𝟎 𝟎 𝟓

Auch wenn es schon kurz vor halb Acht war, schien draußen noch die Sonne. Seufzend legte Jimin das Messer am Schneidebrett ab und blickte verträumt aus dem Fenster. Im Hof der Wohnblöcke spielten gerade ein paar Kinder, umhüllt von dem stimmhaften Trällern der Vögelchen. Der Himmel wurde langsam dunkler, dessen orange Farbe sich vorsichtig in ein Blau wandelte. Liebend gerne wäre Jimin in diesen Moment draußen. Ein zehnminütiger Spaziergang hätte ihm schon gereicht, aber da Hyuk bestimmt bald nachhause kommen würde, musste er zuerst das Abendessen fertig kochen.

Seine Freunde hatten ihn heute nach den Vorlesungen auch eingeladen mit in die Stadt zu gehen, aber Hyuk wäre zu hundert Prozent davon unbegeistert gewesen, weshalb Jimin schweren Herzens absagen musste. Seufzend nahm er das Messer wieder in die Hand und schnitt brav weiter. Mit den Zwiebeln war er bereits fertig, nun fehlte nur noch der Schnittlauch.

Gerade als sich Jimin das Grünzeug schnappte, klingelte sein Telefon. Der plötzliche Anruf ließ sein Lieblingslied stoppen und verwundert nahm Jimin ab, ohne überhaupt zu überprüfen, wer der Störenfried war. Ein charmantes
»Hey« wurde in Jimins Ohr gesäuselt, was ihn kichern ließ.
»Jeongguk? Bist du das?«

»Ich weiß zwar nicht, wie viele Jeon Jeongguks du kennst, aber ich bin definitiv derjenige, der von dir angefahren wurde!«, antwortete der Mann auf der anderen Leitung, was Jimin die Augen verdrehen ließ.
»Hör auf, so zu reden. Das ist nicht zum Lachen! Außerdem war ich nicht der Lenker.«, schmollte Jimin beleidigt und entlockte seinem Partner ein leises Lachen.

»Schön dich wieder zu hören.«, säuselte Jeongguk, gefolgt von einer unangenehmen Stille.
Jeongguks letzter Satz zauberte Jimin eine unangenehme Gänsehaut auf die Unterarme, die er schweigend betrachtete.
»Jimin? Bist du noch dran?«

»Eh, ja... Klar.«, stammelte der Schwarzhaarige und wunderte sich insgeheim selbst über seine Reaktion.
»Warum hast du mir eigentlich nicht geschrieben?«, fragte Jeongguk etwas interessiert.
»Warum muss ich mich melden?«, entgegnete Jimin perplex mit einer Gegenfrage, drehte dem Fenster vor sich den Rücken zu und lehnte sich an den Tresen.

»Nun ja... Immerhin wolltest du ja so dringend wissen, was es mit dem Unfall auf sich hat. Da hab' ich halt gedacht, dass du dich schon rühren wirst.«
»Da muss ich dich aber enttäuschen.«, murmelte Jimin und senkte seinen Blick auf seine Füße hinab.
Eigentlich traf Jeongguk voll ins Schwarze. Die Neugierde kribbelte in all seinen Gliedern, machte ihn vollkommen hibbelig. Am liebsten hätte er reinen Tisch gemacht, aber ein wenig unerreichbar zu wirken hatte auch etwas an sich.

Jimins Finger umklammerten fest den Rand des Tresen, während ihm die vereinzelte Strähnen ins Gesicht fielen. Jeongguk auf der anderen Leitung lachte nur amüsiert auf und sprach:
»Ach, ich wusste gar nicht, dass du so kaltherzig bist. Jeder andere wäre mir vor die Füße gefallen und hätte mir tausende Nachrichten geschickt. Jeder, außer du.«
Jimin lächelte amüsiert.

Noch nie dachte jemand so über ihn. Das war das erste Mal, dass ihm so etwas gesagt wurde. Ob er sich nun geschmeichelt oder beleidigt fühlen sollte, wusste er nicht so recht. Immerhin konnte er noch immer nicht die Gefühle und Gedanken anderer gescheit entziffern. Trauer, Wut – all dies konnte er nicht. Auch wenn er es schon oft versuchte, wusste er einfach nicht wie. Das war auch ein großer Faktor in seiner Beziehung mit Hyuk.

Nur aufgrund seines Verlobten lernte er zu lieben, ihm blind zu vertrauen, ihm zu verzeihen – selbst die einfachsten Reaktionen wie Trauer oder Wut konnte Jimin wegen Hyuk besser verstehen.
»Ich werde morgen wieder entlassen.«, verkündete Jeongguk, unterbrach die erneute Stille und stoppte Jimins Gedankengänge.

»Sehr schön.«, brachte der Schwarzhaarige hervor und setzte wie immer sein typisches Lächeln auf.
»Mehr hast du nicht zu sagen? Tzz...«, murrte Jeongguk eingeschnappt, was Jimin wieder kichern ließ.
»Ich will mich morgen mit dir treffen, Jimin.«
Jeongguk fiel mit der Tür ins Haus und überrumpelt brachte Jimin nur wirren Wortsalat heraus. Wenn Hyuk schon keine Treffen mit seinen Freunden gut hieß – wie würde er dann bei Jeongguk reagieren?

»Ich weiß nicht...«, murmelte Jimin betroffen, dessen gute Laune wie weggefegt war.
»Du weißt nicht?«, wiederholte Jeongguk ungläubig und wirkte ziemlich beleidigt, auch wenn Jimin es nicht wollte.
»Wir treffen uns morgen um-«
»Ich muss auflegen!«, schnitt Jimin dem Mann das Wort ab, da er das Öffnen der Eingangstür hörte.

Hyuk war doch früher gekommen, als er erwartete. Dabei war noch nicht mal das Abendessen fertig!
»Jimin? Hey, was soll-«
Ohne auf Jeongguks eingeschnapptes Nörgeln zu hören, legte Jimin einfach auf und widmete sich wieder dem Schneiden des Schnittlauchs.

Er hörte wie Hyuk die Glastür zur Küche öffnete und auf ihn zu ging. Seine großen Hände umwickelten Jimins Hüften und sein Kinn ruhte auf seiner linken Schulter.
»Hey, Baby~«, hauchte er tief in Jimins Ohr und massierte in sanften Bewegungen Jimins betonte Hüften.
»Mhm... Kochst du etwa für mich?«, fragte Hyuk amüsiert und nickte in Richtung Kochtopf, der noch nicht einmal Platz auf der Herdplatte gefunden hatte.

»Mhm!«, antwortete Jimin fröhlich und schmiegte sich an den trainierten Körper seines Verlobten.
Hyuks rechte Hand glitt durch Jimins schwarzes Haar, nebenbei schmückten federleichte Küsse den blau-gelben Hals von Jimin.

»Mit wem hast du eigentlich geredet?«, fragte Hyuk, hielt die Augen aber geschlossen und küsste Jimin weiter.
Der Jüngere zuckte kaum sichtbar zusammen, als er von seinem Verlobten konfrontiert wurde.
»Nur... mit einem alten Bekannten.«
»Aha.«


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