.3. Wach .3.

Ich komme von einem anderen Planeten.

Namjoon blinzelte. Lachte abgehackt, irritiert. Starrte Jin an. 
Dieser blickte ausdruckslos zurück, dass sich nichts in seinem Gesicht regte, machte Namjoon verrückt.

"Wie meinen Sie das?", stieß er schließlich hervor, in der Hoffnung, sich nicht lächerlich zu machen, weil er einem Verrückten womöglich Glauben schenkte. 
"Sind Sie etwa Astronaut?" 
Das war ihm soeben eingefallen, es wäre eine zumindest annehmbare, plausible Erklärung für Jins kryptische Aussage. Und an die klammerte er sich hoffnungsvoll.

Namjoon merkte, wie Jin zögerte. Etwas auf seinem Gesicht schien sich doch tatsächlich zu regen. 
"Ja", sagte er schließlich langsam. "Ich bin Astronaut."

Der Schriftsteller sank erleichtert in seinem Stuhl zurück. Astronaut, ja, das klang logisch. Vielleicht hatte er im Rahmen seines Trainings einen Unfall, daher der leichte Gedächtnisschwund. Jin beobachtete Namjoon, doch das war dem egal. 

Die beiden aßen ihre Gerichte auf, bezahlten, wobei Namjoon Jin helfen musste, was die einzelnen Geldscheine bedeuteten, und verabschiedeten sich dann vor dem Restaurant. Namjoon hatte noch etwas vor, er wollte an seinem neuen Roman weiterarbeiten.

Den Nachmittag verbrachte er friedlich in seiner Wohnung, er schrieb meist und verbrachte stille Momente unter dem Fenster, durch das Sonnenlicht in sein Zimmer fiel. Als sich der goldene Schimmer auf dem Dielenboden zu verdunkeln schien, hörte Namjoon auf zu arbeiten. Er machte sich etwas zu Essen und dachte zum ersten Mal seit vielen Stunden an Jin.

Es wurde nun dunkel, hatte der Mann eine Unterkunft gefunden? Sicherlich hatte er das, wahrscheinlich hatte er sogar eine Wohnung. Er schien Geld zu besitzen, das nahm Namjoon auf Grund des teuer aussehenden Anzugs an, den er getragen hatte. Doch Namjoon wollte keinen Gedanken mehr an irgendetwas verschwenden, was ihn möglicherweise in eine Spirale an Sorgen und Bedenken führen konnte. Dies war sein Motto, das er besonders abends einzuhalten pflegte, da ihm die nicht-Einhaltung schon häufig schlaflose Nächte beschert hatte. 

Leider war sein Kopf beinahe immer an, dachte nach, kalkulierte, spielte Situationen durch, beschäftigte sich mit unnützen Fragen. Diese Angewohnheit machte ihn zu einem der berühmtesten Schriftsteller Südkoreas, doch sie war auch überaus lästig, wenn er eigentlich schlafen wollte.

Und leider schien sich sein Kopf zwar vorerst damit zu begnügen, schlafen zu gehen, doch sobald er es sich in seinem Bett gemütlich gemacht hatte, war kein Halten mehr. Gedankengänge nahmen ihren Lauf, die Namjoon nur zu gerne zurückgehalten hätte.

Was wäre gewesen, wenn ich meiner ersten Liebe meine Gefühle gestanden hätte? 
Was wäre passiert, wenn ich meiner Mutter die Wahrheit über meinen Traum gesagt hätte? Wäre ich vielleicht wirklich Rapper geworden, Musiker, oder hätte es mich so oder so zum Schreiben gezogen?
Letztendlich hatte er schließlich trotzdem nicht den Pfad eingeschlagen, den seine Eltern ihm vorgesehen hatten. Die Musik hatte er aufgegeben, doch das Schreiben nicht.

Nach diesen persönlichen Gedanken tauchten vereinzelt philosophischere Fragen auf, die beinahe noch quälender waren als die Was wäre, wenn-Fragen.

Was ist plausibler - die Existenz Gottes oder die Nichtexistenz Gottes?
Beweisen kann man keines von beidem. 
Haben wir einen freien Willen und wie ist er definiert? 
Namjoons Meinung dazu war die, dass kein Lebewesen über einen freien Willen verfügte, da sich jede Entscheidung auf das Ursache-Wirkung-Prinzip herunterbrechen ließe. 
Und doch - schließlich gab es auch starke Argumente auf der Seite jener, die davon überzeugt waren, über ihren freien Willen zu verfügen.

Er seufzte, drehte sich auf die andere Seite. Und wiederholte dies noch einige Male, bis er sich schließlich aufsetzte. So geht das doch nicht, dachte er ärgerlich. Ein kleiner Spaziergang würde ihm sicherlich guttun, um seine Gedanken zu klären. Er zog sich seinen Mantel über, schließlich wurde es nachtsüber vergleichsweise kalt - und zudem hatte er auch nicht das Bedürfnis, anderen Stadtbewohnern, die des Nachts unterwegs wären, seinen Pyjama zu präsentieren.

Als er die Schlüssel seines Autos in die Hand nahm, wusste er, wohin er wollte. Zum Jangseung-Park, etwa eine Viertelstunde entfernt, meist weniger. Es kam immer auf den Verkehr an, doch mitten in der Nacht würden die Straßen angenehm frei sein. Und der Park hoffentlich ebenso, betete Namjoon, der bloß nach einem ruhigen Platz und frischer Luft suchte.

Die Lichter der Stadt strahlten hell und verscheuchten die natürliche Dunkelheit, ließen kein Sternenlicht zu. Eine Eigenschaft seiner Heimat, die Namjoon sowohl zu lieben als auch zu hassen gelernt hatte. Die reine Natur war ihm noch immer am liebsten, mit all seiner Harmonie und Inspiration, doch er ertappte sich immer öfter dabei, die Straßen von Dongjak-gu, und insgesamt Seouls, zu genießen.

Es schien, als würde die Stadt nie schlafen. Als wäre sie immer wach, wie auch Namjoon es in diesem Moment war. Mit müden Augen und wachem Geist parkte er auf dem Parkplatz neben dem Parkeingang - eine beleuchtete Autowaschanlage flutete die Straße mit ihrem künstlich hellen Licht.

Namjoon stieg aus und sog die frische Luft der eingetretenen Nacht in die Lungen, sie war leicht und ein wenig warm, perfekt für einen kleinen Spaziergang. Die in sich aufsteigende innere Ruhe spürend, betrat er den Jangseung-Park, der rund um die Uhr für Besucher wie ihn offen stand. Er kam nicht selten hierher, und die angenehme Nähe zu seiner Wohnung spielte bei seinen häufigen Besuchen keine geringe Rolle. Es war bequemer, hierher für einen Spaziergang zu kommen, als den ganzen Weg zum Han River zu fahren - auch wenn Namjoon die Atmosphäre am Ufer des berühmten Flusses liebte und auch schon einige gute Ideen bei einer kleinen Radtour am Wasser gehabt hatte.

Langsam schlenderte er die aus Stein gehauenen Wege durch das Stück Natur inmitten der Pflanzen. Hätte er den Park entworfen, so hätte er die Pfade sicherlich nicht mit Stein ausgelegt, doch er musste zugeben, dass es einen gewissen Charme hatte. 

Nach einiger Zeit des Durchwanderns des einsamen Parks ließ Namjoon sich auf einer der bereitstehenden Parkbänke nieder, die geradezu zum Ausruhen einluden. Er atmete tief durch, genoss die Stille in seinem Kopf wie außerhalb, und schloss die Augen.

Als sich jedoch auf einmal ein fremdes Gewicht auf die Bank setzte, schlug Namjoon seine Augen wieder auf. Beunruhigt wollte er die Hände aus den Taschen seines warmen Mantels nehmen, doch da erkannte er, um wen es sich handelte.

"Jin, was machst du zu so später Stunde noch hier draußen? Hast du etwa doch keine Unterkunft gefunden?"

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- 1000 Wörter

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