»𝐂𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟏𝟒«

Überfordert von allem blicke ich rüber zu Jack. Der ebenfalls verwirrt von dieser Situation ist. Ich erkenne den fremden jungen Mann, der mich an jenem Abend so furchtlos aus dem Wasser gezogen hat, nicht wieder.

Er scheint wie ausgewechselt zu sein. So unvertraut als hätten wir uns nicht gerade eben umarmt, als hätten wir uns nie nah gestanden, als hätte er mir nicht das Leben gerettet.

Eine unerklärliche Leere umhüllt mich in dieser Sekunde. Wäre Jack wirklich, imstande jemandem das Leben zu nehmen?

Auch wenn ich ihn nicht lange kenne, habe ich nicht das Gefühl, dass er dazu fähig wäre.

Aber kann ich diesem Gefühl auch vertrauen?

»Dad«, ruft jemand aus der Ferne. Ich blicke mich um und entdecke einen hochgewachsenen Mann hinter den Bäumen hervorkommen.

»Dad, um Himmels Willen, was tust du hier?«, fragt er besorgt.

Sein Vater schaut verwirrt die Gegend an, er ist nicht wiederzuerkennen. Nun wirkt er nicht mehr bedrohlich, ganz im Gegenteil er wirkt verängstigt und verletzlich.

»Es tut mir leid, wenn mein Vater euch gestört hat. Ihr müsst wissen, er ist ab und zu verwirrt«, erklärt er und greift seinem Vater dabei unter den Arm um ihn zu stützen.

»Kein Problem«, antwortet ich und schau dabei zu Jack der ebenfalls nickend zustimmt.

»Wünsch euch noch einen schönen Tag«, sagt der Sohn zu uns freundlich und verschwindet mit seinem Vater von dem Friedhof.

Eine Stille macht sich zwischen uns breit, vor der ich am liebsten wegrennen würde. Denn Stille Momente ziehen mich in den Abgrund, in welches ich nie wieder reinfallen möchte.

Wir stehen hier zusammen, aber er ist wo anders. An einem Ort, wo er sich wohler fühlt, das kann ich spüren.

Einem Geheimnisvollen Ort. Von der ich gerne mehr wissen würde.

Unwillkürlich schaue ich mich in der Gegend um und fühle mich zu jenem Tag zurückversetzt. In der Nacht als ich Jack, dass erste Mal traf.

»Worüber denkst du nach?«, höre ich seine dunkele Stimme unerwartet fragen.

»An unsere erste Begegnung«, sage ich und schaue dabei in seinen braunen Augen hinauf, wobei ich eine kurze Pause einlege.

»Ich war verloren. Ich habe versucht krampfhaft weiterzuleben, aber es ist mir bis dahin offensichtlich nicht gutgelungen. Weshalb ich den größten Tiefpunkt meines Lebens erreichte und daraufhin versucht habe mich selbst umzubringen.«

»Grace«, flüstert er leise. Er legt seine kühle Hand auf meine Haut, sofort breitet sich die Gänsehaut aus. Schon lange hatte ich nicht mehr so etwas gefühlt.

Doch ich verwerfe sofort diesen Gedanken und fokussiere mich darauf, was ich ihm sagen möchte.

»Nein, ich muss das loswerden. Bitte lass mich ausreden. Im Grunde kennen wir uns gar nicht und ich weiß auch nicht, wie blöd man sein muss, damit man jemand Fremden so sehr vertrauen kann. Aber Jack ich will das du weiß, dass ich dir vertraue. Und ich dir unendlich dankbar bin, dass du mir das Leben gerettet hast. Durch das Versprechen, was ich dir gab, konnte ich mich wieder an etwas echtes Binden. Es klingt so belanglos, so einfach aber ein Versprechen kann so viel aus machen, danke schön, dass du mir das gezeigt hast. Danke das du mir bewiesen hast, dass ich wichtig bin.«

»Du musst dich nicht bei mir bedanken. Ich müsste mich eigentlich bei dir bedanken«, sagt er und blickt dabei zu Boden.

»Wofür«, entgegne ich irritiert.

»Vor einer halben Ewigkeit habe ich eine sehr wichtige Person verloren, es war meine Schuld. Das war mir auch bewusst. Ich hätte es verhindern können, aber ich habe es nicht gemacht. Ich bedauere es zutiefst, jeden einzelnen Tag leide ich unter dieser Entscheidung. Ich war dumm und naiv.«, gibt er Kopf schüttelnd von sich. Seine Augen sind von Trauer überfüllt, voller Leid blickt er zu mir. Noch nie hatte ich ihn so verletzt gesehen. Aber die Trauer was er verspürt kommt mir mehr als bekannt vor. Ich verspüre es jeden einzigen Tag in meinem Leben.

»Grace«, sagt er mit einer zittrigen Stimme.

»Ich habe sie nicht gerettet, sie ist nur wegen mir gestorben. Es war meine verdammte Schuld. Ich hätte sie da rausholen müssen, sie warnen müssen, aber ich habe es nicht getan. Ich habe den falschen Menschen vertraut«, schluchzt er laut und fällt dabei auf die Knie.

Überfordert davon Knie ich mich direkt auch zu ihm und lege die Hand auf seine Schulter, um ihn zu beruhigen.

»Ein guter Freund kam nach New York, um mir zu helfen. Denn nur er konnte mir da raushelfen. Aber ... «

»Grace«, unterbricht ihn jemand plötzlich mit einer lauten Stimme.

Sofort drehe ich mich um und erkenne den schlanken Jungen mit den glänzenden blauen Augen wieder.

»Cole«, erwidere ich lautlos und verwirrt.

»Du hast wohl gedacht du kommst so einfach davon«, schreit er laut und außer sich.

»Wovon redest du?«

»Ich rede von dem Mord, die du an meinem Bruder begannen hast«

»Wie kannst du das immer noch behaupten? Ich bin hier am Grab deines Bruders. Und der einzige Grund, weshalb ich hier bin ist, weil ich ihn unglaublich doll vermisse. Du und deine Behauptungen gehen mir dermaßen auf die Neven, du weißt selbst wie sehr Zac und ich uns geliebt haben. Du warst selbst so oft dabei! Wie hätte ich das machen sollen? Verdammt noch mal ich habe mich versucht selbst umzubringen nur damit ich wieder bei ihm sein kann. Nur damit ich diesen Schmerz nicht mehr empfinden muss. Denkst du wirklich ich hätte das alles getan wenn ich dein Bruder umgebracht hätte ?«

»Die Bremsen des Wagens waren manipuliert«, gibt er gefühlslos zu. Die Lippen fest aufeinander gepresst, als hätte er nichts davon gehört was ich gerade zu ihm gesagt habe.

»Der letzte Ort, wo er sich befand, bevor er starb, war bei dir. Außerdem habe ich einen Zeugen, der dich am Auto meines Bruders gesehen hat. Du kamst nicht klar, dass er dich verlassen wollte, du kamst nicht klar dass er sich für eine andere entschieden hatte. Du wolltest seinem Leben ein Ende setzten. Du hast es nicht einmal bereut. Und als ich bei dir war, um dir von dem Tot meines Bruders zu berichten, hast du mir nur etwas vorgespielt! Du wolltest kein verdacht auf dich ziehen«, spricht er und lacht daraufhin laut los wie ein verrückter.

Selbstsicher greift er etwas aus seiner hinteren Hosentasche, als mir bewusst wird das dies eine Waffe ist, spüre ich den plötzlichen Adrenalinschub am ganzen Körper. Meine Wut wird von der Angst überdeckt.

Mein Blick eilt zu Jack der bereits wieder auf den Füßen steht genau wie ich, sein Blick ist starr auf Cole gerichtet. Im Gegensatz zu mir aber fürchtet er sich nicht vor ihm, denn er geht auf ihn langsam zu.

Alles in mir möchte schreien: »Stopp Jack bitte gehe nicht, er ist verrückt, bitte, ich möchte nicht auch dich verlieren!«, aber ich bekomme es nicht hin.

Die Angst hat mich schon völlig im Griff, selbst wenn ich mich trauen würde, dass zu schreien würde ich vielleicht uns in größere Probleme bringen.

Unbeeindruckt von Jack richtet Cole die Waffe auf mich. Noch nie habe ich mich dem Tod so nah gefühlt, wie in diesem Moment. Nicht einmal, als ich mir das Leben nehmen wollte.

»Dann warst du das arme Ding die „ihren Freund" verloren hat und ach so „traurig" war.
Weißt du Grace du widerst mich an, deine falschen Spielchen. Du hattest nicht mal den Mut mir die Wahrheit zu sagen!«, ruft Cole laut mit fester Stimme.

»Hey, ich denke das dir jemand was falsches erzählt hat. Ich bin mir sicher, dass Grace mit der ganzen Sache nichts zu tun hat«, antwortet Jack mit einer ruhigen Stimme.

Ich kann es nicht fassen wie ruhig er sein kann!

„Wer zum teufel bist du eigentlich. Halt dein Maul, ich will kein Wort von dir hören, dass ist eine Sache zwischen der lieben Grace und mir«, sagte er angewidert während er die Waffe entsichert.

Ich bin wie angewurzelt, mein ganzer Körper ist so sehr angespannt das ich kaum noch atmen kann.
Steif und unruhig stehe ich da. Mein Blick ist auf die schwarze Waffe gerichtet.

Doch etwas in mir möchte Jack um jeden Preis schützen, in dieser Sekunde ist mir egal was mit mir geschieht. Ich möchte nur das es ihm gut geht.

Mit langsamen Schritten gehe ich auf Cole zu, umschließe die Waffe mit meinen Händen und richte sie selbst auf meinem Herz.

Zum ersten Mal erkenne ich den alten Cole wieder, denn als die Waffe auf meinem Herz gerichtet ist, erkenne ich die Angst in seinem Augen aufblitzen.

»Wenn du nur dann zufrieden bist, wenn ich tot bin. Dann mach es Cole, dann befreie uns beide von diesem Leid, aber bitte lass ihn draus. Bring nur mich um.«

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Hey Leute, ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen ❤️

Wenn ja, würde ich mich riesig über ein Vote und ein Kommentar freuen ❤️

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