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JUNGKOOK
Nachdem ich mit mir gerungen hatte, ob ich zu Taehyung gehen sollte, hatte ich mich schließlich doch verstört und verängstigt zurück in meinen Raum begeben. Ich konnte nicht anders, als an meine Zimmerdecke zu starren.
Ich hätte niemals erwartet, dass dieser Abend so dermaßen ausarten und mir so viele Dinge klarmachen würde. Von dem Fakt, dass Jennie anscheinend log, mein sonst so verhasster Stiefbruder sich um mich sorgte und sein Vater offensichtlich unter Wahrnehmungsstörungen litt und mich als einen vollwertigeren Sohn als Taehyung betrachtete, bis zu der Tatsache, dass ich kaum an etwas anderes als an unsere Familie und meine verwirrten Gefühle denken konnte.
Meine Angst bezüglich Taehyung und auch meiner Mutter schnürte mir beinahe die Kehle zu. Doch würde Eomma mir in ihrem Liebeswahn glauben, wenn ich ihr sagte, dass ihr neuer Traummann gewalttätig sei?
Außerdem quälte mich die Frage, ob mein Stiefbruder wirklich Drogen nahm. Vorstellen könnte ich es mir... auch wenn ich das lieber nicht wollte.
Ich war kein Fan von Drogen und hoffte jedes Mal, wenn Jin die paar Male im Jahr irgendeinen Müll gekauft hatte, dass er nach der Einnahme nicht umkippte.
Für meinen besten Freund waren Drogen etwas Aufregendes, Verbotenes. Aber vielleicht waren sie für Taehyung eine Ablenkung von seinem Alltag und dem Stress mit seinem Vater?
Ich wollte das alles nicht für ihn. Niemanden wünschte ich es, abhängig zu sein und einen solchen Vater zu haben. Aber bei Taehyung war es noch etwas anderes, das mein Herz langsam zerreißen ließ...
Stumm zog ich meinen Marsriegel aus meiner Jackentasche und öffnete ihn, um ihn anschließend zu essen.
Da ich jedoch an Jin gedacht hatte, beschloss ich, den Braunhaarigen anzurufen. Es kümmerte mich nicht, dass es gleich schon 3 Uhr morgens war.
„Was wird denn das?", gähnte Seokjin am Ende der Leitung, nachdem er abgenommen hatte.
„Äh, du hast mich auch angerufen?", entgegnete ich, woraufhin Jin leise auflachte: „Ja, das stimmt. Das ist 'ne lustige Geschichte. Ich hatte einen so eigenartigen Traum... wir waren da zu viert. Joonie, dein Stiefbruder, du und ich. Abgesehen davon, dass wir in irgendeinem Gebirge in Nordkorea hausten, waren da–"
„Jennie lügt", unterbrach ich ihn mit einem Mal. Für seine Traumgeschichten hatte ich auch später noch Zeit.
„Wie?", erwiderte Jin ungläubig. „Sie hat gelogen. Tae hat es mir gesagt", erläuterte ich, wobei ich kaum merkte, dass ich Taehyung bei seinem Spitznamen nannte.
„Jetzt glaubst du ihm plötzlich? Also, Jungkook... du bist echt verwirrt in letzter Zeit." Jin gähnte erneut.
„Ja, ich weiß es einfach. Ich spüre es, dass er die Wahrheit sagt", erklärte ich ihm aufgeregt, obwohl meine Stimme verhältnismäßig ruhig klang und ich an den Fusseln meiner Kuscheldecke zog.
„Oh Gott, JK, trink nicht so viel", ermahnte mich Jin beunruhigt. Doch darüber konnte ich schlecht lachen.
„Es ist die Wahrheit, wirklich. Jennie erzählt irgendeine Scheiße, weil sie eifersüchtig ist, dass Taehyung nicht sie mag, sondern–" Ich brach ab, sodass Jin nachhakte: „Sondern?"
„Na...", begann ich unsicher und blinzelte. „Irgendeine andere, was glaubst du denn? Zumindest glaube ich ihm. Abgesehen davon, dass Jennie dich scheiße behandelt hat, stimmt zumindest die Sache mit Tae...hyung nicht."
Man, jetzt nutzte ich nur noch diese dumme Kurzversion seines Namens...
„Das ist ja schön... aber bist du dir sicher, dass es dir gut geht? Du scheinst mir so verändert zu sein..."
~*~
Am Samstagmorgen erschien alles wieder einigermaßen normal zu sein. Zumindest von außen wirkte unser trautes Heim so, als wären wir eine wundervolle, glückliche Patchwork-Familie. Wir gewohnt standen beide Elternteile früher auf, um in der Stadt ihren Erledigungen nachzukommen. Die beiden Kinder schliefen bis 13 Uhr.
Als ich Taehyung begegnete, zog sich mein Herz sogleich vor Schmerz zusammen. Er hatte Augenringe und sah aus, als hätte er die letzte Nacht kein Auge zutun können. „Hast du Kopien gemacht?", sprach er mich bloß erschöpft an.
„J-Ja, hab' ich", entgegnete ich und rang mit mir, ob ich ihn auf das Gehörte ansprechen sollte. Würde er überhaupt mit mir reden wollen? Sicherlich nicht.
„Wir können die Akte und das Buch heute wegbringen. Eomma ist bei einem Kunden und Dong-wook bei einer Vorlesung... tut's denn noch weh?"
Meine Stimme zitterte leicht. Er blickte mich mit müden Augen an und strich sich dann das blonde Haar zurück. „Nein, es passt schon."
„Okay..." Schluckend sah ich ihm zu, wie er sich zurück in sein Zimmer begab und verblieb allein auf dem Flur. In mir schrie geradezu alles danach, Taehyung nachzugehen. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass ihm nichts mehr schmerzte. Vor allem nicht nach den Dingen, die ihm sein Vater angetan hatte.
(...)
Wir verbrachten die Nachmittage getrennt voneinander. Von Olga hörte ich, dass sie meinen Stiefbruder dabei erwischt hatte, wie er sich sogar an Hausaufgaben versuchte. Somit tat ich es ihm nach. Doch ich konnte nicht aufhören, daran zu denken, dass Taehyung Leid erfahren hatte und dass seine Gegenwart mich viel zu gut fühlen ließ.
Nach wie vor glaubte ich über meine sexuelle Orientierung Bescheid zu wissen... vielleicht waren es brüderliche Gefühle, die ich hegte?
Nicht nur ältere Geschwister verspürten schließlich einen Beschützerinstinkt gegenüber ihren Jüngeren. Auch wenn ich ihn stets verabscheut hatte, hatte ich mich nach diesen ganzen Wochen vielleicht schon irgendwie an ihn gewöhnt...
Doch wollte man die Nähe seines Bruders so sehr, dass man schon gar nicht aufhören konnte, an diesen zu denken? Bekam man einen Ständer in dessen Nähe? Ganz bestimmt, nicht. Andernfalls wäre das sehr komisch.
Da mich diese ganzen Fragen bezüglich meiner eigenen Gefühle und Taehyungs Wohlbefinden so stark nervten und durcheinanderbrachten, hatte sich schließlich mein gesunder Menschenverstand durchgesetzt. Dieser besagte, dass es nur eine Lösung für diese Probleme gab: Ich musste mit ihm reden.
Als es Abend war, klopfte ich schließlich an seiner Tür. Als Entschuldigung für mein Eindringen hielt ich Maskapone von Olga in den Händen und versuchte, diese nicht fallen zu lassen. Als ein dunkles „Herein!" ertönte, drückte ich schließlich die Türklinke hinunter.
„Äh... d-darf ich reinkommen?"
✧ ✧ ✧
kookie wird endlich mal vernünftig... oder vielleicht doch noch nicht so schnell? :0
zumindest reden sie jetzt erstmal miteinander... schon klartext oder eher nicht?
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