𝐚𝐬 𝐭𝐡𝐞 𝐰𝐨𝐫𝐥𝐝 𝐜𝐚𝐯𝐞𝐬 𝐢𝐧
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❝And as the earth burns to the ground❞
Glasscherben knirschten unter meinen blanken Fußsohlen, als ich über die Trümmer meines zerstörten Tempels schritt. Blut floss in kleinen Rinnsalen aus endlosen Schnitten und Wunden, die sich über meinen gesamten Körper ergossen.
Aus dem Himmel regnete blechernde Dunkelheit direkt in das Flammenmeer, welches seit Stunden die ganze Welt verschlang.
Ruß und Rauch setzten sich in meiner Lunge fest und meine Brust hob und senkte sich schwer bei dem Versuch einzuatmen, während ich meinen müßigen Weg fortsetzte und versuchte, einen Eingang in das Innere meines Heiligtums zu finden. Meine Finger rutschten haltlos an den Steinen ab, die den Durchgang verschüttet hatten und mein Körper sackte einen Moment in sich zusammen, als ich vergebens alle meine Kraft aufwendete, um die zersprungenen Säulen zu verschieben.
Erschöpft sackte ich auf meine Knie. Mein Körper fühlte sich schwerer an denn je und ich zwang mich mühevoll zurück auf die Beine. Ich konnte spüren, wie meine Muskeln schreiend protestierten, als ich mich ein weiteres Mal gegen die schweren Steine stemmte. Ein frustrierter Laut kam über meine Lippen als ich erneut scheiterte.
Ein Windhauch streifte mich und trug weiterhin Ruß in meine Richtung. Meine Augen brannten und ich schloss sie ergeben für einige Momente. Tief einatmend suchte ich in mir nach der vertrauten Wärme meiner Macht. Behutsam versuchte ich, ihr Licht zu ergreifen und öffnete die Augen wieder. Zitternd hob ich meine Hand. Das ersehnte Kribbeln wanderte in meine Handinnenflächen weiter in die Säulen, die mir den Eintritt verweigerten.
Die Säulen verschoben sich unendlich langsam, bis ein Durchgang entstand, groß genug, um hindurch zu passen. Mit verzogenem Gesicht zwängte ich mich hindurch und konnte augenblicklich spüren, wie eine große Last von mir abfiel. Ich sackte zu Boden und blieb liegen.
Schwer atmete ich ein und aus, während mein Blick starr an die hohe Decke über mir gerichtet war. Angesichts der Schönheit dieser Halle wurde mir mehr als nur deutlich das ganze Blut, der Dreck und der Ruß bewusst, die meinen Körper bedeckten. Meine Augen wanderten weiter zu der übergroßen Statur die, halb im Schatten der dunklen Halle versteckt, mich darstellte.
Ich schnaubte auf. All die Anbetung, die Verehrung, die Hingabe der Menschen, für nichts. Am Ende waren auch wir Götter machtlos gegen das Schicksal, welches seine Hände nach der Welt ausgestreckt hatte.
Stimmen füllten meine Gedanken. Die Gebete, Schmerzen und unerfüllten Träume der Menschen waberten durch meinen Kopf wie Nebel über Wiesen an einem Frühlingsmorgen. Ich konnte sie um Hilfe nach mir schreien hören, hörte die Gedanken derer, die bis zu ihren letzten Augenblicken zu mir beteten, als könnte ich sie noch retten. Die Augen schließend sperrte ich sie aus, bis ihre Schreie nur noch einem dumpfen Pochen in meinem Hinterkopf glichen.
Leise Tränen der Verzweiflung rannen über meine Wangen. Ein Beben erschütterte den Boden, so schwer und heftig, dass ich für einige Momente innehielt, denn irgendein Tempel dort draußen war gerade dabei, in sich zusammen zu fallen. Es war ein deutliches Zeichen dafür, dass auch meiner nicht mehr lange stehen würde.
Meine Muskeln zitterten als ich mich hoch vom Boden stemmte. Angestrengt versuchte ich, meine Sinne wieder zu schärfen und horchte in die Dunkelheit des Tempels hinein. Als ich registrierte, dass eine von den Schatten verschluckte Person vor meinem Altar kniete, spannte sich mein gesamter Körper jäh an.
Obwohl es unmöglich war, dass ich noch nicht bemerkt worden war, schlich ich mich näher an die Person heran. Wer auch immer es war hatte es anscheinend nicht für nötig befunden, sich bei mir bemerkbar zu machen, und das beunruhigte mich mehr als ich bereit war zuzugeben.
"Odessa", gab die Person von sich und ich erstarrte inmitten meiner Schritte. In einer geschmeidigen Bewegung erhob mein 'Besucher' sich und drehte sich zu mir.
Ich versank für einige Sekunden in stiller Betrachtung. Aufseufzend näherte ich mich ihm dann einige Schritte und blieb, noch immer einige Meter zwischen uns, stehen.
"Ich habe hier nicht mit dir gerechnet", gab ich zu und der Anflug eines Lächeln huschte über das verspannte Gesicht des Gottes.
"Vielleicht hat das hier auch etwas ironisches an sich", stellte er fest und fuhr, nach einem fragenden Blick meinerseits, fort, "Der Gott des Todes im Tempel der Göttin Liebe?"
Einige Momente verstrichen, ehe ich antwortete:" Ich finde darin nicht viel Ironie. Die Liebe und der Tod gehen oft Hand in Hand miteinander einher."
Ohne auf eine Antwort zu warten bewegte ich mich an Aetos vorbei. Sein Blick folgte mir und ich begann, einige der Lichter zu erzünden.
"Was tust du?" Aetos' Stimme schwebte unheilverkündend durch den Raum, doch davon ließ ich mich nicht beirren.
"Wir können hier nichts mehr tun, die Erde hat sich ihrem Schicksal bereits ergeben und wir Götter haben verloren. Ich bereite den Weg nach Hause vor."
"Ich kann nicht zurück". Die Stimme des Gottes hatte beinahe vollständig an Klang verloren und ich hielt irritiert inne. Stirn runzelnd drehte ich mich zu ihm. Seine dunklen Augen durchbohrten mich und das vertraute Kribbeln angesichts seiner offensichtlichen Musterung breitete sich über meinem Körper aus.
"Wie meinst du das?" Meine Stimme klang rau und ich versuchte unbeholfen, gleichzeitig seinem starren Blick stand zu halten und mich zu räuspern.
Er näherte sich einige Schritte und blieb dicht vor mir stehen. Seine linke Hand wanderte meinen Arm herauf während seine Rechte sich um meine Wange legte. Unendlich sanft fuhr er mit seinem Daumen meinen Wangenknochen entlang und ich erinnerte mich daran, zu atmen.
Mein Herz pochte schnell und aufgeregt in meiner Brust, während Aetos weiterhin die Ruhe in Person blieb.
"Ich werde dort nicht willkommen sein", murmelte er leise in mein Ohr und mein Verstand kam nur holprig dabei hinterher, seine Worte aufzunehmen und zu verarbeiten, ehe ich in der Lage war, ihm zu antworten.
"Nach allem was geschehen ist, werden die anderen kaum eine Wahl haben." Meine Hand wanderte bei meinen Worten in seinen Nacken und ich sah ihm weiter in seine einnehmenden Augen. "Jemand hat die Macht der Großen entwendet und wer immer es war, hat mit seinem Egoismus den Untergang dieser Welt hervor gerufen. Sieh dich doch draußen um. Die ganze Erde steht in Flammen, alles was wir erschaffen haben gleicht in wenigen Tagen nur noch Asche und Rauch." Meine andere Hand umfasste sein Kinn und zwang ihn, mich anzusehen. Widerwillig hielt Aetos meinem Blick stand. "Ein Schuldiger muss gefunden werden. Milliarden Menschen sterben gerade und jemand wird dafür bezahlen müssen."
Tränen der Wut standen mir in den Augen. "Wir werden jeden brauchen der übrig ist, also sehe ich keinen Grund, weshalb du nicht mitkommen solltest."
Schweigend zog Aetos mich an sich und lehnte seine Stirn gegen meine. Wir verharrten lange Zeit in dieser Position.
Unsere Beziehung zueinander hatte sich in den vergangenen Monaten stark geändert. Wo sonst nur Raum für Verachtung und herablassende Blicke gewesen war, war jetzt auf eine verdrehte Art und Weise Zuneigung, die wohl niemand von uns beiden so recht verstand. Aetos war unnahbar, kühl, arrogant und hatte noch nie viel Ahnung davon, wie er mit den Leuten in seinem Leben umgehen sollte. Das machte ihn zu einer schonungslos ehrlichen Person, denn er verstand nicht wann er jemanden mit der Wahrheit zu nahe trat oder wann er besser den Mund halten sollte.
Das lag nicht daran, dass er nicht intelligent war, denn das war er, er sah nur lange Zeit nicht ein warum er sich für das Leben und die Gefühle anderer als ihn selbst kümmern sollte.
War es zwar das gewesen was ich so lange an ihm verachtet hatte, faszinierte es mich doch, denn ich war das vollkommene Gegenteil von ihm. Als Göttin der Liebe verstand ich viel von den Gefühlen der Menschen, wusste wie sie dachten und das hinderte mich in manchen Situationen zu tun was ich tun wollte, denn immer nur auf das zu achten was die anderen fühlen und nie auf das was in einem selbst vorgeht kann dich in einen Abgrund reißen, so tief wie die Hölle selbst.
Ich schätze so haben wir uns gegenseitig irgendwie geholfen, bis zu dem Punkt an dem wir jetzt standen. Arm in Arm, Seite an Seite, hoffend, dass der jeweils andere gelernt hatte.
"Gehen wir", murmelte ich und löste mich widerwillig. Ein Beben ging erneut durch die Erde, heftiger als das vor einigen Minuten und ich taumelte kurz. Rechtzeitig schlang Aetos einen Arm um meine Taille und hielt mich, bis das Beben vorbei war.
Ich wandte mich dem Altar zu und bereitete mich darauf vor, die Erde ein für alle Male zu verlassen, doch der Gott des Todes machte keine Anstalten mir zu folgen. Er stand, in die dunklen Schatten der Halle gehüllt inmitten des Tempels und sah Schweigend zu mir herauf. Seine Augen reflektierten schimmernd das Licht der Fackeln wieder.
"Ich kann nicht zurück", wiederholte er und seine Worte kreisten in meinem Kopf umher, immer wieder als würde ich durch die Wiederholung auf eine logische Schlussfolgerung kommen.
"Wieso nicht?" Eine dunkle Klaue hatte ihre Hand nach meinem Herz ausgestreckt und ich schluckte angespannt.
Widerwillig öffnete er sein Hemd ein Stück und mein Blick fiel auf seine Brust.
Mein Blut pochte laut in meinen Ohren, als würde es versuchen, meine Gedanken zu übertönen.
"Was ist das", fragte ich mit dünner Stimme, mein Blick noch immer starr auf seine Brust gerichtet. Schwarze, feine Linien zogen sich von seinem Herzen aus über seinen gesamten Oberkörper, weit über die Schultern und wahrscheinlich auch über Rücken und Arme.
"Macht hat seinen Preis". Er verzog sein Gesicht, als würde es ihm schwer fallen, die kommenden Worte auszusprechen. "Und das war wohl eine Nummer zu groß für mich".
"Was hast du getan", wisperte ich, doch tief in meinem Inneren wusste ich die Antwort auf meine Frage bereits.
Der bittersüße Geschmack von Verrat breitete sich wie Gift in meinem Mund aus.
Ungläubig sah ich hoch. Meine Augen trafen seine und in ihnen sah ich die Bestätigung für das, was ich bereits befürchtet hatte.
"Nein". Ich trat einige Schritte zurück. Ich schüttelte den Kopf und wich weiter zurück. Er streckte seine Hand nach mir aus, doch ich erhob meine Arme abwehrend.
"Bleib wo du bist". Meine Stimme zitterte und Tränen begannen, sich in meinen Augen zu sammeln, was mich nur noch wütender machte.
"Du hast mich benutzt!" Meine Stimme klang sogar in meinen eigenen Ohren viel zu hoch. "Ich habe dir vertraut, ich dachte gerade du solltest wissen was es bedeutet, wenn zu viel Macht in die falschen Hände gerät."
Aetos öffnete seinen Mund, doch ich schnitt ihm die Worte in der Luft ab.
"Hörst du sie?", wollte ich wissen, und sein Blick traf meinen. "Die Menschen. Die Gebete. Hörst du wie sie um Hilfe schreien? Das ist deine Schuld. Die Welt brennt und du stehst hier. Du wirst dafür bezahlen, dafür sorge ich und wenn es das letzte ist was ich tue."
Ich konnte buchstäblich spüren, wie mein Herz in Millionen kleine Teile zerbrach. In seinen Gesichtszügen war nicht einmal der Hauch von Reue zu sehen, als er sich mir näherte.
"Ich musste es tun", erklärte er stumpf. Meine Augen waren verschleiert vor Tränen, und doch sah ich ihn so klar und deutlich vor mir wie nie zuvor.
"Geh." Meine Stimme brach als ich dieses Wort aussprach. "Geh und bete dass sie dich nicht finden."
"Bitte hör mir zu". Aetos Miene spiegelte jetzt den Kampf in seinem Inneren wieder, doch egal was er fühlte, sein Schmerz reichte nicht an den meinen heran.
Alles war eine Lüge. Die letzten Monate, die gemeinsamen Momente, wir. Nichts davon war jemals wahr gewesen.
Mein Geist begann zu verstehen was mein Herz bereits fühlte.
"Du hast mich angelogen. Alles was wir hatten", meine Stimme brach erneut weg.
"Nicht alles war eine Lüge". Er streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus und ich erstarrte zu einer Säule. Sanft umfasste er meine Hüften, zwang mich ihn anzusehen.
"Ich habe dich nie gehasst. Ich bewundere dich und das, was du tust und es tut mir leid, dass ich es kaputt mache. Verzeih mir".
Seine Lippen legten sich auf meine, sie verschmolzen miteinander und ohne es auszusprechen wusste ich, dass es das letzte Mal war, das wir uns sehen würden.
Ich schloss die Augen, seine Hände verschwanden von meinem Körper und als ich meine Augen das nächste Mal, Minuten später wieder öffnete, war Aetos verschwunden und alles was mir von ihm blieb war der Geschmack seiner Lippen auf meinen und das Gefühl des Verrats in meiner Brust während meine Welt in Flammen aufging.
-2055 Wörter.
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