35. Der erste Schnee
"Pack deinen Koffer, Marlene. Jetzt!", schnauzte Alice meine beste Freundin an, die noch in völliger Ruhe auf ihrem Bett saß und sich die Nägel feilte.
Ich hatte meinen Koffer schon gepackt und zum Abholen bereit gestellt, nun half ich meinen Freundinnen, um James Potter auf bestmöglichste Weise aus dem Weg zu gehen.
"Ach Alice, kümmere dich doch um deinen eigenen Mist!", maulte Marlene zurück.
Heute fuhr der Zug zurück nach London, Weihnachten stand vor der Tür und wir durften nach Hause zu unseren Familien. Ich freute mich auf meine Eltern, konnte die ganzen Probleme in Hogwarts vergessen. Auf Petunia und ihren "Freund" konnte ich zwar getrost verzichten, doch wie sagte man so schön: man kann nicht alles haben.
"Marlene, wir haben nur noch eine Stunde, dann müssen wir nach Hogsmeade zum Bahnhof."
"Dann kann ich ja noch 45 Minuten lang nichts machen."
Genervt hob Alice die Hände, sie gab auf. Das war wohl auch die bessere Entscheidung, sich mit Marlene anzulegen, war keine gute Idee.
Etwas Geschrei, Geheule und einen gepackten Koffer später, standen wir dann gehetzt, aber noch rechtzeitig, am Gleis.
Der Hogwartsexpress stand startbereit auf den Schienen, Dampf quoll aus der Lok.
"Lily, macht es dir etwas aus, wenn wir uns zu Sirius setzen?", fragte Marlene, sie hatte ihr "Engelslächeln" aufgesetzt. Blöd nur, dass ihr der Teufel auf der Schulter saß.
"Nein, nein, macht ihr nur, ich gehe derweil ins Schulsprecherabteil."
Meine Freundinnen waren nicht gerade begeistert von der Idee, doch sie akzeptierten es.
"Dann bis später, Lily", murmelte Mary und ging den anderen nach.
Ich stieg in den Zug, lief den Gang entlang bis zu meinem Abteil. Gerade als ich die Tür aufschob, erstarrte ich. Natürlich war er hier, wie könnte es auch anders sein.
"Lily?"
"James..."
Womit hatte ich das verdient? Ich war ihm die letzten anderthalb Monate ziemlich gut aus dem Weg gegangen. Nach Halloween konnte ich ihm kaum unter die Augen treten, ich war so wütend auf ihn, ich konnte es mir nicht erklären. Er hatte nichts schlimmes getan, außer mit Amelia zu knutschen, aber früher störte mich das doch auch nicht.
"Wieso sitzt du nicht bei deinen Freunden?", fragte ich.
"Weil ich dachte, du sitzt bei ihnen. Mir ist nicht entgangen, dass du mich in der letzten Zeit gemieden hast."
Verlegen scharte ich mit meinem Fuß über den Boden, er hatte das bemerkt. Natürlich hatte er das, er war ja nicht blöd.
"Ich verstehe zwar nicht warum, aber wenn es dich glücklich macht... ich dachte wir wären Freunde."
James stand auf, ich machte ihm Platz, als er sich an mir vorbeizwängen wollte. Er wirkte traurig. War das mein Fehler? Hatte ich ihn zu Unrecht geschnitten?
"Ich wollte sowieso noch zu Amelia, du kannst hier bleiben oder zu den anderen gehen. Mir wirst du nicht über den Weg laufen, versprochen."
Ich nickte. Sollte ich ihn aufhalten, zurückrufen?
"James, ich..." Doch er war schon weg.
Die ganze Zugfahrt über blieb ich für mich allein in dem Abteil, lehnte den Kopf gegen das Fenster, beobachtete die vorbeiziehende Landschaft und dachte über mein Verhalten nach. Marlene hatte die letzten Wochen mehrfach erwähnt, ich sei doch klug, ich würde schon herausfinden, wieso mich James Potter in den Wahnsinn trieb. Lag es daran, dass mir die ständige Aufmerksamkeit fehlte? All die Jahre war er hinter mir her gewesen, nun traf er sich auch mit anderen und ich war wütend... war ich so ein gestörter Mensch, dass ich von ihm bewundert werden wollte? Nein, es hatte mich ja wirklich gestört... früher - würde er mich jetzt noch nach einem Date fragen - ja... was würde ich antworten?
Hatte sich meine Antwort geändert? Wieso fragte er mich nicht mehr? Weil wir jetzt Freunde waren und er kein Interesse mehr an mir hatte. Ganz einfach. Ich wollte ja auch nicht mit ihm ausgehen. Oder?
Der Zug fuhr in den Bahnhof, ich zog meinen Koffer aus der Gepäckablage und eilte mit den anderen Schülern aus dem Zug. Bevor ich den Bahnhof verließ, musste ich Marlene finden, sie sollte mir sagen, was sich in meinem Kopf abspielte und wieso ich das alles nicht verstand.
"Lily!" Das war Alice.
Sie stand da - oh - in Begleitung von Frank Longbottom, er hatte ihr allem Anschein nach einen Strauß Rosen mitgebracht, Alice strahlte über das ganze Gesicht.
"Ich wünsche dir frohe Weihnachten, Alice. Dir auch, Frank."
Er lächelte zurückhaltend.
"Gleichfalls, Lily."
Ich sah mich um, die anderen konnte ich nicht entdecken.
"Sonst würde ich mich gerne noch mit euch unterhalten, aber ich muss Marlene finden. Hast du sie gesehen, Alice?"
Traurig schüttelte meine Freundin den Kopf. "Marls ist schon weg, ihre Eltern hatten es sehr eilig."
Ich verabschiedete mich von den beiden und trat den Weg in die Muggelwelt an. Genau da musste ich jetzt hin, weit weg von Jungs und den Problemen, die sie mit sich brachten.
Die Schülermassen teilten sich vor mir, da hörte ich meine Mutter rufen: "Lily-schatz! Wir sind hier!"
Ich drehte mich um, da standen meine Eltern. Mum und Dad. Sie grinsten mich an und hielten einen Ballon in der Hand mit der Aufschrift Welcome Home.
Ich wetzte auf die beiden zu und schloss sie in die Arme, es war mir egal, wer das sehen würde. Ich brauchte einfach diese Berührung von den Menschen, die mich bedingungslos liebten.
Tunia war nicht da, vermutlich steckte ihr Vernon gerade die Zunge in den Hals... igitt - bei dem Gedanken wurde mir speiübel.
"Deine Schwester und Vermont sind einkaufen, für die Hochzeit", sagte Dad
Ich riss mich von ihnen los und starrte beide mit offenem Mund an.
"Er heißt Vernon, Schatz."
"Was. Für. Eine. Hochzeit?!"
Die Alarmglocken in meinem Hirn wurden angeworfen, ich konnte es nicht fassen, ich wollte es nicht.
Mum wirkte überfordert, doch Dad begriff recht schnell.
"Sie hat es dir nicht gesagt? Petunia wollte dir einen Brief schreiben, du sollst doch ihre Trauzeugin oder eine der Brautjungfern werden." Er blieb ruhig, doch ich sah, wie er vor Wut kochte. Dad war außer sich.
Es war als hätte mir jemand einen Klatscher in die Magengrube geschlagen. Meine eigene Schwester hielt es nicht für nötig, mir zu erzählen, dass sie verlobt war?
"Gehen wir nach Hause, Spätzchen." Mum nahm mir meinen Koffer ab, Dad legte einen Arm um meine Schultern und schob mich sanft nach draußen zum Auto, ich sagte due ganze Fahrt über kein Wort, während meine Eltern leise über Petunias Verhalten diskutierten.
"Sie ist noch immer unsere Tochter, da hat sie sich an unsere Regeln zu halten." Das war Dad.
"Aber sie ist doch schon erwachsen, wir können ihr nicht vorschreiben, wie sie sich zu verhalten hat." Uns das Mum.
"Hat Petunia keinen Anstand? Ich dachte wir hätten ihr gewisse Werte vermittelt, anscheinend haben wir versagt."
"Die zwei Mädchen haben nur noch gestritten, nachdem... der Brief kam."
"Es ist nicht Lilys Schuld, dass Petunia sich so aufführt."
"Sie ist aber auch unsere Tochter, für sie war es nicht einfach."
Vielleicht hätte ich nie nach Hogwarts gehen sollen... wäre das alles dann nicht passiert? Wären Petunia und ich nach wie vor wie beste Freundinnen?
Wir fuhren in den Hof, es hatte begonnen zu schneien, der erste Schnee dieses Jahr. Wenn er liegen bleiben würde, hätten wir wunderschöne weiße Weihnachten. Ich vermisste Marlene, ihren Rat, ihre Hilfe. Wie sollte ich mich meiner Schwester gegenüber verhalten? So wütend ich auch auf sie war, viel mehr war ich verletzt.
"Komm Lily, es gibt selbstgebackenen Lebkuchen. Du sollst mir helfen das Haus zu schmücken, an Heiligabend kommt die ganze Familie."
"Die ganze Familie?"
"Deine Großmutter, deine Tante, dein Onkel, deine zwei Cousinen, Dads Bruder - Onkel Clifford und Vernon ist ebenfalls eingeladen. Seine Familie hat unsere Einladung dankend abgelehnt."
Dad schmunzelte und beugte sich zu mir runter: "Darum sind wir nicht böse, sonst hätte deine Mum dreimal so viel kochen müssen."
Wir kicherten und Mum strafte uns mit einem Todesblick, McGonagall hatte den besser drauf.
"Rein ins Haus, es ist kalt."
Wir folgten ihr hinein in die Wärme, Dad hielt mich im Arm und lächelte mir zu. Seine Wut war abgeklungen, nun bemitleidete er mich bloß. Das war beinahe noch schlimmer...
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