FOUR
Es war bereits nach Mitternacht. Die Glockenschläge der großen Kirche hatten bereits mehrmals geläutet und somit den Übergang in den Nächsten Tag verkündet. Es war kühl draußen und jedes Mal, wenn ein Windstoß vorbei wehte und die freigelegten Arme von Jungkook streifte, da er nur ein einfaches T-Shirt trug, überzog ihn eine Gänsehaut und seine feinen Häärchen stellten sich auf.
Eigentlich sollte Jungkook jetzt zu Hause sein, eingekuschelt in seinem alten Bett, das schon bedrohlich knarzte und bald nachgeben könnte. Unter der dünnen Decke, die kaum Wärme spendete, hätte er sich wahrscheinlich wie immer einen runtergeholt, weil er so schneller einschlief.
Jungkook war nun mal eben kein Vorzeige Sohn. Keiner, mit dem man seine Tochter zusammen sehen wollte, geschweige denn seinen Sohn.
Er schwänzte regelmäßig die Schule und streifte bis zum Morgengrauen durch die Straßen Seouls, statt zu Hause zu sein. Alkohol trank er öfter als Wasser, und Drogen waren fast schon dauerhaft in seinem Blut vorzufinden. Wenn ihm danach war, schlug er zu, ohne zu zögern. Er war Kettenraucher und würde seine letzten zehn Euro lieber für eine Schachtel Zigaretten ausgeben, als für ein gesundes Frühstück.
Deswegen schlief er nicht, sondern saß draußen in bitterer Kälte mit Namjoon und Hobi auf einer verdreckten Parkbank. Um sie herum leuchtete keine Laterne und es war so dunkel, dass man seine eigene Hand nicht erkennen konnte. Deswegen hatte Hoseok seine Handytaschenlampe angeschalten, und sein Handy in die Mitte der Bank gelegt.
» Gib mal jetzt her man.«, fauchte Namjoon und riss den Joint aus Hobis Fingern. Namjoon war der einzige gewesen, der noch ein wenig Ott in seinem Grinder gehabt hatte. Mit Mühe hatten sie jeden Krümmel rausgekratzt, und zusammen mit Tabak ins Pape gerollt. Sie hatten keinen Filter gehabt, weil sie oft auf das Geld achten mussten, und da ein Filter nicht zwingend notwendig war, verzichteten sie öfter auf diesen.
Man musste nur an ihnen vorbei laufen und der Duft der sie umgab, veriet, was sie taten als stände es in der Luft geschrieben. Bestimmt roch man es schon von mehreren Meter weiter Entfernung.
Jeder der an denen drei vorbei ziehen musste, warf ihnen einen angewiderten Blick zu. Denen bekammen sie immer ab, so oft, das er sich schon in Jungkooks Gedächtnis gebrannt hatte.
Es war dieser Blick, der sie im Stillen verurteilte. Der ohne Worte sagte, wie bemitleidenswert und arm sie waren, dass sie so abgekratzt auf der Parkbank saßen, und kifften.
Dabei kannten all diese Menschen die drei nicht einmal, und der Gedanke ließ Jeons Wut förmlich überkochen. Diese Blicke der Verurteilung nervten und schmerzten gleichzeitig, wie ein Stich ins Herz. Sie wussten nichts über die Kämpfe, die sie durchmachten – ob ihre Mütter während der Schwangerschaft mit schweren Abhängigkeiten zu kämpfen hatten oder ob sie selbst durch Gruppenzwang in die Sucht hineingeraten waren.
Ob sie unter Krankheiten litten, die Drogen für sie zum einzigen Ausweg machten. Jeon sehnte sich danach, dass die Menschen hinter den Blicken verstehen würden, dass es mehr sie mehr waren, als sie auf den ersten Blick sahen.
Meistens waren es ohnehin die Menschen, die alles hatten: eine Bilderbuchfamilie und genug Geld, um es ohne weiteres zum Fenster hinauszuwerfen. Taehyung war mit Sicherheit ein Sohn einer solchen Familie. Deswegen würde Jungkook sich ganz bestimmt nicht von ihm helfen lassen. Es wäre nur ein weiterer Schlag ins Gesicht, diesem Taehyung das Gefühl zu geben, Jungkook überlegen zu sein, nur weil er seinen Arsch mit dem Geld abwischen konnte, das Jungkook fehlte.
Aber vielleicht wurde Jungkook durch die Blicke sauer, weil sie genau das aussdrückten, was sie er und seine Freunde waren. Vielleicht wussten all diese Leute nicht, wieso sie kifften, aber ihr Blick sagte auch aus, das aus ihnen später nichts werden würde. Das sie mit kaputter Kleidung auf Parkbänken schlafen werden, und ein Pappbecher vor ihnen stehen wird mit der Hoffnung, dass jeder der dran vorbei geht, ein bisschen Geld hinein werfen wird.
Jungkook war selbst gerade auf dem besten Weg, genau so zu enden – ohne Perspektive und kurz davor, von der Schule zu fliegen. Er wusste, dass es eigentlich an ihm lag, die Kurve zu kriegen, aber er spürte auch, dass es längst zu spät war. Selbst wenn er jetzt anfinge, alles nachzuholen, wären die anderen schon längst mit ihrem Abschluss durch während er sich in Schulbüchern verlieren würde, die er nicht einmal besaß.
Das waren Jungkooks
"Grenz-Gedanken." Zum mindestens nannte er sie so. Die Gedanken, die nur auftauchen, wenn er Drogen schmeißte. Im nüchternen Zustand würde ihm das alles garnicht einfallen, weil wenn er nüchtern war war ihm sowieso alles scheiß egal. Aber wenn er drauf war, tauchten da Gedanken auf, die seine Welt auf einmal auf den Kopf stellten.
Was wäre, wenn alles anders passiert wäre? Was wenn Jungkook nie an seinem ersten Joint gezogen hätte, wenn er nie auf Min Yoongi getroffen wäre? Wäre er dann jetzt wie dieser Taehyung? Mit Klamotten die vor Sauberkeit funkelten und Noten, die man vorzeigen konnte. Mit einer Aussicht auf eine Zukunft?
» Verfickte Scheiße!«, brüllte Namjoon, fuhr sich über seinen Buzzcut und legte dabei seine Stirn in Falten. Jungkook wurde dank seines Brüllens aus seinen Gedanken gerissen, in denen er sich so verhangen hatte. Der Tätowierte guckte runter, vor seine Füße, dort, wo Namjoon krabbelte und mit seinen Händen den Boden abtastete.
Als er sich wieder erhob, hatte er ein paar vereinzelte Kippen in der Hand. » Hast du deine Schachtel fallen lassen?«, fragte Jeon, der das Geschehen nicht mitangesehen hatte. Namjoon brummte genervt auf und Jungkook verzog darauf hin nur amüsiert seine Lippen.
Namjoon riss immer die Kappe der Zigarettenpackung ab, was dafür sorgte das alle Kippen beim hinunterfallen über den Asphalt gerollt sind.
» So komm ich schneller an meine Kippen ran.«
Hatte er Jungkook und Hoseok erklärt, als sie gefragt haben warum er immer die papkappe abriss.
» Fuck man, meine Kippen!«, flucht der Junge vor sich hin, während Hobi neben Jungkook in hohen oktaven am kichern ist. » Du kicherst wir nh schlampe.«, sagt Jungkook darauf hin und bringt Joon zum amüsierten aufschnauben.
» Sorry du pisser, wenigstens werd ich nicht von der Schule geschmießen.«
Jungkook seufzt, fährt sich durch die schwarze Mähne und zieht die Augebrauen zusammen. » Aber ehrlich kooks, was willst du jetzt machen?«, fragt Namjoon, während er das pinke Feuerzeug in seinen Fingern zum entflammen bringt.
«Keine Ahnung, man.« murmelte Jungkook.
»rgendwie musst du später an Geld rankommen.« ,meinte Hobi und warf einen Blick auf seinen tätowierten Freund.
»Das weiß ich doch selbst, du Spast.« antwortete Jungkook genervt und sah zu Joon, der den Rauch aus seinen Lungen in die kalte Nachtluft blies.
»Mach's einfach wie Yoongi.«, wirft Joon ein.
Ein bitteres Lachen entfuhr Jungkook, als er den Namen des Ältesten hörte. Ein unangenehmer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, und seine Hände wurden leicht feucht. Doch er zwang sich zu einem Grinsen, als würde es ihn nicht tief in seinem Inneren treffen.
»Ja klar,« sagte er, »ich zieh dann gleich bei ihm und Park ein.«
Namjoon zuckte mit den Schultern. »Wieso nicht.«
Jungkook schnalzte genervt mit der Zunge. »Kein Bock, Jimins Gestöhne die ganze Zeit zu hören.« ,erklärte er, woraufhin Hoseok laut auflachte.
»Du weißt doch gar nicht, wie die's treiben! « grinste Hoseok, während er mit seinen Fingern spielte und unruhig mit dem Bein wippte. Wenn er gekifft hatte, wurde er nervös und konnte kaum still sitzen.
Namjoon seufzt, » Dann kann man sich ja wohl denken. Als wenn Yoongi sich in den Arsch ficken lässt.« » Okay hast recht.«, gibt Hoseok sich geschlagen, wobei er weiter mit seinen Fingern spielt. Er zieht an jedem seiner Finger, knackt sie und drückt drauf herum, als seie es ein Spielzeug.
» Digga kook, lass dir einfach von dem Typ da helfen.«, Namjoon schmeißt seinen Zigarettenstummel weg und Jungkook gibt ein verächtliches Geräusch von sich, während er die Augen schließt.
» Auf keinen Fall, nachher will der noch Geld oder so dafür.«
» Ich will meinen Abschluss nicht ohne dich machen.«, gibt Joon von sich. » Auch wenn ich nicht wirklich bessere Noten als du habe.«
Jungkook lacht, » Ohne Spaß wieso werd nur ich fast runter geschmissen.« Namjoon kann nicht anders, als unwillkürlich zu grinsen.
» Bro weil du dumm bist.«
» Aber nicht dümmer als ihr.«, wehrt sich Jungkook. » Doch selbst der Direktor sagt es, er hats nur umschreiben.«
Jeon zischt auf,» Du bastard.«
Hoseok hat das ganze nur mit einem Lachen unterstützt. Namjoon hingegen zündet sich wieder Kippe an, wobei seine letzte keine Zehn Minuten her ist. Jungkook holt selbst seine Schachtel heraus bevor er sich eine Kippe zwischen die Lippen setzt und anzündet.
Wenn Jungkook genau drüber nachdachte, waren die drei ein armer Haufen. Abhängig und schon mit einem Fuß im Grab, weil sie Drogen nahmen wie normale Nahrung und rauchten, als würden sie sich frische luft durch die Lungen ziehen. Deswegen versuchte er nicht genau drüber nachzudenken, nahm dem nächsten Zug von seiner Kippe und schon juckte es ihn nicht mehr.
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