51. Ungeladene Gäste

Dad fuhr in unsere Einfahrt und trat gewaltig auf die Bremse. Er war in einem Affenzahn hierher gebraust, was James überhaupt nicht bekommen hatte. Eigentlich war es ja ziemlich lustig, wie er da mit grünem Gesicht saß und schockiert stur geradeaus blickte, doch ich verkniff mir ein Lachen. Es wäre gemein gewesen.
Mum und Dad nahmen uns die Taschen ab und begleiteten uns ins Haus. Sie schoben uns durch den langen Flur direkt in das angrenzende Wohnzimmer, wo entgegen meiner Freude meine ganze Familie Platz genommen hatte.
Petunia und Vernon saßen natürlich in der Mitte und beantworteten furchtbar viele Fragen über ihr neues Haus und Vernons Beförderung, doch als wir eintraten, huschten alle Blicke zu uns, was meiner Schwester so überhaupt nicht gefiel, doch ihre Augen blieben an James hängen, der trotz seiner Nervosität total lässig dastand und einfach umwerfend aussah.
Meine Cousinen Violet und Rosalie waren sofort aufgesprungen, um uns, oder besser gesagt James, in Empfang zu nehmen. Beinahe hätte ich nach seiner Hand gegriffen, ganz reflexartig, doch in letzter Sekunde besann ich mich eines besseren.
Vor allem Violet schien von James mehr als nur angetan zu sein, was mir nun so überhaupt nicht passte.
"Lily, würdest du uns deinen Begleiter wohl vorstellen oder habt ihr vor, dort Wurzeln zu schlagen?", fragte Großmutter in einem unfreundlichen Ton.
Ich nickte schnell und deutete auf meinen Freund: "Das ist James... James Potter."
"Potter?", rief mein Vater überrascht. Mir fiel auf, dass ich James Nachnamen noch kein einziges Mal erwähnt hatte, hätte ich es lieber sein lassen.
"Das ist der Junge, über den du dich doch immer beschwert hast, Schatz", meinte nun auch meine Mutter.
James hob eine Augenbraue und grinste mich keck an. "Achja?"
Am liebsten hätte ich alle drei mit einem Stillschweigezauber belegt, doch leider wäre den anderen dann wohl aufgegangen, dass ich eine Hexe war und das war es mir nicht wert.
Großmutter beäugte James misstrauisch, ehe sie ihm ihre Hand hinhielt, die er auf altmodische Art wohl küssen sollte, zumindest hatte sie das auch von Vernon verlangt, als er zum ersten Mal zu Besuch war. James, der mit der Situation völlig überfordert schien, ergriff nur ihre Hand und schüttelte diese kräftig, weswegen meine Oma bloß kurz aufkeuchte und ihm dann schnell ihre faltigen Finger entzog, als hätte James vorgehabt sie zu vergiften. Ich grinste in mich hinein und drückte James auf einen der Sessel gegenüber von Petunia und meinen Cousinen und setzte mich daneben auf die Lehne.
"Du hast dich also über mich beschwert, Evans?", fragte mein Freund und setzte dabei seinen Unschuldsblick auf.
"Über dich? Ach, wieso hätte ich das denn bloß tun sollen?"
"Weil ich so überaus perfekt bin?"
"Eingebildeter Kauz", blaffte meine Großmutter, die die Ironie in James' Stimme wohl überhört haben musste oder einfach zu alt war, um sie zu begreifen.
Ich lachte und meine Eltern und Tante Magnolia stimmten mit ein.

Petunia, die längst nicht mehr im Mittelpunkt stand, krächzte laut und fragte dann in zuckersüßem Ton:"Lily, würden du und deine Begleitung uns wohl entschuldigen, wir müssen etwas über die Blumengestecke besprechen. Sie sollen ja zu dem Kleid der Brautjungfern passen."
Das saß mal wieder genau. Mum wollte schon etwas sagen, doch ich zwang mich zu einem Lächeln und nickte leicht. "Sicher, Tuni. Ich zeige James eben sein Zimmer."
Nun war es mein Vater, der sich einmischte. "Ähm Schatz, um ehrlich zu sein, gingen wir davon aus, dass du und deine Cousinen zusammen mit Marlene im Schuppen schlaft. Nun...", er sah James an, "geht das ja nicht mehr."
Peinliche Stille herrschte, in der sich keiner etwas zu sagen traute. Niemand wusste so recht, was nun zu entscheiden war, bis - entgegen aller Erwartungen - Onkel Clifford das Wort ergriff: "Ach der Junge schläft hier auf dem Sofa, ich packe meine Sachen und nehme mir die Straße runter ein Zimmer in diesem Motel."
James hob beschwichtigend die Hände.
"Sir, ich möchte ihnen keine Umstände machen, ich kann mir auch ein Zimmer nehmen", erwiderte er.
Ich schüttelte vehement den Kopf. Merlin, was hatte ich da nur wieder angestellt. Hätte ich doch bloß meiner Mutter geschrieben, dann wäre dieses ganze Chaos nicht entstanden und würde zwischen mir und Tunias Traumhochzeit stehen. Ich war eine miserable Schwester.
"James, du bleibst hier", sagte meine Mum in einem Tonfall, der keine Widerrede zuließ, "Cliff, ich danke dir. Wir zahlen dir den Aufenthalt natürlich."
"Den Zimmerservice auch?" Onkel Clifford gluckste.
Mum und Großmutter Olivia rümpften die Nase.
Zimmerservice in einem Motel? Gab es das überhaupt? James, der offenbar verstanden hatte, was mein Onkel meinte, biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen.
Meine Oma schlug Clifford mit der Handtasche auf den Hinterkopf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte er sich auf, kramte seine Tasche hervor und verabschiedete sich schon einmal. Mein Dad und Onkel Albert, Tante Magnolias Ehemann und Vater von Rosalie und Violet, begleiteten ihn noch zur Tür.
"Dann", begann ich etwas zögerlich, "zeige ich James jetzt mal das Haus und den Garten."
Meine Cousinen sprangen schnell auf, ihre Augen richteten sich sofort auf James, dem das wohl auch noch zu gefallen schien. Ein merkliches Ziehen machte sich in meinem Bauch breit, als hätte mir jemand meine Innereien zusammengeklebt - es war ein unausstehliches Gefühl.
"Wir kommen mit", sagten die beiden im Chor und wohl oder Übel musste ich sie mitnehmen.

Wir hatten das Haus soweit endlich durchquert, viel länger hätte ich es auch nicht ausgehalten, denn meine Cousinen - selbst Rosalie - brachten mich zur Weißglut. Ja, mein Freund war einfach umwerfend und sie wussten nicht, dass er mein Freund war, doch ihre schmachtenden Blicke und Augenaufschläge waren einfach lächerlich, beinahe so lächerlich wie Vernon, der heute Abend tatsächlich eine Krawatte angezogen hatte, wobei man wirklich nicht erkannte, wo das rot seines Halses in den dunkelroten Stoff überging.
"Und du bist auch auf Lilys Schule?", fragte Violet.
"Ja, wir sind beide Schulsprecher." James grinste mich an und zwinkerte.
"Wow! Du bist Schulsprecher?" Rosalie riss die Augen auf, wandte sich an ihre Schwester und flüsterte - nicht wirklich leise - "Er ist klug und unfassbar scharf!"
James unterdrückte ein Lachen und ich starrte bloß stur geradeaus. Wieso amüsierte er sich auch noch darüber, dass meine Cousinen für ihn schwärmten? War ich ihm denn nicht genug?
"Noch Lilys Zimmer und dann der Garten", quiekte Violet erfreut und schenkte mir einen gehässigen Blick. Sie wusste wie mein Zimmer vor meiner letzten Abreise ausgesehen hatte: übel und chaotisch.
Vehement schüttelte ich den Kopf. Mein Zimmer sollten wir lieber auslassen, James dachte, ich wäre ordentlich und das war ich auch, jedoch machte mein Zimmer einen ganz anderen Eindruck. Ich würde mich nicht wundern, wenn überall Klamotten lägen - Unterwäsche eingeschlossen - und darauf konnte ich geflissentlich verzichten.
"Ach nein... das muss nicht sein, lasst uns gleich rausgehen."
"Was?", erwiderte James entsetzt, "Ich möchte aber sehen wie meine... Schulsprecherin lebt."
Er hob die Mundwinkel und entblößte seine weißen, geraden Zähne. Rosalie seufzte verliebt auf und das holte mich zurück in die Wirklichkeit.
"Aber..."
"Kein Aber, Sirius wäre schwer enttäuscht von mir, würde ich nicht jeden Winkel inspizieren."
"Sirius kriegt von mir einen Tritt in den Allerwertesten, genau wie du, Potter."
James lächelte und strich sich die Haare zurück. "Oh, sehr gerne, Evans."
Meine Cousinen die das Schauspiel beobachtet hatten, warfen sich einen verwirrten Blick zu, ehe sie beide je einen seiner Arme packten und ihn vor meine Zimmertür schleiften, doch genau in dem Moment, als Violet die Klinke herunterdrückte, klingelte es unten an der Tür.
"Gerettet!", rief ich laut.
James schüttelte bloß den Kopf und flüsterte: "Für den Moment, Evans."

Ich eilte die Treppen hinunter und öffnete die Tür. Ich erstarrte noch in meiner Bewegung, bevor unser Gast den Mund öffnen konnte.
Er grinste mich leicht an und hielt einen Topf mit... Grünzeug oder ähnlichem in die Höhe.
"Hey, deine Mum hat mich zum Essen eingeladen, weil ich die nächsten Tage bei der Vorbereitung für die Hochzeit helfen werde.
"Eddy...", krächzte ich bloß.
James tauchte hinter mir auf, Eddys Gesichtsausdruck schwankte für wenige Sekunden, dann fing er sich wieder. Auch James wirkte auf einmal nicht mehr so entspannt wie vorher.
Ich nahm unserem "Gast" den Topf ab, damit er James ausgestreckte Hand ergreifen konnte.
"James Potter", knurrte er schon beinahe.
"Eddy... Edward Keppner."
Seinem Gesicht nach zu urteilen, hatte James einen ziemlich festen Griff.
"Und ihr... seid ihr zusammen?", fragte er beiläufig, doch die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu hören.
"J-Nee, Potter und ich... das würde nie... gut gehen." Mit gesenktem Blick traten wir zurück ins Wohnzimmer. Violet und Rosalie saßen schon wieder bei meiner Schwester und beglückwünschten sie zu ihrem schönen Kleid, welches Vernon natürlich noch nicht sehen durfte. Daher saß Tunis Verlobter bloß schmollend in der Ecke und starrte auf unsere Topfpflanze, Hugo, die ihren Namen mir und Petunias Abneigung dagegen verdankte.

"Oh Eddy, Sie haben es geschafft", stellte meine Mutter erfreut fest, doch Dad starrte sie nur bestürzt an. Er hatte wohl genauso wenig davon gewusst wie ich.
"Dann lasst uns gleich Essen!"
James beäugte belustigt Vernon, wie dieser versuchte sich von der gelben Couch zu erheben und kläglich scheiterte, doch nach einem Hieb in die Rippen folgte mir mein Romeo ins Esszimmer.
Violet bestand natürlich darauf, dass er neben ihr saß, selbstverständlich nur, um ihn über mich auszufragen, was für ein Blödsinn.
Er saß also zwischen uns, Eddy rechts neben mir, Petunia mir gegenüber und der Rest irgendwo.
Dieses Essen würde wohl schlimmer werden, als alle Essen davor.

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