EIGHTEEN



Der kalte Mittagswind reißt den Rauch der Zigarette mit sich und verteilt ihn in alle Richtungen. Jeon steht mitten auf dem Schulhof, die Zigarette lässig zwischen den Fingern. Immer wieder wandert sein Blick suchend umher, während er auf den Braunhaarigen wartet, der bereits acht Minuten Verspätung hat.

Als Jungkook den Brünetten schließlich erkannte, schnippte er die Zigarette weg und schlenderte langsam auf ihn zu, während der andere mit hastigen Schritten auf Jungkook zukam. Taehyungs braune, leicht gelockte Haare fielen ihm in die Stirn, während die Hälfte seines Gesichts unter einem beigen Schal verborgen war. Zusammen mit der weißen Winterjacke wirkte er direkt wieder so, als wäre er direkt einem Modekatalog.

» Du bist spät dran.«, spuckte Jeon wobei Taehyung nur unsicher lächelte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Seitdem Jungkook ihm geschrieben hatte, wusste Taehyung erst recht nicht, was er von der ganzen Situation halten sollte. Es war widersprüchlich. In seinem Bauch mischten sich positive und negative Gefühle. Der Gedanke, Jeon endlich dabei helfen zu können, das Schuljahr doch noch zu schaffen, machte ihn froh. Doch gleichzeitig war da die Erinnerung daran, wer Jeon Jungkook eigentlich war.

Nämlich ein Draufgänger, der auf alles und jeden scheißte, auch sich selbst.

»Also, gehen wir dann zu mir?«, fragte Taehyung unsicher, während sein Blick nervös umherschweifte. Sobald Jeon ihm knapp zunickte, setzte er sich in Bewegung. Als er vorhin bei Jungkook angekommen war, schlug ihm sofort der markante Geruch von Zigaretten entgegen.

» Sind deine Eltern da?«, fragend schaut Jeon zu dem etwas kleineren. » Meine Mom könnte vielleicht kommen, sie ist nur eben Einkaufen.«, beantwortet Taehyung die Frage, was den Tätowierten zum Grinsen bringt. » Das könnte ja interessant werden.

In Jeons Kopf spielten sich unzählige Szenarien ab, wie das Aufeinandertreffen mit Kims Mutter wohl verlaufen würde. Vielleicht würde sie ihn mit einem angewiderten Blick mustern, während ihre Augen über seine tätowierte Haut und die unübersehbaren Piercings wanderten. Oder sie würde direkt einfach so umfallen, dank des Duftes von Zigaretten, Gras und Alkohol. Danach würde Jeon vermutlich sofort rausgeschmissen werden.

» Hast du den keine Sachen mitgenommen?«, Taehyung dreht sich zu dem Schwarzhaarigen um. Er trug weder Bücher in der Hand, noch hatte er einen Rucksack. Jungkook lachte kurz auf, » Was für Sachen denn? Ich hab nichts«
Taehyung blickte wieder nach vorne und nickte Stumm. Das könnte aufregend werden, dachte er sich.

Der restliche Weg verlief Still. Ein oder Zweimal hatte Jeon sich eine Zigarette angezündet. Er hatte sogar Taehyung gefragt ob er eine wollte, mit einem verräterischen Lächeln ihm Gesicht. Der Brünette hatte einfach nur überrumpelt mit den Kopf geschüttelt.

Taehyung zog seinen Schlüsselbund aus der Jackentasche, der bei der Bewegung klimpert . In der Einfahrt war kein Auto zu sehen, also nahm Taehyung an, dass seine Mutter noch nicht zu Hause war.

Im Flur legten sie Jacken und Schuhe ab. Taehyungs Blick blieb kurz an Jeons bloßen Armen hängen, und seine Augen blieben länger als nötig an der bunten Haut hängen. »Ist dir nicht kalt?«, fragt der Brünette
Jeon zuckte nur mit den Schultern und winkte ab. » Halb so wild«

Taehyung nickt, bevor sie weiter ins Haus laufen. » Hast du schon gegessen? Oder willst du was trinken?«, fragend schaut Kim zu Jeon, der ein kleines wenig überfordert war. Wenn er bei Yoongi oder Joon die Tür hinein spazierte, würde er gefragt ob er eine Nase oder Bier wollte.

Jungkooks Gedanken schweiften an den Kakao zurück, den er letztens hier bekommen hatte. Und obwohl seine Sinne völlig benebelt waren, könnte er schmecken wie himmlisch gut der Kakao war. Nur war sein Stolz größer, als das zuzugeben.

» Hast du auch Bier da?«, leicht schmunzelnd der Schwarzhaarige, wobei sein Lippenpiercing zur Seite kippt. Taehyung riss die Augen ein wenig auf, und sein Mund stand offen. Ihm fehlten sichtlich die Worte, und dieser Anblick amüsierte Jeon. » Ich– also ich kann mal ihm Keller nachsehen.«, Kims Stimme war nicht mehr als ein leises, unsicheres Flüstern.

Er wollte bereits los gehen, als Jungkook ihn aufhielt. » Wasser tuts auch.« Taehyung nickt, wobei ihm ein Stein vom herzen fiel, was der Schwarzhaarige zum Glück nicht sehen konnte. Der Brünette dachte tatsächlich, sein Gast wollte ein Bier. Dabei wusste Taehyung nicht, dass Jeon tatsächlich eins genommen hätte, hätte er Ja gesagt.

Zusammen liefen sie in die Küche, wobei Jeon Kim hinterher schlenderte. Es roch genau wie beim letzten mal, nach Vanille. Mit einem schleier von Lebkuchen, den Taehyung hinter mit sich mit zog.
» möchtest du still oder mit sprudel?«, abwartend schaut Taehyung zu Jungkook, der überlegte. » Sprudel.«, sagte er schlussendlich und Taehyung holte eine Flasche aus dem Kühlschrank.

»Möchtest du Zitronenscheiben darin haben?« Taehyung sah Jungkook erneut fragend an, während dieser aussah, als würde er jeden Moment in schallendes Gelächter ausbrechen.
Ein ungläubiges Grinsen zog sich über Jungkooks Gesicht. War das eine ernst gemeinte Frage? Für einen Moment war er sich sicher, dass Taehyung ihn einfach verarschen wollte.

Wenn Jungkook jemals jemanden zu sich nach Hause einladen würde, würde er wahrscheinlich ein Glas aus dem Schrank ziehen, bei dem an der oberen Kante schon etwas Glas abgesplittert war. Er würde den Wasserhahn aufdrehen, das Glas füllen und es der Person wortlos vor die Nase stellen. Aber Taehyung fragte ihn gerade, ob er Zitronenscheiben in seinem Wasser haben wollte. Zitronenscheiben.
Würde er ihm gleich noch fragen, ob er Zehntausend Euro in bar haben wollte?

»Nur, wenn ich dann auch einen Strohhalm bekomme.« grinste Jungkook und beobachtete, wie Taehyung ohne eine Miene zu verziehen nickte. Er öffnete den Kühlschrank und zog eine Tupperdose heraus, in der bereits geschnittene Zitronenscheiben lagen. Taehyung nahm sich ein paar, warf sie ins Glas und zog dann eine Schublade auf. Mit einer fast schon unverschämten Gelassenheit holte er einen Glasstrohhalm hervor und ließ ihn mit einem lauten Klimpern ins Glas fallen.

» Wollen wir hier lernen oder in meinem Zimm—.«, Taehyung kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Ein Schlüssel klapperte laut, das Schloss drehte sich, und keine fünf Sekunden später fiel die Tür mit einem dumpfen Knall ins Schloss.

Danach war das Geräusch von Schuhen auf dem dunkeln Holzboden zu hören. In Regelmäßigen Abständen hallte es im Haus wieder und Taehyung und Jeon schauten wie hypnotisiert zur Tür. Jungkook dabei mit dem Glas in der Hand.

Plötzlich erschien eine Frau im Türrahmen, ihr Blick ruhte auf den beiden Jungs. Jeon hielt ihrem prüfenden Blick stand, starrte direkt in ihre Augen, während sie ihn mit derselben Intensität musterte. Sie war etwa 1,65 groß und hatte dieselbe braune Haarfarbe wie Taehyung welches im Sonnenlicht schimmerte, wie Karamell mit einem Hauch von Gold.

Ihr schmales Gesicht war von zart rosa Wangen und dichten Wimpern umrahmt, ihre Lippen waren schmal, und zu einer Linie gezogen . Ihr Haar fiel knapp über ihre Schultern, und der Schmuck an ihrem Körper war so Teuer, dass Jungkook sich sicher war, niemals so viel Geld zu besitzen, wie er gerade vor sich sah.

Auch Taehyungs Mutter ließ ihre Augen über den Schwarzhaarigen wandern. Er stand dort mit verwaschenen Klamotten, Haaren, die dank Haarspray aneinander klebten, dem Duft von Zigaretten und Piercings die mit dem Tattoo nicht zu übersehen waren.

Der Brünette räusperte sich, setzte ein lächeln auf und fing an, seinen Gast vorzustellen. » Das ist Jungkook Mom, von dem ich dir erzählt hab. Wir lernen zusammen.«

Die Mutter hörte erst Still zu, bevor sie auf einmal anfing breit zu Lächeln. » Freut mich sehr endlich ein Gesicht zum Namen zu haben. Wenn ihr was braucht sagt bescheid.«

Jeon nickte und wusste nicht, was er sagen sollte. Auf einmal kam er sich mit dem Glas richtig bescheuert vor. Aber als Taehyung die Treppen hinauf lief, folgte Jeon ihm Still bis er in seinem Zimmer stand. » Setzt dich einfach aufs Bett, da lern ich sowieso immer.«

Jeon setzte sich Stumm, wobei er von seinem Wasser trank. Es schmeckte diesmal nicht nach Alkoholsucht, wie das Bier, was er sonst immer in der Hand hielt.  Er ließ seinen Blick durch Kims Zimmer schweifen, das vor Luxus nur so strotzte. Makellose Möbel ohne einen einzigen Kratzer, sorgfältig platzierte Kerzen, und ein Balkon, der mit einer gemütlichen Sitzecke ausgestattet war. Von dort aus konnte man den weitläufigen Garten überblicken, der sich hinter dem Haus erstreckte.

Dazu roch es nach Lebkuchen. So sehr, dass Jungkook die Nase rümpfte.

Taehyung setzte sich zu Jungkook aufs Bett, der mittlerweile schon drinnen lag, als seie es sein eigenes. Dabei hatte der Brünette seine Bücher, Stifte und Blöcke mitgebracht.

» Also, fangen wir an?«, fragte er und entlockte ein genervtes Stöhnen aus Jungkook. » Müssen wir?«, der Tätowierte schaut genervt auf die Unterlagen. Am liebsten würde er sie nehmen, anzünden und dran ziehen. » Dafür bist du doch hergekommen oder nicht?«

Taehyung hatte recht, genau dafür war der Schwarzhaarige hergekommen. Aber es hatte sich rein nichts an Jeons Denkweise verändert. Sein Abschluss interessierte ihn nach war wie vor nicht, und nur weil er hier in Taehyungs Bett lag, würde er sicherlich nicht wie wild anzufangen zu lernen.

» Ich hab kein bock.«, meint Jeon, der sich dabei durch die dunkle Mähne fährt. Taehyung spielt in der
Hand mit dem Reißverschluss seines Mäppchens. Er war nervös und wusste nun nicht mehr, was er sagen wollte. Er konnte den Jungen neben sich immer hin nicht zwingen.

»Darf man hier rauchen?«, fragte Jeon und zog eine Augenbraue hoch, während er den Brünetten
fragend anblickte. Der wirkte genauso überrascht wie zuvor, als Jeon ihn nach einem Bier gefragt hatte. Doch diesmal war die Frage ernst gemeint. Jungkook verspürte den bitteren Drang, Nikotin in seinen Lungen zu fühlen.

» Auf dem Balkon.«, murmelte Taehyung, blickte auf seine Hände die immernoch nervös das Mäppchen umklammerten. Jungkook stand auf und fischte eine zerdrückte Zigarette aus der Hosentasche. » Willst du auch?«
Kim schaut auf und sieht, wie der ältere ihm eine Zigarette vor die Nase hält. Sofort schüttelte er hastig mit dem Kopf und beobachtete, wie Jeon raus auf den Balkon trat.

Sofort kam die frische Luft Jeon entgegen. Er nahm das pinke Feuerzeug, hielt es an die Zigarette und zog kräftig an ihr. Er behielt den Qualm für ein paar Sekunden in der Lunge, bevor er ihn hinaus pustete. Es fühlte sich nach Befreiung an, obwohl es das nicht sollte. Die Anspannung fiel aus Jungkooks Schultern und ganz kurz, für ein Bruchteil einer Millisekunde ließ er den Kopf fallen.

So langsam ging die Sonne unter, was man von Taehyungs Balkon besonders gut beobachten konnte.

Jungkook hatte eigentlich keine Lust, den Braunhaarigen ständig zu besuchen. Selbst mit Taehyungs Hilfe würde er nicht lernen, da war er sich sicher. Schon lange hatte er sich damit abgefunden, dass er seinen Abschluss vermutlich nicht schaffen würde. Wenn er an seine Zukunft dachte, erschien sie ihm wie ein verrauchtes Zimmer. Mit leeren Bierdosen und Zigarettenstummeln.

Aber für die Aussicht, wie die Sonne langsam aber sicher abging, und sich eine dunkle Decke über die Stadt legte, würde er nochmal wieder kommen.

Auf einmal tauchte eine Gestalt neben Jungkook auf, und er schaute zu Taehyung, der kerzengrade dastand. Jungkook hingegen lehnte an dem Zaun, der sorgte, dass man nicht hinab stürzte.

»Seit wann rauchst du eigentlich?«, fragte Taehyung und biss sich im selben Moment innerlich auf die Zunge. Es ging ihn schließlich überhaupt nichts an.
Jeon zog die Augenbrauen zusammen, den auf einmal bildete sich ein bitterer Geschmack in seinen Mund.
»Seit zwei Jahren.« antwortete er schließlich.

Taehyung nickte stumm, obwohl die Antwort ihn überraschte. Mit 16 wäre er selbst niemals auf die Idee gekommen, zu rauchen. Und auch jetzt, mit 17, war der Gedanke daran für ihn absurd. Eine Zigarette zwischen die Lippen zu stecken, lag für ihn einfach außerhalb jeder Vorstellung.

Es war ungesund, außerdem war er noch garnicht volljährig. Aber er war sich sicher, dass auch Jeon wusste, das es alles andere als Gesund war. Aber aufhalten konnte ihn man nicht. Er war 18, somit volljährig und selbst in der Lage, entscheidungen zu treffen.

» Ich werd jetzt gehen.«, Jeon lief wieder zurück ins Zimmer wobei Taehyung ihm geschockt hinterher sah. » Aber wir haben noch garnicht gelernt!«, rief er, stolperte dem älteren dabei hinterher.
Jungkook fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. » Ja, heute ist mir nicht so nach lernen.«, erklärte er und verließ das Zimmer von Taehyung.

Taehyung folgte ihm einfach, ohne zu wissen, was er sagen sollte. Sprachlos beobachtete er, wie Jungkook mit großen, entschlossenen Schritten zum Eingangsbereich lief. Dort zog dieser sich wortlos seine Schuhe und Jacke an, bevor er ohne einen weiteren Blick zurück das Haus verließ.

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