Zusatz 4

Ein Treffen in alten Gefilden

"Sirius Black, beweg deinen fetten Hintern endlich von meiner Couch!"

Seit einer halben Stunde lümmelte mein bester Freund in unserem Wohnzimmer, während ich in dieser Zeit frisch geduscht, mich umgezogen und eine Eule an Remus geschickt hatte. Laut Sirius hatte auch Remus eine Einladung zu einem Treffen in der Schule für genau heute um Punkt zwölf bekommen. Diese ganze Situation wurde immer obskurer, doch ich versuchte mich mehr darauf zu konzentrieren, meine Krawatte richtig zu binden, als daran zu denken, wer wohl noch alles einen Brief bekommen hatte, denn so wie es sich anfühlte, könnte heute der Tag sein, an dem ich einigen aus meinem alten Haus über den Weg laufen würde, ein rothaariges Mädchen mit blitzenden grünen Augen eingeschlossen.

"Potter, das ist sehr unhöflich. Du störst mich beim lesen", gab Sirius nur von sich und wedelte mit dem Motorradmagazin in der Luft herum, in dem mehr halbnackte Frauen als wirkliche Motorräder abgebildet waren, weswegen man es nicht wirklich als bildende Lektüre sehen konnte, doch ich ließ ihm den Spaß.

Sollte er sich ruhig noch etwas austoben, bevor er wieder auf Marls treffen würde, die laut Sirius 'eine ziemlich anstrengende Persönlichkeit hatte'. Auf meinen Einwand, dass er sie schon seit unserem ersten Jahr kannte und somit gewusst haben müsste, worauf er sich einließ, wollte er gar nicht eingehen.

"Und wir kommen zu spät, wenn du weiter in deinem Pornomagazin stöberst und deinen Hintern nicht langsam in Richtung Kamin bewegst."

Wir wollten in McGonagalls Büro flohen, ihre Erlaubnis hatten wir eingeholt und nun trennte uns nur noch Sirius' Faulheit von gutem Tee und ihren leckeren Biskuits.

"Das ist kein Pornomagazin", empörte sich Sirius und stand auf, das Magazin zusammengerollt, doch noch immer in der Hand.

"Ach nein?", fragte ich belustigt, eine Augenbraue erhoben.

"Ganz recht, das ist eine reine Anatomierecherche."

Sirius grinste und schlug mir mit dem Magazin auf den Hinterkopf.

"Anatomie? Die des Motorrads oder der Frau?"

"Das darfst du dir aussuchen."

Ich schüttelte bloß den Kopf, das Zucken meiner Mundwinkel unterdrückend und griff nach der Glasflasche Flohpulver auf dem Kaminsims.
Ich warf eine Handvoll des Pulvers in die Flammen, welche sofort grün aufloderten und stieg hinterher.

"McGonagalls Büro!", rief ich und keine zehn Sekunden später stolperte ich auch schon aus ihrem Kamin in ihr Büro in Hogwarts, dicht gefolgt von meinem besten Freund, der mich beinahe über den Haufen rannte.

Hustend und prustend richteten wir uns auf, die Zauberstäbe auf unsere Umhänge gerichtet. Der Staub fiel von uns ab und zerpuffte im Nichts.

"Mr. Potter! Mr. Black!", rief McGonagall überrascht.

Professor McGonagall hielt einen Stapel Pergamentrollen in den Armen. Vermutlich war sie schon dabei alle Verwandlungsprüfungen für das nächste Schuljahr zu konzipieren. Es würde mich nicht wundern.
Der verwunderte Ausdruck verschwand recht schnell aus ihrem Gesicht, als sie sich daran erinnerte, mir den Zugriff zu ihrem Kamin gegeben zu haben.
Aus meiner Umhangstasche zog ich den Brief hervor, den mir der riesige Kauz vor etwa einer Woche gebracht hatte. Sirius tat es mir gleich.

"Nun Professor", sagte ich, "was hat es damit auf sich."

Sie nickte, legte die Pergamentrollen ab und deutete auf die Tür.

"Ihre Freunde werden sie in der Eingangshalle empfangen, Mr. Lupin wartet auf sie zusammen mit Mr. Pettigrew, danach begeben sie sich bitte in Professor Dumbledores Büro. Das Passwort ist Phönix."

Ich stutzte. "Keine Süßigkeiten aus dem Honigtopf?"

Meine Lieblingslehrerin schüttelte den Kopf.

"Dieses Mal nicht, Mr. Potter - sie werden verstehen wieso."

**

"Moony, altes Haus!", rief Sirius über beide Ohren strahlend und schlang seinen rechten Arm um unseren besten Freund.

"Da seid ihr ja endlich", erwiderte Remus mit einem leicht säuerlichen Unterton. "Ich warte hier seit Ewigkeiten. Wolltet ihr nicht pünktlich sein?"

Ich hob abwehrend die Arme und deutete auf Tatze. "Seine Schuld! Der kleine Perversling."

Bevor Sirius mir eine verpassen konnte, duckte ich mich unter seinem Arm hindurch. Hinter Moony sollte ich sicher sein, doch dann...

"Ach James, wie gehts Lily? Hab lang nichts von ihr gehört. Sie antwortet nicht auf meine Briefe."

Ein Schlag in die Magengrube, hart. Remus sah sich verwundert zu mir um, hob eine Augenbraue, besorgt über ihr Schweigen. Ich wollte meinen besten Freund nicht anlügen, doch ihm jetzt alles zu erzählen?

"Wir sind spät dran", erwiderte ich stattdessen und eilte wieder die Treppen hinauf, es war sowieso albern, dass wir uns hier unten getroffen hatten, das gab Moony nur Gelegenheiten eben jene Fragen zu stellen, auf die ich keine Antworten hatte oder deren Antworten ich lieber nicht hätte. Wieso hatten wir das bloß gemacht, das war doch alles Schwachsinn. Ich wollte ihm das nicht auch noch auf die Nase binden, den ganzen Drachenmist mit mir selbst auszumachen (und Sirius) hatte für ein Leben gereicht, denn die Gefühle, die dabei an der Oberfläche kratzten, waren dunkler, als ich es für möglich gehalten hätte. Sie hüllten mein Herz in dicken, schwarzen Nebel, pressten mir gegen die Lunge und raubten mir jede Luft zum Atmen. Es war als würde ich innerlich ertrinken, als hätte mein Herz im wahrsten Sinne zu bluten begonnen. Die Wellen des Schmerzes spülten über mich hinweg und rissen mich hinaus auf die See, ich hatte den Boden unter den Füßen verloren, meine Lungen füllten sich mit den salzigen Tränen und die beruhigende Stille umhüllte mich, riss mich in die Tiefe, doch wozu sollte ich mich noch wehren. Das rettende Seil hatte sie durchgeschnitten, weil sie mich nicht wollte.

"Krone?"

Sirius' Stimme riss mich in die Realität zurück, wie in Trance war ich beinahe voraus gesprintet, nur um vor dem Wasserspeier zu Dumbledores Büro reglos stehen zu bleiben und Löcher in die Luft zu starren.

Merlin! Ich musste Li- sie vergessen. Ich konnte mir das nicht antun, immer und immer wieder diese Szene vor meinem inneren Auge abzuspielen. Es war genug. Nach vorne blicken, weiteratmen, leben.

"Mir gehts gut", erwiderte ich und wandte mich dann an den Wasserspeier. "Phönix."

Der steinerne Wegversperrer sprang zur Seite und entblöste eine steinerne Wendeltreppe. Ohne weiter auf meine Freunde einzugehen, stieg ich auf die unterste Stufe, wodurch die Treppe begann sich langsam hinauf zu drehen.
Ich spürte Sirius und Remus' brennende Blicke im Rücken, doch ich wagte es nicht, mich umzudrehen. Ich hatte einen einfachen Plan, ich würde sie vergessen und die beiden würden mir nicht in die Parade fahren. Das war genau das, was ich jetzt brauchte. Abstand. Von ihr, von allen, von mir. Ich musste mich neu finden, den James Potter, der ohne sie auskam, der ohne sie glücklich war. Und egal, wie unvorstellbar es auch wirken mochte, das war der Plan, und wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog ich das auch durch. Komme was wolle.

Mit leicht vor Anspannung zitternden Händen griff ich nach dem Türklopfer aus Bronze und schlug zweimal gegen das Holz, als ich zum dritten Mal ausholte, schwang die Tür jedoch schon auf und erstaunt stellte ich fest, dass Dumbledore nicht bloß uns drei und die anderen Gryffindors erwartete. Der Raum war zum Bersten gefüllt mit ehemaligen Schülern. Einige aus unserem Jahrgang, jedoch auch viele ältere, die ich bloß vom sehen her kannte.

"Was-", setzte ich an, doch der großgewachsene Schulleiter stellte sich uns in den Weg.

"Ah, Mr. Potter, Mr. Black, Mr. Lupin. Es freut mich, dass Sie ebenfalls noch zu uns gefunden haben. Sie scheinen die letzten zu sein. Ich muss Sie jedoch bitten, sich bevor Sie eintreten einem Zauber und einer Überprüfung ihrer Identitäten zu unterziehen."

"Was?", gab ich erneut von mir.

"Einverstanden, Professor", übernahm Remus nun das Kommando.

"Nun Mr. Lupin, wie hieß Ihre Mutter mit Mädchennamen, bevor sie Ihren Vater heiratete?"

"Howell."

Dumbledore nickte zufrieden, er wandte sich an Sirius, der zwischen Moony und mir etwas zusammenzuschrumpfen schien.

"Mr. Black, was war das erste, das Sie mir zu Beginn Ihres ersten Schuljahres an den Kopf geworfen haben?"

Ich musste bei den Worten unseres Direktors, mein Glucksen stark unterdrücken, doch als Sirius etwas unsicher mit den Schultern zuckte und fragte, ob dieser das nun metaphorisch oder buchstäblich meinte, konnte ich kaum noch an mich halten.

"Buchstäblich, Mr. Black."

Sirius sah etwas schuldbewusst auf seine Schuhspitzen. "Das war einer meiner Schuhe, Sir, der linke um genau zu sein." Als Sirius erneut aufblickte, war von der Reue kaum noch etwas zu sehen, vielmehr schien er sich wieder an den Tag zu erinnern, als er in einem Anfall von Hitze alles von sich geworfen hatte, um im schwarzen See etwas Abkühlung zu finden und dabei den alten Mann übersehen hatte, der auf seinem Nachmittagstee zu Hagrid gewesen war. Das breite Grinsen, das Sirius' Gesicht überfiel, brachte das Fass zum Überlaufen und ich prustete los.

"Mr. Potter, nun sind Sie an der Reihe. Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal wegen schlechten Benehmens in mein Büro zitiert wurden?"

Auch ich erinnerte mich nur zu gut an diesen Tag.

"Ich war sieben Jahre alt, Sir, meine Mutter hatte mich dabei erwischt wie ich mit einem Besen durch das Haus gesaust war und dabei mehr als bloß eine Vase zerbrochen habe... sie wollte mir eine Lektion erteilen und dachte, Sie würden einen starken Eindruck auf mich machen."

Einige der umstehenden Schüler kicherten und Dumbledore nickte erneut, offenkundig alles in allem zufrieden mit unseren Antworten.

"Nun, Mr. Potter, dem schien nicht so zu sein, wenn man bedenkt, dass Sie keine drei Tage in Ihrem ersten Jahr gebraucht haben, um zusammen mit Mr. Black zwei Toiletten in die Luft zu sprengen, wodurch Sie sich nicht zum letzten Mal bei mir einfinden durften."

Er rückte seine Halbmondbrille auf seiner krummen Nase zurecht und zwinkerte, bevor er zunächst Remus, Sirius und dann Mir mit seinem Zauberstab auf den Kopf klopfte.

Es war ein seltsames Gefühl, als hätte jemand in meinem Hirn auf Pause gedrückt und doch konnte ich noch vollständig agieren, mich bewegen, denken (mehr oder weniger).

"Eine kleine Vorsichtsmaßnahme, so dass ich Ihre Gedächtnisse nicht verändern muss, wenn Sie sich entscheiden zu gehen. Sie verlassen den Raum und vergessen alles, was hier geschehen ist und gesagt wurde, als wäre nichts von alledem je passiert. Sollte ich den Gegenzauber am Ende sprechen, bevor Sie den Raum verlassen, behalten Sie ihr Gedächtnis an die folgende Unterhaltung."

Wir nickten eingehend und traten endgültig ein. Sofort fiel mein Blick über die vielen Gesichter und erhellte sich, als ich Peter zwischen zwei ziemlich riesigen Kerlen entdeckte, die ich nicht kannte. Freudig winkte er mir zu und ich winkte zurück, betrachtete aber weiter die Gesichter und hielt - mehr auffällig als beabsichtigt - nach einem roten Haarschopf aus, doch in dem Meer aus Ehemaligen gingen die Flammen ihres roten Haares entweder unter oder sie war tatsächlich nicht hier.

Ein Stein von der Größe und dem Gewicht eines Bulldozers rollte mir vom Herzen, doch auch wenn ich Angst gehabt hatte, ihr gegenüber zu treten, war ich enttäuscht. Wo war sie, wenn nicht hier? Wieso konnte sie nicht hier sein? Wieso konnte sie mir nicht entgegenlaufen und sagen, dass das alles bloß ein Irrtum war? Ich klammerte mich vergebens an den letzten Strohhalm, der mir noch Hoffnung gab und mich über Wasser hielt, doch mit jedem weiteren Gesicht, dass nicht sie war, erlosch der Funke und versank mit mir in der tiefen, schwarzen See.

"Jaaaaaames?" Sirius fuchtelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.

Es war nicht das erste Mal, dass er mich ansprach, das machte seine gerunzelte Stirn deutlich.

"Professor Dumbledore will anfangen", erklärte Remus.

Ich warf einen flüchtigen Blick über die Schulter und nickte dann. Die Röte schoss mir in die Wangen und ich quetschte mich zwischen Sirius und Peter in die erste Reihe.

"So", begann Dumbledore, "da wir leider niemanden mehr zu erwarten haben-"

"Psst. Ist alles okay?" Sirius beugte sich leise an mein Ohr.

Ich nickte bloß.

"Marlene ist nicht hier", stellte er fest.

Und wie aufs Stichwort, ertönten von draußen vor der Tür zwei Stimmen, die mir das Blut in den Adern gefroren ließen.

"Marlene! Wir können da nicht einfach reinplatzen! Außerdem sind wir zu spät!"

"Ich kann nichts dafür! Ich war es nicht, die ausgesehen hat, als hätte sie sich das letzte Mal bei Merlins Geburt gewaschen..."

"So schlimm war es gar nicht."

"Ohhh noch viel schlimmer!"

Und mit einem Ruck wurde die Tür aufgestoßen und Marlene McKinnon und Lily traten stolpernd in das Büro des Schulleiters.

"Fuck", sagte ich.

Und alle Augenpaare richteten sich auf mich.

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