32. Wenn die Toten sprechen

Harry PoV:

Die ganze Nacht konnte ich kein Auge zudrücken, meine Gedanken wirbelten einfach nur umher, alle fünf Minuten hatte ich meinen Zauberstab geschwungen, doch auch weiterhin wollte einfach kein Zauber gelingen.
Es hatte keinen Zweck.

Es ging nicht bloß mir und Hermine so, in ganz Hogwarts gab es das Problem der fehlenden Magie, niemand schaffte es auch bloß einen Funken zu erzeugen. Es war zu spät.

Anstatt nach einer sinnvollen Lösung zu suchen, begannen die ersten einen Schuldigen für das alles zu suchen und vielen kam der Umstand, das gerade in diesem Jahr so viele Leute von außerhalb in Hogwarts waren, sehr gelegen.

Diejenigen, die gestern noch bestaunt und verehrt wurden, wurden heute bloß verurteilt und verteufelt. Besonders wütend schienen Gerald Parker und Kelly Margold, die seit neustem wohl unter einer Decke steckten, da man sie immer zusammen sah, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, dass sie sich so gut verstanden hätten. Eigentlich konnten sie sich überhaupt nicht leiden.

Professor McGonagall hatte uns beim Frühstück berichtet, die fehlende Magie wäre ein örtliches Problem, das Zaubereiministerium wäre mit allen Problemzonen vertraut und würde nach einer Lösung suchen, bevor sich diese imaginäre Grenze weiter ausdehnen könnte.

Na super. Noch mehr Probleme. Konnte es nicht einmal, EINMAL ein Jahr in Hogwarts geben, in dem es ruhig wäre, kein Drama, keine Katastrophen? Natürlich nicht, sonst wäre es ja langweilig...

"Das größte Unglück", sagte McGonagall, "wird aber wohl der Umstand sein, dass unsere Schutzzauber nicht funktionieren und dass Zauber, die in der Vergangenheit ausgesprochen wurden, in den nächsten 24 Stunden wohl aufgehoben werden."

Ich sah mich nach meinen Freunden um, in ihren Gesichtern stand die bloße Angst.

McGonagall fuhr fort: "Daher haben das Zaubereiministerium und ich beschlossen, dass sie in drei Tagen abreisen werden."

Das Gemurmel wurde lauter, wüste Beschimpfungen prasselten auf die Austauschschüler nieder, die verwirrt zwischen den Hogwartsschülern hin und her sahen.

"Was?!"
"Wo sollen wir denn hin?"
"Wieso können wir nicht hierbleiben?"
"Das ist alles deren Schuld!"

Ich wollte nicht zurück nach Hause, sicher, ich war mir auch zu Anfang nicht sicher, ob ich wieder herkommen wollte, die ständigen Albträume waren bei weitem auch nicht angenehm, doch Hogwarts war doch mein zu Hause.

Wie konnte ich das denn aufhalten? Das ging nicht. Dieses Mal konnte ich nicht darauf hoffen, dass alles gut werden würde, dass ich irgendetwas dummes anstellte und meine Freunde und ich daraufhin mit ganz viel Glück die Schule retteten.

Ich war dieses Mal wirklich machtlos.

"Gehen Sie in ihre Schlafsäle und packen Sie ihre Koffer, es tut mir leid."
McGonagall verschwand und zurück blieben wir und die anderen Lehrer, die genauso verzweifelt dreinsahen, wie ich mich fühlte.

"Hier ist deine Socke, Ron", sagte ich und reichte sie ihm, während ich krampfhaft versuchte meine Kleidung zusammen mit den Schulbüchern in den Koffer zu zwängen.

"Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, ich meine... wie sollen wir Arbeit finden?", fragte er.
Ich zuckte bloß mit den Schultern.

Das wusste ich doch selbst nicht. Wir hatten keinen richtigen Schulabschluss von einer Muggelschule, wie sollten wir hier in der Gegend einen Job finden, wenn wir nicht einmal die niedrigsten Anforderungen erfüllten? Wir waren einfach verloren.

"Wir könnten nach Amerika gehen, oder Bulgarien, Frankreich, irgendwo sonst hin, wo es andere Zauberschulen gibt." Das wäre die letzte Möglichkeit, die mir noch einfallen wollte.

"Das bringt doch aber nichts, wenn es für unsere Welt bald keine Arbeitsplätze gibt."
Da hatte Ron Recht. Es war hoffnungslos.

Ich fischte unter meinem Himmelbett nach meinem alten Zaubertrankbuch, doch stattdessen fiel mir eine Ausgabe des Tagespropheten der letzten Woche in die Hand.
"Hey, sieh doch!"

Direkt auf der ersten Seite prangte ein Bild eines Mädchens, das alles andere als glücklich aussah. Sie schrie und strampelte mit Armen und Beinen.

Ich hatte die Zeitung überhaupt nicht angesehen, als ich sie bekommen hatte, sie war gleich auf dem Boden gelandet und mit einem leichten Kick unter das Bett gerutscht.

Mädchen, Sahra D., 16, verstorben - in Leichenhalle aufgewacht!

Die Schlagzeile zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich.
"Hier steht: sie wurde bei einem Zauberunfall schwer verletzt und starb daraufhin. Völlig verstört wachte sie in der Leichenhalle des St. Mungos auf - die Heiler streiten ab, dass das mit den Zaubereigeschehnissen zusammenhängt und behaupten, es könnte auch einfach ein zu früh erklärter Tod gewesen sein..."

So ein Blödsinn.
"Das ist es! Das ist der Beweis!"
"Harry... so gerne ich auch..."
"Nein, die Toten kommen zurück!"

Ron spielte an seinem Koffer herum, er wirkte nicht im mindesten so glücklich wie ich. Ich konnte es nicht verstehen, wollte er Fred nicht wiedersehen?

Draußen vor dem Fenster tobte der Wind, er wurde immer stärker. Ich trat an das Fenster.
Im selben Augenblick wurde unsere Tür aufgestoßen und Hermine und Ginny traten schnell ein, sie waren völlig aus der Puste.

"Was ist los?", fragte Ron.
"Da draußen braut sich etwas zusammen, es ist nicht gut", erwiderte Ginny.
"Wo sind Jason und Percy?", fragte Hermine.

"Ach, die sind vermutlich bei ihren Freunden, überlegen wie sie die Weltherrschaft an sich reißen können", murmelte ich scherzhaft.
Ron und Ginny lachten. Es war schön Ginny lachen zu sehen, so wie früher...

Hermines Blick fiel auf den Zeitungsartikel, der nun offen auf meinem Bett lag. Sie schürzte die Lippen.
"Harry, du glaubst doch nicht..."
"Und wenn doch?", fiel ich ihr ins Wort.

Ich wollte das alles nicht mehr hören, dass es unmöglich war, das war es anscheinend nicht. Natürlich gab es auch Menschen, die besser nicht von den Toten auferstehen sollten, doch ich wollte bloß einmal daran glauben, dass die geringste Chance bestand meine Eltern wirklich zu sehen. Es war mir egal wie selbstsüchtig das sein mochte.

Mir konnten alle anderen den Buckel runterrutschen, ich wollte bloß meine Eltern, meinen Paten und alle verlorenen Freunde noch einmal sehen und wenn dafür böse Zauberer auch von den Toten zurückkehren würden, wäre das halt so.

Es gab hier nun sowieso keine Magie, also könnten sie nicht viel anstellen. Es wäre also doch überhaupt nicht so schlimm, oder?
Oder sprach bloß diese selbstsüchtige Stimme aus mir, der es egal war, wer zurückkam, Hauptsache ich könnte Mum und Dad wiedersehen?

Ich wollte nicht selbstsüchtig sein, doch...
"Naja...", sagte Ginny zu Hermine, "solche Berichte gab es in letzter Zeit häufiger, also wäre es durchaus möglich, dass so etwas tatsächlich passiert."

Hermine raufte sich die braunen Locken, wütend stampfte sie mit dem Fuß auf.
"Das ist doch nicht euer Ernst! Es gibt keinen Zauber, der die Toten zurückholt."

"Aber genau darum geht es doch, Hermine!", rief ich. "Es gibt keinen Zauber, aber wenn alle Zauber aufgehoben werden und ihre Wirkung verlieren, können doch diejenigen, die durch Zauberei getötet worden sind, wieder auferstehen."

"Das ist reine Spekulation."
"Ach Hermine, hab doch mal Vertrauen."
"Harry, das vertrauen habe ich in dich, dass du aufhörst, daran zu glauben. Mit all den guten Menschen, würden so nur auch die schlechten Menschen zurückkommen. Das kannst du doch nicht wollen, gerade du!"

Vielleicht hatte sie ja recht. Ron und Ginny wirkten etwas verhalten, sie schienen nicht so genau zu wissen, auf welcher Seite sie nun standen und ich konnte es ihnen nicht verübeln.

Ich sah wieder hinaus auf die Ländereien, dort hinten am Horizont sah es aus, als würde sich ein Wirbelsturm bilden. Ein ziemlich gewaltiger Sturm.

Doch mein Blick glitt recht schnell auf die Ländereien, wo ich jemanden erkannte, jemanden der nicht hier sein konnte, außer... außer ich hatte Recht...

"Hermine, sag mir, dass das nicht Lavender Brown ist."
Meine Freunde stürzten ans Fenster.
"Oh Merlin..."
"Was zum Hippogreif..."
"Es ist... Lavender, aber... sie müsste doch eigentlich..."

"...tot sein", beendete ich ihren Satz.
"Das ist unmöglich", krächzte Hermine, doch hier hatte sie ihren Beweis.

"Harry."

Ich erstarrte, jemand hatte meinen Namen genannt, doch die Münder meiner Freunde hatten sich definitv nicht bewegt.

"Harry."

Hermine, Ron und Ginny starrten an mir vorbei zu der Tür unseres Zimmers, von der aus die Stimmen zu uns drangen.

Wie paralysiert bewegte ich mich keinen Millimeter, das passierte doch hier nicht wirklich.

"Oh bei Merlins Bart...", flüsterte Hermine und das war mein Stichwort mich umzudrehen.
Vor mir standen zwei Leute, beide in ihren ganz frühen Zwanzigern, sie waren nicht viel älter als ich, ein Mann, der mir zum verwechseln ähnlich sah und eine Frau mit langen, roten Haaren und so grünen Augen wie meinen.

Meine Atmung setzte kurz aus, mein Puls raste in die Höhe, ich konnte nicht verarbeiten, wen ich da nun gerade vor mir sah.

"Unmöglich...", keuchte ich.

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