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Bestimmt eine Stunde lang habe ich mich den unterschiedlichsten Mädchen angenommen und dabei alle möglichen Verletzungen, Blessuren und Wunden versorgt. Es sind dadurch zwar fast alle meine Vorräte aufgebraucht, aber es hat sich definitiv gelohnt, in ihre erleichterten Gesichter zu blicken.
Jetzt sitzen wir alle wieder an den Wänden gelehnt und warten. Auf was, das wissen wir nicht. Zwischenzeitlich sind noch einige Mädchen und Frauen mit einem Mal dazugekommen, aber schon seit einer gefühlten Stunde tut sich nichts mehr. Keiner kommt und keiner geht. Die Zeit verstreicht während dem Warten unendlich langsam, während sie nur so dahin rast, wenn ich mich wieder in meinen Gedanken verliere.
Das kleine Mädchen, das ich heute Mittag gerettet habe. Was wird aus ihr? Übernehmen meine Eltern meine Kontrolltermine? Übernehmen sie auch meinen Stadtteil, um den Verwundeten dort zu helfen? Oder suchen und vermissen sie mich? Vergessen sie vielleicht sogar ihre Arbeit?
Ich habe mal wieder tausend umherschwirrende Fragen, die ich alle nicht beantarten kann. Ich habe mal wieder keine Ahnung und diese Hilflosigkeit bringt mich beinahe zur Weißglut. Auch die anhaltende Stille und die fälschliche Ruhe lassen mich weiterhin unruhig werden.
Unfähig dies zu verbergen, tippe ich mit meinen Fingern auf dem Boden herum und betrachte die kalten Wände des Raumes. Die Zeit verrinnt wieder, während ich mich mit meiner zerstörten Zukunft beschäftige. Davor war sie vielleicht nicht glorreich, immerhin wäre ich nur eine menschliche Ärztin geworden. Aber jetzt steht sie komplett auf unsicheren Beinen. Ein neuer Kontinent. Andere Wesen. Keine Familie. Und kein Zuhause.
Ein lautes, durchdringendes Rattern reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich mich aufmerksam umschauen. Das Geräusch kommt von der Wand gegenüber der Tür, von der nun alle Mädchen entgeistert aufspringen und sich zu eine der anderen Seiten retten. Schnell setze ich mich aufrecht hin und strecke meine Schultern selbstbewusst zurück. Ich kann erkennen, dass ein Teil der Steinwand nach oben fährt und eine Öffnung hinterlässt. Es muss eine Art Tür sein!
Der Spalt, der beim Boden beginnt, wird immer größer und gibt den Blick auf eine weitere Steinwand dahinter frei. Allerdings ist links zwischen den beiden Wänden ein großer Spalt, der wohl einen Gang darstellt. Das dröhnende Rattern ist inzwischen verklungen und die Lücke vollständig geöffnet.
Das Getuschel um mich herum schwillt immer weiter an, während die ersten Mädchen damit beginnen auf die Öffnung zuzugehen. "Wartet!", rufe ich instinktgetrieben in den Raum, da in mir alle Alarmglocken auf schrillen. "Was ist, wenn das eine Falle ist? Wir sollten da nicht reingehen oder zumindest eine Zeit lang abwarten."
"Ja, ich würde das Risiko auch nicht eingehen. Wir müssen vorsichtig sein.", stimmt mir Linnea laut zu und blickt die umstehenden Mädchen an. Mein Herz pocht laut in meiner Brust und ich habe das Gefühl, dass mein Brustkorb gleich vor Aufregung zerspringt. Kann es sein, dass die Vampire uns doch nicht den Werwölfen überlassen wollen? Oder, dass sie uns vorher verletzen wollen?
Die schlimmsten Horrorvorstellungen machen sich in mir breit, während die meisten Mädchen sich langsam wieder setzten. Einige von ihnen bleiben aber auch stehen und schauen unentschlossen zum Ausgang. "Drei Minuten warte ich und nicht mehr. Ihr könnt mir nichts vorscheiben.", meldet sie sich das Mädchen neben dem Eingang, das auch vorher schon argwöhnisch war, wieder zu Wort. Mit einem Nicken nehme ich ihre Entscheidung zur Kenntnis, denn sie hat Recht. Es ist ihr Leben und ihre Entscheidung. Ich kann sie nicht zwingen.
Wieder bahnt sich eine Stille an, in der wir alle nach auffälligen Geräuschen lauschen. Einige Zeit tut sich nichts und mein Puls legt sich langsam, bis plötzliche ein Klackern ertönt. Erschrocken, weil ich nicht mehr damit gerechnet habe, ziehe ich die Luft ein. In regelmäßigen Abständen ertönt es immer wieder und kommt immer näher, was meinen Puls sofort wieder in die Höhe treibt. "Da kommt jemand.", flüstern Linnea neben mir und ich merke, wie sie einige Zentimeter näher an mich heran rutscht.
Ja, jetzt erkenne ich es auch. Das müssen Schuhe mit Metallabsatz sein, die da so schnell und bedrohlich auf uns zukommen. Und schon wenige Sekunden später, in denen die Geräusche immer lauter geworden sind, biegt eine groß gewachsene Frau um die Ecke und bleibt im Eingang stehen.
"Na sieh einmal einer an: Ihr seid ja alle schön brav hiergeblieben, unglaublich! Letztes Mal meinten ein paar von euch dummen Geschöpfen den Gang betreten zu müssen. Sagen wir es so, sie haben viel Blut verloren.", schwirrt ihre viel zu zarte Stimme durch den Raum. Allein ihre Präsenz verrät schon ihre vampirische Herkunft. Da ihr ganz überraschender Weise keiner antwortet, fährt sie sogleich fort.
"Nun gut, dann eben weniger Blut für mich. Es steht sowieso etwas anderes auf der Tagesordnung. Passt also gut auf, ich sage es nur einmal: Gleich kommt der König in diesen Raum und er wird sich eine von euch aussuchen, dessen Blut für ihn vorherbestimmt ist.
Dieses Mädchen, auch Blutsmädchen genannt, befindet sich unter euch, wie wir durch eure Blutproben herausfinden konnten. Wir wissen nur noch nicht, wer es ist.
Ihr werdet euch also alle vor dem König hinknien und eure Häupter vor ihm neigen. Wehe eine von euch tut das nicht!
Anschließend, wenn er die Eine mitgenommen hat, kommt ein anderer Mann. Wegen ihm seid ihr hier und ihr werdet unverzüglich mit ihm mitgehen, sodass wir euch endlich los sind. Und sollte auch nur eine von euch ein Wort vor ihm darüber verlieren, dass ein Mädchen weniger da ist, dann könnt ihr mit der Hölle auf Erden rechnen. "
Und damit dreht sie sich um und lässt uns mit offenen Mündern zurück. Eine von uns ist das Blutsmädchen, dessen Blut für den König vorherbestimmt ist? Wenn mich nicht alles täuscht, dann passt diese Geschichte genau zu der Erzählung des armen Vampirs, als er von der Einen gesprochen hat, dessen Blut den Vampirkönig stärker werden lässt. Die Eine ist also dieselbe Person wie das Blutsmädchen? Und diese befindet sich in diesem Raum? Oh kacke!
Linnea neben mir muss anscheinend auf die gleiche Schlussfolgerung wie ich gekommen sein, denn auch sie höre ich leise fluchen. "Ich glaube wir denken an dasselbe.", flüstre ich ihr besorgt zu. Der König wird durch das Blut wieder stärker und wahnsinniger werden. Und auch, wenn ich dann bereits bei den Werwölfen sein werde, befinden sich meine Eltern immer noch auf diesem Kontinent und unter seiner Gewalt.
"Ich glaube auch. Sollen wir den anderen sagen, was das bedeutet?"
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