38. Das Leben in Cokeworth

Die Tage zwischen Weihnachten und Silvester waren immer die schlimmsten. Die ganze Familie schlief bei uns im Haus und da wir nur drei Schlafzimmer hatten, mussten Petunia und ich unsere Zimmer räumen und zusammen mit Violet und Rosalie im Gartenschuppen schlafen, damit Grandma und Tante Magnolia und ihr Mann in warmen Betten schlafen konnten. Dads Bruder schlief immer auf unserer Couch im Wohnzimmer. Wie durch ein Wunder verschwanden immer alle unsere Süßigkeiten, wenn er zu Besuch war - ein mystisches Rätsel.
Das mit dem Gartenschuppen wäre auch überhaupt nicht schlimm, würden Petunia und ich uns nicht hassen, doch nun gab es Vernon und der passte nicht einmal zur Hälfte in unseren alten, von Moos bewachsenen Schuppen. Somit gab es ein platztechnisches Problem, was Petunia und Vernon dazu veranlasste in einem nahegelegenen Motel zu übernachten, doch das passte meiner Schwester natürlich nicht.
"Ich will ein Hotel mit mindestens drei Sternen!", hatte sie genörgelt und ihre blonden Haare mit ihren dürren Armen dabei über die Schulter geworfen.

Um dem ganzen Geschrei im Haus zu entkommen, lief ich jeden Tag vier Stunden eingepackt in meinen Wintermantel in der eisigen Kälte umher. Alles war besser, als meiner Familie beim streiten zuhören zu müssen. Dad war nach zwei Tagen doch der Geduldsfaden gerissen und er hatte Petunia lauthals angeschrien, was ihr denn einfiele, solche Lügen über mich und meine Schule zu verbreiten. Wenigstens war er so diskret, dass er darauf geachtet hatte, dass außer mir sonst keiner im Haus war, die anderen saßen alle draußen und sahen sich mit Mum ihre Blumen an, die sie extra für das Bouquet zu Tunis Hochzeit züchtete.
Cokeworth war keine besonders große Stadt, im Gegenteil, sie war eher sehr klein. Es gab vielleicht 3.000 Einwohner und je nur eine Schule für alle Altersklassen, somit kannten sich alle Jugendlichen untereinander, bis auf mich und den Jungen mit den fettigen, schwarzen Haaren, der in dem Haus am Ende der Straße wohnte. Ihm ging ich aber bewusst aus dem Weg, als ich ihn am Weihnachtsmorgen aus dem Haus habe gehen sehen.

Kleine Schneeflocken fielen vom Himmel und verfingen sich in meinen Haaren.
"Lily? Lily Evans?"
Langsam drehte ich mich um. Ein Junge mit blonden Locken sah mich durch den Pelzkragen seiner Kapuze an.
"Ja?"
"Ich bin Eddie, Edward Keppner, dein Vater hat mich um unsere Lichtanlage für eure Silvesterparty gebeten."
Edward war soweit ich mich erinnern konnte in meiner Grundschule gewesen, wir gingen zwar in verschiedene Klassen, doch ich wusste noch, wie er Petunia einmal einen Liebesbrief geschrieben und dann in meiner Tasche versteckt hatte. Der früher recht kleine Eddie war nun zu einem gutaussehenden Jungen geworden.
"Oh okay, soll ich ihn holen? Oder willst du..."
"... dich nach Hause begleiten? Das wird bestimmt super."
Super. Ja, ganz super. Ich nickte lächelnd und drehte dann auf dem Absatz um, um wieder Richtung Haus zu gehen. Eigentlich wollte ich noch nicht zurück, doch ihn alleine in die Höhle des Löwen zu schicken, wäre wie Mord. Sollte Petunia ihn in die Finger kriegen, würde sie aus ihm Kleinholz machen und anschließend für den Kamin missbrauchen. Sie wollte eben nicht gestört werden bei ihren "Hochzeitsvorbereitungen".
Bei all dem Trubel hatte ich ganz vergessen Marlene eine Eule zu schicken und ihr diese ganzen neuen Informationen um den Kopf zu werfen. Ich wollte ihr schon längst von Tunias Hochzeit erzählen, doch auch wenn ich es versucht hätte, hätte ich nicht die richtigen Worte gefunden. Das was ich momentan fühlte war einfach nur verwirrend.
"Lily Evans. Gehst du nicht auf so ein Hochbegabten-Internat?", fragte Eddie, die Lichtanlage hatte er sich unter den Arm geklemmt.
Ich brummte nur zustimmend, in Gedanken sprach ich gerade mit meinen Freunden, mit Marlene, Alice, Mary und Dorcas, Remus, Peter, Sirius und auch James. Ich vermisste sie alle.
"Wie ist das so? Sind die Leute irgendwie anders als hier?" Er lächelte mich an, wodurch sich zwei Grübchen in seinen Wangen bildeten.
Waren wir anders? Klar, wir waren Hexen und Zauberer, doch ansonsten waren wir alle gleich. Menschen aus Fleisch und Blut, die für das Gute im Leben kämpften, manche mehr und manche weniger.
"Nein, wir sind alle gleich. Einfach normale Menschen."

Endlich kamen wir vor unserem Haus zum Stehen, auf der Veranda saßen meine Eltern in der kleinen Hollywoodschaukel, Dad hatte einen Arm um Mum gelegt, ihre Augen waren geschlossen und sie schienen die frische Luft und die Ruhe zu genießen.
Diese "Ruhe" hielt leider nicht lange an, denn keine zwei Sekunden später ertönte ein Schrei, der nur von Petunia selbst kommen konnte, so schrill wie er war. Meine Eltern schreckten hoch, ihre Blicke trafen zuerst mich und Edward, schnellten dann aber zu der Tür, die von meiner Schwester aufgestoßen wurde, bevor sie schnaubend und mit aufgeblähten Nasenlöchern heraustrat - bloß ein Handtuch um ihren Körper gewickelt, die Haare noch nass und voller Shampoo.
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht lauthals und unkontrolliert loszulachen, mein Dad hatte sich nicht so sehr im Griff, er prustete los.
"Tuni-Schatz, was ist passiert?", fragte meine Mutter besorgt und trat meinem Vater gegen das Bein, das brachte ihn jedoch nicht zum Verstummen, stattdessen humpelte er auf Petunia zu und legte ihr einen Arm um die Schultern. Das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht.
"Wir haben kein heißes Wasser mehr, das ist passiert!", keifte sie und schüttelte Dads Arm ab.
Edward, der völlig perplex neben mir stand, räusperte sich, so dass die Aufmerksamkeit der drei sich auf uns richtete.
Petunias Kopf verfärbte sich bei seinem Anblick rot und sie verschwand wieder hinter der Tür.
"Ich sehe gleich beim Boiler vorbei und dann kannst du weiterduschen", rief unser Vater ihr hinterher, dann schenkte Mum Edward und mir ein Lächeln und sagte: "Eddie, du hast ja Lily gefunden. Ihr hattet euch nach der langen Zeit bestimmt einiges zu erzählen."
Peinlich.
"Ist das die Lichtmaschine? Vielen Dank, du bist natürlich herzlich eingeladen, unserer Silvesterparty beizuwohnen. Lily freut sich bestimmt."
Noch peinlicher.
"Ich erinnere mich noch, als ihr beide als kleine Kinder immer unter unserer Eiche im Garten gespielt habt, Lily wollte dich damals immer heiraten."
Wieso... es war ja schlimm genug, dass ich mich an diese vermeintliche Zeit nicht einmal erinnern konnte, doch wieso musste meine Mutter das genau jetzt auf den Tisch bringen, wo Edward doch genau neben mir stand - seine Finger waren vermutlich schon halb erfroren, so wie er den großen Kasten unter dem Arm mit den Händen umklammerte - Mum hatte in diesen wenigen Sekunden die Peinlichkeitskala gesprengt. Dad, der mein Entsetzen bemerkte, nahm Eddie die Lichtmaschine ab und schob Mum dann mit sanfter Gewalt ins Haus, er blieb jedoch im Türrahmen stehen und hob eine Augenbraue. "Wollt ihr rein kommen? Es gibt gleich Essen."
"Also eigentlich..." Ich wollte nicht zurück zu meiner Familie, diese fünf Minuten mit ihnen hatten schon wieder für die nächsten Monate ausgereicht, doch Edward schaltete sich dazwischen: "Oh ja, sehr gerne. Ich habe einen Bärenhunger."
Womit hatte ich das verdient? So gerne hätte ich meinen Schädel gegen die Hauswand geschlagen, doch das hätte bloß zu Fragen geführt, die ich nicht beantworten wollte.

"Das Chili ist köstlich, Mrs. Evans.", grinste Eddie (er hatte mich überredet ihn doch so zu nennen, da nun wirklich jeder ihn mit seinem Spitznamen anredete).
Rosalie und Violet fanden ihn ganz toll, immer wieder warfen sie ihm verheißungsvolle Blicke zu, doch er unterhielt sich lieber mit meinen Eltern und mir.
Petunia, die nach dem Duschvorfall nicht wieder heruntergekommen war, schmollte oben in ihrem Zimmer, da Vernon vor einer halben Stunde noch einmal zurück ins Büro zu seinen Bohrern musste. Da er auf eine Beförderung hoffte, kroch er seinem Chef bei jeder Gelegenheit in den Hintern.
"Vielen Dank, mein Lieber."
Großmutter Olivia stocherte bloß in ihrer Schüssel herum, dann wandte sie sich mir zu. Hätte sie es doch lieber sein lassen.
"Lily, ist dieser junge Mann dein Freund?"
Mein Gesicht ähnelte einer gereiften Tomate, als ich vehement den Kopf schüttelte. Eddie grinste in sein Chili, der Mistkerl schien das auch noch lustig zu finden.
Natürlich musste sich mein Vater in diese Diskussion einmischen, so gerne wie er über mein nicht vorhandenes Liebesleben Bescheid wusste, um jedem Jungen, der mir auch nur zu Nahe kam, eine ordentliche Anstandsrede zu halten.
"Also", setzte er an, "wie sieht es mit diesem Porter-Jungen aus? Du meintest in einem deiner Briefe, er sei auch Schulsprecher geworden?"
Eddie hob interessiert den Blick. Idiot, konnte er mich nicht mit einem weiteren Kompliment an die Kochkünste meiner Mutter retten?
"Dad, James und ich... das ist doch etwas ganz anderes - niemals könnten wir..."
"James?", unterbrach er mich.
Verhext! Wieso, wieso, wieso?
"All die Jahre hast du seinen Vornamen nicht in den Mund nehmen wollen..."
"Wir sind jetzt Freunde. Okay?!"
Etwas gereizter als beabsichtigt schlug ich mit dem Griff meines Löffels auf den Tisch und brachte dabei das Geschirr zum Klirren.
"Lily!", mahnte meine Mutter.
"Als würde je einer mit ihr ausgehen." Petunia tauchte hinter uns auf, ihre Miene war eiskalt und gehässig.
Ich konnte nicht an mich halten, am liebsten wäre ich ihr an die Gurgel gegangen, doch stattdessen feuerte ich ihr entgegen, dass das überhaupt nicht der Wahrheit entspräche.
"Achja?"
Ihre passiv-agressive Art, entfachte das Feuer in mir. Es war mir egal, dass meine ganze Familie und Eddie am Tisch saßen, ich wollte Petunia nur ein für alle mal beweisen, dass ich nicht länger dieses naive Mädchen war, auch wenn ich mir damit noch nicht sicher sein konnte. Egal ob ich meine eigenen Gefühle nicht verstand, besonders nicht die gegenüber James -der Idiot- Potter, ich wollte Tuni zeigen, dass ich genauso begehrt sein konnte, wie alle anderen Mädchen in meinem Alter.
Ich öffnete den Mund, um ihr die ganze Geschichte mit Rondy zu erzählen, doch ich hielt inne. Ich klappte den Mund zu, stand auf und rannte an meiner Schwester vorbei, die ein schrilles Gackern von sich gab. Die Rufe meiner Eltern ignorierte ich und stieß die Tür nur in Jeans und Pullover nach draußen auf. Ich eilte dem immer stärker werdenden Schneefall entgegen, während der Wind meine Haare erfasste und ich wieder das Gefühl hatte, frei atmen zu können, egal wie kalt es war.

Egal was es ist: Ich liebe es!
Ich schreibe mittlerweile JEDEN Tag an diesem Buch, weil ich einfach so eine Freude dabei empfinde!
Es macht unglaublich viel Spaß, diese Geschichte zu Ende zu erzählen (keine Sorge, es sind noch etwa... 15 Kapitel? Vielleicht auch etwas mehr, das werden wir in ein paar Tagen/Wochen sehen :) )

Ich hoffe ihr hattet Freude an diesem Part, genauso sehr wie ich

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