03. ALPTRÄUME

1984 | HAWKINS, INDIANA — „Komm schon, Neun! Bleib bei uns." hörte sie seine Stimme sagen. Sie versuchte konzentriert bleiben, ihre Umgebung waren schwummrige Umrisse, ihr Herz raste. „Dich hält die Angst zurück." Es war immer die Angst, die sie kontrollierte. Die Lichter flackerten, als sie ihre Augen bewegte. „Was sollen wir mit jemandem anfangen, der seine Kräfte nicht selbständig aufrufen kann?" knurrte Papa und sah sie enttäuscht an. „Das können sogar deine jüngeren Geschwister." immer musste man sie dazu drängen, ihre Kräfte zu rufen. „Sie halten dich für schwach." hörte sie ihn sagen, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. „Sie würden töten, um mit dir zu tauschen. Du bist die einzige von ihnen mit dieser Gabe. Trotzdem motzt und schmollst du wie ein Kleinkind." sie ballte ihre Fäuste vor Wut zusammen, die Bauklötze vor ihr auf dem Tisch fingen an sich zu bewegen und herumzuklimpern, während roter Rauch sich um ihre Hände wickelte. Sie war am zittern.

„Du verleugnest deine Macht, Neun." sie runzelte zornig die Stirn und biss ihre Zähne zusammen, schüttelte ihren Kopf, als das Blut ihre Nase hinunterlief. Ihre Fingernägel bohrten blutige Halbmonde in ihre Handflächen. Seine Worte waren wie scharfe Messer, die immer und immer wieder auf sie einstachen. „Du verleugnest dich selbst." All die angestaute Wut wurde ihr zu viel. Noch bevor er seinen Satz beendete verließ ein lauter Schrei ihren Mund und die Würfel flogen durch die Gegend, umhüllt von scharlachroten Funken, bevor sie jeden einzelnen von ihnen in hunderte kleine Stücke sprengte. Papa schreckte zurück, die Deckenlampen flackerten, wie verrückt und zerbarsten, bevor es Scherben regnete. Und dann plötzlich schälte sich eine Gestalt, aus der Finsternis. Sie spürte, wie sich schleimige, scharfe Klauen um ihren Körper schlangen und sie in die Dunkelheit zogen...

Mit einem Ruck, schreckte sie zitternd aus dem Schlaf hoch. Dann vibrierte der Nachhall der Macht in ihrem Körper, und sie spürte die warme Bettdecke, die auf ihr lag, klammerte sie instinktiv fester an sich heran. Dann atmete sie ein paar mal tief ein und aus, als sie durch das dunkle Zimmer starrte und realisierte, dass das alles nur ein Traum war. Doch sie erschreckte erneut, als eine kleine Lichtquelle das Zimmer erhellte. „Neun, alles okay?" Hörte sie Steve sagen, als er den Schalter der Nachttischlampe losließ. Vom Boden aus sah er zu ihr hoch, ihre Wangen waren mit Tränen befleckt, aber sie nickte nur und umklammerte ihre Knie, ziepte an dem Stoff ihrer roten Pyjama-Hose. Wie sollte sie heute Nacht noch ein Auge zu bekommen, wenn sie jedes Mal diese fürchterlichen Bilder in ihrem Kopf hatte?

Steve nahm sein Kissen und setzte sich ans Bettende. „Hattest du einen bösen Traum?" fragte er, als sie nickte. „Alptraum." antwortete sie sehr leise. So hatten die Wissenschaftler sie in ihren Unterlagen vermerkt – das Mädchen, dass Chaos in sich trägt. Die Erinnerungen drängten sich immer mehr und mehr in ihren Kopf zurück, aber leider nur die schlimmsten und grausamen. Sie fragte sich, ob sie überhaupt sowas wie schöne Erinnerungen besaß.

Steve verstand sofort, überlegte wie er sie beruhigen konnte und sah sie ganz genau an, damit sie ihm zuhören musste. „Was auch immer du gesehen hast, das waren nur Träume, Neun. Ich verspreche, dass wir alles versuchen, um dir zu helfen." sagte er ihr, und er meinte es auch so. „Wenn du magst, bleiben wir die ganze Nacht gemeinsam wach. Wir können reden oder Musik hören, bis du total von mir gelangweilt einschläfst." Neun's Mundwinkel schossen minimal in die Höhe. „Scherz?" fragte sie, als er ihren Blick fing, aber er schüttelte nur grinsend seinen Kopf.

„Weißt du, vor einem Jahr, hatte ich auch fürchterliche Alpträume, beinah jede Nacht." erzählte er, um sie ein wenig zu beruhigen. „Du auch?" fragte sie ungläubig. Er schien viel zu fröhlich. „Oh ja, ich hab mich nicht einmal mehr getraut einzuschlafen." die Geschichte mit dem Demogorgon, ließ er fürs erste aus. Er wollte ihr nicht noch mehr Angst einjagen. „Du bist sogar die erste, der ich davon erzähle." seufzte er ehrlich. Niemand wusste davon und schließlich konnte er schlecht jemandem erzählen: hey, ich hab letztes Jahr gegen ein menschenfressendes Monster aus einer anderen Dimension gekämpft und bin immer noch ziemlich traumatisiert deswegen. „Alpträume jetzt zu Ende?" fragte Neun und sah ihn, mit einer Mischung aus Neugier und Sorge an. „Naja, manchmal kommen sie noch hin und wieder." gestand er ihr.

Neun fühlte sich tatsächlich ein wenig besser, als sie ihm zuhörte und er ihr davon erzählte. Sie fühlte sich vielleicht zum ersten Mal sogar verstanden, nicht völlig verrückt, mit ihren Sorgen und dem ganzen Durcheinander in ihrem Kopf. Ein paar Augenblicke später stand Steve wieder auf und ging zu seinem Nachtisch herüber. Er kramte in der Schublade herum und zog eine Art rechteckiges gerät heraus, ein Walk-Man. Neun sah das Ding mit einem verwirrten Blick an, als er sich genau vor sie setzte. „Guck nicht so, vertrau mir, das wird dir gefallen." lachte er kurz, als er eine Kassette von Tears for Fears, einer seiner Lieblingsbands einlegte. Dann lehnte er sich zu ihr herüber und legte behutsam ein paar ihrer Haarsträhnen hinter ihre Ohren, bevor er die Kopfhörer auf ihren Kopf setzte. Er drückte auf Play und ihre grünen Augen weiten sich vor Überraschung, als sie plötzlich Musik hörte. Steve musste instinktiv lachen, als er ihre Reaktion beobachtete. Und dann verblieb ein Lächeln auf seinem Gesicht, als sie sich schließlich entspannte und ihre Mundwinkel sich wieder anhoben.

Um sie noch mehr zum Lachen zu bringen, wippte er ein wenig mit seinem Kopf auf und ab oder bewegte ihn nach links und rechts, passend zur Musik, die er durch die Kopfhörer hören konnte. Aber statt einem Lachen, sah sie ihn eher amüsiert an, weil er sich so viel Mühe gab, damit sie sich in seiner Gegenwart wohler fühlte. Irgendwann stieß sie jedoch trotzdem ein Lachen aus, weil er sich eine Haarspray-Dose schnappte und so tat als ob er mitsang (und das ziemlich dramatisch). Und dann grinste Steve wie ein Idiot, weil er ihr Lachen mochte. Vielleicht mochte er es aber umso mehr, weil er wusste, dass sie wegen ihm lachte.

Irgendwann als ihre Augen schwerer wurden, ließ sie ihren Kopf auf das Kissen fallen, die Musik lief stets im Hintergrund weiter. Neun schloss ihre Augen und lauschte einfach der Melodie, den Liedern, mit einem kleinen Lächeln zu. Der Alptraum geriet bereits in Vergessenheit, stattdessen dachte sie über Steve's albernen Versuche sie zum Lachen zu bringen. Eigentlich hatte er vor, wach zu bleiben, bis sie eingeschlafen war, aber dann öffnete sie wieder ihre Augen und bedeute ihm mit ihrem Kopf, sich neben sie zu legen, bevor sie wieder gegen die Decke starrte. Zunächst war Steve überrascht, aber irgendwo freute er sich, weil sie ihm anscheinend mehr traute, sich wohler bei ihm fühlte.

„Musik schön." sagte sie nur, nachdem er das Licht ausgemacht hatte und nun links neben ihr lag. „Head over heels." murmelte Steve und lächelte eher zu sich selbst, als er das Lied durch die Kopfhörer hörte. Zwar waren ihre Augen geschlossen, aber Steve's verließen sie nie. Er stimmte ihr nur mit einem Nicken zu und lächelte ein wenig, weil sie ihn wahrscheinlich sowieso nicht hörte. „Schön." murmelte er vor sich hin. Aber in Wahrheit, meinte er gar nicht die Musik.

AUTHORS NOTE! — Yooo drittes Kapitel, Leute. Und keine Sorge, im vierten kommt Dustin (+Max und Lucas) auch wieder vor und sie versuchen Dart einzufangen. Also ihr seht, wir machen einen kleinen Fortschritt, ich bemühe mich. Ich sag euch, ihr werdet Neun irgendwann richtig ins Herz schließen, wenn sie mehr aus sich herauskommt und ihre Erinnerungen zurückkehren. Mein Baby ist grad einfach nur ziemlich traumatisiert, weil sie alleine ist und nicht weiß wo Acht ist, also seid bitte lieb zu ihr.

Wenn euch das Kapitel gefallen hat hinterlasst mir gerne ein paar Sternchen, liebe Kommis oder ein follow. Ich würde mich richtig freuen und es ist einfach sehr motivierend😅💕

— Love you all, Janine💕

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