𝒻𝓁𝓎𝒾𝓃ℊ 𝒽𝒾ℊ𝒽
𝙄 𝙨𝙬𝙚𝙖𝙧 𝙞𝙩, 𝙚𝙫𝙚𝙣 𝙞𝙣 𝙢𝙮 𝙨𝙡𝙚𝙚𝙥
𝙄 𝙝𝙚𝙖𝙧 𝙞𝙩 𝙡𝙞𝙠𝙚 𝙩𝙝𝙚 𝙢𝙚𝙢𝙤𝙧𝙮
𝙊𝙛 𝙚𝙫𝙚𝙧𝙮𝙩𝙝𝙞𝙣𝙜 𝙬𝙚 𝙪𝙨𝙚𝙙 𝙩𝙤 𝙗𝙚
Play - Alan Walker, K-391, Tungevaag, Mangoo
Zehn Tage danach: Montag
Erst eine Woche später wagte Yoongi es wieder zur Universität zu gehen. Er musste weiter studieren. Es ging hier um seine Zukunft... aber warum fühlte sich das alles auf einmal so egal an?
Er hatte abgenommen. Seine Figur war nahezu zierlich geworden, vorher hatte er eine gesunde Figur gehabt, jetzt war sie dünn. Seine Schlüsselbeine standen hervor, seine Rippen zeichneten sich unter der hellen Haut ab. Und auf seinen Armen erkannte man hellrote Linien, die sich tief in seine Haut gruben. Yoongi war ein Schatten seiner selbst.
Er trug ein Sweatshirt von Jimin. Der Jüngere hatte immer oversized getragen und jetzt, wo Yoongi so viel Gewicht verloren hatte, war es ihm auch zu groß. Die Ärmel waren zu lang und umhüllten seine dünnen, narbenüberzogenen Arme.
„Yoongi!" Jungkook eilte ihm entgegen. „Endlich sehen wir dich wieder... Wie geht es dir?" Ihre Blicke trafen aufeinander und ein kalter Schauer lief Jungkook über den Rücken. Yoongis Augen waren so dunkel, emotionslos und... leer. Und dann hoben sich die Mundwinkel des Älteren zu einem freudlosen Lächeln. „Besser." Jungkook glaubte es ihm nicht.
Und dann waren auch Jin und Namjoon bei ihnen angelangt, ihre sorgenvollen Blicke lagen auf dem zerbrochenen Jungen, der immer noch das kalte Lächeln auf den Lippen trug. Sie erkannten ihn nicht wieder.
„Entschuldigt mich bitte. Ich bin heute nicht so auf Gesellschaft aus." Yoongi ließ seine drei Freunde stehen und verschwand im Gebäude.
Er hasste es. Hasste die mitleidigen Blicke, die sie ihm schenkten. Die halbherzigen Hilfsangebote, niemand verstand ihn doch und niemand versuchte ihn zu verstehen. Also sollten sie ihn doch einfach alle in Ruhe lassen.
Yoongi ertrug die Sitzung, schlurfte dann zu seinem Studio und ließ sich auf das kleine Sofa in dem Raum fallen. Es klopfte an der Tür.
„Hey, Yoongi... machst du mir auf?" Das war Jin. Er seufzte. Warum konnten sie sich nicht einfach um ihren eigenen Kram kümmern? Widerstrebend stand er auf und öffnete dem Silberhaarigen die Tür. Jin trug ein kleinlautes Lächeln auf den Lippen. „Ich weiß, du willst lieber alleine sein, aber das... das ist nicht so gut, verstehst du? Wenn du alles in dich frisst und mit niemandem mehr redest. Isolation macht alles noch schlimmer..." „Achja", antwortete Yoongi, seine Stimme klang emotionslos und kalt. Jin erkannte sie wirklich nicht wieder. „Und woher willst du wissen, was gut für mich ist?"
Der Ältere blickte dem Schwarzhaarigen in die leeren Augen und ein Stich fuhr ihm durchs Herz. Noch nie hatte er Yoongi so zerbrochen gesehen.
„Wir sind doch Freunde...", murmelte er und zog einen Karton hinter dem Rücken hervor. „I-ich hab Pizza mitgebracht... du musst nicht mit mir über irgendwas tiefgründiges reden, aber können wir vielleicht einfach ein bisschen Zeit miteinander verbringen und etwas essen?" Yoongi hob eine Augenbraue. Bei dem Anblick des Essens wurde ihm schlecht. Auch, wenn sein Magen grummelte, er wusste, er würde diese Pizza nur schwer herunterbekommen.
„Ich will keine Gesellschaft." Nein. Denn niemand verstand ihn. Niemand war aufrichtig für ihn da. Jn tat das nur aus Pflichtbewusstsein. Er wollte alleine sein, warum ließ man ihn nicht in Ruhe? Er wollte nach Hause und sich unter seiner Bettdecke verkriechen mit der Vorstellung, dass die Wärme, die sie ihm schenkte, Jimins Wärme war und er gerade in Jimins Armen lag.
„Bitte, Yoongi." Doch er schüttelte den Kopf. „Iss die Pizza mit Jungkook... oder Namjoon. Aber lass mich verdammt nochmal in Ruhe." Er griff nach seinem Rucksack, schob Jin aus dem Studio und schloss die Tür hinter sich. „Ich gehe nach Hause." „Was ist mit der zweiten Vorlesung? Und mit den Aufgaben, die wir machen müssen?" Ein spöttisches, kaltes Lachen. „Zur Hölle mit den Aufgaben."
Und dann war Yoongi wieder alleine. Schleppte sich zu seinem Auto und fuhr nach Hause. Zu der kalten, leeren Wohnung, die er vor kurzem noch mit Jimin geteilt hatte. Und jetzt ließ er zu, dass der Schmerz seine emotionslose Maske zerbrach. Ließ zu, dass die Tränen aus seinen Augen flossen. Warum war alles so schmerzhaft? So ermüdend?
Am gleichen Tag schnitt er sich wieder, eigentlich war das schon zur täglichen Routine geworden. Er sah zu, wie das Blut aus den Wunden trat und über seinen Arm lief. Und dabei dachte er an Jimin. Könnte der Jüngere ihn jetzt sehen, in diesem Zustand, würde er ihn mit Verachtung ansehen. Denn Yoongi war erbärmlich.
***
Vierzehn Tage danach: Freitag
Es war wieder Freitag. An einem Freitag war Jimin gestorben. Und an einem Freitag sah Yoongi Taehyung zum ersten Mal.
Im strömenden Regen. Der Braunhaarige stand im Innenhof der Uni, den Kopf in den Nacken gelegt und genoss die Tropfen, die ihm auf das Gesicht fielen. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und er sah so zufrieden aus.
Später erfuhr Yoongi von den geflüsterten Gesprächen der anderen Studenten, dass Taehyung Kunst studierte. Er war neu auf der Uni und stach irgendwie hervor. Der Junge strahlte einen inneren Frieden aus, den man selten sah. Stress und Trauer schien er nicht zu kennen. Kleine Dinge faszinierten ihn, so, wie die Regentropfen auf der Fensterscheibe, oder die bunte Fassade der Uni. Er sagte er habe nie mehr Farben auf einem Fleck gesehen.
Das alles hörte Yoongi von den anderen. Denn über Taehyung wurde viel geredet. Der Schwarzhaarige beschloss sich von Taehyung fernzuhalten.
Er führte seinen Alltag normal fort, zwang sich durch die Vorlesungen, ging seinen Freunden aus dem Weg und schloss sich entweder in seinem Studio oder in der Wohnung ein. Essen tat er kaum, erst, als er von dem Nahrungsmangel das Bewusstsein verlor.
An dem Tag beschloss er in den Supermarkt zu gehen und sich ein wenig Obst und Reiswaffeln zu kaufen. Seine Arme brannten an dem Tag mehr als sonst, mit der Zeit wurden die Schnitte immer tiefer und zahlreicher.
Und in dem Supermarkt sah er Taehyung wieder. Der Kunststudent stand vor der Obstabteilung und studierte die Früchte. Mit einem grummeligen Gesichtsausdruck schlängelte Yoongi sich an ihm vorbei und griff nach zwei Äpfeln.
„Sie sehen gut aus, nicht?" Verwirrt blickte der Schwarzhaarige zu dem Jüngeren, der mit sanfter Stimme gesprochen hatte. „Die Früchte haben heute so eine schöne Form." „Wie auch immer", schüttelte Yoongi den Kopf. „Für mich dienen sie lediglich fürs Überleben."
Taehyung wandte den Blick von den Früchten ab und blickte i Yoongis Augen. Einen kurzen Moment lang war der Ältere in den braunen Augen des anderen gefangen, sie strahlten so viel Frieden aus.
Er riss sich von Taehyungs Augen los und wandte sich ab. Die Reiswaffeln waren schnell gefunden und er machte sich auf den Weg zur Kasse. „Dann schau genauer hin", hörte er hinter sich. Mit einem fragenden Blick drehte er sich um. „Nur der, der genauer hinschaut erkennt die Schönheit in den Dingen." Schönheit? Yoongi unterdrückte ein Schnauben. In dieser Welt war absolut gar nichts schön. Sie war trostlos und grau. Zumindest war sie das seit Jimin sie verlassen hatte.
„Träum weiter." Er ging bezahlen und verließ den Supermarkt, ohne dem Braunhaarigen einen weiteren Blick zu schenken.
Im Auto öffnete er die Tüte mit den Reiswaffeln. Starrte ihren Inhalt nachdenklich an. Wie konnte er es schaffen das zu essen, ohne, dass er sich übergeben musste? Er nahm eine der runden, hellen Scheiben und biss hinein. Der Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und er musste sich zusammenreißen das Essen nicht sofort wieder auszuspucken.
Um sich von dem Essen abzulenken, hob er den Kopf und schaute aus dem Fenster. Taehyung verließ den Supermarkt mit einer Tüte in der Hand. Das braune Haar fiel ihm ins Gesicht und verdeckte seine Augen. Doch es ließ ihn nicht traurig aussehen, oder so. Nein, es passte einfach zu ihm, genauso, wie seine Kleidung, die ihn aussehen ließ, als wäre er ein Bürger von Paris. Der lange, braune Mantel, die weite weiße Hose und die rote Mütze, ebenfalls typisch Pariser Mode, das alles passte zu ihm.
Yoongi seufzte. Er musste den Abstand bewahren. Denn er wollte keinen Kontakt zu anderen Menschen. Er wollte alleine sein. Keine Bindungen mehr pflegen, keine Freunde mehr haben. Das alles war doch überflüssig und sowieso nur, damit man sich besser an die Gesellschaft anpassen konnte. Alleine war er besser dran. Keine Bindungen. Kein Schmerz, keine Verlustangst.
Wie es wohl war zu sterben? Dieser Gedanke spukte ihm schon eine Weile im Kopf herum. Jimin war tot. Warum nicht einfach von der nächstbesten Brücke springen und dem Jüngeren folgen?
Er startete den Motor. Und dann fuhr er durch die nächtliche Stadt. Das Glitzern und Funkeln der Lichter von Seoul, alles umgab ihn, das Lichtermeer, das Labyrinth aus Straßen, die ganzen Hochhäuser, die sich den Wolken entgegenstreckten.
Doch Yoongi sah das alles nicht. Er war blind geworden. Blind für die Welt um ihn herum, nein, eigentlich schloss er sie mit Absicht aus. Denn er wollte sie nicht sehen. Wollte ihre Schönheit nicht bewundern. Denn alles war doch so verdammt unfair. Warum ging das Leben einfach weiter? Warum schien es diese Welt überhaupt nicht zu kümmern, dass Jimin fort war? Warum litt diese Welt nicht mit ihm?
Er hasste das Leben. Hasste die Erde. Und er hasste die ganzen Menschen um sich herum.
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