✓|2.2. Feuerwhisky-Fiasko
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Lily Evans
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Mir stockte der Atem. Das konnte doch nicht real sein, das war ein lächerlicher Scherz, ein Streich, den die Rumtreiber mir wieder einmal versuchten zu spielen. Andernfalls...
Dumbledore hätte high gewesen sein müssen, um solch eine Entscheidung zu treffen - ich hatte ja schon länger den Verdacht, dass mehr hinter diesen Zitronenbonbons steckte als eine bloße Leckerei.
Mein Blick schoss zu Remus, der die Situation mehr als nur lustig zu finden schien. Verzweifelt nach Fassung ringend, schloss ich einen Moment die Augen, streckte den Rücken durch und nahm die Schultern zurück.
Es war egal, dass James Potter im Sommer anscheinend noch mehr Zentimeter zugelegt hatte und mich damit überragte wie ein riesiger Baum. Es war egal, dass er braungebrannt war, die letzten Reste des jungenhaften Aussehens verschwunden waren und er viel reifer wirkte, als würden seine Gedanken überhaupt nicht mehr bloß um Stinkbomben und Fangzähnige Frisbees kreisen - eine ganz eindeutige Irreführung meinerseits.
Denn er hatte sich nicht geändert, das würde er nie. Das hatte er mit seinem Auftritt soeben bewiesen.
Und nun würde ich das Jahr mit ihm als Schulsprecher zu kämpfen haben... das konnte nur ein Missverständnis sein.
Mich räuspernd setzte ich meine Rede fort, ohne weiter auf den schwarzhaarigen Potter einzugehen.
"Wie schon gesagt, die Nachtpatroullien werden auf die Vertrauensschüler des siebten Schuljahres und die Schulsprecher aufgeteilt. Die genauen Pläne werden Ende dieser Woche bekanntgegeben und in euren Gemeinschaftsräumen ausgehängt sein." Ich wies auch ihnen an, das Abteil zu verlassen und zurück zu ihren Freunden und Klassenkameraden zu gehen, ein steifes Lächeln auf meinen Lippen.
Remus klopfte Potter im Vorbeigehen freundschaftlich auf die Schulter, ehe er mir ein entschuldigendes Lächeln zuwarf und aus der Tür verschwand, vermutlich direkt in Black und Pettigrews Arme, um ihnen brühwarm von dem grandiosen Auftritt ihres besten Freundes zu erzählen.
"Wolltest du mit mir allein sein, Evans?", zwinkerte Potter provokant und ich musste mich beherrschen ihm nicht an die Gurgel zu springen, um ihm den Hals umzudrehen.
"Du kannst mich mal!", keifte ich und verschränkte schützend die Arme vor der Brust.
Ein schiefes Grinsen, dieses typische Rumtreibergrinsen, das sie alle vier über die Jahre perfektioniert hatten, legte sich auf seine Lippen. Er öffnete den Mund, schon kurz davor etwas Spöttisches, furchtbar Arrogantes oder wie üblich ziemlich Dummes von sich zu geben, doch Rondy Hillow, der letzte Vertrauensschüler, der noch mit uns im Abteil stand, rettete mich.
"Das hast du wirklich gut gemacht, Lily, es war klar, dass du Schulsprecherin wirst, wirklich. Das hat niemand bezweifelt." Er lächelte schüchtern und strich sich die braun-blonden Locken aus der Stirn. Meine Wangen glühten.
"Danke, Rondy. Ich hatte echt geglaubt, du würdest Schulsprecher werden." Ich bemerkte Potter aus den Augenwinkeln, der skeptisch zwischen mir und Rondy hin und her schielte. Als er meine Aufmerksamkeit bemerkte, kehrte das Grinsen zurück. Es war so provozierend, dass ich nicht anders konnte, als noch hinterherzusetzen: "Du hättest es wirklich verdient."
Potter wischte es das dämliche Grinsen aus dem Gesicht und Rondy zuckte unsicher mit den Schultern. Er lachte matt. "Naja, es gab viele gute Schüler zur Auswahl... aber dann bist es ja du geworden, Potter. Das kam echt überraschend." Rondy wandte sich an den nun völlig verdattert dreinblickenden Schwarzhaarigen und reichte ihm höflich die Hand, die dieser nicht ergriff. Perplex und mit jeder Sekunde angespannter werdend, holte Potter tief Luft und plusterte sich zu voller Größe auf.
Er war nicht viel größer als Rondy, höchstens ein paar Zentimeter, doch seine Erscheinung wirkte gleich noch viel eindrucksvoller und in meinen Augen aufgeblasen, doch Rondy nickte nur, zog die Hand zurück und verließ stirnrunzelnd das Abteil.
Ein letztes Mal drehte er sich um. "Noch einmal herzlichen Glückwunsch, Lily."
Ich schenkte ihm ein herzliches Lächeln und winkte zum Abschied, doch in eben jenem Moment, als er verschwunden war, löste sich meine Freundlichkeit im Nichts auf, verpuffte spurlos und gereizt drehte ich auf dem Absatz um und warf die Arme in die Luft. "Potter, was sollte das denn eben? Musst du dich aufführen, wie ein streitsüchtiger Gockel?!"
"Oh, hätte ich euch zwei etwa allein lassen sollen? Am besten hättet ihr euch da besser etwas Privateres gesucht als ein Zugabteil. Die Zimmer im Eberkopf sind preiswert, dafür weiß man oftmals nicht, welche Keime sich in den Matratzen verstecken, so eine hübsche, kleine Geschlechtskrankheit kann eine junge Beziehung ganz schön belasten. Ich empfehle den Tropfenden Kessel, alles diskret und wenigstens gibt es dort Reinigungspersonal..."
Er zog die Augenbrauen in die Höhe und ließ sich auf einen der Sitze fallen, die Füße auf den Sitz daneben und lehnte sich gegen die Wand des Zuges neben dem kleinen Fenster.
Für einen Augenblick sprachlos, schluckte ich die Fassungslosigkeit hinunter und konzentrierte mich auf meine Wut.
"Oh bitte, sag mir, dass das hier einer eurer kindischen Scherze ist. Du kannst unmöglich Schulsprecher sein, Dumbledore ist nie und nimmer so unverantwortlich, einen so wichtigen Posten mit jemandem wie dir zu besetzen!" Ich legte so viel Abneigung in die Worte, wie ich nur aufbringen konnte.
"Scheinbar ist er das!" Patzig verschränkte er die Füße übereinander und schloss angestrengt die Augen, als wäre für ihn das Gespräch nun beendet gewesen.
Das konnte er haben.
Ich stürmte aus dem Abteil, zog die Tür mit einem Krachen hinter mir zu und verschwand den Korridor entlang, auf der Suche nach Marlene und meinen anderen Freundinnen.
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"Lily!", begrüßten mich Alice und Dorcas erfreut, als ich ihr Abteil endlich gefunden hatte. Sie schlossen mich eine nach der anderen in die Arme und wiesen mir an, mich zwischen Mary und Marlene, die erstaunlich ruhig dasaß und uns stumm beobachtete, niederzulassen. Mary lächelte mir zu und betonte ausgiebig - sie schien das alles eben schon den anderen erzählt zu haben -, wie gut ich mich bislang als Schulsprecherin geschlagen hätte.
Ich wurde rot und lachte: "Das wäre alles noch viel einfacher, wenn Potter mir nicht das Leben schwer machen würde..."
Nun war es an Marlene, endlich ein Geräusch von sich zu geben. Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge und richtete sich auf. Sie hatte die ganze Zeit über an der Wand gelehnt, die Arme verschränkt, während ihr braun-rotes Haar in hübschen Wellen über ihre Schultern fiel. "Sag, wieso bist du hier und nicht im Abteil für die Vertrauensschüler? Du und James solltet jetzt genau in diesem Augenblick zusammenarbeiten."
"Das klingt beinahe so, als wolltest du mich nicht hier haben", gab ich ironisch zurück.
"Will sie auch nicht", sagte Dorcas sachlich und Alice fing an zu kichern.
Dorcas war ein schwarzes Mädchen mit ebenso dunklen Rastalocken, braunen Augen und einer sportlichen Statur, während Alice etwas kurviger gebaut und blond war. Sie hatte ein rundes Gesicht und blau-grüne Augen, die einen gewissen Frank Longbottom schon vor einiger Zeit verzaubert hatten, bevor er seinen Abschluss im letzten Jahr absolviert hatte, weswegen die beiden nun eine intensive Brieffreundschaft pflegten, wann immer sie sich nicht jeden Tag sehen konnten. Sie waren so süß zusammen, dass sich Marlene oft und gerne darüber ausließ, wieso nicht jeder, der an ihnen vorbeiging, an einem Zuckerschock starb oder an Diabetes erkrankte.
Mary rollte bei Dorcas' Worten mit den Augen und schnaubte. "Sie hat einen fünf Phasen-Plan. Jetzt da du und James Schulsprecher seid, glaubt sie, ihr würdet euch ineinander verlieben, verloben, heiraten, fünfundsiebzig Babys bekommen und glücklich leben bis ans Ende eurer Tage."
"Hey!", Marlene protestierte, "ich habe von fünf bis sieben Kindern gesprochen, nicht fünfundsiebzig... eine Quidditchmannschaft reicht vollkommen aus, wozu bräuchten sie so viele?"
"Und du und Black steuert die anderen sieben Spieler bei?", neckte sie Dorcas.
Marlene streckte ihr die Zunge entgegen, doch ihre Wangen verfärbten sich verdächtig rot.
"Du kannst deinen Phasenplan in die Tonne treten", sagte ich trocken und überkreuzte meine Beine. "Das ist sowieso alles nur eine Frage der Zeit."
Meine Freundinnen runzelten die Stirn, also begann ich ihnen zu erzählen, was im Abteil vorgefallen war, nachdem die Vertrauensschüler gegangen waren. "... ich denke das ist ein Missverständnis. Dumbledore muss einen Fehler gemacht haben", schloss ich meinen Bericht. "Er wird nicht lange Schulsprecher sein."
Dorcas gab ein grunzendes Lachen von sich und hob eine Augenbraue in die Höhe. "Dumbledore und Fehler? Diese zwei Worte gehören nicht in ein und den selben Satz."
Während Dorcas und Mary darüber schmunzelten, zogen sich über Alice und Marlenes Gesichter jedoch tiefe Stirnfalten. Alice richtete als erste das Wort an mich: "Aber, du hast James doch nicht ins Gesicht gesagt, dass du es für einen Fehler Dumbledores hälst, oder?"
Verwirrt nickte ich. "Doch, es muss ja einer sein. Wenn er das nicht selbst so sieht, kann ihm keiner mehr helfen."
"Oh, Lily!", rief Marlene entsetzt. "Sag' mir bitte, dass das ein Scherz ist! Das kann nicht dein Ernst sein."
Ich blinzelte.
"Musst du den armen Jungen denn Jahr für Jahr fertig machen? Du kratzt nicht nur an seinem Ego-"
Ich schnaubte verächtlich. "So groß, wie das ist, kann ihm das nur gut tun."
Alice seufzte. "Lily, wie würde es dir gefallen, wenn jemand sagt, dass es ein Fehler gewesen sein müsste, dich als Schulsprecherin ausgewählt zu haben. Das kratzt nicht bloß an seinem Ego, das ist verletzend und einfach gemein!" Sie blickte mir vorwurfsvoll entgegen und schüttelte den Kopf. "Wenn es um James geht, kannst du manchmal wirklich grausam sein."
Ich biss mir auf die Lippe. Ich hatte James Potter nicht verletzt. Ganz sicher nicht,... oder doch? Nein. Unmöglich.
Und dennoch nagte das unwohle Gefühl an mir, dass meine Freundinnen Recht behalten würden. Kälte legte sich über unser Abteil und ich zog meinen Umhang enger.
"Du solltest dich entschuldigen", warf Mary ein. Die anderen nickten entschlossen, doch hier zog ich eine Grenze.
"Ganz sicher nicht." Verärgert verschränkte ich die Arme. "Er musste sich mal wieder wie ein Idiot aufführen und ich habe daraufhin reagiert. Womöglich etwas heftiger als nötig, doch er hat es nicht anders verdient."
Alice und Mary schüttelten enttäuscht die Köpfe, doch das war mir egal.
Für einen Augenblick war es in unserem Abteil totenstill, ehe Marlene es nicht mehr aushielt und mich und Dorcas, die ihr gegenübersaß, bei den Händen packte. "Themenwechsel! Oh bei Merlin, habt ihr die neue Ausgabe der Hexenwoche schon gesehen? Die Montrose Magpies haben endlich wieder einen brauchbaren Sucher nach der Sache mit Fabius Watkins...-", sie hielt kurz inne.
Ich konnte mich noch gut an die vielen Schlagzeilen erinnern, die der Sucher der Magpies in unserem fünften Jahr in Hogwarts gemacht hatte, nachdem er bei einem Flug auf seinem Besen mit einem Hubschrauber der Muggel kollidiert war. Er hatte es nicht überlebt und Marlene, die ein riesiger Fan gewesen war, hatte eine Woche lang ihren Schlafsaal nicht verlassen wollen.
"-, jedenfalls ist der neue Sucher, Horan Gramhill, ein absolut hinreißender Anblick. Besonders ohne seine Quidditchausrüstung..."
"Marlene!", lachten wir Mädchen, während sie die Ausgabe aus ihrer Tasche kramte, um uns allen das Bild des neuen Suchers beim Strandspaziergang mit seiner Freundin zu zeigen.
Meine beste Freundin lächelte verschmitzt, als sie mir die Zeitschrift unter die Nase hielt. "Na? Wäre das nicht was für dich? So ein durchtrainierter, süßer Quidditchspieler - also ich würde gerne mit seiner Freundin tauschen."
Ich verdrehte die Augen. "Hör auf, mir Potter andrehen zu wollen. Dein bescheuerter 3-Phasen Plan wird nie in die Tat umgesetzt."
Ein breites Lächeln zierte Marlenes Lippen. "Oh Süße, es sind erstens fünf Phasen und zweitens... ich würde sagen, alles läuft nach Plan oder hat irgendwer hier gehört, wie ich 'James Potter' gesagt habe?" Sie blickte abwartend in die Runde.
Mir verging das Lachen.
"Wenn du bei durchtrainierten, süßen Quidditchspielern direkt an James Potter denkst, ist das wohl nicht meine Schuld."
Sie zwinkerte mir zu und ich blieb stumm.
Wiederholte in Gedanken nur wieder den selben Satz, den ich mir schon seit Jahren immer wieder ins Gedächtnis gerufen hatte.
Er ist ein Idiot, er ist ein Idiot, er ist nicht süß, er ist aufgeblasen, arrogant, selbstverliebt, kindisch, er ist...
Mein Mantra verblasste, während ich den Blick aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden grünen Hügellandschaften richtete. Der Gedanke an Hogwarts und dass sich dort alles klären würde, dass McGonagall den Irrtum wegen des Schulsprecher-Ansteckers an James Potters Brust aufklären würde, beruhigte mich und ließ mich alle anderen Sorgen getrost beiseite schieben.
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