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Meine ersten Schritte auf dem harten Boden sind wackelig. Fast sieht es so aus, als habe ich verlernt, zu laufen. Jedes Geräusch, das ich trotz Schleichen verursache, scheint in der ohrenbetäubenden Stille laut nachzuhallen. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen.
So leise wie möglich setze ich einen Fuß vor den anderen und gehe den Gang entlang. Die Wände sind alle aus Stahl erbaut und geben mir das Gefühl, als wäre ich in einem Käfig gefangen. Insgesamt spiegelt das Schloss die Eigenart der Vampire sehr gut wider. Düster, geheimnisvoll und gefährlich.

Einige Meter vor mir bemerke ich plötzlich eine Abzweigung. Nervös halte ich inne und presse mich an die kalte Wand in meinem Rücken. Was, wenn jemand aus dem Gang auftaucht? Mein Atem geht stoßweise, als ich plötzlich durch die Wand hindurch nach links kippe. Was?
Ich torkele, nach Gleichgewicht ringend, nach hinten. Die Drehtür vor mir, von der ich annahm, dass es eine Wand wäre, schwingt währenddessen wieder zu. Mit einem leisem Klack rastet sie ein, sodass auch die letzten Lichtstrahlen verschwinden und eine vollumfängliche Dunkelheit mich umhüllt.

Wo bin ich denn nun schon wieder reingestolpert? Mein Herz schlägt Saltos in meiner Brust, während ich mich in dem neuen Gang an die Wand presse. Dieses Mal ist sie allerdings nicht so kalt, außerdem lässt die raue Struktur der Oberfläche darauf schließen, dass es sich hierbei um Holz handelt. Leise Stimmen erklingen in der Ferne und das Herz rutscht mir in die Hose. Jetzt werde ich entdeckt! Es scheint sich um eine weibliche und eine männliche Stimme zu handeln. Sie beide reden hektisch miteinander, aber ich kann nicht verstehen, worum es geht. Ein kleines Detail lässt mich jedoch hoffnungsvoll zurück. Es lässt schließlich darauf schließen, dass sie keine Vampire sind, oder? Denn Vampire sind nicht hektisch, sie haben alle Zeit der Welt.
Neugierig, ob sich mir hier vielleicht eine Chance bietet, Junas Aufenthaltsort zu erfahren, gehe ich ein paar Schritte in die Richtung der Stimmen. Dies muss der Gang der bediensteten Sklaven sein. Beim Näherkommen erkenne ich eine Lichtquelle, mit der sich ein Mann und eine Frau bewegen. Sie sehen beide ziemlich jung aus, höchstens ein paar Jahre älter als ich.

„Ich muss noch die Gemächer der Westvampire herrichten. Aber wenn dann noch Zeit ist, kann ich versuchen, dir beim Streichen der neuen Räume zu helfen, Samira."
„Bitte beeil dich. Wenn ich die Räume nicht rechtzeitig schaffe, dann wird das fehlende Gehalt nicht unser einziges Problem sein. Das können wir uns nicht leisten, Maxen", erwidert die Frau mit besorgter Stimme.

Sie sind also Menschen! „Hey, entschuldigt", erhebe ich meine Stimme ein wenig und husche auf die beiden zu. Ihre erschrockenen Gesichter drehen sich zu meiner herannahenden Gestalt und sie scheinen in ihrer Bewegung einzufrieren.
„Wer ist da?", wendet der Mann, Maxen, sein Wort an mich und schwenkt das Licht kritisch in meine Richtung.
„Keine Sorge, Leute", vorsichtig wage ich mich in den Schein des Lichts und hebe meine Hände hoch. „Ich bin ein Mensch", ergänze ich noch und warte auf die Reaktion der beiden.
Die Anspannung verschwindet nach meinen Worten spürbar, was ich als Aufforderung nehme, weiterzureden: „Ich habe einen Deal vorzuschlagen. Ich habe gehört, ihr braucht Geld."
„Pssst", unterbricht mich die Frau, deren Namen ich schon wieder vergessen habe, „Nicht hier. Am besten wir gehen kurz in den Schlafraum, dort sollte um diese Uhrzeit niemand sein."

Schwungvoll dreht sie sich um und geht den Weg mit großen Schritten entlang. Maxen und ich sehen uns noch einen Augenblick musternd an und setzen uns dann in Bewegung. Ich konnte nur wenig von seinem Gesicht erkennen, doch ich schätze ihn auf Mitte zwanzig ein, da er noch keine Falten zu haben scheint. Aufgrund der Dunkelheit konzentriere ich mich jedoch schnell wieder auf den Weg vor mir. Wir biegen einige Male ab und ungefähr genauso oft huschen uns Bedienstete über den Weg. Sie alle tragen eine rote Uniform und scheinen sichtlich unter Zeitdruck zu stehen. Nach einigen Minuten und einem röchelnden Atem meinerseits, stößt die Frau eine Holztür zu unserer linken auf und verschwindet darin. Ich verschnellere meine Schritte noch einmal, um die Tür offenzuhalten und schlüpfe anschließend in den kleinen, verlassenen Raum.
Es stehen jeweils links und rechts an der Wand zehn Holzgestelle, die wohl Betten darstellen sollen. Sie sind so eng beieinander, dass man sich förmlich durch den mittleren Gang quetschen muss, um zu dem hinteren Bereich zu kommen, in dem die Frau nun wartet. Ein leises Klacken ertönt hinter mir, da der Mann die Tür nun hinter uns geschlossen hat.

„Also, du hast Geld?", fragt sie mich mit einem begierigen Blick.
„Ich weiß, wo Geld ist", weiche ich ihr vorsichtig aus und fühle mich nun wirklich bedrängt. Ich kann weder vor, noch zurückweichen und bin somit zwischen den beiden gefangen. Sie könnten mich mühelos ausrauben, denn laut ihnen ist hier niemand, der es mitbekommen würde. In was für ein Schlamassel habe ich mich schon wieder begeben? Aber gut, nun stecke ich eh schon mittendrinnen, also kann ich mich genauso gut setzen, entscheide ich und lasse mich auf das Bettgestell links von mir plumpsen.
Die Matratze federt nicht wirklich weich ab und so reibe ich mir schmerzverzerrt mein Steißbein.
„Du scheinst nicht aus dem Palast zu kommen, bist wohl besseres gewohnt."
„Hör auf, Samira. Das ist unsere Chance", zischt der Mann. Stimmt, Samira war ihr Name. Immerhin habe ich das jetzt wieder herausgefunden. Er nimmt währenddessen gegenüber von mir Platz.
„Okay, dann eben nicht. Ist sowieso deine Sache, was du hier machst. Also, was möchtest du im Austausch?"
„Ich möchte in die Räume des Vampirkönigs kommen, unerkannt natürlich."

Einige Momente herrscht Stille. „Du möchtest sterben?", sarkastisch lacht Samira auf und sieht ungläubig zu mir herunter.
„Das nicht unbedingt", antworte ich ihr und verziehe meine Mundwinkel ironisch zu einem übertriebenen Lächeln.
„Das wirst du aber, es ist mordsgefährlich."
„Werde ich nicht."
„Doch."
„Nein!"
„Doch!"
„Mir egal. Also könnt ihr mir helfen?"
Angespannt reibe ich meine Hände ineinander und warte auf eine Antwort. Denn, wenn das mit den beiden nicht klappt, dann muss ich mir jemand Neues suchen, den ich fragen kann. Und das kostet Zeit. Zeit, die ich nicht habe.

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