20
Mein Schlaf wurde von unendlichen Schmerzen und Qualen begleitet. Die Träume die mich heimsuchten, fühlten sie sich wie echte Erinnerungen an. Schreckliche Erinnerungen, welche sich in meine Seele brannten und dort eine tiefe Narbe hinterließ. Es fühlte sich fast so an, als würde man mir das Fleisch von den Knochen ziehen.
Jungkook so zu sehen. Leidend und einsam, brachte mein Blut zum kochen und ich verspürte eine unglaubliche Wut auf die ganzen Menschen, die ihm so viel Leid zugefügt hatten.
In meinen Ohren dröhnte es. Die Worte, die Handlungen, einfach alles fühlte sich so verdammt real an. War es möglich? Waren das vielleicht tatsächlich Jungkooks Erinnerungen?
War sein Leben tatsächlich so grausam gewesen?
Ich weigerte mich zu glauben, daß ich das alles nur geträumt haben soll. Gleichzeitig legte ich all meine Hoffnungen genau darin.
Nur mit Mühe richtete ich mich auf und als ich zur Seite blickte und den Platz neben mir Leer vorfand, bestätigte sich meine Vermutung. Ich kämpfte um jeden verdammten Atemzug. Mein Hals und meine Augen brannten, während mein Herz in meiner Brust drohte zu zerspringen.
"Nein..." hauchte ich tonlos. Ich wurde mit den unterschiedlichsten Empfindungen überrollt. Die Stelle an meinem Hals, in die Jungkook gebissen hatte, brannte fürchterlich. Es schmerzte unerträglich.
"Es war nur ein Traum. Er würde nicht-" ich wagte nicht zu Ende zu sprechen, stattdessen schüttelte ich den Kopf, als würde das meine Worte unterstützen.
Es ging ihm gut. Ganz sicher. Vermutlich trieb er sich mal wieder irgendwo im Garten herum oder füttere die Pferde.
"Er würde mich nicht derart hintergehen..." sprach ich mit versucht gefasster Stimme und nach kurzer Überlegung lachte ich über mich selbst.
"Seit wann bringt mich sowas aus der Ruhe? Taehyung, du bist wirklich schwach geworden." erneut schüttelte ich den Kopf aber nach wenigen Sekunden schon fiel das falsch aufgesetzte Lächeln wieder und zurück blieb nichts als Unruhe. Der schwere Kloß im Hals blieb, das negative Gefühl verblasste nicht.
Auf unsicheren Beinen stand ich auf und kleidete mich in windeseile ein. Als ich dann einen Blick in den Spiegel warf, hielt ich geschockt den Atem an. Jungkooks Biss war frisch und absolut nicht zu übersehen. Zumindest war dies kein Traum gewesen aber irgendetwas schien an dieser Wunde anders zu sein. Es sah aus wie ein Stempel. Eine Zeichnung. Ein Mal das einfach nicht von meiner Haut verschwinden wollte.
Geistesabwesend fuhr ich mit den Fingerspitzen über die Einstichstellen und zuckte schmerzhaft zusammen. Mein Herz zog sich unerträglich zusammen und ich glaubte fast das Bewusstsein zu verlieren. Schwer atmend sackte ich nach vorn und stützte mich gerade noch so am Spiegel ab.
Mit schmerzverzerrten Gesicht rang ich angestrengt nach Atem.
Irgendetwas stimmte nicht.
Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht!
"Namjoon!" schrie ich und fiel anschließend blind vor Schmerz auf die Knie.
"NAMJOON!" wiederholte ich verzweifelt und fühlte einen unnatürlichen Ruck durch meinen Körper, der mich bis an meine Grenzen führte und darüber hinaus.
"Junger Herr?!" Namjoon kam angestürmt und schien mit der ganzen Situation überfordert. Er kam zu mir gelaufen und ließ sich auch auf die Knie fallen.
"Was ist mit euch? Was ist passiert-?"
"Wo ist Jungkook?" fiel ich ihm noch sofort ins Wort und löste in ihm große Verwirrung aus. Er zögerte und wirkte mit allem was er tat, auf einmal so unsicher.
"Wo ist er?!" das tiefe Grollen in meiner Stimme ließ ihn fürchterlich zusammenzucken und er schien aus seinen tiefen Überlegungen zu erwachen.
"E-er wollte in den Wald und Holz für den Ofen sammeln..." erklärte er vorsichtig, aus Angst etwas falsches gesagt zu haben und damit meine Wut auf sich zu ziehen.
Namjoon war völlig unwissend. Er hatte keine Ahnung was geschehen war und trotzdem war ihm meine Verbindung zu Jungkook natürlich nicht entgangen. Er hatte meine Veränderung beobachtet und vermutlich noch fiel eher festgestellt, daß ich mein Herz an diesen Jungen verloren hatte.
"Er wirkte ganz anders als sonst." murmelte er nachdenklich und nun so langsam beschlich ihn ein schlimmer Verdacht. "Er war so nachdenklich, hat sich für alles tausendmal bedankt und gleichzeitig entschuldigt. Ich dachte er wäre wegen euch aufgewühlt aber... es war irgendwie so ganz anders als sonst..."
"Ich muss ihm nach!" ich ging nicht länger auf seine Erklärungen ein, sondern wollte mich direkt wieder aufrappeln, als mich eine weitere Welle von kaum ertragbaren Schmerz überfiel. Sofort war Namjoon zur Stelle und stützte mich. Er sah mit besorgniserregenden Gesichtsausdruck auf mein Mal am Hals.
"Was ist das eurem Hals? Ist das ein Biss? Es sieht entzündet aus!"
Ohne ihm eine Erklärung zu geben, zog ich mich mit seiner Hilfe wieder hoch und stieß ihn dann unsanft von mir. Schweiß bedeckte meine Stirn als ich zur Tür torkelte.
"Junger Herr, wohin wollt ihr?!"
Wald. Er war in den Wald gegangen. Der Alpha Wolf. Der Traum. Das Versprechen.
"Ich bring ihn um." knurrte ich wahnsinnig vor Wut und dachte nur noch daran wie ich diesen vermaledeiten Alpha Wolf die Kehle aufreißen wollte, mitsamt seiner ganzen niderträchtigend Sippschaft.
"Ihr werdet euch wünschen mir nie über den Weg gelaufen zu sein! Wenn ihr ihm auch nur ein Haar gekrümmt habt..dann-"
Ich war völlig in meinem Zorn verfallen, als ich plötzlich ein lautes Heulen der Wölfe vernahm. Erst einer, dann mehrere. Es war wie eine Botschaft. Ein überbringung einer Nachricht und mit ihr fiel ich ins bodenlose als der Schmerz an meinem Hals mich umbringen wollte.
Wäre ich kein Unersterblicher gewesen, dann war ich mir zu hundert Prozent sicher gewesen, das ich diesen Schmerz nicht überlebt hätte.
Meine Eingeweide fühlten sich zerrissen aber der größte Schmerz fand in meinem Herzen statt.
Röchelnd stürzte ich hinaus ins Freie, torkelte über den Boden und ignorierte den plötzlich über mich einbrechenden Platzregen.
Die liebliche Sonne die vor wenigen Stunden noch seicht durch die Bäume schimmerte, hatte nun für dunkel schwarze Wolken platz gemacht.
Unheilvoll brach die Welt über mich ein.
"... Jung-kook..."
Die Erde auf dem Hof verwandelte sich in windeseile zu einem matschigen Schlamm, in dem ich mit jedem Schritt etwas mehr versank und dadurch nur noch mehr zu torkeln begann.
Ich bekam nur am Rande mit, wie Namjoon verzweifelte nach mir rief. Er versuchte mich irgendwie aufzuhalten, damit ich mich nicht kopflos in den Wald stürzte aber ich schenkte ihm schon lange kein Gehör mehr.
Ich dachte nur noch an Jungkook.
Getrieben von diesem einzigen Gedanken, bahnte ich mir einen Weg durch das dichte Unterholz. Ich ignorierte den peinigen Schmerz meines Herzens und das fürchterliche brennen am meinem Hals und betrat das Revier der Wölfe. Ich wusste ganz genau wo es sich befand. Ich hatte dieses hinterhältige Pack lang genug beobachtet und nun ärgerte ich mich, daß ich sie nicht schon viel eher zur Strecke gebracht hatte.
Zu meiner Überraschung fand ich hier aber Niemanden. Es war beunruhigend still. Nur das rauchen des Regens war zu hören, der plätschernd über die Blätter perlte und selbst das heftige pochen meines Herzens übertönte.
"Wo ist er...wo ist er.. " wiederholte ich murmelnd und hielt immer wieder ausschau.
Das Jaulen war schon lange verstummt und das Gebiet wirkte komplett Wolfsleer aber würden sie tatsächlich so schnell abhauen?
Meine Angst um Jungkook schnürte mir die Kehle zu. Ich konnte nicht schlucke. Ich wagte nicht einmal zu blinzeln, als ich mit unsicheren Beinen einen langsamen Schritt nach dem anderen tat.
Es waren nur wenige Schritt die ich tat, mit denen ich mich dem kleinen Tal der Wölfe näherte. So unscheinbar wenige Schritte und doch waren sie es, die jede Hoffnung, jeden Glauben an etwas Gutes in mir auslöschten.
Ein gigantischer Baum, der stolz und prachtvoll dem Unwetter strotze, erhielt eine erschütternde zerstörische Bedeutung für mich.
Es riss mir gewaltvoll den Boden unter den Füßen fort. Wenn ich glaubte zu wissen was wirkliche Schmerzen war, so war das nichts im Vergleich zu... diesem Schmerz.
Alles was mich an das Gute im Leben glauben ließ, wurde mir brutal weggerissen.
Dieser schöne Baum, nahm mir alles.
Leblos, vom Wind bewegt, wippte Jungkooks Leiche an einem der Äste. Seine Haare hatte man ihm abrasiert und das Blut, das aus unzähligen Biss und Schnittwunden herausgetreteten war, bedeckte fast seinen gesamten Körper. Sein Körper war übersät mit Blutergüssen.
Sie hatten ihn übel zugerichtet.
Das war kein Werk von Wölfen, das war ein Werke vom Teufel.
von Monstern. Abscheuliche abartige Kreaturen, die ihren eigenen Leute so etwas herzloses antaten.
Fassungslos sank ich unter Jungkook zu Boden, beobachtete den toten Körper, der wie ein Zeichen am Baum hing.
Wieso?
Wieso er?
Wieso so?!
Es sollte ein Zeichen sein, ein Zeichen für mich. Ein Zeichen für andere Wölfe. Sie schienen ihrem Triumph zu feiern, Taten es auf so abscheuliche Art das mir unsagbar schlecht davon wurde.
Ich war ein Unsterblicher, kaltherzig und brutal aber diese Tat überbot alles was ich je getan und gesehen hatte.
Alles was sich in mir die ganze Zeit über aufgetaut hatte, brach mit gigantischer Wucht über mich ein.
Ich schrie.
Ich schrie alles einfach nur noch aus mir heraus, solange bis meine Lungen brannten, bis mein Herz glaubte dem Druck nicht mehr standhalten zu können, bis ich das Gefühl der Ohnmacht hatte.
"Wieso hast du mir das angetan?! Wieso hast du mich angelogen?! Antworte verdammt - !" abermals schrie ich und schluchzte gleichermaßen auf. Es waren Tränen des Verlust, Tränen des Verrats.
Ich keuchte, schlug mit gesamter Kraft auf den matschigen Waldboden ein. Ich versuchte mich zu sammeln aber es gelang mir nicht.
Das erste Mal das ich die Kontrolle komplett über mich verlor. Zittrig stämmte ich mich in die Höhe, wischte mir schluchzend über die Augen und ging anschließend zu dem Baumstamm um den Knoten zu lösen, mit dem man Jungkook wie ein bedeutungslosen Objekt an diesem Baum präsentierte.
Das Seil glitt aus meinen Händen aber noch ehe Jungkook zu Boden fallen konnte, fing ich ihn auf. Gemeinsam mit ihm glitt ich zu Boden und erneut bahnten sich Tränen über meine Wangen, während ich mit meiner Hand vorsichtig über seine eiskalte Wange strich.
Sein Brustkorb war frei gelegt und so grausam wie die Wölfe waren, hatten sie ihm das Wort "Seuche" ins Fleisch geritzt. Ich konnte nur hoffen das er dann nicht mehr gelebt hatte, um diesen Qualen zu ertragen.
Voller Verzweiflung küsste ich seine leblosen Lippen, drückte ihn fest an mich, mit dem Wunsch ihn niemals mehr loslassen zu müssen. Ich konnte nicht.
Ich hasste mich. Dafür daß ich ihn ständig von mir stieß, das ich ihn so kalt und abweisend behandelt hatte und dafür das ich ihn nicht beschützen konnte.
"Ich liebe dich. Ich liebe dich mehr als mein verfluchtes dreihundert Jähriges Leben und du verlässt mich einfach. Das ist so unfair. Hättest du mir nur etwas gesagt... Ich hätte dich beschützt." flüsterte ich gebrochen aber nichts als der unaufhörliche Regen war zu hören.
Sein Herz stand still, sein Körper war kalt und die Seele längst fort.
Er hatte mich verlassen.
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Bitte bringt mich nicht um :( aber es ist ja noch nicht zu Ende ☝️
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