10

Endlich endete die Schule. Ich hatte es kaum noch ausgehalten.

Ich war gerade dabei meine Sachen zusammen zu packen und in meinen Platz ausreichenden Rucksack zu stopfen, als zwei Mädchen auf meinen Platz zu kamen. Ich schenkte ihnen keinerlei weitere Beachtung und war gerade dabei, mich am Reißverschluss schaffen zu machen. Ich merkte, wie sie vor meinem Tisch an hielten und spürte ihre Blicke auf mir.

»Du bist doch diese Lou, oder?«, fragte sie laut schmatzend und riss den Mund weit beim Kaugummi kauen auf, sodass man bis in ihren Rachen schauen konnte. Das störte mich wirklich. »Nee, ich tue nur so.« Augen rollend sah ich endlich zu ihr auf und musterte sie ein Stück, ehe ich mich wieder von ihr abwandte. Eine Zeit lang herrschte dann Stille.

Bis sie ziemlich aufgebracht fragte: »Was machst du dich einfach an meinem Zeldris ran?!« Ich drehte mich erneut zu den Mädchen um und legte meinen Kopf schief. Was war bei denen denn falsch? Wo machte ich mich an Zeldris ran, jetzt mal ehrlich.

»Tue ich doch gar nicht«, meinte ich meine Stirn in Falten legend. »Nein, überhaupt nicht!«, kam es nun vom anderen Mädchen ironisch, was ich aber gekonnt ignorierte. Was für eine Mitläuferin. Davon kannte ich reichlich viele und sie waren im Endeffekt einfach nur nervig.

Ich schulterte meine Tasche und ließ die beiden im Raum zurück, ehe sie noch was erwidern konnten. Ich wollte einfach nur nach Hause. Also zu meinem neuen versteht sich.

Ich hatte nicht nur ziemlichen Kohldampf, da ich mein Geld vergessen hatte und mir dementsprechend nichts in der Schulcafeteria kaufen konnte, sondern war auch echt müde. Das Essen, was ich mir mitgenommen hatte, hatte leider nicht gereicht und ich wollte niemanden fragen. Das wäre irgendwie peinlich gewesen, aber vor allem auch unangenehm. Ich wollte mich doch nicht gleich verschulden, wo das doch mein erster Tag erst hier war.

Seufzend verließ ich das Schulgebäude, auf dem sich noch einige Menschen tummelten. Für sie begann gleich die nächste Stunde und sie mussten die Räume oder sogar das Gebäude wechseln, während ich auf dem Weg zum Schultor war.

Ich passierte es und schaute mit einem scharfen Blick über meine Schulter, desinteressiert bewegten sich meine Augen in Richtung einer Gruppe tuschelnder Mädchen. Über wen die wohl wieder geredet haben...

Aber im Endeffekt war es mir egal. Das waren nicht meine Angelegenheiten und ich hatte sowieso wichtigeres zu tun, von daher.

Ich wunderte mich die ganze Zeit über, wo Zeldris war. Wir hatten gleich viele Stunden, waren in der selben Klasse und hatten den selben Heimweg – aber ich sah ihn nirgends. Wo war er bloß hin verschwunden? Egal wie sehr ich hin und her überlegte, meine Kombinationsgabe war nicht gut genug, um eine simple Antwort zu geben.

Wieder entwich meinen Lippen ein Seufzen und ich warf mir meinen rutschenden Rucksack wieder ordentlich auf die Schulter. So schwer wie angenommen, war er gar nicht, aber ich hatte ja noch nicht alles. Um nicht lange auf die Sachen warten zu müssen, wollte ich morgen mal zur Direktorin gehen und nach fragen, ob ich alles jetzt schon bekommen könnte, was ich noch nicht besaß.

Der Plan klang eigentlich relativ gut, fragte sich nur noch, ob ich ihn wirklich durchziehen würde. Es war nicht so, dass es mir an Mut fehlte, nur neigte ich dazu manchmal eigentlich wichtige Sachen zu vergessen, weil ich dauernd an was anderes denken musste. Wie Essen.

Kaum 20 Meter vor mir, konnte ich Meliodas, Elizabeth und den einen Typen aus Sport erkennen, der wie ich mitbekommen hatte, Ban hieß. Neben Ban ging Elizabeth und vor Meliodas konnte ich Andeutungen von Zeldris Haaren sehen.

Innerlich jubelnd, dass ich sie gefunden hatte und mit einem Grinsen im Gesicht, machte ich mich auf und verschnellerte mein Schritttempo.

Als Überraschung fiel ich Meliodas von hinten um den Hals, ehe ich alle mit einem munternen »Hey« begrüßte, welches sie erwiderten.

»Ach, haben wir auch zu uns gefunden, Prinzesschen«, kam es grinsend von Ban und er bekam Elizabeths Ellenbogen in die Seite gerammt, weshalb ich kichern musste. Mädchen hielten zusammen.

»Hey Lou! Ich hoffe, es stört dich nicht, dass wir schon früher losgegangen sind, aber wir hatten dich nicht gefunden. Zeldris hatte sich zwar nochmal alleine und ohne irgendeiner Aufforderung von uns auf gemacht und dich gesucht, aber du warst, nach seinen Worten zumindest, nicht zu finden.« Elizabeth lächelte mich an, richtete ihren Blick dann aber wieder nach vorne.

Er konnte mich auch gar nicht gefunden haben, da ich noch ganz kurz ins Mädchen Klo verschwand, um mich im Spiegel anzusehen. Irgendwer hatte mich nämlich in der letzten Stunde angemalt und das wollte ich weg machen. Aber trotzdem war der Schwarzhaarige relativ schnell gewesen, da ich nicht lange im Bad gebraucht hatte. Respekt.

Ich nickte nur, unterstrich es mit einem »Okay« und dann war die Sache damit auch schon abgeschlossen.

Ich musste zugeben, dass es wirklich niedlich war, dass er selbständig nach mir Ausschau gehalten hatte.
Ziemlich niedlich.

*****

Endlich kamen wir »Zuhause« an. Sofort stürmte ich durch dieses Gebäude zu unserem Zimmer und schmiss meine Schultasche vor mein Bett.

»Ich will schlafen«, grummelte ich müde vor mich hin und die Tür wurde geöffnet. Keine Sekunde später kamen die Brüder rein.

»Alles okay bei dir?«, fragte Meliodas und ein Unterton von Sorge war wahr zu nehmen. »Bin nur müde«, winkte ich ab und schloss meine immer schwerer werdenden Augen. »Wie spät haben wir's?«, fragte ich beiläufig, war zu faul, selbst nochmal auf die Uhr zu schauen. »Genau 16:20«, antwortete Zeldris und ich hörte, wie er seine Tasche abstellte, die mit einem dumpfen Aufschlag den Boden berührte.

»Elizabeth kommt nachher noch rüber, wenn das okay ist.« Geräusche von einem sich verschiebendem Stuhl waren zu hören und ich nahm an, dass Meliodas sich jetzt an den Schreibtisch gesetzt hatte.

Schlagartig öffnete ich meine Augen und setzte mich auf. »Hatten wie Hausaufgaben auf?«, fragte ich verwirrt nach, während Meliodas mit seinem Kugelschreiber in der Hand in seinem Block schrieb.

»Ja?«, es klang eher wie eine Frage, als wenn er mich ein wenig dümmlich da stehen lasssn wollte. Jedenfalls interpretierte ich diese Tonlage so. Man könnte aber auch meinen, dass er sich selbst nicht ganz sicher ist.

»Wo denn?«, hakte ich nach und schaute ihn mit einem eindringlichen Blick an. »Englisch«, antwortete Zeldris auf meine Frage und Meliodas unterstrich es nur mit einem Nicken.  »Ernsthaft?« Wo war ich bitte gewesen, als wir diese auf bekommen haben? Kann doch nicht sein, dass ich das nicht mitbekommen habe! Am Ende hatte sie nichts davon gesagt und am Anfang was anzukündigen, wäre echt dämlich. Wobei ich sagen muss, dass ich das dieser Lehrerin zutrauen würde.

»Wann meinte sie das denn?«, hakte ich weiter nach. Vielleicht wollten sie mich auch einfach nur veralbern. Das würde ich zumindest Meliodas ziemlich zutrauen, so als kleine Rache davor, dass ich ihm in Bio ausversehen meinen Arm gegens Gesicht gehauen habe, als ich mich melden wollte. Ich weiß selbst nicht, wie ich das schon wieder hinbekommen habe, aber bei mir sollte man sowieso nichts mehr hinterfragen. Ich hab's auch schon mal fertig gebracht, mir beim Putzen weh zu tun. Yumi war auch dabei, dass weiß ich noch ganz genau. Sie hat eine ähnliche Aktion gestartet, ist über das Staubsauger Kabel gestolpert und wir sind gemeinsam in Gelächter ausgebrochen. »Ach, die guten alten Zeiten...« Es war schön sich daran zurück zu erinnern. Und ich muss gestehen, ich vermisste es. Ich vermisste Yumi. Aber wäre ich da geblieben, hätte Ich Zeldris vielleicht nie kennen gelernt. Und Meliodas, um ihn nicht auszuschließen. Nichts desto trotz würde ich Yumi gerne wieder sehen.

Während ich so in Gedanken war, merkte ich nicht, wie Zeldris' Blick oft zu mit schweifte.

Letzten Endes stand ich auf, um Meliodas über die Schulter zu schauen. Ich wollte mich selbst davon überzeugen, ob wir Hausaufgaben auf hatten. Und langsam bekam ich das blöde Gefühl, ich hatte doch gewaltig was verpasst. Zum Beispiel, als ich auf Toilette musste. Die Lehrerin hatte nach meiner Rückkehr auch nichts mehr dazu gesagt, als würde sie wollen, dass ich das nicht habe. Wie hinterlistig die Schlange doch war.

Ich seufzte und bat Meliodas Platz für mich zu machen. Desto eher ich meine Hausaufgaben fertig hatte, desto besser. Dann hatte ich vielmehr Zeit für andere Dinge und musste die später nicht noch Abends unter Druck schnell fertig bekommen.

Ich breitete mich neben dem Blondchen aus und fing an meine Aufgaben abzuarbeiten. Zeldris lag, wie ich mitbekam, als ich mich kurz zu ihm umgedreht hatte, faul auf seinem Bett und hing am Handy.

»Warum machst du nicht auch deine Aufgaben, dann hast du die gleich weg.« Ohne vom Handy aufzusehen, bekam ich nur ein tiefes Brummen von ihm. Ich verdrehte nur seufzend die Augen. Im Endeffekt redete ich bei ihm auch nur gegen Panzerglas. Außerdem war er alt genug und wusste, wie das ganze ablief. Ich sollte mich nicht in sein Leben einmischen.

Ich erledigte die letzte Aufgabe, während Meliodas an seiner Geschichte weiter schrieb und mich ein Schauer überkam. Das war ja auch noch offen. So viele Ideen fluteten mit einem Mal meinen Kopf. Ich konnte sie mir nicht mal merken, aber sie waren echt gut.

»Wenn Elisabeth nachher kommt, gehe ich raus«, teilte uns der Schwarzhaarige mit und kam von seinem Bett runter. Ich drehte mich wieder zu ihm um und beobachtete, wie er sich einen leeren Rucksack schnappte. »Wohin gehst du?«, wollte sein Bruder wissenbegierig erfahren, hielt auch in seinem Tun inne. »Erstmal noch was einkaufen und dann... dann entscheide ich mich spontan, wo's mich hinführt.« »Ich komme mit!«, sagte ich viel zu schnell, sodass die Gefahr bestand, es wäre zu auffällig. Er zuckte nur gleichgültig die Schultern und damit war's entschieden. Ich kam mit.

Zeldris schulterte seinen Rucksack und wollte seine Hand bereits auf die Klinke legen, als die Tür schon geöffnet wurde und niemand geringes als Elizabeth rein kam. Derweil zog ich mir meine Schuhe an und knöpfte mir schnell meine Jacke zu.

Draußen empfing uns die Kälte und ich versteckte meinen Mund hinter dem Kragen meiner Jacke. Über uns war der Himmel dabei, ein noch tieferes Blau anzunehmen und uns klar machen zu wollen, dass es schon spät war. Aber nicht zu spät.

Der Abend brachte einen Schwall an reichlich Wind mit sich, der mich immer wieder durch meine dünne Leggings biss. Ab da an bereute ich es, eben genanntes angezogen zu haben. Schließlich waren wir jetzt auch noch eine ganze Weile unterwegs. Immerhin hatte ich einen dicken Pullover unter meiner Jacke an, sodass ich oberhalb nicht fror.

Zwischen Zeldris und mir herrschte Stille, als wir uns zum Laden bewegten. Keiner verlor ein Wort. Zudem schenkte er mir auch nicht eine Sekunde seine Aufmerksamkeit, was mich schon ein wenig traurig stimmte. Aber was sollte ich tun? Ich kann ihn doch wohl schlecht dazu zwingen und dann wäre es auch nchts besonderes mehr.

Langsam kamen wir dem Laden immer mehr und dann begann Zeldris zu sprechen. Er teilte mir mit, dass der Laden erst vor kurzem geöffnet hatte und auch noch nicht lange stand. Ich nickte nur. Ansehen tat man's ihm, er sah relativ neu aus.

Wir gingen rein und eine schöne Wärme umgab uns, sodass ich anfing, unter meinen dicken Sachen, die mich um den Oberkörper umgaben, zu schwitzen. Meine Beine wärmten sich nur auf, während unter meiner Jacke eine Sauna statt fand. Kurzerhand wurde die Jacke von mir selbst geöffnet und ich wedelte mir Luft zu. Das war einfach zu heiß!


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