21. Krankenbesuch

Noch leicht benebelt wachte ich auf. Alles in meinem Kopf drehte sich, ich konnte mein Blut rauschen hören, spürte wie ich gleichmäßig atmete, sich dabei meine Brust im Takt hob und senkte und ein Gewicht, das auf meinen Beinen lag, als hätte sich die Katze unserer Nachbarn, mit der Tuni und ich oft gespielt hatten, darauf niedergelassen.
Doch es war keine Katze, im Krankenflügel waren keine Tiere erlaubt. Doch, anstatt mich zu sorgen, wer oder was es sich auf meinen Oberschenkeln gemütlich machte, sollte ich erstmal feststellen, weshalb ich überhaupt hier war.
Ich hatte die Augen halb zusammengekniffen, halb offen. Das grelle Sonnenlicht blendete stark und die pochenden Kopfschmerzen machten die Lage nicht gerade angenehmer.
Alles war weiß und auch durch vermehrtes Blinzeln, konnte ich nicht besser sehen.
Ich erinnerte mich an den leisen Knall, blaues Pulver, das von der Tür geschossen kam, die Beulen...
Sofort hob ich meine Arme ins Sonnenlicht, um sie besser sehen zu können. "Au!" Ich fuhr zusammen.
Mein ganzer Körper schmerzte, als hätte ich den fiesesten Muskelkater aller Zeiten.
Derjenige, der es sich auf mir gemütlich gemacht hatte, regte sich. Ich konnte noch immer nicht deutlich sehen, wer es war, egal wie stark ich meine Augen zusammenkniff. Vielleicht sollte ich über eine Brille nachdenken.
Damit du aussiehst wie die weibliche Version von Potter?
Nicht nur James Potter trug eine Brille. Auch nette Menschen.

Noch einmal betrachtete ich meine Arme, mein Blick wurde klarer, so dass ich problemlos erkennen konnte, wie unversehrt meine sie aussahen.
"Ach, Sie sind wohlauf. Wie schö..."
Madame Pomfrey verschluckte sich an ihren Worten und prustete los. "MISS MCKINNON?!"
Ahja... das schwere Etwas war Marlene.
Meine beste Freundin hob den Kopf, musterte die Krankenschwester unbeeindruckt und murmelte: "Madame Pomfrey, es ist viel zu früh, um hier rumzuschreien. Außerdem bin ich doch eh schon hier, ist doch jetzt auch egal."
Sie drückte ihr Gesicht wieder in mein Bein, als wäre es ein Kissen, mit dem sie sich vor Madame Pomfrey schützen wollte.
Der Heilerin fehlten die Worte. Ein Weltwunder erster Klasse.
Wie in Zeitlupe kam sie auf mich zu, überprüfte meine Temperatur, schenkte mir ein Glas Wasser ein und reichte mir ein kleines Fläschchen mit einer azurblauen Tinktur, die mich an den Staub von gestern erinnerte.
Ich zog die Augenbrauen zusammen und drehte das Medikament in meinen Fingen hin und her.
"Das Gegenmittel gegen die Halluzinationen. Dadurch werden Sie im Handumdrehen wieder fit sein!"
Sie wuselte zurück in ihr Büro, bevor ich überhaupt ein Danke aussprechen konnte.

Genervt über die Stille strampelte ich mit meinen Beinen und brachte Marlene so dazu, sich aufzusetzen.
"Dafür, dass ich auf dich aufgepasst habe, bist du ganz schön gemein", grummelte sie und schob die Unterlippe hervor.
"Stell dich nicht so an. Was ist passiert?"
Auf einmal war es wohl überhaupt nicht mehr so schlimm, dass ich sie geweckt hatte. Vielmehr interessierte sich Marlene für den Bettbezug und die weiße Wand.
"Marlene?"
"Hmmm?" Sie lächelte mir zu, stand auf und schlenderte auf und ab.
"Was ist passiert?", wiederholte ich meine Frage.
"Das Wetter ist toll oder? Mitte September aber die Sonne scheint ganz prächtig!"
"Das ist die globale Erwärmung. Jetzt sag schon!"
Meine beste Freundin biss sich auf die Lippe, ihre hellbraunen Haare fielen ihr ins Gesicht und leicht zittrig betrachtete sie ihre Fingernägel, als wäre einer abgebrochen oder der Nagellack abgeblättert. 
"Du darfst... nicht sauer werden. Versprichst du mir das?"
Was war ich denn? Ein Monster? Vielleicht ein wenig. Doch wieso sollte ich sauer werden, was war mir bei Merlins Bart nur passiert?
"Ich denke schon", sagte ich und runzelte die Stirn.
"Lily!"
"Ja ist gut. Ich versprech's."
Marlene beruhigte sich ein wenig, sie schien wirklich Angst vor mir zu haben, oder zumindest vor meiner Reaktion.

"Also", setzte sie an, "Sirius, Remus und Peter wollten ein paar der Slytherins reinlegen, weil diese sich über Regulus, Sirius' Bruder, ausgelassen haben. Sie haben wohl echt üble Dinge gesagt. Jedenfalls bist du aus der Halle gestürmt, weil Sirius Rondy fertig gemacht hat."
Sie machte eine Pause und blickte mich aus traurigen Augen an.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ob ich überhaupt etwas sagen sollte. Ein riesiger Kloß bildete sich in meinem Hals und ich spürte die Wut in mir aufkochen.
"Also, du bist zu früh zu Zaubertränke erschienen, sie hatten die Tür mit diesem blauen Pulver präpariert, dass es explodiert wenn der erste die Tür öffnet. Die Slytherins waren sonst die ersten, aber..."
Ich krallte meine Hände in das Bettlaken, ich war so wütend. Wie konnten sie mir das antun? Erst stellen sie Rondy bloß und danach verhackstückeln sie mein Hirn? Sowas hätte ich den Rumtreibern dann doch nicht zugetraut.
"Aber weil ich früher da bin, nehme ich die Rolle des Opfers ein." Ich schnalzte mit der Zunge.
"Da haben die Rumtreiber große Arbeit geleistet. Bravo!"
Marlene hüpfte erschrocken in die Luft, sie fuchtelte mit den Armen, als müsste sie eine Horde Killerbienen abwehren.
"Nein!", rief sie laut aus. "Das waren nicht die Rumtreiber. James wusste nichts davon. Sie wollten ihn mit einbeziehen, aber erst war er im Krankenflügel wegen Snape und danach wollte Remus ihn nicht dabei haben. Er meinte, da James nun Schulsprecher sei, dürfte er nur noch bei harmlosen Späßen mitmachen."

Ich runzelte die Stirn. "Er hat nichts gewusst?"
"Nichts. Als er dich dann am Boden liegen sah, ist er richtig wütend auf Sirius geworden, er hat sich echt ritterlich verhalten, hat dich hergetragen und ist bis heute früh hier gewesen, obwohl Madame Pomfrey ihn rausschmeißen wollte. Er ist nicht von deiner Seite gewichen."
Ein warmes Gefühl machte sich in mir breit, am liebsten hätte ich laut gelacht, ich konnte es gar nicht beschreiben, es fühlte sich einfach nur... gut an.
"Idiot."
"Lily!"
Ich konnte es nicht glauben. James Potter hatte sich 'ritterlich'verhalten. (Wenn man Marlenes Worten Glauben schenkte. Sie neigte des öfteren dazu, zu übertreiben, besonders wenn es um James "positive Eigenschaften" ging.)
"Marls, wieso ist er eigentlich dann verschwunden? Hast du ihn vertrieben?" Ein süffisantes Lächeln huschte über mein Gesicht.
Meine beste Freundin wurde rot und schüttelte den Kopf.
"Dafür ist dein Früchtchen von einem Freund verantwortlich." Marlene schnalzte verärgert mit der Zunge, ihre Hände stützte sie an ihrer Hüfte ab und ihr Blick glich dem einer Killerin, doch so betrachtete sie nunmal jeden, der ihr und ihren verzweigten und undurchschaubaren Liebesplänen im Weg stand. 
"Rondy?"
"Mir egal wie der Hinkefuß heißt. Ich kam her, James war noch da und dann..."
Die Flügeltüren wurden aufgestoßen und ein riesen Durcheinander brach herein.

Remus und James hielten Sirius an den Schultern fest, damit dieser sich nicht auf Rondy stürzte, der mehr als mies gelaunt wirkte. Rondys Blick glich dem von Marlene ziemlich genau, als er mich und meine beste Freundin erblickte hellte sich seine Miene zumindest auf.
Peter trottete hinter ihnen her, mit seinen Fingerpistolen feuerte er auf alles, was sich bewegte - zu unserem Glück steckte sein Zauberstab sicher in seinem Hosenbund.
Sirius rief irgendwelche Gemeinheiten und versuchte sich von seinen Freunden loszureißen. Er sprach so schnell, dass es selbst mir schwer fiel mitzukommen.
"Du bist nutzloser als ein Haufen Flubberwürmer!", rief der aufbrausende Black zum Abschluss und verschränkte die Arme.
Madame Pomfrey trat zu uns, ihre Augen schienen zu Brennen, ihre Lippen waren so schmal, wie die von McGonagall und wenn einer von uns es gewagt hätte, sie zu unterbrechen, hätten wir uns alle in Stein verwandelt.
"MR. BLACK, ICH VERBITTE MIR SO EINEN TONFALL IN MEINEM KRANKENFLÜGEL! SIE HALTEN JETZT ALLE DEN MUND UND VERSCHWINDEN! S O F O R T!"
Erschrocken blickten wir zu ihr auf.
Mit einem ruhigeren Ton wandte sie sich an mich. "Sie dürfen sich zwei von denen aussuchen. Der Rest verschwindet in den Unterricht!"

Die Tür zu ihrem Büro schlug zu und wir alle mussten anfangen zu kichern.
"Also Evans-Schatz, wer darf bleiben?", fragte Black mit seiner lieblichsten Stimme. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gekotzt.
"Komm her, Sirilein." Ich lächelte ganz lieb. Rondy, der widersprechen wollte, brachte ich mit einem Handzeichen zum Schweigen, woraufhin James zu grinsen anfing.
Sirius wirkte leicht verwirrt, sprang aber darauf an und setzte sich neben mich aufs Bett.
"Was ist Lilymaus?"
Batsch!
"Au! Scheiße, Evans! Das hat weh getan!" Betroffen hielt er sich eine seiner Pranken gegen die rechte Wange, mit der anderen griff er sich theatralisch an die Brust, warf sein Haar über die Schulter und warf James einen fiesen Blick zu.
"Bring deine Frau unter Kontrolle! Sie ist eine Gefahr für die Öffentlichkeit."
James lachte laut auf und sprang zu mir aufs Bett, Rondy wurde dabei zunehmend unruhiger.
"Sie hat einfach einen klasse Instinkt und weiß, wann es Zeit ist, zuzuschlagen." Er legte einen Arm um meine Schulter, komplett perplex musterte ich ihn. Ich meine, es gab diesen Moment, als er betrunken gewesen war, als Marys Bruder Malcom... jedenfalls, da war zwischen uns alles okay gewesen, doch eigentlich war er doch furchtbar sauer auf mich.
Soll er denn sauer auf dich sein? Nein. Ich wollte mich nicht mit ihm streiten, das war das letzte was ich wollte. Wir waren doch... sowas wie quasi-Freunde.
Rondys Blick machte mich nervös, ich löste James' Arm und murmelte ein leises 'Danke' in seine Richtung.
Marlene lächelte glücklich. Sie schnappte sich Remus und Sirius' Hände und zog sie hinter sich her, aus dem Krankenflügel raus. "Wir haben jetzt Unterricht. Komm Peter!"
"Seit wann freust du dich aufs lernen?", fragte Remus verwirrt und da schlug die Tür auch schon zu.

Die Wut, die ich wegen des Streichs verspürt hatte, war wie weggeblasen. Ich konnte nicht sagen woher der Sinneswandel kam, doch es war eine Erleichterung, nicht mehr wütend zu sein. Vielleicht war es die Ohrfeige, vielleicht Potters Verhalten. Die Antwort darauf würde wohl immer ein Rätsel bleiben.
"Könntest du endlich aus dem Bett meiner Freundin raussteigen? Es ist ziemlich taktlos, sie so zu bedrängen.", fauchte Rondy verärgert.
James schnappte nach Luft, ich hatte die Befürchtung er würde einen Streit vom Zaun brechen, etwas sage wie: 'Sie sieht nicht aus, als würde es ihr nicht gefallen' oder so ein Blödsinn, doch stattdessen: "Ja klar, sorry Mann. Ich lass euch allein. Tut mir leid wegen gestern - ich stand voll unter Adrenalin. Dass Lily einen ganzen Tag zur Erholung braucht, damit hat nicht einmal Madame Pomfrey gerechnet."
Er hüpfte aus dem Bett und schlenderte zur Tür, die Hände in den Hosentaschen, seine Haare standen zu allen Seiten ab. Er wirkte noch ziemlich verschlafen und übermüdet, seine Krawatte war schief gebunden und das sonst so strahlende Lächeln wirkte nur mild.
Betreten blickte ich ihm nach. Ohne einen lustigen Kommentar war er einfach aufgesprungen? Das war nicht der James Potter, der vor einem Jahr Filchs Büro in die Luft gejagt hatte, er hatte sich tatsächlich verändert. Er war reifer geworden.
Rondy wollte sich neben mir niederlassen, doch ich schob ihn weg und stand auf.
"James, warte!"
Sofort wurde mir schwindelig, doch das war egal, das schwummrige Gefühl würde irgendwann vergehen.
"Lily, du sollst im Bett bleiben", sagte Rondy, doch ich schüttelte bloß den Kopf.

Barfuß tapste ich ungeschickt auf den verwirrten James zu, der ratlos an der Flügeltür stand.
Ich stolperte, doch sofort schnellte seine Hand an meine Seite, dass ich nicht einmal die Chance hatte, zu taumeln.
Dein Ritter in glänzender Rüstung!
Marlene, halt die Klappe!
"Danke", murmelte ich und sah ihm fest in die Augen.
"Schon gut, ich hätte dich ja schlecht nicht auffangen können. Ich weiß nicht, wann hier das letzte Mal der Boden gewischt worden ist. Das wäre doch unverantwortlich."
Ich rollte mit den Augen. "Doch nicht hierfür. Für gestern."
Weil er so groß war, musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen, doch meine Arme reichte  gerade um seinen Hals, so dass ich ihn umarmen konnte.
"Danke, James."
Für einen kurzen Moment hielt ich die Luft an. Würde er mich wieder zurechtweisen? Sollte ich ihn wieder Potter nennen?
"Gern geschehen, Lily."
Er hauchte mir einen Kuss auf die Wange. So flüchtig, dass ich überhaupt nicht realisierte, was das war. Er streifte eher meine Wange mit seinen Lippen, doch trotzdem prickelte mein ganzer Körper.

Ich drehte mich zu Rondy um, genervt musterte er mich und James, der gerade hinter sich die Tür schloss.
"Endlich allein", sagte der Ravenclaw und nahm mich in den Arm.

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Ich bin wieder da mit 2028 Wörtern :)

Hoffe euch hat's gefallen!!

Einen schönen Mittwoch :D

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