TWELVE
Als das schrille Klingeln durch das Haus hallte und bis in Taehyungs Zimmer vordrang, legte er den Kugelschreiber achtlos aufs Bett und sprang auf. Mit schnellen Schritten eilte er zur Tür, nahm die Treppen beinahe in einem Satz und riss schließlich die Haustür auf. Sein Gesicht erhellte sich sofort, als er seinen besten Freund davorstehen sah, den er mit einem breiten Lächeln begrüßte.
» Es ist Verdammt kalt!«, sagte dieser, trat ein und zog seinen kirschroten Schal aus, bevot er aus den Schuhen schlüpfte. » Egal jetzt bist du ja da.«, erwiderte Taehyung und wartete darauf, dass Jin sich auch die dicke Winterjacke auszog.
» Ja halb erfroren dafür.«, zog er die Augenbraue in die höhe und verdrehte gespielt genervt die Augen. » Hör auf zu heulen, lass uns in mein Zimmer.«. Der Braunhaarige drehte seinem Gast den Rücken zu, der ihm die Treppe hinauf folgte. Jin ließ die weiße Holztür hinter sich ins Schloss fallen, bevor er auf Taehyungs Bett sprang, welches unzählige Kissen draufliegen hatte.
Taehyungs Zimmer strahlte eine schlichte, unaufgeregte Eleganz aus. Der Boden war mit grauem Laminat bedeckt, die Wände in einem klaren Weiß gehalten. Auf der linken Seite befand sich eine große Schiebetür, die hinaus auf seinen eigenen kleinen Balkon führte. Vor dem Glas der Schiebetür hing eine dunkelblaue Gardine, die nicht nur vor neugierigen Blicken schützte, sondern dem Raum auch noch Farbe verlieh.
Auch die restlichen Mödel waren weiß, aber überall fand man dunkelblaue Akzente wieder. Wie ein paar seiner Kissen auf dem Bett, die dunkelblaue Vase, aus der weiße Rosen ragten, oder die Gläser, die die Stifte auf seinem Schreibtisch hielten.
»Sag bloß, das ist für Jeon!«, rief Jin und riss das Blatt mit einem schnellen Schwung in die Höhe. Das Papier raschelte unter der Bewegung, während er es triumphierend vor sich hielt. Darauf standen notierte Physikformeln, jede einzelne in makelloser Schrift. »Sogar mit einer Erklärung, wie man sie anwendet!« fügte er hinzu, der Tonfall eine Mischung aus Belustigung und Erstaunen.
Ohne zu zögern griff Taehyung nach dem Blatt und riss es Jin aus der Hand, dabei hinterließ die hastige Bewegung ein paar ungewollte Knicke im Papier. Jin drehte sich mit offenem Mund zu seinem besten Freund um, seine Augen funkelten vor Neugier, während sein Blick nach einer Erklärung verlangte. » Und wenn schon, ist doch egal.«
Taehyung zuckte nur mit den Schultern, ohne weiter auf Jins Kommentar einzugehen, und schob seine Stifte sowie den Block zur Seite. Natürlich waren die Notizen für Jeon gewesen – für wen sonst? Taehyung verstand den Stoff auf Anhieb; er hatte es nicht nötig, sich dieselben Dinge mehrfach aufzuschreiben.
» Du bist Krank, das du dem wirklich hilfst und dir so eine mühe machst.«, Jin lehnte sich entspannt zurück, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und musterte Taehyung mit einem belustigten Blick. Doch dieser zuckte lediglich mit den Schultern, als wäre das Ganze nichts Besonderes.» Dann hab ich wenigstens was zutun.«
Jin lachte kurz auf, » Ja klar, ich lieb es auch immer Dinge umsonst zutun.«
Taehyung sagte nichts dazu. Er wusste genau, worauf Jin hinauswollte – dass Jeon sich niemals die Mühe machen würde, sich diese Notizen durchzulesen. Schließlich zog Jungkook es vor, sich in Rauchwolken zu verlieren, anstatt sich mit Physik oder sonstigem Kram auseinanderzusetzen. Doch Taehyung ließ sich davon nicht beirren. Er war überzeugt, dass er Jungkook helfen konnte, ob der das nun wollte oder nicht. Dazu kam noch, dass Taehyung selbstverständlich nicht die bitte des Direktors ablehnen konnte.
» Aber jetzt ernsthaft.«, fing Jin erneut an, was Taehyung innerlich zum seufzen brachte. » Was bringst dir?« Taehyung erhebt sich von seinem Bett, bevor er alles wegräumt, was er gebraucht hatte um die Notizen vorzubereiten. Er hatte alle wichtigen Informationen mit Textmarker unterstrichen, und alles einer Überschrift untergeordnet. » Keine Ahnung.«, der Braunhaarige legt den Block zurück auf seinen Schreibtisch.
Jin dreht sich auf den Bauch, stützt den Kopf auf seinen Händen auf und blickt zu dem anderen.
» Glaubst du etwa' das ihn das ändern wird?«
Taehyung zieht die Augenbrauen zusammen. » Darum gehts nicht.«
Kim ging es nie darum, Jungkook zu verändern. Er verlangte nicht, dass Jeon eine radikale Wendung vollzog und sich von Grund auf neu erfand. Was er sich wünschte, war viel einfacher – dass Jungkook vielleicht ein kleines bisschen mehr Interesse an seiner Zukunft zeigte. Dass er sie nicht einfach wegwarf, wie die Zigarettenstummel, die er achtlos auf den Boden schnippste.
« Wenn du meinst.«, zuckt Jin mit seinen Schultern.
» Scheiße man, endlich Freitag.«, spricht Namjoon, während er die aufgerauchte Zigarette auf dem Boden austrat. » Wir tuen doch eh immer so als seie jeder Tag Freitag.«, lachte Hobi.
Die drei Jungs schlenderten durch die kalten, fast leeren Straßen von Seoul. Die Dunkelheit hatte sich längst über die Stadt gelegt, und die Kälte schlich sich durch jede Ecke, sodass sich kaum jemand draußen aufhielt. Doch Namjoon, Hoseok und Jungkook fühlten sich wohler draußen, in der Stille der Nacht, als in ihren eigenen vier Wänden. Es war, als ob die kühlen, leeren Straßen mehr zu ihnen gehörten als die Wärme eines Zuhauses.
» Lasst und bisschen Bier kaufen gehen.«, schlägt der Tätowierte vor.
» Du schwanzlutscher, kaufen? Von welchem Geld den?«, grinsend und neugierig guckt der Junge mit dem schwarzen Buzzcut zu seinem Freund hinunter. Namjoon war mit abstand der großte der dreien.
» Oh sorry, hab ich kaufen gesagt? Meinte natürlich klauen.«, erklärt sich Jeon und versteckt seine Hände noch weiter in den tiefen seiner Hose.
» Wusste ich doch schon längst.«, Namjoon zwinkert zu Jeon, weswegen dieser sein Gesicht verzieht. » Was hast du dann so schwul gefragt.«, Jungkook zieht die Augenbraue hoch. » Man haltet doch einfachs' Maul und lass was zu Trinken holen.«, dreht Hoseok sich nach hinten um.
» Sorry du Alpha.«, Joon lachte laut, und zusammen machten sie sich auf den Weg zum nächstgelegenen Supermarkt. Drinnen war es merklich wärmer als draußen, was ihnen sofort entgegenkam. Mit schnellen Schritten steuerten sie die Abteilung an, in der der Alkohol lag. Ohne viel zu zögern griffen sie nach den Glasflaschen und rissen sie aus den Pappkartons, bevor sie sie geschickt unter ihren Jacken versteckten.
Nachdem sie an der Kasse vorbeigelaufen waren, ohne der Kassiererin auch nur einen Blick zu schenken, begann es plötzlich so laut zu piepen, dass es einem in den Ohren schmerzte. In diesem Moment setzten sie sich in Bewegung. Mit schnellem Tempo rannten sie raus über den Parkplatz, auf dem die Autos hin und her fuhren. Jungkook, der am wenigsten aufpasste, wurde bestimmt fast viermal von einem erwischt, doch er schaffte es immer wieder, knapp zu entkommen.
Nachdem sie den Parkplatz hinter sich gelassen hatten, rannten sie weiter, die Kälte der Nacht in ihren Lungen, das Adrenalin immer noch in ihren Adern. «Verdammt, das war knapp«, keuchte Jungkook, als sie eine Abzweigung nahmen und in eine ruhige, dunkle Straße einbogen. Allerdings konnte er es nicht verhindern, dass sich ein grinsen auf seine Lippen schlich.
» Ich bin fast dreimal gestorben.«, laut atmet Namjoon ein und aus, während er sich über die kurz geschorenen Haare fährt. » Das war so geil!«, außer atem strahlt Hobi die beiden an. » Egal, lasst uns endlich trinken.«
Jungkook kramte ein Feuerzeug aus seiner Tasche, hielt es kurz an die Glasflasche und öffnete sie mit einer schnellen Bewegung. Der Deckel sprang ab und fiel mit einem lauten Klirren zu Boden. Hoseok und Namjoon taten es ihm gleich, jeder öffnete seine Flasche auf die gleiche Weise, das Geräusch der Deckel, die auf den Boden fielen, hallte in der stillen Nacht wieder.
» Hat eigentlich noch einer von euch was zum Kiffen?«, fragt Jungkook und schaut in den Himmel. Der Abendhimmel über Seoul bestand aus einer dunklen Decke, mit wenigen Sternen. Er war Wolkenlos und einsam.
Was wohl andere Leute in Jeons Alter grade trieben? Da waren sie wieder, als wären sie nie weg gewesen. Die "Grenz-Gedanken", die immer dann auftauchten, wenn Jeon sie am wenigsten gebrauchen konnte. Er nannte sie "Grenz-Gedanken", weil er irgendwo eine Grenze ziehen musste. Sonst würden sie ihn mit in den Abgrund ziehen. Ab einen gewissen Punkt verbat er sich schlichtweg, sich den Kopf drüber zu zerbrechen.
Ganz egal was andere in seinen alter jetzt machten, dachte sich Jeon nun, sie sind ja auch nicht er.
» Nur noch ein ganz kleines bisschen.«, meint Joon, »wir müssen wieder zu Yoongi, ist schon nh' Woche her«, Jungkook nickte, nahm den Joint, den Namjoon ihm hinhielt, und zog daran, als wäre es das einzige, was ihn im Moment noch am Leben hielt. Der Rauch füllte seine Lungen.
Es war, als würde die Kälte, die sich durch die Straßen zog, sich auch in ihm ausbreiten – bis tief ins Innerste. Es war, als würde sie alle Gefühle und Gedanken fortnehmen, die ihn sonst zerrissen, und ihn leer zurücklassen. Leer genug, um für einen Moment nicht an all das zu denken, was ihn miserabel machte.
So zog die Nacht weiter, während sie in einer Mischung aus Kälte und Rauch versanken. Keiner der Jungs sprach viel, sie genossen einfach die Stille, jeder in seinen eigenen Gedanken verloren. Doch in diesem Moment schien die Welt für Jungkook ein kleines bisschen erträglicher.
Es vergingen Stunden und keiner schaute auf die Zeit, die wie im hauch verflog. Mit dem Qualm der Zigaretten auf und davon. Irgendwann redeten sie nur noch irgendeinem mist, der sie zum Lachen brachte.
» Digga ohne spaß die hat mich angeschrieben!«, lacht Namjoon, und nimmt einen schluck von seinem Bier. » Junge pack die.«, sagt Hobi, spielt mit seinen Händen und wippte schon die ganze Zeit mit seinem Bein. Er konnte nie Still sitzen bleiben, bei ihm erkannte man sofort, dass er drauf war.
» Digga ihr pisser ich verzieh mich jetzt man.«, der tätowierte hebt seine Hand, reißt den Mund weit auf und gähnt. » Was labberst du?«, fragend sieht Namjoon zu Jeon, der sich erhebt. » Ich bin müde du Glatzkopf, also geh deine Eierschaukeln man ich geh schlafen.«, erklärt der gepiercte.
» Du Spaßverderber.«
» Was auch immer.«, Jungkook verdrehte die Augen und drehte ihm den Rücken zu. um den Heimweg anzutreten. Mit wackeligen Beinen stolperte er durch die dunklen Gassen, der Boden unter ihm schien sich mit jedem Schritt zu verschieben. Die kalte Luft schnitt wie tausend Nadelstiche auf seiner Haut, und er zog seine Jacke enger um sich, als könnte sie ihn vor der ganzen Welt abschirmen. Doch der Wind ließ nicht nach, und in den leeren Straßen fühlte er sich noch mehr verloren als zuvor. Es war, als ob die Kälte nicht nur seine Haut, sondern auch das, was noch von ihm übrig war, durchdrang. Aber er lief weiter, jeden Schritt schwerer als den letzten.
Bei einer Hauswand kippt er zu Seite, mit der Schulter gegen die harte Steinmauer. Seine Augen brannten und drohten, zuzufallen. » Scheiße.«, aufgebracht fährt er sich durch die Haare. Sie fühlen sich dreckig und verklebt an, was an den Unmengen an Haarspray liegen muss.
Für einen kurzen Augenblick bleibt Jungkook stehen, schließt die Augen und lässt die kalte Nachtluft in seine Lungen strömen. Der Frost beißt in seine Haut, doch für einen Moment fühlt sich alles wie ein verschwommener Traum an.
» Jungkook..?«
Sofort reißt er die Augen auf, als hätte man ihm einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet.
Vor ihm steht eine zierliche Silhouette, in einer dicken Winterjacke eingepackt. Allerdings konnte Jungkook kaum seine eigenen Hand vor Augen erkennen, aber die Stimme kannte er. So fluffig wie ein geschmolzener Marshmallow, dass es ihn nervte.
Er stützt sich von der Wand ab um ein paar Schritte nach vorne zu taumeln. Der Geruch von Gras und Alkohol umgab ihn als seie es sein alltägliches Parfüm. Doch so näher er seinem Gegenüber kam, so mehr vermischte sich sein eigener Geruch mit dem vom etwas süßen. Es erinnerte ihn an Lebkuchen. Dazu sorgte es fast dafür, dass er sich übergeben musste.
» Alles gut?«, fragte der Braunhaarige. Jungkook hatte mittlerweile erkannt das Taehyung die Silhouette war. » Verpiss dich.«, knurrte der Tätowierte. Es reichte ihm, ihn in der Schule sehen zu müssen. Außerdem nagte es noch an ihm, die Hilfe von Kim akzeptiert zu haben.
Der etwas kleinere räusperte sich, blieb aber immer noch wie eingefroren stehen. » Kann ich dir helfen?«, seine Stimme ähnelte einem einfachen flüstern.
Jungkook lachte auf, » Du kannst die Fresse halten.«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top