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Eigentlich sollten mir Jungkooks Gefühle und Gedanken total egal sein, trotzdem mied ich ihn in den nächsten vergangenen Tagen wo es nur ging.

Dabei hatte ich zu anfang noch nichts gegen einen harmlosen flirt einzuwenden gehabt. Jungkook hatte mich irgendwie mit seiner jugendhaften Unbeschwertheit fasziniert —

Er war mir seltsamerweise nicht egal.

Nicht wie es eigentlich sein sollte und richtig wäre.

Wann hatte ich mir überhaupt zuletzt so viele Gedanken um so einen einfachen Menschen gemacht?

Aber nicht nur das, ich war richtig sauer auf mich. Ich versuchte an etwas anderes zu denken, um meine Wut zu vergessen, doch das Problem war einfach, da war nichts anderes, nichts schönes, nichts an dem ich mich festhalten konnte, nichts das mich davor bewahrte mich in dem Gefühlschaos zu verlieren.

Eigentlich hätte ich Jungkook am liebsten den Vorwurf gemacht, nicht ausreichend nachzudenken aber traf das nicht auf uns beide zu? War ich nicht genau in dieser Situation gelandet, weil ich nicht nachgedacht hatte? Nachdem er mir bereits im Bad so nah gekommen war, lagen da meine Lippen nicht auch schon fast auf seinen? Einfach weil mein Verstand schon längst aufgehört hatte zu arbeiten?

Ich klammerte mich beinahe schon krampfhaft an meinem Entschluss fest, nicht nachzugeben. Wie an einen Ast, welcher bereits drohte im reißende Strom fortzuschwemmen.

Trotz all meiner Warnungen, ließ ich mich von der Unruhe, welche über das ganze Gutshaus lag, anstecken — zumindestens innerlich.

Angespannt stand ich vor meinem Spiegel und starrte meinen Hals an. Seit Jungkook mich spielerisch gebissen hatte, verschwand sein kleines Mal nicht mehr. Alles andere verheilte in Null komma nichts aber der Biss blieb hartnäckig auf meiner Haut verewigt. Es sah ja nicht einmal so aus als hätte es sich in irgendeiner Art und Form verbessert.

Es war äußerste Merkwürdig. Merkwürdig war auch der wenige Hunger den ich auf einmal hatte. Mich durstete es einfach kaum noch nach Blut. Es war als wäre Jungkooks Blut ein Wunderelexier gewesen, etwas wovon ich zu gern noch mehr gehabt hätte.

Grimmig verzog ich das Gesicht und wandte mich unzufrieden vom Spiegel ab. Ich wollte dem Biss keine tiefere Bedeutung schenken und versuchte auch die dazugehörigen Erinnerungen auszublenden.

Aber jeder einzelne Versuch wurde zur Nichte gemacht, spätestens als ich zum Fenster ging und hinaus in den Garten schaute. Nach den ganzen Regentage, zeigte sich heute seit langem Mal die Sonne wieder. Sie strahlte zwar nur mild aber mit ihr kündigte sich endlich so langsam der Frühling an.

Das leichte Sonnenlicht brachte die vereinzelten Regentropfen zum glitzern, welche an den kahlen Zweigen der Büsche und Bäume hingen, während der seichte Wind sanft die Baumkronen weckte. Es sah nach einem herrlichen Tag aus und ich sollte ihn eigentlich genießen —wäre da nicht Jungkook...

Ich lehnte mich näher an den Fensterrahmen und stand anschließend vollkommen still da.

War es nicht merkwürdig, wie sehr es mich anzog, wenn ich sah wie sein Haar bei den drehungen im Wind wehte und seine dunklen Augen vor lauter Begeisterung anfingen zu leuchten?

Ich horchte auf meinen Pulsschlag, spürte die warme Gänsehaut und blies entrüstet die Wangen auf.

Tsk sowas dummes. Ich verhielt mich völlig lächerlich. Dieses Bild von Jungkook ließ einfach ein viel zu befremdliches Gefühl in mir aufkommen und kaum schoss mir diese Gedanken durch den Kopf, sah der Schwarzhaarige dann auch noch plötzlich in meine Richtung.

Ich erstarrte ertappt. Unserer Augen trafen sich für wenige Sekunden aber das allein reichte aus, um meinen ganzen Körper in brand zu setzen. Unbewusst schellte meine Hand zu der Bisswunde, bevor ich so schnell wie möglich vom Fenster stolperte.

Hatte er mich gesehen? Ach was natürlich hatte er mich gesehen! Frustriert rieb ich mir über die Schläfen.

Meine Gedanken purzelten wie Steine einem Hang hinunter und ich wünschte mir, es würden einfach wieder aufhören aber mein Kopf tat mir diesen Gefallen selbstverständlich nicht.

Ich brauchte also noch einen kurzen Moment um mich zu sammeln aber als ich glaubte mein schnell schlagendes Herz beruhigt zu haben, sah ich zum Fenster zurück. Irgendetwas zog mich wieder magisch dahin. Ich bekam nicht einmal mit, wie sich meine Beine von ganz allein in Bewegung setzten.

Erst als ich wieder vor dem Fenster stand, drifteten meine Augen erneut zu dem Garten aber zu meiner großen Überraschung, war Jungkook nirgends mehr zu sehen.

Wo war er plötzlich hin? Ich drückte mich an die Fensterscheibe und spähte in jede kleinste Ecke des Garten. Von links nach rechts aber nichts. Er war wie vom Erdboden verschluckt.

"Wo treibt es sich denn jetzt schon wieder herum?" grummelte ich und scannte das ganze Gebiet sorgfältig ab.

Der nächste Schrecken folgte aber sogleich, als mir plötzlich wie aus dem Nichts ein Schopf mit schwarzen Haar vors Gesicht sprang.

Ich schrie überrascht auf und stolperte erschrocken zurück. Jungkook schien das Ganze ja äußerst Amüsant zu finden, denn er lachte völlig unbeschwert los, als er sah wie ich zu Boden fiel.

Ich jedoch fand das alles andere als witzig. Mit finsterem Blick starrte ich ihn an. Mein Ausdruck glich dem wie eine aus Stein gehauene Maske. Die wenige Begeisterung über seinen dummen Scherz, war mir mehr als gut anzusehen aber Jungkook störte sich nicht daran.

Nachdem ich mich wieder aufgerappelt hatte, lief ich zum Fenster und riss die Flügel sperrenweit auf. "Was zum Teufel?!" rief ich ihm ärgerlich zu und fletschte grimmig die Zähne. "Du bist ein Wolf und kein Affe. Wieso kletterst du die Wand hier hoch?!"

"Ich dachte ihr würdet mich vielleicht vermissen." antwortete Jungkook simpel und hagelte sich kurzerhand über das schmale Gerüst. Mit einem einzigen Satz, befand er sich auch schon mitten in meinem Schlafzimmer.

"Hat dir Niemand beigebracht nicht in fremde Häuser einzubrechen? Bereits das zweite Mal das du dir so eine Frechheit erlaubst."

"Wenn ihr mich schon beobachtet, dachte ich, ich komm gleich zu euch. Ihr geht mir ja sonst die ganze Zeit aus dem Weg."

"Tu ich nicht—!"

"Tut ihr wohl. Ihr dürft nicht vergessen ich hab als Wolf auch geschärft Sinne und—" noch ehe Jungkook seinen Satz richtig beenden konnte, schlug meine Handfläche schon gegen sein Gesicht.

Wie ein Blitz und ich hörte es dann noch in meinen Ohren klingeln, als sein Kopf zur Seite flog und der Schmerz sich in seinem Gesicht bemerkbar machte.

Ich bemerkte die Veränderung, noch bevor ich meine Hand von seiner Wange nahm, denn seine Atmung hatte schlagartig ausgesetzt, sein Körper hatte sich total angespannt und als ich den Blick hob, wurde mir erst die schmerzende Erkenntnis bewusst.

Ich hatte es tatsächlich getan.

Ein Blick in seine Augen reichte aus, um zu wissen, das ich einen Fehler begannen hatte. Die eisige Gewissheit die sich schon nagend in mir festgebissen hatte, sprang mit einem Mal hervor und erschrak mich so heftig, daß auch ich vergaß wieder Luftzuholen.

"Das hat gesessen." Jungkooks Stimme klang seltsam hohl und ich wollte schreien, wollte ihm sagen wie sehr es mir leid tat — aber bekam einfach nicht den Mund auf.

Meine Hand zitterte. In der Regel war ich brutal in dem Umgang mit meinen Opfern aber wenn ich mir Jungkook jetzt so ansah und seine geschundene Wange betrachtete, wurde mir unsagbar übel.

Das Mal an meinen Hals begann auf einmal an zu pochen. Es brannte unangenehm, als würde es mich ebenso auf meinen Fehler hinweisen wollen.

"Wahrscheinlich hab ich das verdient, mh?" wieder klang Jungkooks Stimme so verdammt traurig aber ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich wusste nicht einmal wieso ich einfach so ohne Vorwarnung ausgeholt hatte.

Irgendwie waren bei mir die Sicherungen durchgebrannt.

"Es tut mir leid junger Herr..." sagte er in mein Schweigen hinein und alleine dieser Satz, machte es noch so viel schlimmer.

"Entschuldige dich nicht ständig, du solltest einfach nur nicht vergessen wen du hier vor dir stehen hast." sagte ich harsch und versuchte das leichte zittern in meiner Stimme nicht durchkommen zu lassen aber es gelang mir nicht so wirklich.

Ich hatte mich dann bereits panisch auf dem Absatz umgedreht, als er mich plötzlich packte. Jungkook schlang ganz schnell seine Arme von hinten um meinen Körper und presste mich ruckartig an seine Brust.

"Bitte..." bat er mit einem Seufzen in der Stimme. "...Geht nicht schon wieder weg."

Ich spürte wie mein Atem nach diesen Worten noch schneller ging. Jungkook lehnte sich vor, soweit bis er seine Lippen zart auf meinen Hals legen konnte, genau an die Stelle an dem sich sein Mal befand. Dabei schlang er seine Arme fester um meine Taille, um mich noch viel näher an sich zu ziehen, während mich ein heftiger Schauer erfasste.

"Bitte, ich möchte doch nur noch etwas mehr Zeit mit euch verbringen...nur noch ein klein wenig mehr Zeit."

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