THIRTEEN
Taehyung zog seinen Schal fester um den Hals, seine Augen wanderten kurz über Jungkooks Gestalt. Er sah aus, als könnte er jederzeit umfallen. Doch Taehyung sprach es lieber nicht an, bevor ihn eine Faust treffen würde.
Jungkook trat einen schwankenden Schritt nach vorne, an Taehyung vorbei. Dieser drehte sich um, und blickte auf die verschwommene Silhouette dank der Dunkelheit.
» Wohin willst du? Du siehst aus als würdest du nicht mal mehr einen Block schaffen.«, fragte der Brünette. Seine Stimme war leise und vorsichtig. Er wollte den Tätowierten nicht verärgern obwohl er langsam sowieso glaubte, das ihn alles nervte was er von sich gab.
Jungkook blieb abrupt stehen. Seine Beine sahen aus, als würden sie bald nachgeben. » Nachhause, aber erwarte keine Einladung.«, die Stimme war kratzig. » Musst du noch weit?« Taehyung zog die Augenbrauen zusammen, dass sich eine falte auf seiner Stirn bildete, nur konnte der etwas größere dies nicht erkennen.
Der Brünette merkte, wie kalt seine Finger waren, obwohl er sie in seiner Jackentasche versuchte vor der Kälte zu schützen. Müsste Jeon noch weit laufen, würde er mit seinen Klamotten erfrieren. Wahrscheinlich trug er wie immer unter der abgenutzen Lederjacke nur ein einfaches T-shirt.
» Was juckt's dich?« Jungkook drehte sich wieder um um, seine verengten Augen fixierten Taehyung mit einer Mischung aus Abneigung und Müdigkeit. »Ernsthaft, Kim, warum mischst du dich ein?«
Taehyung hielt kurz inne, überrascht von der Schärfe in Jungkooks Stimme, bevor er sich wieder fasste. » Es ist kalt.«, begann er ruhig, seine Worte bedacht gewählt, »und—«
» Und was? Willst du mir eine Decke spenden?« Jungkooks Lachen war hart und verächtlich, als würde er über einen schlechten Witz lachen. Er schüttelte den Kopf, während seine Hände tief in den Taschen seiner Lederjacke vergraben blieben. » Ich bin nicht obdachlos, falls dir das noch nicht aufgefallen ist.«
Taehyung schluckte, denn er wusste nie, wie er auf die Sprüche des anderen reagieren sollte. Jeon gab immer Worte von sich, und unterstellte Taehyung immer etwas, was er garnicht sagen wollte. Der Brünette wollte definitiv keine Anspielung darauf machen, dass Jungkook obdachlos oder sonstiges war. » Das wollte ich auch garnicht damit sagen.«, gab er also kleinlaut von sich wieder und hörte nur, wie Jeon ein "tz" von sich gab.
» Ich wohn in der nähe, und wie gesagt, es ist kalt, du kannst mit zu mir.«
Jungkook verzog sein Gesicht. Es war eine Mischung aus Ekel und Schock. Das Kim Taehyung jemanden wie Jeon Jungkook zu sich einladen würde, konnte der Tätowierte sich nicht mal im Traum ausmalen. Wahrscheinlich würden seine reichen Eltern Jungkooks arsch sowieso direkt wieder hinauskatapoltieren, wenn sie nicht vorher an einem schock wegen seines äußerens tot umgefallen sind.
Der gepiercte Junge lachte kurz auf, während er einen Kampf mit seinen Gedanken führte. Er hatte noch ein gutes Stück zu laufen, aber ihm war verdammt kalt und gleichzeitig hämmerte ein pochender Schmerz in seinem Schädel, als würde jemand unnachgiebig mit einem schweren Hammer darauf einschlagen.
Die Einladung war mehr als verlockend. Der Gedanke, der beißenden Kälte zu entkommen und sich in der Wärme aufzuwärmen, klang wie ein verdammter Segen. Doch so einladend das Angebot auch war, es gab einen Haken: Es stammte von Taehyung. Und genau das störte Jeon. Er hatte Taehyung seiner Meinung nach längst klargemacht, dass er nichts von ihm wollte – keine Hilfe, keine Unterstützung, gar nichts. Allein die Vorstellung, dass Taehyung glauben könnte, er habe ihm irgendetwas zu verdanken, ließ ihm die wenigen Nerven blank liegen, die er noch nicht weggekifft hatte.
» Auf keinen Fall.«, antwortete Jeon genervt und war dabei, auf den Sohlen kehrt zu machen. Allerdings ließ der Brünette sich nicht abwimmeln. Taehyung sah, wie wackelig Jungkook auf den Beinen unterwegs war, was dafür sorgte das er sich das schlimmste ausmalte, würde er ihn jetzt einfach gehen lassen.
» Du musst ja nicht übernacht bleiben, nur kurz aufwärmen und vielleicht was warmes trinken.«, Taehyung redete so schnell, dass er teilweise über die Wörter stolperte. Er hatte immernoch nicht herausgefunden, woher der Gedanke kam, jemanden wie Jeon Jungkook mit nachhause zu nehmen. Aber er konnte ihn auch nicht in diesem Zustand alleine durch die Straßen laufen lassen.
Jungkook biss den Kiefer fest aufeinander, der genervt Gesichtausdruck sprach Bände.
Im normal Zustand wäre er einfach weiter gegangen, ohne seinen Atem an dem Brünetten verschwendet zu haben. Nur war Jeon nicht im normal Zustand. Er war vollkommen zugedröhnt und ihm war scheiße kalt.
Der Schwarzhaarige wusste, er würde diese Entscheidung nachher bereuen. Wahrscheinlich würde er sich danach selber Ohrfeigen, aber das waren Probleme, mit dennen er sich erst in der Zukunft auseinandersetzen mussten. Auch wenn es ihn bereits nervte, weil er tief im inneren schon wusste, wie er sich entscheiden wird.
Er wirbelte herum, die Hände noch tiefer in die Taschen geschoben, während er hektisch nach einer Zigarette tastete. Endlich zog er eine hervor, klemmte sie sich zwischen die Lippen und zündete sie mit einem neonpinken Feuerzeug an – Genau das, das er sich ohne zu fragen von Namjoon genommen hatte.
» Dann weis mal den Weg.«, genervt blickt Jungkook zu Taehyung hinab, der neben ihm stand. In einer weißen Winterjacke, mit dunkelblauem Schal, in dem er sein halbes Gesicht versteckte und vor der kälte Schütze. Deswegen konnte Jeon auch nicht sehen, wie sich ein kleines lächeln auf die Lippen des Brünetten schlich.
Taehyung ging einfach los, still gefolgt von Jungkook. Worüber sollten sie sich auch unterhalten? In keinem einzigen Aspekt schienen sie etwas gemeinsam zu haben.
Sie liefen nebeneinander umhüllt von eiserne Stille, die sich mit der kälte mischte. Die Straßen waren stockdunkel und nur selten fuhren vereinzelte Autos an ihnen vorbei.
Als Taehyung in ein anderes Viertel einbog, konnte Jungkook ein spöttisches Grinsen nicht mehr unterdrücken. War ja klar, dachte er, während sein Blick über die eleganten Gebäude glitt. Gepflegte Vorgärten, glänzende Luxuswagen und riesige Fenster, die genug preisgaben, um die teure Einrichtung dahinter zum Vorschein zu bringen.
Jungkook setzte normalerweise kein Fuß in diese Gegend. Jemand wie er hatte hier sowieso nicht verloren. Wahrscheinlich konnten die Bewohner der teuren Häuser den Schwarzhaarigen schon riechen, wie er mit seinem Geruch ihre wertvolle Luft verschmutzte.
Taehyung hielt vor einem strahlend weißen Haus an. Rechts schloss sich eine Garage an, vor der ein glänzender schwarzer Mercedes parkte. Ein Vorgarten fehlte, doch der Weg zur Haustür war sorgfältig mit Kieselsteinen umrandet.
Sofort zog der Brünette seinen Haustürschlüssel hinaus, und schloss die Türe auf. Jungkook hinter ihm musterte nur alles spannend. Als Taehyung abrupt stehen blieb, drohte der gepiercte allerdings in ihn hineinzulaufen.
» Was bleibst du stehen?«, stoppt er, und blickt fragend zu dem Jungen vor ihm. » Also, meine Eltern schlafen schon, bitte versuch nicht so laut zu sein.«, erklärte Taehyung und trat ein, nachdem Jungkook ihm zunickte.
Taehyung knipste das Licht an und zog sich seine draußen Klamotten aus. Jungkook tat es ihm nur mit einem unwohlen Gefühl gleich. Der Eingangsbereich war schon riesig, seiner Meinung nach schon viel größer, als ein Eingangsbereich eigentlich sein müsste. Überall standen dunkle Möbel, mit goldenen Verzierungen. Auf ihnen standen kleine Pflanzen, anderweitige Dekoartikel oder Duftstäbchen.
Tatsächlich schien das ganze Haus so eingerichtet zu sein. Auch als der Tätowierte dem anderen in den offenen Essbereich folgte, war dort alles sehr dunkel und edel eingerichtet. Die schneeweißen Wände strahlten zusammen mit den dunklen Möbel eine besondere Eleganz aus. Dazu der sanfte Vanillie Geruch, der überall herumwirbelte wegen der Duftstäbchen, die alle von der selben Marke hier verteilt standen.
» Möchtest du einen warmen Kakao? Oder Tee?«, Mit seinen goldbraunen Augen, die an süßen Honig erinnerten schaute der Jüngere zu dem Schwarzhaarigen.
Jungkook konnte nicht anders, als zu denken, dass Taehyung mit seinem jungenhaften Gesichtsausdruck an ein Grundschulkind erinnerte, als er ihn anblickte. Die weichen, etwas fülligeren Wangen ließen sein Gesicht auf eine seltsam niedliche Weise rund wirken. Dazu kamen die leicht lockigen braunen Haare, die ihm unordentlich in die Stirn fielen und den Eindruck noch verstärkten.
Jungkook hingegen wirkte älter, als könnte er bereits mitte Zwanzig sein. Die zurück gegeelten Haare, schwarz wie die dunkelste Nacht. Dazu die Piercings, die sein markantes Gesicht schmückten und Tattoos die unter seiner Haut hervorblitzten, als würden sie eine Geschichte erzählen wollen.
Wenn Taehyung wie der wärmste Sommer wirkte, war Jungkook der kälteste Winter.
» Kakao klingt gut.«, antwortete der Schwarzhaarige und versuchte sich daran zurück zu erinnern, wann er das letzte mal einen Kakao getrunken hatte. Wahrscheinlich in der Grundschule. Mit einem leichten lächeln nickte Taehyung, bevor er sich wegdrehte, und zwei Tassen aus einem der oberen Schränke hinaus holte.
» Du kannst dich ruhig hinsetzten.«, er warf Jeon einen kurzen Blick über die Schultern zu. Jungkook guckte zu den dunklen Barhockern, die hinter der Theke stande. Er zog einen hervor und ließ sich nieder. Sein Kopf pochte immer noch, und er könnte auf der Stelle schlafen. Allerdings war ihm nicht mehr so kalt. Im Haus war es angenehm warm, als wäre es noch Sommer.
Wahrscheinlich lag es an der Fußbodenheizung, die Jeon sofort bemerkt hatte, als er sich die Schuhe abgestriffen hatte.
» Hier, Bitteschön.«, Taehyung stellte eine volle Tasse vor den anderen, die angenehm warm war. Er selbst hatte auch eine in der Hand. Auf der Oberfläche schwimmte Sahne und kleine Streusel, die langsam untergingen.
Der Braunhaarige zog den Hocker neben Jeon hervor, um sich dort niederzulassen.
» Was hast du so spät draußen gemacht?«, versucht Kim ein Gespräch aufzubauen. Jungkook lachte kurz auf. » Das selbe könnte ich dich auch fragen.« der Tätowierte nahm einen Schluck von seinem Trinken und musste sich eingestehen, dass es verdammt lecker war. » Schmeckts?«, fragt Taehyung und sieht abwartend zu Jungkook.
» Ist okay.«, antwort dieser, obwohl es mehr als okay war. Nur musste das Taehyung nicht wissen. Jungkook hatte nicht vor, sein bester Freund zu werden, weil er sich ein bisschen um ihn kümmert.
Die anderen Male war er auch allein zurechtgekommen – ohne, dass ein Kim Taehyung ihm zur Seite gestanden hatte.
Taehyung nickt und versucht weiter, irgendwie ins Gespräch zukommen.
» Jin hatte etwas bei mir vergessen, ich hab es ihm vorbei gebracht.«, erklärt er sein spätes draußen sein. Jeon nickte nur, den um ehrlich zu sein, interessierte es ihn nicht. » Ich hab gekifft und war saufen.«, sagt er, schaut zu Taehyung und freut sich, über sein geschocktes Gesicht.
Jungkook erkannte sofort wie sprachlos Taehyung war. Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, weswegen er einfach nur nickte und einen Schluck von seinem Kakao nahm. Jeon fand es unterhaltsam, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht gewichen ist.
Sie waren eben unterschiedliche Welten. Mit unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen, deswegen würden sie sich niemals verstehen können. Jungkook hatte noch nie jemanden getroffen, der so geschockt reagiert hatte, als er ihm erzählt hatte, dass er gekifft hat. Es war etwas, was er fast alltäglich tat und der Fakt das Kim fast vom hocker gefallen ist, als Jeon nur das Wort "kiffen" erwähnt hatte, zeigte ihm wie sehr sie nicht zueinander passten.
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Ich hoffe ihr habt alle schön ins neue Jahr gefeiert.
Ich wünsche euch viel Glück und Gesundheit für 2025.
- Shinya
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