht auf meine Hände, die er mit einer seiner eigenen über meinem Kopf festpinnte.
"Du Arschloch, geh sofort runter!", rief ich lachend.
"Wie heißt das Zauberwort?", grinste er.
"Es fängt mit A an und hört mit Kedavra auf, du-" Ich unterbrach mich selbst, weil ich zu sehr lachen musste, und quietschte auf.
"Nein, das meine ich nicht, und das weißt du. Also, wie heißt es?", forderte er mich auf.
Ich sagte nichts. Teils, weil ich zu sehr lachen musste, und teils, weil ich zu stolz war, Malfoy um etwas zu bitten. Irgendwann jedoch ging mir die Puste aus. "Malfoy... Draco, bitte", keuchte ich lachend und augenblicklich hörte er auf. Als ich meine Augen öffnete, die ich während seiner Attacke geschlossen hatte, war sein Gesicht plötzlich näher an meinem. "Sieh an, sieh an, du kennst es ja doch", foppte er mich.
Ich nutzte den kurzen Moment, in dem er nicht aufpasste, und drehte mich so um, dass er nun unter mir lag und ich auf seinen Hüften saß. Schwer keuchend, aber triumphierend lächelnd, beugte ich mich zu dem überrumpelten Slytherin hinunter. "Sieh an, sieh an, deinem Arm geht's ja wieder bestens."
Genervt reckte Draco das Kinn und sah mir in die Augen.
"Wer lacht jetzt zuletzt, Draco?", lächelte ich.
"Nicht mehr Malfoy, huh?", merkte er an.
Ich verdrehte die Augen. "Lenk jetzt nicht davon ab, dass du von einem Mädchen plattgemacht wurdest, Malfoy."
"Plattgemacht?" Sofort drehte er uns um und saß nun über mir. Schon wieder. "Diese Aussage solltest du vielleicht nochmal überdenken."
"Nein", knurrte ich und rollte uns erneut herum. "Finde ich nicht!"
Noch einmal schaffte Malfoy es, die Oberhand zu gewinnen, und als ich nun versuchte, ihn zu überrumpeln, war er darauf gefasst. Ich hatte keine Chance. "Das ist gemein", jammerte ich. "Du bist viel stärker als ich."
"Stimmt", grinste er zufrieden.
Erst jetzt bemerkte ich, wie nah wir uns eigentlich waren. Sein Gesicht war beinahe direkt vor meinem, wodurch ich perfekt seine sturmgrauen Augen mustern konnte. Wie konnte hinter etwas so schönem jemand so... arrogantes sein? War das wirklich sein wahres Ich?
Auch Draco merkte nun, dass uns nur noch wenige Zentimeter trennten. Peinlich berührt räusperte er sich und setzte sich neben mich ins Gras. Auch ich setzte mich auf, versuchte, meine blonden Haare, die von dem ganzen Machtgehabe total durcheinander waren, einigermaßen zu richten.
"Und, was sagst du?" Abwartend sah Draco mich an. Ich zögerte, seufzte letztendlich. "Tut mir leid, Draco, aber das kann ich jetzt nicht entscheiden... Deine Worte haben mich verletzt und so, wie du meine Freunde behandelst, weiß ich nicht, ob ich noch etwas mit dir zu tun haben will."
Ja, das war so eine Sache, mit der Wahrheit. Doch ich fand es gut, das endlich gesagt zu haben.
"Oh", machte Draco und runzelte die Stirn. "Okay, ja, verstehe... Äh..." Unbeholfen stand er auf und hielt mir die Hand hin, um mir hochzuhelfen. Ich nahm sie an und ließ sie, sobald ich stand, sofort wieder los, trat einen Schritt zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen.
"Dann... sehen wir uns beim Essen?" Es klang mehr wie eine Frage, darum nickte ich. "Sicher." Ich lächelte, doch Draco wandte sich ab und ging etwas enttäuscht nach drinnen.
War er wirklich enttäuscht? Ich meine, was hatte er erwartet? Dass ich ihm einfach verzieh? Oder war ich doch etwas zu empfindlich?
Kopfschüttelnd wartete ich, bis Draco aus meinem Sichtfeld verschwunden war, bevor ich mich ebenfalls wieder zum Unterricht begab. Ich wusste nicht, was ich tun sollte... Doch ich wusste, wen ich um Rat fragen konnte.
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