seven - höchste Zeit
JULIET
,,So Sammy...-"
,,Mir wäre es lieber, wenn du mich bei meinem richtigen Namen nennen würdest.", unterbrach Theo mich.
,,Ja... ok, also nein... keine Ahnung. Was ist, wenn uns jemand hört oder so. Ich weiß nicht wie ich dich nennen soll. Die ganze Sache ist sehr seltsam, wenn du verstehst?" Er nickte.
,,...und außerdem...", fuhr ich fort. ,,Wie ich mich kenne, würde ich mich andauernd verplappern... Wie auch immer. Ich werde dich also doch lieber Sammy nennen, sonst geschieht noch ein Unglück. Ich hoffe, damit kannst du leben?"
Er schien nicht wirklich begeistert davon, doch seufzte dann ergeben.
,,Ich denke es gibt wohl keinen anderen Weg..."
,,Perfekt." Ich hatte den Faden wieder gefunden und begann nun abermals.
,,So dann also Sammy. Nun wollen wir dich mal auf den Wissensstand eines einigermaßen normalen Fünftklässlers bringen... Ich hab überlegt, dass wir uns am besten immer die Fächer des nächsten Tages anschauen. Also, was hast du morgen?"
Theo seufzte und kramte dann seinen Stundenplan aus der Tasche. ,,Morgen eine Doppelstunde Zauberkunst, eine Stunde Verwandlung, dann Muggelkunde und zuletzt noch mal eine Doppelstunde Pflege magischer Geschöpfe.", meinte er wenig erfreut.
,,Hör mal, ich kann Schule und Hausaufgaben auch nicht leiden, aber ich fürchte da musst du durch. Also Zauberkunst... Praktischer Weise bauen Zauber-Fächer nicht wirklich aufeinander auf. Du brauchst zwar immer die Grundlagen, aber es ist nicht wie beim Lesen, bei dem du die Buchstaben kennen musst, um überhaupt irgendwas zu verstehen..."
Und so fuhr ich fort.
Mein neu erworbener Bruder hörte die ganze Zeit aufmerksam zu, stellte ab und zu Fragen oder notierte sich etwas. Alles in allem schien er ein hervorragender Zuhörer und Schüler.
Das meiste verstand er nach dem ersten Mal erklären.
Wir machten seine neuen Hausaufgaben und übten Zauberstabbewegungen. Doch ich merkte wie er mir immer wieder einen seltsamen Blick zuwarf und schließlich hielt ich es nicht mehr aus.
,,Was ist denn?"
,,Mh? Was soll sein?", fragte er.
,,Du guckst immer so komisch, falls du etwas nicht verstanden-: begann ich, doch er unterbricht mich.
,,-das ist es nicht, du erklärst gut. Aber..r" Er brach wieder ab, weshalb ich ihn mit einer auffordernden Geste zum Fortfahren bewegte.
,,... Ich dachte wir würden in diesen Nachhilfe-Stunden nicht nur zusammen lernen sondern uns auch wieder kennenlernen. Ich hab dich viele Jahre nicht gesehen. Jahre, in denen du sicher viel erlebt hast. Ich weiß vermutlich mehr über dich, als du über mich, aber das reicht mir nicht. Ich will dich wieder kennen, schließlich bist du..." Er senkte seine Stimme. ,,...schließlich bist du meine Schwester."
Ich sah ihn an.
Er hatte recht, ich kannte ihn nicht.
Ich wusste zwar, dass da irgendwie mehr war, aber trotzdem war er für mich ein neuer Mensch, den ich erst kennenlernen musste.
,,Ähm..." Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
,,Hör zu, ich weiß es ist nicht deine Schuld," fuhr er also fort. ,,-aber es ist, als wäre ich wirklich ein neuer Schüler hier-was ich ja auch bin-... Aber ich bin auch dein Bruder und das möchte ich gerne sein und-"
An dieser Stelle wurden wir unterbrochen.
,,Genug gelernt, Juls! Du kommst jetzt mit auf die Party!"
Es war, wie hätte es auch anders sein können, Sirius, der Sammy (oder Theodore...oder was auch immer) in seinem Redeschwall stoppte und, um ehrlich zu sein, ich war erleichtert, dass ich meinem Bruder nicht hatte antworten müssen.
Ich wüsste nämlich nicht was.
,,-Juls! Komm jetzt! Du kannst deinen Sammy ja auch mitnehmen!"
Und so entkam ich schließlich all den Fragen.
Den Stimmen, die mich fragten, wie ich reagieren sollte, was ich machen sollte.
Jedenfalls teilweise...
Während wir uns zu dritt auf den Weg in Richtung Gryffindorturm machten, schwieg ich nur.
Sirius schien meinen Bruder auszufragen, doch davon bekam ich kaum etwas mit.
Ab und zu spürte ich Theos Blick auf mir, aber ich war zu sehr mit meinem Inneren beschäftigt.
Wie sollte ich ihn nun behandeln?
Einerseits war er ja mein Bruder, andererseits durfte ich genau das nicht offen zeigen.
Es ergab Sinn, ihn immer bei seinem falschen Namen zu nennen. Das war mir klar, auch wenn es sich irgendwie nicht richtig anfühlte.
Aber ich war mir auch sicher, dass ich nicht einfach so tun konnte, als wäre er einfach irgendwer.
Ich würde nachher mit Remus drüber reden. Vielleicht konnte er mit anderer Sichtweise auf die Situation blicken und mir irgendwie helfen.
Denn Remus war die Art Freund, die einfach immer helfen konnte... Selbst, wenn die Hilfe nur aus einer Umarmung bestand.
Ich hatte kaum mitbekommen, wie wir vor dem Portraitloch ankommen waren und merkte erst, wo wir waren, als Sirius schon das Passwort genannt hatte und Theo dann in den Gemeinschaftsraum führte.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, dass er Theo nun so aufnahm. Vor allem, da er heute Vormittag noch so skeptisch ihm gegenüber war.
Richtig aus meinen Gedanken gerissen wurde ich erst, als ein Pfiff ertönte und Marlene mich zu sich ans Fenster winkte, wo sie mit der äußerst skeptisch dreinschauenden Lily stand.
Ich gesellte mich mit einem prüfenden Blick aus dem Fenster zu ihnen.
Noch war es nicht dunkel... das hieß, ich hatte noch etwas Zeit, bevor ich Remus abholen musste...
,,Juls, wo warst du denn? Du kannst mich doch nicht mit dieser Spaßbremse allein lassen!" Marley stupste Lily spielerisch in die Seite, woraufhin diese nur die Augen verdrehte, sich ein kleines Grinsen aber trotzdem nicht verkneifen konnte.
,,Ich hab Nachhilfe gegeben.", antwortete ich ihr auf ihre Frage und nahm dann erfreut den Becher an, den sie mir in die Hand drückte.
Kurz schnupperte ich an dem Getränk und machte sofort den leicht beißenden Geruch von Alkohol aus.
Einen winzigen Moment zögerte ich, dann zuckte ich mit den Schultern und nahm ein paar große Schlucke.
Mir war bewusst, dass ich es am nächsten Morgen bereuen würde, doch wie so oft, hörte ich nicht auf meinen Verstand.
Augenblicklich spürte ich, wie der Alkohol durch meinen Körper floss und ich mich auf Anhieb ein ganzes Stück freier fühlte.
Doch noch immer konnte ich meinen Bruder nicht vergessen und während Lily sich neben mir verteidigte, sie würde nur an das ganze Chaos denken, das hier nach der Party herrschen würde, huschte mein Blick suchend über die versammelten Gryffindors.
Ich entdeckte schließlich Sirius, der bei den Sofas am Kamin stand, mit einer Flasche in der einen und einem Becher in der anderen Hand. Direkt neben ihm konnte ich auch Theos dunkelbraunen Haarschopf erkennen.
Ich sah Sirius wild gestikulieren, während Theo ganz offensichtlich mal wieder überfordert war.
Ich entschuldigte mich mit kurzen Worten bei meinen beiden Freundinnen.
Ich hörte noch einen anzüglichen Pfiff von Marlene, während ich mich in Richtung Sirius und Theo bewegte, welchen ich aber geflissentlich allerdings ignorierte.
Als ich ich bei den Kaminen ankam, was leichter klang als es war, da mir andauernd tanzende Schüler in den Weg kamen, saß Sirius auf einem der Sofas, neben ihm Theo, welcher skeptisch den Becher in seiner Hand beäugte.
,,Trinks lieber nicht, wer weiß was er da reingemischt hat..."
Bei meinen Worten schaute Theo erleichtert auf.
,,Was unterstellst du mir, Juls?", fragte Sirius empört doch ich ignorierte diese Frage.
,,Ich meins ernst Sirius, weißt du überhaupt ob er schon mal getrunken hat? Das Zeug könnte ihn voll weghauen."
,,Bleib locker... Er hatte sicher schon was... oder?"
Nun sah er zu Theo. Dieser schien etwas verlegen, antwortete dann aber wahrheitsgemäß. ,,Nein... Ich wurde bisher immer davon abgehalten, Alkohol zu trinken...-"
,,Echt? Leute gibts! Aber dann wirds ja höchste Zeit-"
,,Nichts da! Sirius, such dir eine andere Beschäftigung, hier wird niemand abgefüllt!"
,,Komm runter, Juls. Was bist du heute nur so komisch drauf? Ich geh mal... hier wird's mir zu anstrengend..."
Und mit diesen Worten verschwand er in Richtung der provisorischen Bar, welche er vermutlich mit James aufgebaut hatte.
,,Sorry, wegen Sirius... Ich würd gern sagen, dass er nicht immer so ist, aber man soll ja nicht lügen." Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern, drehte mich wieder zu Theo und nahm ihm dann den Becher aus der Hand.
Flüchtig musterte ich das Getränk darin, dann nahm ich einen Schluck.
,,Er wollte dir tatsächlich Feuerwhisky andrehen..."
,,War er betrunken?,, fragte Theo interessiert.
,,Merlin, nein. Wenn der betrunken ist, ist das noch tausendmal schlimmer...naja, wo waren wir vorhin stehen geblieben?"
Eigentlich würde ich dieses unangenehme Gespräch aus der Bibliothek nur ungern fortsetzen, aber ich wusste auch, dass ich um dieses Thema nicht herum kommen würde. Also brachte ich das ganze lieber schnellstmöglich hinter mich.
,,Wir haben versucht herauszufinden, wie wir uns nun verhalten sollen..."
,,Ja richtig...", begann ich lahm. ,,Um ehrlich zu sein, ich hab keine Ahnung... Ich weiß im Moment einfach garnichts... Ich..."
Verzweifelt lehnte ich mich im Sofa zurück.
,,Ich kenne dich einfach nicht... mehr...,,
Theo lächelte.
,,Aber das kann ich ändern... weißt du... auch ich kenne dich ja eigentlich nicht mehr... die ganzen Jahre, die ich verpasst habe... Ich hab generell viel verpasst, vom Leben..." Traurig seufzte er.
,,Erzähl mir von der Zeit, nach eurer Gefangennahme... du und Mum und Dad... ihr wurdet von den Todessern entführt, richtig?,,
Auf meine Frage nickte Theo. ,,Ja, so war es... Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, ich war damals noch viel jünger.
Es war an Silvester,... deinem zehnten Geburtstag. Sie haben uns mitgenommen..." Er runzelte angestrengt die Stirn. ,,Ich kann mich eigentlich nur an Schwärze erinnern... wir waren gefangen... Ich war mit Dad in einer Zelle... sie haben uns gefoltert. Dad... immer wenn Mum vor Schmerzen geschrien hat, hat er gebrüllt, hat versucht die Tür einzutreten...
Irgendwie haben wir es dann einmal geschafft, uns aus der dunklen Kammer, in der wir eingesperrt waren, zu befreien. Wir sind nicht weit gekommen...
Irgendwo in einem Wald oder so... dort haben sie uns schließlich gekriegt... Überall waren Schreie. Die Todesser waren in der Überzahl.
Wir hatten keine Chance. Mum und Dad wurden schließlich umgebracht... Ich weiß nicht warum... aber mich haben sie nicht getötet, sie haben mich leben lassen... wenn man das Leben nennen kann." Er lachte verbittert, während ich ihm gebannt lauschte.
,,Sie haben mich gefoltert, wollten Informationen. Irgendwann war es wohl zu viel... alles wurde schwarz. Später hab ich herausgefunden, dass ich mehrere Jahre mehr oder weniger im Koma lag... Ich bin erst vor einem knappen halben Jahr wieder aufgewacht... Es war, als hätte man in einem Buch ein paar Seiten herausgerissen und einfach weiter gelesen. Ich war total ahnungslos. Einige Male hab ich versucht, Magie zu nutzen, um mich zu befreien, aber eigentlich hab ich keine Ahnung... von nichts..." Er stöhnte frustriert auf.
,,Wie bist du da rausbekommen?", fragte ich schließlich. Theo sah mich an... in seinen Augen erkannte ich Trauer, doch er schüttelt nur den Kopf.
,,Das kann ich dir nicht beantworten... Tut mir leid. Aber es geht nicht."
,,Es geht nicht? Warum solltest du mir das nicht sagen können?", fragte ich verwirrt.
,,Es darf niemand erfahren." Er blickte mich verzweifelt an.
,,Wieso?!?"
Misstrauen durchschoss mich plötzlich.
Warum konnte er es mir nicht sagen? Vielleicht... Nein... das konnte ich nicht glauben... das wollte ich nicht glauben.
Gedankenverloren ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, während mein Bruder neben mir müde in die Flammen starrte.
Doch als mein Blick dann bei einem der großen Fenster hängen blieb, schreckte ich hoch.
Draußen war es dunkel, sicher nicht mehr lang bis der Mond aufging.
Noch immer zum Fenster starrend sprang ich auf.
,,Juliet, was-"
Doch ich achtete weder auf Theos angesetzte Frage, noch auf den verwirrten Blick, den mir Sirius zuwarf, als ich an ihm vorbei zum Portraitloch stürmte. Theo rief noch einmal meinen Namen, doch ich ließ meinen Bruder zurück.
Das würde eine lange Nacht werden...
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