NINE




» Lässt du dir jetzt helfen?«, Namjoon versenkt seine Hände in die tiefe seiner Jackentasche.

Jungkook und seine Freunde waren gerade auf dem Weg zur Schule. Die Sonne stand strahlend am wolkenlosen Himmel, und die kalte Morgenluft ließ ihren Atem sichtbar werden. Es war etwa 8:47 Uhr, und sie waren bereits über eine Stunde zu spät, weil der Junge mit dem Buzzcut noch schnell beim Kiosk eine neue Schachtel Zigaretten holen musste.

Auch Jungkook hatte kaum noch Zigaretten, aber er hatte kein Geld mehr, sich welche zu kaufen. In dem Portmonee seiner Mutter hatte er nicht mehr als einfache Münzen gefunden. den Pin ihrer Bankkarte wusste der Tätowierte nicht, weswegen er diese nicht nutzen konnte. Sein Vater war nicht da gewesen, genau so wenig wie seine Brieftasche, und da er nicht arbeiten ging, verdiente auch Jeon selbst keinen Cent.

Die drei liefen auf den Schulhof, wo sich ihre Wege trennten. Sie hatten nur wenige Kurse zusammen, was nicht daran lag das sie nicht die selben Fächer hatten, sondern weil es zu viele Schüler gab, als alle in einen Kurs zu packen.

Jungkook schlenderte lässig durch die endlosen, hell erleuchteten Flure der Schule, die von der frühen Morgensonne durchflutet waren. Seine Hände hatte er tief in die Taschen seiner abgenutzten Lederjacke vergraben. Eine leichte Spur von Zigarettenrauch hing noch in der Luft hinter ihm und mischte sich mit dem sterilen Geruch der frisch gewischten Böden.

Die Flure waren fast vollständig leer und so war nur das leise hallen seiner Schuhe wahrzunehmen. Nur hin und wieder kam ein Lehrer an ihm vorbei, der ihn mit einem kurzen, scharfkantigen Seitenblick bedachte – eine Mischung aus Missbilligung und einem leisen Hauch von Abneigung. Aber Jungkook schien das nicht zu kümmern; er erwiderte ihre Blicke nicht, sondern ging ungerührt weiter, den Kopf leicht geneigt, als wäre ihm die Welt um ihn herum gleichgültig. jeder Schritt schien wie eine kleine Rebellion gegen die Ordnung und Regeln, die die Lehrer an ihn stellten.

Jungkook stieß die Tür zum Klassenraum auf, ohne zu zögern und ohne sich die Mühe zu machen, vorher anzuklopfen. Die Tür flog mit einem kräftigen Schwung auf, und die Gespräche im Raum verstummten schlagartig. Sofort richteten sich alle Blicke auf ihn. Einige seiner Mitschüler starrten ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Andere hingegen nur mit einem Abfälligen Blick, den er immer überall abbekam. Nur interessierte es den Schwarzhaarigen nicht. Mit der selben gelassenen Haltung, die er immer trug ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

»Du bist zu spät!«, rief die blonde Lehrerin laut, ihre Stimme voller Schärfe. Jungkook kannte sie kaum, aber Namjoon und Hoseok hatten schon oft über sie geredet, wie geil sie sei – jung, mit Kurven an den richtigen Stellen.

»Ach nein, Sherlock«, murmelte Jungkook mit einem genervten Augenrollen und schlenderte zu seinem Platz. Auf dem Weg warf er Taehyung, der ihn nur flüchtig beachtete, einen besonders genervten Blick zu. Der Braunhaarige hatte bereits sorgfältige Notizen vor sich liegen, in einer makellosen Handschrift, wie Jungkook sie nur in seinen Träumen zustande bringen würde.

»Wenn du was abschreiben willst—« Taehyung schob seinen Block langsam über den Tisch. Sein Blick glitt nur flüchtig zu Jungkook hinüber, der ihn mit seinen tiefen, dunkelbraunen Augen ansah – Augen, die an Zartbitterschokolade erinnerten.

Jungkook zog die Augenbraue hoch, während sein Blick auf die elegante Schrift auf dem Papier fiel. Kein Wort davon ergab für ihn Sinn.

»Siehst du hier irgendwo Block und Stift?«, Jungkook sah Taehyung herausfordernd an. Dieser hielt dem Blick nur kurz stand, bevor er schwer schluckte.

»Ich ... ich kann dir was leihen.«, stammelte Taehyung schließlich und begann hektisch in seiner prall gefüllten Federmappe zu kramen. Das Mäppchdn schien aus allen Nähten zu platzen, gefüllt mit Stiften in jeder erdenklichen Farbe – helle und dunkle Töne, Buntstifte und Filzstifte. Dazwischen blitzten ein Geodreieck, ein Lineal und sogar eine Schere hervor.

Jungkook musterte das Chaos mit skeptischem Blick und rümpfte mit der Nase. »Nein, lass mal.«, murmelte er, schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück in den Holzstuhl, als wäre die Idee, Notzie  ab zu schreiben, unter seiner würde.

Taehyung nickte kaum merklich, gerade so, dass einige Strähnen seines dunkelbraunen Haars bei der Bewegung hüpften. Er hatte eine Idee, aber die Unsicherheit nagte an ihm. Was, wenn Jungkook ihn anfuhr? Seit der ersten Sekunde schien der Tätowierte ihm gegenüber abgeneigt zu sein. Taehyung hatte das Gefühl, allein schon durch sein Atmen den Gepiercten zu nerven.

Er räusperte sich leise, hob eine Hand vor den Mund und riskierte einen vorsichtigen Blick zu seinem Sitznachbarn. » ich kann dir auch ein Blatt machen. Dann musst du es dir nur durchlesen.«, schlug er zögernd vor, seine Stimme zum Ende hin immer leiser werdend.

Der Mut, den er kurz aufgebracht hatte, verpuffte augenblicklich, als Jungkooks Blick ihn traf – kühl und durchdringend, als würde er ihn regelrecht durchbohren. Als durchschaute er ihn und all seine Gedanken, die er nun laß.

Jungkook lachte auf, stütze legte seine Arme die in der Lederjacke eingehüllt waren auf den Tisch, bevor er sich noch vorne lehnte. Sein Blick zu der Lehrerin, die Formeln an die Taffel schrieb, die er nie verstehen würde.

» Und meinst du plötzlich kommt mir all das wissen zu geflogen, weil ich mir deine niedlichen Notzien durchles?« Taehyungs Blick glitt über Jungkooks Profil, als würde er jedes Detail in sich aufnehmen und abspeichern.

Die runden Ohrringe, die leicht an seinem Ohr baumelten, unterstrichen die Schärfe seiner markanten Jawline. Seine vollen, rosigen Lippen, die von einem dezenten Ring geschmückt wurden, zogen Taehyungs Aufmerksamkeit für einen Moment besonders in ihren Bann. Die sanfte Kurve seines Nasenrückens endete in einer abgerundeten Spitze, die sein Gesicht harmonisch abrundete. Unter den dichten, ausdrucksstarken Augenbrauen – eine davon verziert mit einem Piercing – ruhten Wimpern, so lang und dicht, dass sie an die zarte Eleganz einer Fee erinnerten.

Jeons Gesicht war von einer Schicht eleganz überzogen, die gold glitzerte, nur die Piercings und seine rücksichtslose Persönlichkeiten zerstörten den Glanz. Nicht zu vergessen die Tinte, die sich unter seiner Haut befand.

» Nein, aber ich kann dir helfen das du es verstehst.« in dem Braunhaarigen herrschte ein Drang, dem Schwarzhaarigen zu helfen. Außerdem war da noch diese Unsicherheit und priese an Verwirrung. Unsicherheiten weil er sich nicht sicher war, ob es richtig war Jungkook seine hilfe so aufdringlich anzubieten. Aber die Verwirrung nicht zu verstehen, wie er seine Zukunft so wegschmeißen konnte, nagte an ihm.

Der Tätowierte ließ seine Hand, an der grobe Ringe glitzerten, über sein Gesicht fahren wobei er seufzte. » Verdammte scheiße, wieso willst du mir überhaupt helfen?«, blickte er zu Taehyung. In seinen Augen eine Mischung aus Wut und Verständnislosigkeit. Den Jeon hatte kein Verständnis dafür, wieso dieser nervige Junge neben ihm ihn helfen wollte.

Er war schlau und über aus Freundlich noch dazu. Das zeigte sich in jedem seiner durchdachten Worte und Gesten, und seine teuren, gepflegten Kleider unterstrichen diesen Eindruck nur noch. Er schien jemand zu sein, der ohne zu zögern einer alten Dame über die Straße half – ein Mensch mit einem Herz und einer Seele so rein, dass sie wahrscheinlich jedes mal einen kleinen, aber sichtbaren schwarzen Fleck abbekamen, wenn er nur mit Jungkook sprach.

Taehyung zuckte nur mit den Schultern, was dazu führte, dass Jeon entsetzt die Luft ausstieß. Immerhin wusste der Braunhaarige auch nicht genau, wieso er dem Tätowierten helfen wollte. Vielleicht weil jeder das Recht auf eine gute Zukunft verdient hatte? Egal ob aus eigener Hand oder Unterstützung durch eine zweite.

» Weil ich dir helfen kann—«, vorsichtig blickte Kim zu Jungook, dieser lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und sah Taehyung aus skeptischen Augen an. » Es geht immerhin um deine Zukunft.«

Jungkook kniff die Augen einwenig zusammen, biss sich fest auf die Zähne, bevor er die Arme anspannte. » Weil du mir helfen kannst?—«, der Schwarzhaarige spuckte die Worte nur so aus. » Du glaubst echt, dass du so 'ne Art Heiliger bist, Jemand, der den Hilflosen seine Hand reicht? Ich bin aber keine verfickte Wohltätigkeitsveranstaltung.«, Jeons Stimme war nicht grade laut, aber kratzig und voller wut.

Sie ging Taehyung bis auf Knochenmark und ließ ihn verzweifeln. Langsam gingen ihn Worte, wie ebenso Argumente aus. Aber hatte er überhaupt schon welche geliefert? » Wieso ist es so schlimm meine Hilfe anzunehmen?«, fragte er grade so raus. Die Frage lag schon die ganze Zeit auf seiner Zunge, und die Worte brannten sich in sein Gehirn.

Der Tätowierte wendet sich ab. Dreht den Kopf nach vorne, als wäre der Brünette neben ihm garnicht da. » Ich hab dich nicht um Hilfe gebeten.«
» Und deswegen kannst du sie nicht annehmen?«, mit schiefen Kopf schaut Taehyung zu Jeon. Er sah so aus, als würde er auf einen Gedanken herum kauen, und er schien nicht besonders gut zu schmecken. Vielleicht kaute er sich auch eine neue Beleidigung zusammen, die er dem Braunhaarigen gleich an den Kopf spucken würde.

» Meine Zukunft juckt mich einen feuchten.« Es waren nicht nur einfache Worte die Jungkook von sich gab, sondern die bittere Realität. Er hatte damit abgeschlossen, dass seine Zukunft darauß bestand durch Blumenwiesen in den Sonnenuntergang zurennen. Er ran eher ins Verderben.

» ist mir noch garnicht aufgefallen.« Taehyungs Stimme war leise, trotzdem hörte Jungkook die Worte. Nur weil sie mehr als zwei Sätze miteinander gewechselt hatten, hieß dies nicht das Taehyung keine Angst mehr vor Jeon hatte. Dieser würde immer noch zu schlagen, falls der Braunhaarige ihn weiter nerven würde.

» Hörst du dann endlich auf zu nerven?«, knurrt der Tätowierte, sein Geduldsfaden kurz vorm reißen. Taehyungs Honig Stimme brachte ihm allmählich Kopfschmerzen, genau wie der süße Duft von Lebkuchen. Er musste dringest sein Duschgel wechseln.

Auf die rosa Lippen von Taehyung schlich sich unwillkürlich ein Lächeln. Es war kaum sichtbar, aber der Brünette spürte, wie seine Mundwinkel ein kleines bisschen nach oben gingen. Er nickte energisch, wobei Jungkook ihn angewiedert ansah. » Gut, dann hilf mir, aber wehe du fuckst mich ab.«

Innerlich hätte der Braunhaarige am liebsten laut gejubelt und vor Freude in die Luft gesprungen, doch nach außen hin bewahrte er eine ruhige Fassade. Jungkook hingegen fühlte, wie sich der Gedanke in ihm festsetzte, dass er nun mit dieser Nervensäge klarkommen musste – jemandem, der sich offenbar für etwas Besseres hielt. Und jetzt hatte der Schwarzhaarige ihm sogar die Bestätigung dafür geliefert, indem er seine Hilfe angenommen hatte, auch wenn es ihm widerstrebte.

Am liebsten hätte er sich dafür selbst geohrfeigt, ziemlich hart. So hart, dass er wieder zu Vernunft kommt. Jungkook wusste ganz genau, dass er nicht einmal seinen kleinen Finger krümmen würde, um etwas für die Schule zutun. Es war ihm nach wie vor egal. Der Fakt das Taehyung ihm heflen will, änderte nichts an der Ansichtsweise von dem Tätowierten. Es war immerhin seine Zukunft, deswegen verstand er den Braunhaarigen umso weniger.

Seine Zukunft würde wahrscheinlich glitzern und er würde pinke Zuckewattr essen, während er auf einem Einhorn über den Regenbogen fliegt. Jungkook hingegen würde in einer Gasse liegen, mit der Hoffnung abends nicht zu erfrieren.

Sie waren sich so unterschiedlich, das man es sich garnicht vorstellen konnte. Taehyung war zurückhalten mit leiser Stimme, während Jungkook auffiel und so laut herum prallte, das man meinen könnte ihm würde irgendwas auf der Welt gehören, dabei hatte er nichts. Taehyung war die strahlende Sonne, während Jeon der Mond war.

Taehyung war jemand, der eine Aussicht auf eine Zukunft hatte.
Jungkook war jemand, der sich nur wünschen konnte, überhaupt eine Zukunft zu haben.

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