45. Opfer
Quälende Schreie rissen mich wieder ins hier und jetzt. Was sollte ich tun? Ich musste ihnen doch irgendwie helfen. Nur wie? Ich wusste ja nicht mal, was hier los war. Ich war wirklich erleichtert darüber, dass Elijah mitgekommen war. Ich meine es war schon komisch, dass er ausgerechnet dann mitkommen wollte, wo hier so etwas furchtbares passierte oder?
„Bleib dicht bei mir.", sagte nun Elijah, wusste wahrscheinlich selber nicht, was er tun sollte. Seine Worte drangen aber nicht zu mir durch. Ich war wie in einem Art Schockzustand. Ich dachte kurz wieder zurück an meine Eltern, dachte daran, wie sie genau so da gelegen hatten, doch ich wollte nicht wieder daran denken müssen. Es war einer der schrecklichsten Momente in meinem Leben gewesen und wenn ich schon so gut wie jede Nacht davon träumen musste, dann konnte ich es doch wenigstens tagsüber vergessen dürfen.
Blitzschnell stand eine junge Frau vor mir, welche blonde Haare und haselnussbraune Augen hatte. Sie hatte überall Blut in ihrem Gesicht und vor allem an ihrem Mund. Rot schwarze Adern waren unter ihren Augen zu sehen. War sie etwa ein Vampir? Was machten Vampire denn bei Werwölfen? Erst jetzt hatte ich verstanden was hier los war. Vampire hatten das Dorf angegriffen, doch warum? Sie taten das doch nicht ohne Grund?
„Du bist also die Bitch, von der alle reden.", sagte sie hasserfüllt und ehe ich mich versehen hatte, hatte sie mir eine verpasst. Ich landete unsanft auf dem Boden und hatte für kurze Zeit nur Sterne gesehen. Mein Kopf dröhnte und meine Nase blutete. Sie wäre wahrscheinlich weiter auf mich losgegangen, wenn da nicht endlich mal Elijah gekommen wäre, der ihr ohne zu zögern Herz aus der Brust riss. Geschockt sah ich nun zu ihm. Ich wusste zwar, dass sie schon öfters jemanden umgebracht hatten, doch trotzdem war es etwas anderes es mit anzusehen.
„Geht es dir gut?", fragte Elijah mich besorgt und zog mich auch schon zurück auf die Beine, wo mir kurz schwindelig wurde, doch nach kurzer Zeit ging es wieder. Ich wischte mir grob mit meinem Handrücken das Blut weg, als ich mich wie kurz zuvor nochmal umsah. Es waren deutlich mehr Tote geworden. Jedes Mal hoffte ich, dass ich nicht Ivys Gesicht sehen würde.
„Was können wir tun? I-Ich meine wir müssen ihnen doch irgendwie helfen.", sagte ich, war den Tränen nahe und wusste, dass ich die nächsten paar Nächte kaum Schlaf finden würde. Es machte mich verrückt nur hier zu stehen und nicht zu helfen.
„Du musst hier erstmal weg.", meinte nun Elijah, der mich schon mit sich zog. Was sollte das bitte? Ich kannte mich hier deutlich besser aus als er und es war mein Rudel. Selbst, wenn mich nicht alle mochten, war es es trotzdem.
„Ich hab sie gefunden!", schrie da plötzlich jemand, als alles auch schon rasend schnell ging. Unzählige von Vampiren standen vor uns, schienen nicht nur reden zu wollen. Was wollten sie denn von Elijah? Oder wollten sie etwas von mir? Was hatte ich ihnen bitte getan? Ich kannte sie doch alle garnicht!
„Lauf" Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich rannte so schnell ich nur konnte, weg vom Dorf, weg von all den bösen Leuten. Ich wusste, dass es feige war einfach so davonzurennen, doch gegen Vampire kam ich nun mal nicht an. Elijah würde es schon schaffen. Ich hoffte es zumindest, denn wenn nicht, ich konnte es mir kaum ausmalen ohne ihn Leben zu müssen. Er hatte mich gerettet, war meine Familie und in gewisser Weise auch eine Vaterfigur für mich.
„Wo willst du denn so eilig hin?" Überrascht drehte ich mich zu niemand anderen als Ivy, die mich strahlend anlächelte. Ich stürzte mich regelrecht auf sie und drückte sie fest an mich. Ich hatte mir verdammt viele Sorgen um sie gemacht und war wirklich froh, dass es ihr gut ging. Es war so gut wie ein Wunder, denn viele hatte es schwer erwischt. Viele waren gestorben, nur den Grund dahinter verstand ich immer noch nicht so ganz. Hatte es etwas mit dem Geheimnis von Nik und Elijah zu tun? Sie hatten doch nichts mit den Wölfen zu tun, sonst würde ich es doch wissen.
„Was ist geschehen?", fragte ich nun doch neugierig nach. Sie musste es eigentlich wissen, denn sie war das Alphatier. Die Frage war nur warum sie nicht mehr im Dorf war. Der Alpha musste bis zum Schluss sein Rudel verteidigen, doch trotzdem stand sie hier vor mir. Wahrscheinlich hatte sie gehört, dass ich da gewesen war und hatte mich gesucht gehabt.
„Es war eigentlich alles ganz normal gewesen, bis uns plötzlich irgendwelche Vampire aus der Stadt angegriffen hatten. Wir hatten ja versucht uns zu wehren, doch vergebens. Sie waren ganz klar in der Überzahl und als ich hörte, dass du da wärst, musste ich sichergehen, dass es dir auch gut ging. So viele sind gestorben. Meine Freunde und ihre Kinder...alle tot." Man merkte ganz klar wie nahe ihr das alles ging. Mir tat es ja schon weh, dass Dorf so zu sehen, doch wie es ihr ging konnte ich mir kaum vorstellen. Sie lebte dort wahrscheinlich schon ihr ganzes Leben. Schmerzlich erinnerte ich mich an mein eigenes früheres zu Hause zurück. Ich war nie zurückgekehrt, doch es war vermutlich besser so.
„Da ist ja der Alpha. Hast dich doch nicht verdrückt, was?", fragte plötzlich jemand hinter uns. Es war ein groß und breitgebauter Mann, Mitte 20 und hatte braune kurze Haare. Seine Klamotten sahen sehr mitgenommen aus und wie auch die anderen hatte er überall Blut.
„Ana, geh hinter mich.", meinte nun Ivy. Was wollte er denn von uns? War er auch ein Vampir? Diese Frage wurde mir direkt beantwortet, indem seine Augen sich schwarz rot färbten und wieder die kleinen Adern unter seinen Augen auftauchten. Er triumphierte schon fast mit seinen Reißzähnen.
„Ihr besucht schon in kürze den Rest des Rudels.", sagte er nun abfällig. Wie arrogant konnte man eigentlich sein? Hatte er wirklich vor uns umzubringen? Was sollte ich dann tun? Ich hatte keinerlei Waffen bei mir und gegen einen Vampir würde ich gewiss nicht ohne auskommen. Ich konnte nur noch hoffen, dass Ivy ein paar Tricks auf Lager hatte, denn sonst waren wir ganz klar verloren.
Rasend schnell stand der Vampir vor uns und wollte mir schon eine verpassen, als Ivy reagierte und ihn dafür irgendeine Flüssigkeit ins Gesicht schüttete. Schmerzerfüllt schrie er auf, rieb sich die Augen und sank auf seine Knie. Was war das denn? Viel Zeit hatte ich aber nicht zum nachdenken, da mich Ivy schon mit sich zog, weg von dem Fremden in Richtung Anwesen. Wir rannten so schnell wie konnten und ich glaubte Blut zu schmecken, als Ivy plötzlich mit voller Kraft nach hinten gezogen wurde und mit ihrem Kopf auf dem Boden aufschlug. Der Fremde, dem es anscheinend wieder gut ging, hob sie auf einmal hoch und schien sie zu erwürgen. Sie zappelte in der Luft atemlos rum, hielt sich die Kehle, doch sie konnte nichts tun. Sein Griff war einfach zu fest und sie zu schwach. Panisch versuchte ich sie irgendwie zu befreien, doch er wehrte alles ab und so landete ich am Ende nur selber auf dem Boden. Mein ganzes Bein war aufgeschürft und es brannte tierisch, doch darum würde ich mich später kümmern.
„Ich werde immer bei dir sein, kleine Wölfin.", sagte sie mit ihrer letzten Kraft, als sie schließlich nicht mehr zappelte und er sie harsch auf den Boden schmiss. Geschockt sah ich zu der Leiche. Ich meine sie hatte eben noch gelebt, hatte eben noch mit mir geredet und nun? Ich könnte nie wieder mit ihr reden, sie könnte mir nie wieder Geschichten erzählen, wir könnten nie wieder zusammen ausreiten. Es war so verdammt unfair! Wieso musste es jeden in meiner Familie erwischen? Vielleicht lag es ja auch einfach an mir. Ich brachte Unglück und jeder um mich herum starb. Es war einfach alles meine Schuld. Hätte ich nicht Kol befreit, dann hätte ich sie nie getroffen und vielleicht würde sie dann noch leben. Nur weil ich so verdammt neugierig gewesen bin war nun meine Tante tot. Die letzte Person aus meiner Familie.
„Jetzt komme ich zu dir.", meinte nun der Mann, der Mörder meiner Tante, dem es nicht mal leid zu sein schien. Wie konnte man so jemand sein? Wie konnte man jemanden freiwillig umbringen?
Verzweifelt rappelte ich mich auf, wollte kämpfen, als ich auch schon ausholte und ihn mit voller Wucht ins Gesicht traf. Kurz schien er etwas überrascht zu sein, als er auch jedoch wieder fasste und er es diesmal war, der mir eine verpasste, so dass ich wieder Bekanntschaft mit dem Boden machte, auf dem ich unsanft gelandet war. Meine Seiten schmerzten fürchterlich und mein Kopf dröhnte. Ich hatte bestimmt etwas gebrochen und die Schmerzen wurden immer schlimmer, als er auch noch auf mich eintrat. Ich versuchte meinen Kopf mit meinen Armen zu schützen, sodass dafür aber mein Bauch völlig frei war. Er trat mit so einer Stärke zu, dass mir schlecht wurde und so gut wie ohnmächtig war. Wenn es so weitergehen würde, wäre ich gleich tot. Ich hatte eigentlich immer gehofft, dass ich friedlich sterben würde, wenn ich bereit war und richtig gehörnt hatte. Ich war doch nur ein Kind und doch hatte ich schon so viel Schmerz ertragen müssen, wie kein anderer. Müde schloss ich meine Augen, versuchte die Schmerzen auszublenden und dafür an meine Eltern und Ivy denken, die ich vielleicht schon gleich Wiedersehen würde. Glücklich dachte ich daran, als ich aber plötzlich Geschrei hörte und ich nervös die Augen schloss. Der Vampir war weg, doch wo er war, war mir nicht ganz klar, da ich mich nicht mal aufsetzen konnte so schreckliche Schmerzen hatte ich. Alles fing an sich zu drehen, als ich noch das verschwommene Gesicht von Elijah sah, ehe ich ohnmächtig wurde und hoffte, Frieden zu finden.
Hey :) Tut mir leid, dass es wieder ein bisschen länger gedauert hat, aber dafür ist das Kapitel auch ein bisschen länger. Ganz schön viel Drama, oder? Wie fandet ihr es so? Im nächsten Kapitel kommt vielleicht mal die Sicht von Elijah oder Klaus, doch ich bin mir noch unsicher welche. Was würdet ihr besser finden? Über einen Vote würde ich mich sehr freuen. Bis Bald!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top