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JUNGKOOK

Wenn jemand ein Frühaufsteher war, dann war ich wohl das Vorzeigebeispiel dafür. Kaum hörte ich den Wecker, konnte ich mich erheben und zufrieden die Aufgaben angehen, die ich mir für den Tag vorgenommen hatte.
Ich liebte einfach das Gefühl, wenn ich abends wieder im Bett liegen konnte und wusste, dass ich meine Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte. Wenn es auch nur das Lernen einiger Vokabeln oder das Staubsaugen der Zimmer der oberen Etage waren, war es angenehm, befriedigend.

Doch heute war so ein Tag, an dem mich wirklich nichts – selbst nicht der Gedanke daran, Spaß mit meinen Freunden zu haben oder etwas Neues dazuzulernen – motivieren konnte, aufzustehen.

Das einzige, woran ich dachte, war das Zusammentreffen mit meinem neuen Bruder (jedes Mal, wenn ich es dieses Wort in Zukunft hörte, würde ich wahrscheinlich nur noch an ihn denken müssen; und diese Tatsache war zu komisch für meine Wenigkeit) und die unangenehme Stimmung zwischen uns allen.

Ich konnte mir nicht im geringsten vorstellen, wie all dies auch nur irgendwie gut verlaufen könnte.
Und selbst wenn sich mein neues Familienmitglied als ein noch optimistischer und fröhlicher Mensch als ich herausstellen sollte und mir um den Hals fiel, sobald er es erfuhr, wusste ich, dass ich wohl kaum für die neue Situation warm werden würde. Ich brauchte und wollte diese Umstellung einfach nicht haben.

Irgendwie schaffte ich es schließlich aber doch, mich aus den Federn zu quälen, zu duschen und anzuziehen. Vor dem Spiegel blieb ich schließlich stehen.
„Wir werden sicherlich gute Freunde werden", sagte ich zu mir selbst, als sei es Taehyung.

Nein, selbst wenn er nicht anwesend war, klang das eher wie eine Foltertortur. Erneut klatschte ich mir eiskaltes Wasser ins Gesicht, bevor ich dieses abtrocknete und mich am ganzes Körper schüttelte – in der Hoffnung, diese schlechte Laune würde von mir abfallen.

In der Küche, in der glücklicherweise niemand anwesend war, schnappte ich mir einen Apfel, einen Straciatellajoghurt und selbstverständlich einen Mars-Riegel aus meinem Vorrat, bevor ich damit durch die Hintertür aus dem Haus verschwand.

Zumindest hatte ich es geschafft, meiner Mutter nicht zu begegnen. Dann jener würde ich wahrscheinlich nicht ins Gesicht blicken können, ohne entweder loszuflennen oder eine so enttäuschte Miene zu verziehen, dass sie sofort erkannte, dass ich über ihr Geheimnis Bescheid wusste.

Jetzt hieß es nur noch, heute Abend möglichst nicht nostalgisch in Tränen auszubrechen.

(...)

Namjoon war der erste, der mich darauf ansprach, dass etwas mit mir nicht stimmte. Kaum, dass ich ihm über den Weg gelaufen war, sah er mich mit einem Ausdruck der Besorgnis an: „Sag mal, bist du krank? Junge, JK, es ist Schule?! Wo bleibt das breite Grinsen?"

„Gestern habe ich erfahren, dass ich heute die letzten Momente meines Lebens auskosten darf", predigte ich ihm vor und gähnte.

„Deshalb ein so ein dramatisches Gesicht... Ich dachte schon, irgendwer sei gestorben", entgegnete er und zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Ja! Ich sterbe nämlich schon bald", erklärte ich müde. „Meine Mutter will heiraten. Ihren Freund, mit dem sie seit ein paar Wochen zusammen ist. Und er bringt einen Sohn in die Ehe mit. Ich sollte es eigentlich erst heute Abend erfahren, aber Olga hat sich mal wieder verplappert."

„Verarschst du mich gerade? Deine Ma will heiraten?!"
Er erschien mir genauso perplex wie ich am gestrigen Tag zu sein. Erschöpft stimmte ich ihm zu, indem ich nickte.

„Ich wünschte, ich würde dich verarschen. Mir ist gerade echt egal, dass ich nur durch ihre Gebärmutter auf der Welt bin; das ist das unüberlegteste, was sie je gemacht hat! Und das respektloseste noch dazu. Appa ist vor zwei Jahren gestorben und sie sagte stets, dass sie niemanden so lieben würde wie ihn."

Mein bester Freund verzog unschlüssig den Mund, bevor wir uns aufmachten, zu unserer gemeinsamer Biologie-Stunde zu gehen. Den ganzen Weg über sprachen wir kein weiteres Wort mehr miteinander.

Sonst leitete ich immer zu weiteren Gesprächen ein, in denen ich ihn zumindest nach seiner Beziehung mit seiner Freundin fragte, die dreieinhalb Stunden entfernt von Seoul in Suwon wohnte und mit der er sich nur ein paar Male im Monat treffen konnte.
Wie aber auch für das frühe Aufstehen konnte ich heute keine Lust aufbringen, es zu tun. Dazu kam das flaue Gefühl in meinem Magen, welches durch die Erinnerung an meinen Vater entstanden war.

Ein heftiges Stimmengewirr auf dem Nachbarflur ließ uns das erste Mal aus unseren Gedanken ausbrechen. Zwei Typen schienen sich gehörig in den Haaren zu liegen.

Wir beide traten zu der Gruppe an Leuten heran, um nachzuschauen, um wen es sich bei der Prügelei handelte. Mit offenen Mündern mussten wir feststellen, dass Seokjin es irgendwie geschafft hatte, sich mit – ich legte den Kopf schief, bevor der Gegner unseres besten Freundes den Seinen leicht drehte, sodass ich ihn erkennen konnte – diesem neuen Kim aus meinem Mathekurs anzulegen.

„Ich hab' gesagt, dass du aufhören sollst, mich zu nerven", bellte der Ältere Jin an, der nur ein schwaches Lächeln auf den Lippen hatte, und irgendwie versuchte mit seiner Hand die des Neuen von seinem Kragen zu bekommen.

Er entdeckte uns beide, und sein Lächeln vertiefte sich. „H-Hey Leute, ich hab' alles im Griff, macht euch keine Sorgen."

Mein neuer Sitznachbar folgte seinem Blick, bevor seine Wut sich wohl vervielfachte. „Die müssen sich gleich Sorgen machen, wenn du nicht aufhörst, mir zu folgen. Ich will meine Zeit nicht mit dir verschwenden."

Ich trat einen Schritt vor, als ich seine Worte hörte, doch Namjoon hielt mich durch seinen Arm zurück. „Lass es, Jungkook. Er kommt da schon von alleine raus."

Dabei war das noch nicht mal mein größtes Problem. Abgesehen davon, dass Jin nervig sein konnte, fragte ich mich ernsthaft, was eine Person dazubrachte, jemanden deshalb an die Gurgel zu springen und ihn zu beleidigen.

„Alles gut, ich wollt' ja nur fragen, wie es dazu kam, dass deine Elt–", setzte Jin erneut an, doch der Andere unterbrach ihn mit einem „Verpiss dich einfach", bevor er ihn von sich fort stieß und auf dem Absatz umdrehte, um die Fliege zu machen.

Einige Mädchen um uns herum begannen sogleich aufgeregt zu tuscheln, als hätte er so eben eine Heldentat begannen. Wie konnte man auf so ein Verhalten abfahren?

„Naja... ist wohl doch nicht so gelaufen, wie ich es erwartet habe", gab Jin etwas bedauert zu, sobald sich die Menschenmenge in verschiedene Richtungen aufgelöst hatte. „Und dabei wollte ich für JK nur nochmal genau nachfragen, weshalb er hier in Seoul wohnt und sitzengeblieben ist."

„Vielleicht hättest du ihn wohl lieber nicht darauf ansprechen sollen, wenn das ein Thema ist, worauf er nicht gut zu sprechen ist", riet ihm Namjoon achselzuckend, woraufhin er nur ein entrüstetes Keuchen von mir erhielt: „Das gibt ihm doch nicht das Recht dazu, ihn so anzufahren! Der Typ hat sie doch wohl nicht mehr alle!"

„Tja, weißt du jetzt, was ich meine?", wollte Jin schmunzelnd von mir wissen. „Klar, er hat mir nicht wehgetan, doch ist er bei nahezu allen Leuten – bevorzugt männlichen Personen – unhöflich und fies."

Tatsächlich hatte sich bei mir das Bild vom schüchternen Neuling sofort verflüchtigt.
Trotz alledem schob der Dunkelhaarige etwas enttäuscht die Unterlippe vor. Wahrscheinlich hatte in ihm etwas Hoffnung existiert, dass er sich mit diesem ungehobelten Typen doch noch anfreunden könnte, sodass die beiden ihre Dating-Tipps austauschen konnten.

„Da stimme ich Jin ausnahmsweise sogar 'mal zu", sagte nun auch Namjoon und legte eine Hand auf meine Schulter. „Selbst wenn der Kerl dein Sitznachbar in Mathe ist, halt dich lieber fern von ihm. Er is' es nicht wert."

Das würde sicherlich einfach werden, wenn er nie mit mir sprach. Zwar hasste ich Menschen, die andere grundlos mit Worten oder Fäusten betrampelten – wenn es sich um meine besten Freunde handelte, ging ich vor Wut zusätzlich noch an die Decke –, jedoch entschied ich mich in diesem Fall wirklich dazu, ihm aus dem Weg zu gehen.

Bald schon würde ich genug Probleme mit meiner Familie am Hals haben, da brauchte ich nicht noch Stress mit irgendeinem aufgeblasenen Arschloch.





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haha kookie wenn du wüsstest
& ist etwas länger geworden upsala

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