Ich hielt mich tatsächlich für schlau, für unbesiegbar aber allem voran, hielt ich mich für jemanden den so schnell nichts wirklich aus der Fassung bringen konnte.
Falsch gedacht.
Dieser Junge schaffte es.. wieder und wieder. Er erschütterte mich in meinen Grundfesten und ich schaffte es für einen Moment nicht das Gefühl abzulegen, das in mir aufkam. Ich hatte tatsächlich Angst vor der Wahrheit.
Was verheimlichte er vor mir? Was wollte er vor mir verbergen und wieso?
Es war, als waren die Schmerzen des gestrigen Abends frisch wachgerüttelt worden und wieder an die Oberfläche gelockt.
"Warte hier." befahl ich, woraufhin Namjoon unter der unerwarteten strenge in meiner Stimme zusammen zuckte.
"Wie ihr wünscht, junger Herr..." antwortete er mit bemüht ruhiger Stimme und deutete ein leichtes Kopfnicken an, um mir zu zeigen das er sich keinen meiner Worte widersetzen würde.
Ohne noch etwas zu sagen ging ich an Namjoon vorbei, vergeudete keine weitere Sekunde länger und suchte Jungkook bei den Pferden auf.
In meinen Augen lag eine seltsamer Härte, die ich mir selbst nicht so richtig erklären konnte aber als ich den Schwarzhaarigen schließlich dort fand und sah wie einfühlsam er über die Mähne des Pferdes strich, fühlte ich mich seltsamerweise betrogen.
Wie konnte er dort einfach so gelassen stehen und so tun als wäre nichts?
"Hast du mir etwas zu sagen?!" zeriss ich die Stille mit gefährlicher Stimme und starrte ihn zornig an.
Jungkook auf der anderen Hand, wirkt ziemlich überrascht und hatte mein Auftauchen eindeutig nicht kommen sehen.
Mein Blick fing den seinen ein, ich sah das plötzliche Lächeln, konnte es aber nicht erwidern. Ich spürte die Wut in mir, aber eine bleierne Schwere drückte mich so sehr nieder, dass ich ihn einfach nur stumm anstarrte.
"Solltet ihr euch nicht noch ausruhen?" fragte Jungkook mich völlig scheinheilig und wagte es mir seine falsche Heuchlerei vorzugaukeln!
Ich biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten und ballte die Hände zu Fäusten. "Du wolltest doch die ganze Zeit wissen was ich bin. Was du inzwischen ja erfahren hast. Jetzt aber stell ich dir die selbe Frage... was bist du?"
Jungkooks Augen weiteten sich merklich, bevor er sein Fehler noch sofort bemerkte und den Blick schnell senkte. Er atmete ruhig durch, als er schließlich leise meinte." W-was meint ihr?"
So als wäre nichts außerordentliches geschehen, strich Jungkook dem Pferd weiter über die Mähne, lenkte sich somit von dem ab was ihn beunruhigte und das war meine Anwesenheit.
"Du hast mich schon richtig verstanden. Was genau bist du?"
Die Schuld in seinen Augen war nicht zu übersehen. Sie lastete schwer auf seinen Schultern und es kam mir vor, als könnte ich das Gewicht selbst spüren, wie es einem die Luft zum atmen nahm, ins Chaos stürzte und einen nicht los lies.
Sein Blick erfasste den meinen, reuevoll biss er sich auf die Lippen, als er wieder hinabsah und schwieg.
Vielleicht fühlte ich so heftig, weil mir der Ausmaß meiner Gefühle erst in diesem Moment wirklich bewusst wurde, auch wenn vorher nicht abzustreiten war, das ich tatsächlich etwas für Jungkook empfand.
Da stand ich nun.. und wusste nicht ob ich die ganze Wahrheit verkraften könnte. Wieso zögerte er so? Gehörte Jungkook etwa auch zu meinen Feinden? Wieviele denn noch?
Um so mehr kam die Frage in mir auf, wie er es unbeschadet geschafft hatte mit mir zu fliehen.
"Wieso sagst du auf einmal nichts mehr?" jeder Herzschlag schien in meiner Brust auf einmal zu schmerzen und trotzdem schien er weiterhin eisern schweigen zu wollen.
"Rede!" zischte ich ihm zu, verringerte unsere Distanz und fixierte ihn ernst, damit er endlich anfing zu sprechen!
Jungkook brauchte einige Momente, fokussierte seinen Blick und wurde schließlich ebenso ernst.
"Ich.. weiß nicht wo ich anfangen soll.." murmelte er und ich zog ihm verbissen am Kragen zu mir hin.
"Vielleicht einfach bei der Wahrheit? Weswegen bist du wirklich hier? Hat dich der Alpha Wolf auf mich gehetzt? Bist du deswegen ohne ein Kratzer davon gekommen? Was für ein hinterhältiges Spiel spielst du hier?!"
Es wurde still um uns herum. Ich achtete nur noch auf Jungkooks schnellen Herzschlag und das schwere Schlucken das die Luft um mich herum zeriss. Ohne es zu wollen, lenkte es mich wieder auf seinen schlanken Hals. Ich spürte wie sich meine Augenfarbe wieder in ein eiskaltes blau änderten, verursacht durch unterschiedliche Emotionen, die irgendwie alle aufeinmal aus mir ausbrechen wollten.
"Glaubt mir, ich wurde von Niemanden geschickt und ich hab auch keine böse Absichten!" versuchte er zu erklären aber ich unterbrach ihn schnaubend.
"Wem willst du das weiß machen?! Nie hat es jemand gut mit mir gemeint. Wie dumm von mir zu glauben, das du anders wärst!"
"Ich bin anders!"
"Dann Beweis es mir!" rief ich aufgebracht. "Weswegen bist du hier? Wieso vergeudest du meine Zeit, wenn du nicht nach meinen Leben trachtest?!"
Ich konnte keinen weiteren Gedanken mehr fassen, als Jungkook mich mit einem Ruck am Kopf packte und dann unsere Lippen zwanghaft vereinigte. Nur wenige Sekunden später befand ich mich mit dem Rücken am Stall gepresst. Woher hatte er plötzlich diese Kraft entwickelt?
Ein solcher Überfall hatte ich einfach nicht kommen sehen. Es machte mich konfus und sprachlos.
Seine Lippen übermannten mich, ließen kein Platz für ein falsches Zögern und vorallem nicht als seine Hände an meiner Taille lagen um mich noch viel enger an seinen Körper zu pressen.
Im ersten Impuls heraus begann ich mich zu wehren, ich versuchte ihn sofort noch von mir zu drücken, doch meine Gegenwehr wahr eher halbherzig und er dachte erst gar nicht daran, mich gehen zu lassen.
Ich keuchte ihm in den Mund, spürte wie dadurch sein Blut in Wallung geriet, genauso wie meines immer heißer wurde. Wütend und gleichermaßen hilflos, ließ ich den Kampf um Freiheit sein. Ich war immer noch angespannt, nicht gewillt nachzugeben aber da war der insgeheime Wunsch in mir, das er nicht aufhörte.
Der Wunsch, das ich mich irrte und sich herausstellte das Jungkook kein Verräter war.
Genau mit diesem Wunsch, ließ er mich zurück, nicht gänzlich aber die Wärme an meinen Lippen entschwand, ein kühler Luftzug folgte, während ein heftiger Schauer meinen Rücken entlangjagte und ich die Lippen auf der Haut zwischen den Schulterblättern spürte.
Ich atmete geräuschvoll aus, als ich seine Zähne spürte, die plötzlich so viel schärfer als sonst waren. Zwar nicht mit meinen vergleichbar aber ein Beweis dafür, daß Jungkook nicht nur ein einfacher Mensch war.
Unbewusst reckte ich mich ihm entgegen, als ich spürte wie er zuerst mein Kinn erreichte und anschließend mein Ohr.
"Ich erzähle euch alles, alles was ihr möchtest aber glaubt mir bitte... Ich bin nicht euer Feind." flüsterte er mir gegen die Wange. Diese Gewissheit beschleunigte von ganz allein mein Puls.
"Was bist du..." verlangte ich zu wissen und versuchte mein unruhigen Herzschlag irgendwie zu beruhigen. Fokussiert auf Jungkooks kirschroten Lippen, suchte ich kurz darauf den Blickkontakt und als ich ihm schließlich in die Augen sah, erkannte ich das tief rote glühen in ihnen.
"Ich bin ein Wolf. Um ehrlich zu sein ein Alpha."
Ich zog kritisch die Augenbrauen zusammen, versuchte seine Worte aufzunehmen und auch wenn ich irgendwie bereits die Antwort geahnt hatte, war es wie ein Schlag ins Gesicht.
"Du bist ein... Alpha?" wiederholte Ich zweifelnd, woraufhin Jungkook ruhig zu nicken begann. Er stand immer noch ganz nah bei mir. Auch sah es nicht so aus als würde er zeitnah von mir ablassen wollen.
"Was ist mit diesen Leuten die nach dir gesucht haben? War das eine Lüge? Diese Geschichte mit der Gräfin?"
Sein Blicke wurde umgehend traurig und ich wusste noch sofort, das es sich um die Wahrheit gehandelt haben musste.
"Wieso warst du da?"
"Ich war noch sehr jung als ich meinen Eltern entrissen wurde. Ich bin bei den Menschen groß geworden. Erst hab ich in der Küche ausgeholfen aber als ich älter wurde, fand die Gräfin langsam gefallen an mir und so wurde ich schließlich.. zu Ihrem Sklaven."
"Wieso hast du dich nicht gewehrt? Wenn du doch Alpha Blut in dir trägst, wieso hast du dich nie an dieser Frau gerecht?" fragte ich verständnislos und konnte nicht glauben wie Jungkook sich diesen Qualen einfach so ausgeliefert hatte.
"Ihr versteht das vielleicht nicht aber ich war ein Kind als ich aus vertrauter Umgebung gerissen wurde. Ich wusste zwar was ich war aber so richtig auch wieder nicht. Mir hat keiner etwas über meine Art beibringen können und ich wusste, sobald die Menschen davon erfahren würden, würden sie mich sofort töten. Also hielt ich es fürs klügste nichts zu sagen." erklärte er bedächtig, ohne den Blickkontakt zu brechen.
"Am Anfang hat es sehr gut geklappt aber mit den Jahren, veränderte ich mich und das Blut in mir, das mich zu einem Alpha machte, bereitete mir mit der Zeit gewisse Schwierigkeiten. Ich konnte es immer schlechter vor den Menschen verbergen..."
"Wieso hast du sie nicht einfach getötet?" fragte ich einfach so gerade heraus und entlockte dem Schwarzhaarigen damit ein leises Lachen. Ich rümpfte die Nase. Was war an der Frage so witzig? Hätte er sie getötet, hätte er das alles nicht mehr ertragen müssen!
"Ich hab meine Stärke nicht wirklich unter Kontrolle. Der Alpha in mir macht mir selbst irgendwie Angst und im Gegensatz zu euch bin ich das töten nicht gewohnt." Jungkooks Züge blieben sanft während er sprach. Wahrscheinlich hätte mich etwas anderes auch gewundert und doch wäre es verständlich gewesen.
"Was wäre außerdem passiert wenn ich sie einfach so getötet hätte? Mitten in ihrem Heim? Umzingelt von Wachen? Ein unerfahrener Alpha gegen eine Horde erprobter Kämpfer. Wer glaubt ihr hätte gewonnen?"
Eine kurze Pause entstand. "Also ich hätte gewonnen." schnaubte ich, was Jungkook sofort auflachen ließ.
"Oh mit Sicherheit." grinste er breit und funkelte mich amüsiert an.
"Du willst mir nicht glauben?!" beleidigt zog ich die Augenbrauen zusammen und erwiderte den Blick vielmehr griesgrämig.
"Doch natürlich. Ich glaub euch jedes einzelne Wort." immer noch schmunzelte er, was ich rücksichtslos ignorierte, trotzdem blieben meine Gedanken turbulent und nicht wirklich greifbar.
"Und was war mit dem Alpha Wolf aus diesem Wald. Sag bloße du kennst ihn. Ist er auch halb Mensch?"
Jungkook schüttelte den Kopf. "Ich kenne ihn nicht. Ich war selbst überrascht... Als er euch anfiel, schien der Alpha direkt mit mir zu durchzugehen. So schnell realisierte ich gar nicht, wie ich ihn von euch vertrieben hatte. Ich kann euch nicht mal mehr genau sagen wie, mein einziges Ziel war es, euch in Sicherheit zu wissen."
Meine Augen fanden wieder zu Jungkook, der mich nicht eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen schien. Er sagte nichts mehr und dennoch musste ich perplext blinzeln, einfach aus dem Grund der anhaltenden Nähe zu ihm und der ganzen Situation... und vorallem wegen dem bereits zweiten Kuss den wir miteinander geteilt hatten. Sofort beschleunigt sich mein Herzschlag und die Hitze wanderte meinen Nacken hoch.
Er starrte so ungeniert und ich war in der Bewegung nach wie vor eingefroren, fühlte mich auf irgendeinerweise ertappt und begann wieder hektischer als nötig zu atmen.
"In Ordnung. Ich glaube euch." Ich wollte mich Räuspern und am liebsten aus dieser Umklammerung winden, als der Halt an meiner Taille stärker wurde.
"Was sagt ihr zu dem Kuss?" fragte er leise, wobei sich bei mir umgehend die Nackenhaare aufstellten. Mussten wir dieses Thema jetzt tatsächlich auch noch aufschlagen?
"W-was soll schon damit sein?"
"Ihr habt euch nicht gewehrt. Nicht beim ersten Kuss noch bei diesem."
"—Tsk hab ich wohl."
Unbeirrt von meinem schwachen Protest, fuhr Jungkook seelenruhig weiter. "Heißt das ich darf euch öfters küssen?"
Ich kämpfte für einige Sekunden mit meiner Stimme. Ich brachte kein Ton mehr heraus und obwohl ein klares 'Nein' die eindeutig richtige Entscheidung gewesen wäre, schwieg ich einfach.
Ich war ein Unsterblicher, der über dreihundert Jahre lebte und ich ließ mich doch tatsächlich von so einem einfachen Alpha Jüngling verwirren?!
"Ich nehme das mal als ein Ja hin."
❥
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top