02
Unangefochten ritt ich über die Wiese, kam an einem Bach entlang und ließ das Pferd solange dem Wasserlauf folgen bis wir den Wald erreichten. Schließlich hielt ich in einem schmalen Gehölz an und stieg ab.
Bei Namjoon war die Freude über diese Pause groß. Er sah aber auch aus als hätte man ihn ein dutzend mal durch den Fleischwolf gedreht. Reiten war wirklich nicht so seins und als er versuchte abzusteigen, blieb er doch glatt mit dem Fuß im Steigbügel hängen. Schmunzelnd zog ich das Pferd nun so weiter durch den Wald aber es dauerte nicht wirklich lange, bis ich mit einem Male stehen blieb.
"Junger Herr?" Namjoon blieb irritiert neben mir stehen. "Ist alles okay? Wieso machen wir halt?"
"Irgendetwas stimmt hier nicht." meinte ich nur leise und sah mich genau um. Meine Augen, meine Ohren, mein Geruch. Alle meine Sinne schienen plötzlich um das dreifache geschärft. Ich spürte die Veränderung sogar noch eher als die Pferde, welche jetzt erst begannen unruhig zu werden. Vorsichtig näherte ich mich dem kleinen Pfand, den ich immer nutze um von meinem Haus in die Stadt zu reiten und erkannte dort fremde Hufspuren.
Meine Gedanken flogen hin und her. Es konnte sich hier unmöglich um die Stadtleute handeln. Es kam nie Jemand so weit zu mir heraus. Aber wer war es dann?
"Uhm.. junger He—"
"Leise!" unterbrach ich mit einer Handbewegung und hob den Kopf. Meine Augen leuchteten in einem grellen blau auf. Ich lauschte nochmals und erkannte Hufschritte - und die kamen genau aus der Richtung meines Gutshaus.
"Ich glaube wir haben Gäste."
"Huh? Gäste? Von wem?"
"Das werden wir gleich sehen."
In Null Komma nichts saß ich wieder auf meinem Pferd und trieb es mit den Zügeln hastig an. Ich verschwendete keinen Gedanken an Namjoon, der nichts anderes tat als gequält zu Stöhnen. Dennoch schmiss auch er sich wieder hoch aufs Pferd und folgte mir in einem unbeholfenen Galopp.
Als wir am Gutshaus ankamen, musste ich zu meiner großen Unzufriedenheit feststellen, das sich tatsächlich fremde Männer auf meinem Grundstück befanden und es wagten hier herumzuschnüffeln. Mich packte sofort die blanke Wut, wobei Namjoon diese Situation vielmehr beängstigend fand.
"W-was wollen diese Männer hier?"
"Fragen wir Sie doch einfach mal." schlug ich leichtfertig vor und lief auch direkt los.
"Junger Herr, nicht! Wartet doch!" rief Namjoon flüsternd aber ich ignorierte seine ängstliches Gehabe.
Es war ohnehin zu spät. Kaum trat ich hinter den Bäumen hervor, war ich mir die Aufmerksamkeit der Fremden sicher.
Misstrauisch richteten sie sofort ihre Gewehre auf mich, als wäre ich doch tatsächlich der Eindringling und nicht sie.
"Dürfte ich erfahren was ihr auf meinem Grundstück zu suchen habt?" ich fuhr prüfend mit den Lippen über meine Zähne und musste mich wirklich stark zusammenreißen um das ausfahren meiner kleinen tödlichen Waffen zu verhindern.
"Wir entschuldigen dieses grobe Eindringen Ihres Grundstückes, Sir aber wir sind auf der Suche nach Jemanden. Einen jungen Mann. Er muss sich hier irgendwo versteckt halten." erklärte einer der Männer, der hier vermutlich das sagen hatte und befahl seine Männer sofort wieder die Gewehre niederzulegen.
"Einen jungen Mann?" wiederholte Ich skeptisch. "Was hat dieser Mann verbrochen, das ihr solche Maßnahmen ergreift? Ich dulde hier ungern Fremde!"
"Die Gräfin von Schaumburg (hahaha) liebstes Spielzeug. Wir sind alle dem Tode geweiht, wenn wir ihn nicht sofort wieder zurückbringen."
Ich hätte am liebsten ganz laut und spöttisch aufgelacht. Diese Situation war Wirklich so bizarr wie sie aussah.
"Und ihr glaubt er hält sich hier irgendwo versteckt?" hakte ich nochmals nach, um auch wirklich sicherzugehen das es sich hierbei nicht nur um einen schlechten Scherz handelte.
"Ganz genau. Wir vermuten, das er sich sogar irgendwo in eurem Haus versteckt hält."
"Ha, das wird ja immer besser." nun konnte ich mir ein bitteres Auflachen doch nicht verkneifen.
"Es ist mir egal, das eure Gräfin ihr wertvolles Spielzeug verloren hat, ich möchte das ihr sofort von meinem Grundstück verschwindet!"
"Ihr wisst, das so ein unkooperieren zu Komplikation führen kann? Wir versichern euch, das wir uns ledeglich umschauen. Wir rühren weder etwas an, noch machen wir etwas kaputt. Wir wollen uns nur kurz absichern, das ist alles."
Ich verspannte mich. Einen momentlang blitze Feindseligkeit in meinen Augen auf aber nach der Situation bei der Versammlung, konnte ich mir einen Fehltritt gerade absolut nicht leisten, also ließ ich wieder nach und gab mich fürs erste Einsichtig.
"In Ordnung." meinte ich schließlich widerstrebend, woraufhin Namjoon mich verdutzt anstarrte. Ich wollte es ja selbst kaum glauben was ich da von mir gab!
"Aber nur fünf Minuten und wehe es wird irgendetwas angefasst oder dreckig gemacht!" fügte ich drohend hinzu und mein strechender Blick schien den Männern wohl Angst zu machen, denn sie nickten gleich hastig.
"Gut. In Ordnung. Ihr dürft nachschauen."
Dann ging alles auch schon ganz schnell. Mein Gutshaus wurde doch tatsächlich von diesem Gesindel betreten. Sie beschmutzten mein Reich mit ihrer widerwertigen Anwesenheit und das alles nur wegen so einem jungen Mann.
Es war wirklich gefährlich sie hier einfach so frei herum laufen zu lassen, weshalb ich Namjoon auch sofort die Aufgabe erteilte, auf diese hinterbelichteten Leute aufzupassen. Sie durften nicht in die Speisekammer, Küche noch in mein Schlafzimmer.
"Pass auf das sie das Blut nicht entdecken."
"Ja junger Herr!"
Anschließend drehte ich mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung.
Alles schien soweit unauffällig doch sobald ich den privaten Teil meiner Räume betrat, fiel mir sofort das offene Fenster auf. Es war ausgehebelt und stand einen Spaltbreit auf. Ich ließ nie die Fenster offen.. Nie.
Dann war da aber auch noch dieser Geruch. Er hatte sich bereits mit dem Meiningen vermischt, weshalb ich den Ursprung nicht sofort ausmachen konnte aber es roch nach... jungem frischen Blut.
Geräuschlos bewegte ich mich in meinem Schlafzimmer weiter. Ich hörte ihn Atmen, hörte das Echo seines schnellen Herzschlags. Es war ein lautes kraftvolles Hämmern, das durch den jungen Körper pulsierte, als wäre es mein eigenes.
Ich konnte ein leises prickeln der Furcht wahrnehmen und es amüsierte mich.
Instinktiv leckte ich mir über die Lippen und ohne das ich es mir bewusst wurde, verschwand das sanfte braun in meinen Augen und wurde von einem stechenden kalten blau ersetzt, welches meinen unvollstellbaren Hunger widerspiegelte. Ich sog den Duft tief in meine Nase und spürte eine unbekannte Aufregung in mir.
"Die Menschen sind schon eine seltsame Rasse. Biologisch gesehen perfekt. Evolutionstechnisch gesehen eine reine Katastrophe. Geboren mir einem Gehirn das zu so viel im stande war, doch kaum benutz wurde..." begann ich leise zu erzählen mit dem Wissen das meine Worte nicht ungehört blieben.
"Der Horizont endet bei der eigenen Nasenspitzen" fuhr ich mit einem diabolischen grinsen fort und näherte mich langsam meinem Kleiderschrank, aus der der himmlische Duft bis zur meiner Nase strömte.
Es war so gut. Besser als alles was ich bisher gerochen hatte und es erhöhte meine Vorfreude ins unermessliche, das ich selbst die Männer in meinem Haus komplett vergaß.
Eine seltsame Hitze erfasst meinen Körper. Noch nie hatte Menschenblut so eine intensive Wirkung auf mich ausgeübt und dabei hatte ich ja noch nicht einmal gekostet — aber es war nicht nur das. Der Geruch des Menschen war gleichermaßen betörend und zum ersten Mal war ich Neugier zu wissen, wer sich hinter diesem perfekten Duft versteckte.
Ein nicht wirklich vertrautes Gefühl der Atemlosigkeit überfiel mich, als ich nach der Schranktür griff und sie mit einem Ruck aufriss.
Ich war auf alles vorbereitet gewesen und doch war ich plötzlich wie erstarrt, als ich auf den jungen Mann starrte, dessen pechschwarzes Haar so wunderbar im schwachen Licht glänzte, das ich glaubte echte Seide zu betrachten.
"B-bitte Sir, tun sie mir nichts. I-ich wollte nichts klauen! Das ist die Wahrheit!" rief er erstickt und presste sich energisch nach hinten.
Der junge Mann sah nicht viel älter aus als zwanzig und war so schön wie ein Engel. Schwarze dichte Wimpern umrahmten dunkle mandelförmige Augen. Helle glatte Haut, rosige Wangen und Lippen. Es entsprach der Ästhetik eines hübschen Mannes. Er war schlank, besaß aber eine feste Statur, die an den richtigen Stellen Muskeln besaß. Selbst unter der verschmutzen lockeren Kleidung konnte ich sie gut erkennen. Schmale Hüften trafen auf kräftige Oberschenkel. Ein Körper der harte Arbeit nicht fremd war und doch grazil wirkte, wie der eines Tänzers.
Plötzlich war mein Mund trocken. Noch nie wurde ich so aus dem Konzept geworfen.
"Wer bist du?" —
Eine Frage die nicht hätte unwichtiger sein können. Seit wann wollte ich die Namen meiner Opfer wissen? Was trieb mich nur zu so einer tat? Es war verwirrend und einfach unfassbar. Das ersten Mal in den ganzen dreihundert Jahre wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte.
"Eh.. J-jungkook, Sir." sprach er vorsichtig aus und selbst der sanfte klang seiner Stimme bescherte mir umgehend Gänsehaut.
Als ihm bewusst wurde, daß ich ihn nicht sofort angriff, lugte er vorsichtig aus dem Schrank hervor und starrte mich mit riesen großen Augen an. Ihm schien meine unnatürliche Augenfarbe nicht entgangen zu sein und selbst die spitzen Zähne, versteckten die grausame Tat nicht, die ich eigentlich begehen wollte.
"Ihr..." Er deutete auf mein Gesicht und ich glaubte das ansteigen seines Pulsschlags zu spüren. "Ihr.. seit wunderschön. Eure Augen..."
Verwirrt setzte ich hektisch einen Schritt zurück.
"Was...?" bestürzter Unglaube. Wie konnte er das in so einem Moment nur sagen? Erkannte er die Gefahr nicht, in die er sich hier befand? Ich war die blutrünstige Bestie und doch sah man nichts als Faszination in seinen Augen.
Wie konnte man so töricht sein? Ich hätte ihn mit meinen spitzen Zähnen sofort die Kehle aufreißen können und dennoch starrte er mich an, als wäre ich ein seltenes Kunstwerk.
Es war als würden wir uns eine gefühlte Ewigkeit einfach nur ansehen.
Misstrauisch, neugierig, verwirrt.
Wie zwei unterschiedliche Wesen, die nichts über die jeweils andere Spezies wusste - dabei war er nur ein einfacher Mensch. Nicht einmal ein Unsterblicher — Nichts besonderes.
Diese ganze merkwürdige Situation zwischen uns hielt aber nur wenige Sekunden an, denn als es an der Tür klopfte, war dieser irreale Moment wieder verschwunden und die Wirklichkeit kehrte schlagartig zurück.
"Entschuldigt für die Störung, Sir aber wir würden gern wissen... ist ihnen noch irgendetwas seltsames aufgefallen? Könnte der Junge sich irgendwo versteckt halten, wo wir noch nicht nachgesehen haben?" die dunkle Stimme einer der Männer drang gedämpft zu mir durch die Tür, woraufhin sich grenzenlose Panik in den schönen Augen des jungen Mannes abzeichnete.
Das war also der gesuchte Lustknabe der Gräfin. Ich verengte die Augen und haderte mit der nächsten Entscheidung.
"Sir? Ist ihnen etwas aufgefallen?" wurde abermals gefragt, nun aber wesentlich drängender.
Der junge Mann sah gehetzt zu Tür und dann wieder zu mir zurück.
"Ich flehe sie an Sir! S-sie werden mich töten.. b-bitte sagen sie nicht das ich hier bin! Bitte!" bettelte er leise und kroch danach wieder zurück in den Schrank. Ich roch seine Angst und es gefiel mir ganz und gar nicht. Es überdeckte seinen herrlichen Duft, von dem ich immer noch nicht wirklich genug hatte.
"Sir, ich tu alles was sie von mir verlangen aber ich will jetzt noch nicht sterben!" hauchte er nochmals mit solch einer Eindringlichkeit in der Stimme, das ich doch tatsächlich zu grübeln begann.
"Bitte!"
"Wieso hast du mehr Angst vor ihnen als vor mir?" fuhr ich ihn argwöhnisch an, komplett vorbei an das eigentliche Problem.
Zeit für eine Antwort blieb aber leider nicht. Gerade als der Lustknabe zur Antwort ansetzen wollte, hämmerte es erneut an der Tür.
Ich starrte ihn an. "Du bewegst dich nicht fort, hast du verstanden." Ein warnender Unterton lag in meiner Stimme, auf die der junge Mann mit nur einem knappen nicken reagierte. Dann verschloss ich die Schranktür und ging zu den Männern.
"Meine lieben Herren. So langsam geht mir euer Besuch eindeutig zu lang. Ihr seit rücksichtslos in mein Eigenheim eingebrochen und habt lang genug meine Zeit vergeudet." sprach ich eisig. "Hier ist kein junger Mann zu findet, also verschwindet endlich von meinem Grundstück."
"Könnten wir noch eben —" versuchte der eine Mann nochmals, doch ich fiel ihm ins Wort.
"Nein."
"Hm..." er schwieg nachdenklich. "Sehr bedauerlich." seufzend zog er sich dann aber tatsächlich zurück und pfiff seine anderen Männer zusammen. "Ich hoffe wir haben euch nicht zu große Unannehmlichkeiten bereitet, wir entschuldigen uns aufrichtig dafür und werden jetzt gehen."
Ohne einen aufstand anzuzetteln, verließen sie dann tatsächlich das Haus sowie das Grundstück und ritten auf ihren Pferden davon.
"Puhh... Endlich sind sie weg. Ich dachte schon sie würden niemals mehr gehen." stöhnte Namjoon an meiner Seite aber ich ignorierte sein lästiges Gejammer und ging zum Schrank zurück. In meinem tiefsten inneren war mir bewusst, das das was ich getan hatte, falsch war, völlig falsch. Nicht nur weil ich ihn nicht ausgeliefert hab, sondern auch weil ich das erste Mal in meinem Leben als Unsterblicher gezögert hab.
Es gab keinen vernünftigen Grund dafür, warum ich plötzlich das Bedürfnis verspürte, mir den jungen Mann noch länger anzusehen. Ihn zu betrachten, ihn zu riechen. Es löste Hunger in mir aus und trotzdem lebte er verkehrterweise immer noch.
Von so vielen Empfindungen erfüllt, das ich sie gar nicht auseinander sortieren konnte, öffnete ich die Schranktür und ließ den jungen Mann mit den pechschwarzen Haaren rausklettern.
❥
Dadadam 🙃
was haltet ihr von der Kombi?
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