48. Ein neuer Lebensabschnitt
Der Zaubertrankunterricht zog sich endlos in die Länge, dabei hörte ich Slughorn überhaupt nicht zu, während er über unsere baldigen Prüfungen sprach und uns etwas über den riesigen Berg an Hausaufgaben erzählte, den wir am Ende der Stunde bekommen würden, doch statt für meine Zukunft zu büffeln, starrte ich Mary Löcher in den Hinterkopf.
Wie konnte es ihr so einfach egal sein, dass die Freundschaft von uns Mädchen durch ihre Aktionen einfach zu Bruch ging? Dorcas war noch immer furchtbar wütend, dabei war Dorcas nie wütend - sie war so ein liebenswerter und ausgeglichener Mensch, der ohne Groll in den Tag lebte,... doch nicht heute. Ihrem Ausdruck nach zu urteilen, würde sie Mary am liebsten den Hals umdrehen und ich konnte ihr das überhaupt nicht verübeln. Bevor der Unterricht begonnen hatte, war Dorcas zu mir geeilt, um mir mitzuteilen, dass Mary Alice dazu gezwungen hatte, zwischen ihr und Dorcas zu wählen, da diese noch immer mit mir und Marlene befreundet war. Ich wollte ihren Worten nicht glauben, das klang so überhaupt nicht nach Mary, zumindest nicht nach der, die ich kannte und die meine Freundin war. Doch diese Mary war auf einmal nicht mehr da.
"Merlin, dieser Mann ist so langweilig!" Marlene zog das 'so' in die Länge, während sie ihren Kopf gegen die Wand schlug.
"Zaubertränke ist immer noch besser als Wahrsagen", erwiderte Black und zog seine Freundin in eine enge Umarmung, die in einer wilden Knutscherei endete, bei der Dorcas, die anderen Rumtreiber und ich definitiv nicht zusehen wollten.
Wir saßen in einem der Gänge auf dem Boden, zu müde und erschöpft, um hoch in unseren Gemeinschaftsraum zu gehen, um dort die Freistunde zu verbringen, wobei wir uns auch ziemlich sicher waren, dort oben Mary und Alice anzutreffen. Das lag in keinem Interesse.
Was war bloß geschehen, dass das alles so kommen musste? War es wirklich meine Schuld?
Doch Mary sollte nicht lange meine einzige Sorge bleiben, als ich einen Briefumschlag aus meiner Tasche hervorzog, den ich schon vor ein paar Tagen bekommen, doch bis jetzt noch nicht gewagt hatte zu öffnen. Der Absender war kein Anderer als mein Dad und meine Mum, doch das war nicht ihre Handschrift, es war die meiner Schwester und ich wusste - schon bevor ich das Papier zerriss - was mich in dem Umschlag erwarten würde.
Lieber Gast,
Am 17. März ist es soweit und Petunia Evans und Vernon Dursley werden den Bund der Ehe schließen.
Halte dir den Tag frei, wir freuen uns auf eine Antwort!
Geschenke sind immer gern gesehen.
Franklin Church, Cokeworth
Hannigan Street 74
10am
Im Rosensaal, Cokeworth
Constabulary Rode 23-25
3pm
In Liebe
Petunia und Vernon
James, der über meine Schulter mitgelesen hatte, legte einen Arm um mich und drückte mir einen kurzen Kuss auf den Scheitel, wodurch ich sogleich viel ruhiger wurde und entspannt die Augen schloss.
"Gehst du hin?", fragte er.
Ich schluckte schwer, was für eine Wahl hatte ich schon. Petunia und ich kamen vielleicht nicht immer gut miteinander aus, doch sie war meine Schwester, meine Familie.
Die Einladung, die auf hässlisches, weißes Büttenpapier gedruckt war, das mit kleinen Perlen verziert worden war, schob ich zurück in meine Tasche und blickte zu James auf, dessen Gesichtsausdruck an sieben Tage Regen erinnerten.
"Alles in Ordnung, Lily?", fragte Remus besorgt.
Binnen Sekunden fasste ich einen Entschluss und das überraschte mich wahrscheinlich mehr, als alle anderen um mich herum, selbst Marlene und Sirius unterbrachen ihre Fummeleien, da sie zusehr damit beschäftigt waren, mich entgeistert zu mustern, als ich sagte: "Es reicht mir jetzt. Ich spiele dieses Spiel von Mary nicht länger mit und halte mich für den schlimmsten Menschen der Welt. Sie hat ein Problem, dass ich und James zusammen sind? Soll mir Recht sein."
Peter verschluckte sich an einer Lackritzstange, Dorcas sah mich aus großen Augen an und Marlene grinste.
"Das ist meine beste Freundin, die tapfere LE!"
James, Sirius und Remus wirkten etwas überrumpelt und regten sich eigentlich kein bisschen, bis Sirius James in die Seite piekste und lauthals verkündete: "Krone, sie hat es offiziell bestätigt. Du bist kein freier Mann mehr!"
Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht, doch ich bereute nicht ein Wort meiner Aussage. Wenn meine Schwester ein neues Kapitel aufschlug, musste ich das vielleicht auch und dazu gehörte, mich von manchen Altlasten zu trennen. Doch Mary auf den Gängen zu ignorieren oder ihr aus dem Weg zu gehen, würde keinen Abschluss bedeuten. Probleme von sich zu schieben, bedeutete nicht, sie zu lösen. Ganz im Gegenteil, es hieß sich damit bloß eine Kette an den Fuß zu schließen, die einen bei jedem weiteren Schritt behindern würde. Nur weil ich den Schlüssel weggeworfen hatte, bedeutete das nicht, dass die Kugel verschwinden würde. Ich musste mit Mary reden und das ein für alle mal klären. Ob wir uns am Ende dieses Gesprächs in den Armen lagen und unüberhörbar schluchzten oder einfach bloß coexistierten, war mir egal - jetzt schon. Ich wollte bloß diese Last abwerfen, denn sie behinderte mich dabei, endlich zu fliegen.
Ich rappelte mich auf, sah meine Freunde und James an und lächelte. Eine ulkige Bande, die ich jetzt schon unheimlich lieb hatte, besonders diesen großen Jungen mit den rabenschwarzen Haaren und der Brille auf der Nase, der zu mir aufsah, als wäre ich das schönste Geschöpf auf Erden. Merlin, was für Scheuklappen hatte ich all die letzten Jahre bloß aufgehabt, nicht zu erkennen, was ich genau vor mir hatte?
"Du willst das jetzt sofort klären?", fragte Marlene skeptisch. Ich bejahte und eilte los. In nicht einmal zwanzig Minuten würde die nächste Stunde beginnen und eigentlich hätte ich die letzten vierzig Minuten damit verbringen sollen, meinen Aufsatz in Kräuterkunde fertigzustellen, doch das konnte ich auch noch heute Abend erledigen. Nun würde ich Mary einen Besuch abstatten und sie zur Rede stellen.
Ich erreichte das Portrait der fetten Dame und wollte gerade das Passwort nennen, als Mary herausgestürzt kam, völlig entschlossen und ernst.
"Mary?"
"Lily!"
"Da haben sich ja zwei gefunden...", murmelte die fette Dame gereizt.
"Was tust du hier? Ich wollte dich gerade suchen."
Ich beäugte Mary etwas misstrauisch, bevor ich erleichtert ausatmete. Sie wirkte nicht wütend, geschweige denn angriffslustig. Sie war einfach Mary.
"Achja?"
"Ja, nachdem Alice die ganze Zeit auf mich eingeredet hat, ist mir aufgefallen, wie irrational und kindisch ich mich verhalten habe."
Irrational und kindisch? Das waren zu hundert Prozent genau Alice' Worte gewesen, so hätte sie das mit sicherheit formuliert. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gerade heraus - so war sie eben, wenn sie die Mum-Karte spielte. Sie würde mit Sicherheit eine tolle Mutter abgeben.
"Wirklich?"
"Lily, es tut mir leid. Das hätte ich schon längst sagen müssen, ich werde mich auch bei Dorcas und Marlene entschuldigen und... James."
Ich hatte wohl mit allem gerechnet, wüsten Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten, einer Heulerei, doch sicher nicht mit einer so reflektierten Mary, die sich entschuldigte. Völlig aus der Bahn geworfen, konnte ich nicht anders als zu lachen, was in dieser Situation natürlich völlig fehl am Platz war, doch das hielt mich nicht auf.
"Jetzt ist sie auch noch übergeschnappt", äffzte die fette Dame.
Mary sah mich erschrocken an.
"Ich... bin so erleichtert, Mary", giggelte ich atmenlos.
Ich wollte sie umarmen, doch sie wich zurück. Verdutzt verstummte ich.
"Was-?"
"Lily, es tut mir leid, aber ich kann nicht deine Freundin sein..."
Wie ein Schlag ins Gesicht.
"Aber du hast gesagt..."
"Ich kann nicht mit dir befreundet sein und euch jeden Tag sehen. Noch nicht, vielleicht irgendwann, wenn es nicht mehr so weh tut. Ich freue mich für dich Lily, ehrlich, auch wenn ich es nicht zeigen kann, doch ich liebe ihn einfach... das wird er nur nie erwidern."
Mary hasste mich nicht, nicht mehr, doch sie wollte sich auch nicht weiter mit mir abgeben.
Ich sagte eine Weile lang nichts, ich konnte nicht in Worte fassen, was mir durch den Kopf ging, geschweige denn wie ich mich fühlte.
"Lily Evans", durchbrach Mary die Stille, "es hat mich gefreut deine Bekanntschaft zu machen."
Sie hielt mir die Hand hin. Zögerlich griff ich danach, ihre traurigen Augen huschten den Gang, in dem wir standen, auf und ab - sie versuchte meinem Blick auszuweichen, was ich durchaus verstehen konnte.
"Mary MacDonald, da- das kann ich nur zurück geben."
Meine Brust schmerzte, ich fühlte mich, als hätte mir jemand das Herz herausgeschnitten und sich dann entschieden mit Weihnachtspläzzchen-Ausstechern Löcher hinein zu picken, mein ganzer Körper brannte und eigentlich wollte ich bloß weinen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mit Mary zu reden? Die Ungewissheit war tausendmal besser gewesen, als dieser unerbittliche Schmerz, der mich nicht losließ.
Mary nickte mir zu und verschwand wieder hinter dem Portrait. Ich lehnte mich gegen die Wand und glitt schließlich an ihr herunter.
Ein neues Kapitel aufschlagen? Wieso konnte ich nicht einfach an den Anfang des Buches zurückkehren, als noch alles ganz einfach erschien?
Gerade hatte ich mich von der schweren Bleikugel gelöst, jedoch ohne zu wissen, dass sie mehr war, als bloß eine Last. Sie hatte mir Gleichgewicht geschenkt und nun musste ich erst einmal lernen, ohne sie zu laufen...
Soo werden wir nochmal kurz poetisch auf den letzten Stufen...
Ach Leutee, ich danke euch schonmal für all die Stimmen im Voting!!!
Ihr seid total krass!!
Generell wollte ich mal Danke sagen, für all das, was wir schon erreicht haben! All die Reads, die Votes, die Kommentare...
Leute ihr seid einfach nur genial! Danke, dass ihr Oblivion lest, das bedeutet mir total viel!
Und jetzt scrolen: Kapitel Nr. 2 (wie versprochen)
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