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Die Tür geht in Zeitlupe auf, weshalb ich schnell Taes warme Hand loslasse. Sofort breitet sich eine eisige Kälte aus. Am liebsten hätte ich wieder nach seiner Hand gegriffen, seinen Schutz wissen lassen, aber ich habe zu große Angst vor der Reaktion meiner Eltern. Es war schlichtweg eine Kurzschlussreaktion.
Schluckend versuche ich Taes verletzten Blick, der auf mir ruht, zu ignorieren. Ich hoffe, er versteht es und wird trotzdem unterstützen...
"Huh? Jungkook, wo warst du denn so lange? Die Schule ist doch schon lange vorbei.", erklingt die stark verwirrte Stimme meiner Mutter. In diesem Moment bin ich einfach nur froh, dass sie und nicht Vater uns geöffnet hat.
"Ist... Ist Appa da?", frage ich leise. Sie nickt ahnungslos. "Dann... können wir rein? Wir müssen mit euch reden..." Mutig schaue ich auf und bekomme wieder ein Nicken ihrerseits, weshalb sie zur Seite tretet, damit wir mein Zuhause betreten können. Mein Freund läuft dicht hinter mir, dabei spüre ich für einen kurzen Augenblick seine Hände an meiner Hüfte.
Kaum merklich zucke ich zusammen und drehe mich kurz zu ihm um. Mein Herz schlägt mit jedem Schritt, den wir tiefer in die Wohnung eintreten, stärker gegen meine Brust. Bitte lass das alles nur ganz schnell und ohne Probleme verlaufen...
"Hallo mein Junge, hast du endlich den Weg nach Hause gefunden?", fragt mein Vater sarkastisch, ohne von der Zeitung aufzusehen. Ich schlucke leise. Wenn er so spricht, ist er nicht gut drauf. Das war keine gute Idee, ausgerechnet heute ihnen Tae als meinen Freund und den Vater meiner Tochter vorzustellen.
"Herr Kim? Was machen Sie hier?", erkennt er sofort Taehyung, der weiterhin dicht neben mir steht und sich höflich verbeugt. Er mag zu Beginn etwas abschreckend wirken, da er durch sein Aussehen einen eher rebellischen Charakter darstellt, aber ich weiß, dass Tae eine sehr freundliche Person ist.
"Es freut mich, Sie wieder zu sehen, Herr Jeon."
"Ihr kennt euch?", möchte meine Mutter wissen und guckt zwischen den beiden Männern abwechselnd hin und her. "Ich bin der Lehrer ihres Sohnes. Wir sind uns vor nicht all zu langer Zeit in der Schule begegnet."
"Oh nein! Hat Jungkook etwas angestellt?!", alamiert reagiert sie wieder völlig über. Wieso denken Eltern wirklich immer, wenn Lehrer sich melden, dass ihre Kinder etwas Verbotenes gemacht haben?
"Nein, ihr Sohn hat nichts verbrochen.", schmunzelt Tae. Ich frage mich wirklich, wie er in solch einer Situation lachen kann. Eomma atmet erleichtert aus. Auch Appa zieht eine Augenbraue in die Höhe und mustert uns beide.
Seine Blicke lassen mich wieder unsicher auf die Füße schauen, wobei ich sie kaum mehr sehe, da meine Prinzessin mittlerweile ziemlich viel Platz benötigt. Tae scheint meine gestiegene Unsicherheit zu merken, denn er umschlingt meine Hand mit seiner.
Ich hebe meinen Kopf und schaue in seine dunkelbraunen Augen, die nur vor Fürsorge und Besorgnis schimmern und mir förmlich sagen wollen, dass alles gut wird. Mit seinem Daumen streichelt er über meinen Handrücken, sogleich kommt wieder diese vermisste Wärme in mir auf, die mich jedes Mal zu beruhigen scheinen. Tae hat eine magische Wirkung auf mich.
Langsam drehe ich den Kopf zu meinen Eltern, die uns beide eindringlich durchlöchern. "Ich bin mit gekommen, da ich mich als der feste Freund und der Vater unserer Tochzer vorstellen möchte. Es freut mich sehr, die Eltern meines zukünftigen Ehemannes und die Oma und den Opa meines Engels kennenzulernen."
Ohne mit der Wimper zu zucken, lässt er den Hammer fallen. Nicht einmal seine Stimme hat für einen Augenblick gezittert. Wie macht er das nur? Wie kann er in jeder noch so schwierigen Situation die Fassung behalten?
Doch für mich ist dieser Zeitpunkt die absolute Hölle. Für mehrere Minuten scheint die Luft im Raum still zu stehen, die Erde hat förmlich aufgehört zu drehen.
Überladen mit Nervosität und Angst kralle ich mich in die Seite meines tätowierten Freundes und hoffe, dass das nun endlich ein Ende haben wird. "Aber sie sind doch sein Lehrer-" Meiner Mutter scheint es, die Sprache verschlagen zu haben.
Ich spüre, wie Tae nickt.
"Ja, aber-"
Plötzlich hört man ein lautes Poltern und daraufhin wie ein Löffel auf den Boden knallt. Verschreckt und verängstigt klammere ich mich noch näher an Tae, der beruhigend über meinen Rücken streichelt. "Ich fasse es nicht! Was haben wir bei dir nur falsch gemacht?!", schreit mein Vater aufgebracht, was mich leise aufwimmern lässt.
"Erst gestehst du uns, dass du auf Männer stehst und dann auch noch, dass du schwanger bist. Dafür haben wir mit aller Mühe versucht, Verständnis aufzubringen, aber dass du auch noch mit deinem Lehrer in die Kiste springst, ist die reinste Schande!"
"Schatz-"
"Nein! Es ist verboten! Wie kam es dazu überhaupt?! Haben sie meinen Sohn dazu gezwungen? Haben sie ihn in die Enge getrieben oder gute Noten versprochen?!", wutentbrannt knallt er Tae die Worte an den Kopf. Ich merke deutlich, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannt.
Bitte beherrsche dich, Tae...
Zu meinem Glück seufzt er und entspannt sich tatsächlich ein wenig. Es war im Nachhinein klar, dass mein Vater so über ihn urteilen wird, immerhin hält er nicht viel von Tattoos, Piercings, geschweige denn von gefärbten Haaren. In seinen Augen ist Tae ein Schwerverbrecher. Ich verstehe bis heute nicht, wieso er so über diese Menschen urteilt.
"Ich kann ihnen mit Sicherheit sagen, dass Jungkook sich ganz allein dazu entschieden hat, eine Beziehung mit mir einzugehen. Ich habe niemals, ich wiederhole niemals etwas gegen seinen Willen gemacht.", redet er ruhig und räuspert sich am Ende.
Doch meinem Vater scheint das zu ignorieren, denn seine Augen verengen sich noch mehr, sodass eine Zornesfalte zwischen seinen Augenbrauen entsteht. "Das ist mir gleich! Mein Sohn wird nicht mit einem kriminellen Lehrer seine Zukunft verbauen. Ich werde sie wegen sexuellem Missbrauch anzeigen und jetzt nehmen sie die Hände von ihm!"
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