61. Ein letzter Streich
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"Peter hat was?!", rief Sirius am nächsten Morgen, als James und ich zusammen mit ihm und Marlene hinunter zum Frühstück liefen.
"Er ist gegen eine Ritterrüstung gelaufen und Filch hat sie eingeholt, er hat die Karte konfisziert."
"Unsere schöne schöne Karte!"
"Ich weiß."
"Unser größter Schatz!"
"Ich weiß."
"Das beste, was wir je geschaffen haben!"
"Tatze, ich weiß!"
James hatte es gestern Abend nicht für nötig gehalten, seinen besten Freund zu wecken, um den sowieso schon völlig verzweifelten Peter noch mehr zu verletzen. Er fühlte sich schon elend genug.
"Wenn ich den in die Finger kriege", bellte Sirius wütend, doch Marlene und James warfen ihm strenge Blicke zu.
"Du wirst gar nichts tun", sagte James.
"Aber..."
"Nein, er hat schon genug Schuldgefühle, da müssen wir nicht auch noch extra zutreten."
Noch immer etwas sauer wegen unseres Streits gestern Abend über seine Einstellung zu den Slytherins und über die Existenz der Karte der Rumtreiber, die er mir verschwiegen hatte, setzte ich mich nicht neben meinen Freund, sondern neben Marlene und griff nach einem der frisch aufgebackenen Brötchen. Ich wollte James einfach nicht glauben, dass Remus und Peter den Streich für alle ausgeweitet hatten, dabei war der Plan, den ich mir überlegt hatte, perfekt genug gewesen. Aus jedem der Frühstückseier sollten kleine Küken schlüpfen und das ganze Obst wäre magisch verzaubert gewesen, so dass es die Hogwarts Hymne und ein schönes Lied zum Abschluss gesungen hätte, doch nein. Überall am Tisch wurden Eier aufgeschlagen und nichts passierte. Das Obst blieb stumm. All die Arbeit umsonst.
Am Lehrertisch saßen heute zur Abwechslung mal alle Lehrer, selbst mein Professor in Arithmantik, Professor Solver, der eigentlich nie zum Frühstück erschien saßen neben Professor Slughorn und genehmigte sich eine Weintraube nach der anderen.
"Lily, jetzt sei nicht kindisch, Sirius hat mir gesagt, was sie gemacht haben und es ist einfach genial", lachte Marlene. Ich wollte davon aber nichts wissen.
"Mir egal!"
Doch in eben jenem Moment stieß McGonagall einen spitzen Schrei aus, ich hob den Blick und konnte selbst nicht so genau sagen, ob ich vor lachen platzen oder schreiend weglaufen sollte. Dumbledore oder... die Person, die wir für Dumbledore hielten, steckte sich gerade genüsslich den letzten Bissen des gekochten Ei's in den Mund... oder besser gesagt, in den Schnabel. Von der Brust aufwärts saß ein Hühnerkopf auf seinen Schultern und genau das geschah nun auch an den anderen Tischen, jedem der eins der Eier gegessen hatte, wuchsen auf einmal Federn im Gesicht und an den Schultern, die Nase zog sich in die Länge und wurde zu einem rötlichen Schnabel. Doch das beste war wohl, dass keiner von ihnen mehr normal sprechen konnte. Sie gackerten erschrocken vor sich her.
Mit einem - widerwilligen - Grinsen auf den Lippen drehte ich mich zu allen Seiten. Professor Solver wollte sich gerade eine weitere Traube genehmigen, als sein Kopf anschwoll und sich lila färbte.
"Du bist, was du isst, hat plötzlich eine ganz andere Bedeutung", lachte Marlene, die sich bewusst nur eine Scheibe Brot genommen hatte.
Was mich jedoch wirklich verwunderte, waren die Slytherins. Keiner von ihnen hatte einen Hühnerkopf oder verwandelte sich in Obst.
"Na schön", gestand James ein, "wir wollten sie dann doch noch mal ganz speziell ehren."
Viele der Lehrer und auch die meisten Schüler hielten sich nun von allem fern, was essbar war, doch die Slytherins, die sich in Sicherheit wiegten, schlugen zu.
"Oh, das werdet ihr lieben!", rief Sirius mit vollem Mund.
Dumbledore fühlte sich anscheinend sehr wohl mit seinem neuen Aussehen, denn als all diejenigen mit einem Obstgesicht anfingen, die Hogwartshymne zu singen, erhob er sich und tanzte zu ihrem Rhythmus.
McGonagall stand die pure Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, obwohl sie die vier Jungs an unserem Tisch ganz besonders musterte, doch wie so oft gab es eben keine Beweise, wer dafür verantwortlich war, da konnte sie sich noch so sicher sein.
"Jetzt ist es soweit", sagte James aufgeregt und deutete auf seine Uhr, die gerade Punkt 07:45 geschlagen hatte. Auf einen Schlag begannen die Gesichter aller Slytherins sich zu verformen und keine Minute später sahen sie alle aus, wie die drei kleinen Schweinchen aus den Muggelmärchen, die Mum und Dad mir und Petunia immer vorgelesen hatten. Ich konnte nicht anders als lauthals zu lachen, als ich Severus sah. Eine kleine schwarze, fettige Fontanelle lag auf seinem rosa Kopf und sie alle wirkten überaus griesgrämig, als sich ihre Beine selbständig machten, sie auf die Tische stiegen und vor aller Augen anfingen zu dem gesungenen Stayin' Alive der Bee Gees, das unser neuer Früchtechor angestimmt hatte, zu tanzen.
"Woher kennt ihr-?", fragte ich James. Dieser deutete auf Sirius, welcher sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte.
"Er liebt Muggelbands."
"Es ist so wunderschön", jammerte Black. Ganz die Dramaqueen.
"POTTER, BLACK, LUPIN UND PETTIGREW!", rief McGonagall nun doch.
"UNSCHULDIG!", schrie Sirius zurück.
"Bis zum Beweis des Gegenteils, Professor!", steuerte James bei.
"Wie lange wird das andauern?", fragte sie sichtlich erschöpft.
"Oh Professor, wir haben keine Ahnunf, schließlich sind wir nicht dafür verantwortlich", sagte Black.
"Aber", meinte James, "wenn wir raten müssten, würden wir sagen, dass es noch etwa eine Stunde lang anhalten wird, da heute aber sowieso alle mit packen beschäftigt sein werden, schließlich fahren wir übermorgen nach Hause, ist das doch nicht weiter schlimm."
Die beiden setzten ihr charmantes Rumtreibergrinsen auf, bei dem, wie ich leider zu gut wusste, auch Professor McGonagall ihre strenge Miene nicht lange aufrechterhalten konnte.
"Nun gut. Jetzt werden meine Jahre wohl endlich ruhiger", murmelte sie mehr zu sich selbst, als zu den Rumtreibern, doch Sirius wollte das wohl nicht auf sich sitzen lassen. Rasch erhob er sich, griff McGonagalls Hand, wirbelte sie einmal im Kreis und drückte ihr auf jede Wange einen Kuss.
"Mister Black!", rief sie erschrocken aus.
"Geben Sie es zu, Sie werden uns vermissen!"
Mit einem Grinsen drehte er um, packte James am Kragen und jagte zusammen mit ihm aus der Halle, ehe Gonnie ihm noch für die letzten Tage eine Strafarbeit reindrücken würde.
"Miss Evans, passen Sie gut auf diese albernen Kindsköpfe auf. Versprechen Sie mir das?"
"Natürlich, Professor."
Ein letztes Mal streckte Black seinen Kopf durch die Flügeltüren.
"Oh und reservieren Sie mir heute Abend einen Tanz, Professor!"
**
"Lily, ein Labello ist kein Lippenstift, jetzt benimm dich nicht wie ein Kleinkind und lass mich dich schminken!"
Marlene war mal wieder völlig in ihrem Element und ich hinderte sie dabei, ihre Arbeit zu verrichten, doch zusätzlich zu den fünf Kilo Lidschatten musste ich nicht auch noch kirschroten Lippenstift auftragen. Ich hatte nunmal meine Grenzen.
Wir saßen in meinem Zimmer in den Schulsprecherräumen und bereiteten uns für die Abschlussfeier vor.
"Marls!"
"Lily, jetzt halt den Rand!"
Sie zückte ihren Zauberstab und sagte: "Silencio!"
Wütend strampelte ich mit den Armen und Beinen, doch auch das hinderte meine beste Freundin nicht daran, mein Gesicht noch mehr zu verunstalten. Also ließ ich es eben über mich ergehen.
Merlin sei Dank war sie auch eine viertel Stunde später endlich fertig. Und ich musste sagen, so gut hatte ich lange nicht mehr ausgesehen. Meine Haare steckten in einem hohen Zopf, die Längen fielen mir in schönen Wellen über die Schultern und die Haare frisch an der Wurzel waren in mehreren geflochtenen Pfaden hin zum Haargummi verzweigt. Mein Gesicht ähnelte dem der vielen Promis in den Klatschzeitschriften, die Petunia mit fünfzehn gesammelt hatte. Mit anderen Worten: Marlene hatte all meine Makel verschwinden lassen und auch wenn ich mir noch stark ähnelte, konnte ich nicht umhin nach dem kleinen Pickel zu suchen, den ich gestern auf meinem Kinn entdeckt hatte, um mich ein kleines bisschen mehr normal zu fühlen.
Marls hatte den Schweigezauber von mir genommen und betrachtete ihr Werk mit einem breiten Lächeln.
"Ét voila!", sagte sie, bevor sie mir das schulterfreie, A-linien Satinkleid in die Hand drückte, welches Mum und Dad mir vor einigen Tagen geschickt hatten. Es war maigrün mit kleinen aufgestickten blass-gelben Perlen am Dekolleté.
Marlene trug ein königsblaues Chiffonkleid unter ihrem Umhang, welches ihre blauen Augen betonen sollte. Das funktionierte auf jeden Fall, doch das Kleid betonte definitiv nicht nur ihre Augen, dafür hatte sie gesorgt. Sirius würden ganz sicher die Augen ausfallen. Ihre braunen Haare waren hochgebunden und steckten in einer äußerst komplizierten Flechtfrisur, für die sie ohne Zauberstab wahrscheinlich den halben Tag gebraucht hätte. Zwischen einzelnen Strähnen steckten Glitzersteine und rundeten das Outfit perfekt ab.
"Wir werden die schönsten Mädchen auf dem Ball sein", rief sie glücklich, aber als sie von mir nur ein natürlich erhielt, wirkte sie beinahe etwas enttäuscht, dass nur ich hier bei ihr war.
"Dorcas wollte unbedingt noch einmal mit Alice reden", erwähnte sie zum zehnten Mal.
"Ich weiß, Marls."
"Ich weiß nicht, was das bringen soll. Alice und Mary haben sich entschieden."
Stöhnend schüttelte ich den Kopf.
"Dorcas und Alice sind beste Freundinnen, egal was mit Mary los ist. Außerdem haben wir das geklärt. Wir hassen uns nicht, Marlene. Wir... koexistieren."
"Eulendreck!"
Egal wie sehr ich diesen Zustand ebenfalls verabscheute, was sollte ich großartig tun können? Ich konnte Mary nicht zwingen, wieder mit mir befreundet zu sein und zudem würde ich es auch gar nicht wollen.
"Jetzt komm", versuchte ich meine beste Freundin abzulenken, "die Jungs warten bestimmt schon auf uns."
Zusammen machten wir uns auf den Weg zum Gryffindorgemeinschaftsraum. Die schwarzen Umhänge und Spitzhüte hatten wir unter unsere Arme geklemmt und kamen schließlich vor dem Portrait der fetten Dame zu stehen, allerdings brauchten wir das Passwort nicht einmal auszusprechen, denn das Bild schwang beiseite und heraus traten die zwei attraktivsten Jungen von ganz Hogwarts. Ihre schicken Anzüge ließen all unsere Träume wahr werden. Doch das war nichts gegen ihre weit aufgerissenen Augen und den verträumten Blick, den die beiden aufgesetzt hatten.
"Scharf", grinste Sirius und zwinkerte Marls zu, die daraufhin in wildes Gekicher ausbrach.
"Wir gehen schonmal vor", sagte Marlene, doch ich hörte ihr gar nicht wirklich zu.
"Bist du immer noch sauer, dass ich dir das mit der Karte vorenthalten habe?"
Ja, eigentlich schon. Es war unverantwortlich und beeindruckend zugleich. Vielleicht war ich auch deshalb so wütend. Weniger wegen der Karte, vielmehr, dass sie etwas so Außergewöhnliches geschaffen hatten. Es war ein Geniestreich und das nervte mich so ungemein.
"Nein", grummelte ich und knuffte ihn in die Seite.
"Gut, denn du siehst wunderschön aus und ich möchte meine Freundin jetzt einfach nur küssen."
"Dann mach's doch."
Herausfordernd hob ich eine Augenbraue, er ließ es aber gar nicht so weit kommen, sondern packte mich an der Hüfte und legte seine Lippen auf meine. Feuerwerk. Ein Sternschnuppenregen. Kleine Funken purer Energie sprühten über meine ganze Haut, ließen mich erzittern und gleichzeitig entspannen. Die Erdanziehung verlor ihre Kraft und das einzige, das mich noch am Boden hielt, waren die starken Arme von James Potter, den Jungen, den ich liebte.
"Merlin, was machst du nur mit mir?", flüsterte er gegen meine Lippen.
Eine gute Frage, die ich ihm auch einmal stellen sollte.
**
Die große Halle hatte noch nie so prächtig ausgesehen wie heute. Statt den üblichen Kerzen hingen Lampions in der Luft und erhellten die klare Sternennacht, die uns die Decke präsentierte. Die vier langen Haustische waren verschwunden, stattdessen waren überall kleine runde Stehtische aufgestellt worden, auf denen goldene und weiße Tischdecken platziert waren. Vor dem gut gefüllten Lehrertisch war eine Tanzfläche freigeräumt worden und überall saßen oder standen Schüler des Abschlussjahrgangs und hier und da Schüler aus den unteren Jahrgängen, die als Tanzpartner eingeladen wurden.
Das Tanzen, der einzige Part des Abends, der meine völlige Blamage mit sich ziehen könnte. Abgesehen von der Rede der Schulsprecher, die James und ich erst vor wenigen Tagen fertiggeschrieben hatten. Allerdings drohte er mir seit jeher, dass er ohne Probleme einfach improvisieren könnte, wenn er das wollte. Darauf wollte ich aber um jeden Preis verzichten.
"Ich hole uns einen Punsch, gleich ist halb 9 und der Eröffnungstanz ist fällig. Es wäre vielleicht besser, wenn wir etwas angetrunken wären", grinste James.
"In dem Punsch ist kein Alkohol!", rief ich streng.
"Stimmt, aber du kennst doch Sirius."
Über meinen verdutzten Gesichtsausdruck lachend, drehte er sich zum Gehen um und verschwand zwischen den Schülern.
"Und dieser Verlierer ist also dein... Freund?", raunte eine scharfe, schleimige Stimme hinter mir.
"Ich wüsste nicht, was es dich angeht, Snape."
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