31. Und der Zauber versiegt
Hermine PoV:
"Was glaubt ihr, will McGonagall uns sagen?", raunte ich Harry, Ron und Ginny zu, die sich zusammen mit mir und der ganzen Schülerschaft in der großen Halle tummelten. Der Abend war schon hereingebrochen, seit die Neuankömmlinge zu uns gestoßen waren, hatten die Lehrer sich keine Ruhe mehr gegönnt.
Der Unterricht war zu meinem Missfallen für die komplette Woche abgesagt worden und nun sollten wir den Grund dafür erfahren.
"Alienangriffe", grinste Harry, doch ich konnte hinter seinen Brillengläsern sehen, wie viel ihm wirklich durch den Kopf ging.
"Es muss etwas mit den fehlenden Schutzzaubern zu tun haben, etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen..." Ginny zuckte leicht mit den Achseln, ehe sie ihren Blick zum Lehrertisch richtete, vor den gerade die Schulleiterin getreten war, um zu uns zu sprechen.
"Schhhhh!"
Das Geflüster erstarb und es wurde schlagartig völlig ruhig. Mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren, das Blut rauschte.
"Liebe Schüler und Schülerinnen, es ist mir wichtig, dass ich diejenige bin, die Ihnen diese Nachricht mitteilt."
Was sollte das denn bedeuten, wer sollte uns sonst informieren?
"Das Zaubereiministerium möchte nicht, dass Ihr erfahrt, was sich in dieser Sekunde außerhalb dieser Mauern abspielt, doch Ihr alle habt ein Recht darauf."
Ich schnappte nach Harrys und Rons Händen. Das klang überhaupt nicht gut, das Zaubereiministerium mischte sich zwar allzu gerne in die Angelegenheiten von Hogwarts ein, doch McGonagalls Besorgnis machte mir furchtbar zu schaffen.
"Die Schutzzauber um Hogwarts haben versagt, wir haben sie erneuert doch auch jetzt ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir auch hier wieder ungeschützt sind. Die ganze Zauberei löst sich auf, wir wissen nicht wieso, doch hier im Schloss seid ihr nicht mehr sicher."
Das Geflüster setzte wieder ein, es wurde immer lauter und lauter. Wenn wir hier nicht mehr sicher waren, wo denn sonst?
Es erinnerte mich an unser zweites Jahr, als Voldemort Ginny mit seinem Tagebuch dazu gebracht hatte, die Kammer des Schreckens zu öffnen.
"Wo sollen wir denn hin?", fragte ich verzweifelt. Meine Eltern waren irgendwo im Nirgendwo, ohne eine einzige Erinnerung an ihre Tochter. Oder? Die Zauber versagten, müsste dann nicht auch der Vergessenszauber seine Wirkung verlieren?
"Merlin, was wenn alle Vergessenzauber ihre Wirkung verlieren... die Muggel, sie werden von unserer Existenz erfahren!", rief ich entsetzt und zog so etwas mehr Aufmerksamkeit auf mich als beabsichtigt.
Es würde eine Kette von Ereignissen auslösen, die nicht mehr zu stoppen waren.
Wie ging doch gleich dieses Sprichwort? Der Flügelschlag eines Schmetterlings heute, kann in einigen Wochen zu einem verheerenden Hurricane führen.
"Ganz recht, Miss Granger", sagte McGonagall.
"Das Zaubergeschlecht wird aussterben, wenn alle Zauber an Kraft verlieren, ob auf die eine oder andere Weise."
Nun meldete sich Harry zu Wort, seine Augen waren glasig und ich konnte mir genau vorstellen, was er fragen wollte, doch er sollte nicht... das würde bloß zu Panik und Hysterie führen.
"Harry, nein." Flüsternd zog ich seinen Arm wieder zurück, doch anstatt einzusehen, dass es falsch war, entriss er ihn mir wütend und rief einfach rein: "Was ist mit dem Todeszauber?"
Sofort war es wieder totenstill. McGonagall kniff die Augen zusammen, ihre Lippen formten sich zu einer geraden Linie.
"Nun, Mr. Potter, es besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Toten, die durch Zauberei ermordet wurden, zurückkommen, doch das ist eher eine sehr geringe Chance. Zum Glück möchte ich sagen, Sie sollten gerade wissen, dass manche Verstorbenen dort besser aufgehoben sind, wo sie sich nun befinden."
Voldemort, schoss es mir durch den Kopf. Wenn er wieder kehren würde...
Harry nickte halbherzig. Er zog den Kopf etwas ein, die Hände in den Taschen seines Umhangs.
"Bedeutet das, dass Lavender wiederkommt?"
"Und Colin Creevey?"
"Fred...", hauchte Ron. Ginny blickte hoffnungsvoll ihrem Bruder entgegen.
"Vielleicht sehen wir ihn wirklich wieder."
"Remus, Tonks, Sirius, Mum, Dad, sie alle könnten wieder kommen..." Harrys Augen glitzerten vor lauter Tränen, die sich ihren Weg hinausbahnen wollten.
Alle Schüler brachen in ein Lauffeuer von Namensnennungen aus, von Personen die während der Schlacht vor etwa einem halben Jahr gestorben waren und auch davor.
"Ruhe!" McGonagall hob ihren Zauberstab und entzündete eine Fackel, die keine Sekunde später mit einem ohrenbetäubenden Knall in die Luft ging. Es war eigentlich überhaupt nicht nötig gewesen, da sofort nach ihrem Ausruf, alle Gespräche erstarben.
"Ich würde Ihnen allen gern zusprechen, doch leider wissen wir nicht, was für Auswirkungen diese Situation mit sich zieht, gehen Sie nun in Ihre Betten. Doch ich versichere Ihnen, sollten wir keine Lösung finden, wird die Schule geschlossen."
Mit wehendem Umhang brauste sie an uns allen vorbei in ihr Büro. Mein Blick fiel auf die Austauschschüler, die die ganze Zeit still und mit verschränkten Armen an der Wand gestanden und keinen Mucks von sich gegeben hatten. Auch die Neuzugänge waren da, der junge an Krücken, der kobolgesichtige Knabe, die göttliche Schönheit, Thalia Grace und Nicos Schwester.
Die anderen Mädchen hatten draußen auf den Ländereien in der Nähe von Hagrids Hütte ihre Zelte aufgeschlagen, es sah furchtbar professionell aus, wie sie da herum hantiert hatten.
"Professor, wir kommen mit", rief Percy McGonagall nach, schnappte nach Annabeths Hand und eilte mit seinen Freunden der Direktorin nach.
"Ob Dumbledore auch wiederkommt?", fragte ich nachdenklich.
"Keine Ahnung", brummte Harry gereizt und marschierte aus der Halle.
"Was hat er denn?", fragte Ron.
Ich zuckte mit den Schultern, doch ich konnte mir durchaus vorstellen, dass es etwas mit McGonagalls vager Antwort und Ansage zur Schließung der Schule zu tun hatte. Er wusste schließlich genauso wie ich, dass wir Mrs. Weasley nicht allzu lange auf die Nerven fallen konnten, abgesehen davon... egal wie sehr er sich dieses Jahr gesträubt hatte, Hogwarts war nach wie vor noch sein zu Hause.
"Wir sollten nach ihm sehen", schlug Ginny vor. Sie biss sich auf die Lippe, als hätte sie Angst, jetzt bei ihm zu sein.
"Hermine, geh du lieber zu ihm, mich möchte er jetzt bestimmt nicht sehen, nach all dem was ich..." Ginnys Augen füllten sich mit Tränen.
"Ist okay, ich rede mit ihm."
Ron machte Anstalten mir zu folgen und Ginny völlig alleine zurück zu lassen, unsensibel - einfach nur unsensibel.
"Kümmere dich um deine Schwester", zischte ich ihm zu und folgte dann Harry.
Ich fand ihn im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin sitzend, er hatte die Beine verschränkt und starrte in die tanzenden Flammen.
Das Knistern des Kamins war die einzige Geräuschquelle in dem so leeren Saal. Ich wunderte mich, wo alle waren, doch Harry, der meine Frage wohl erraten hatte, sagte: "Ich hab sie alle angeschrien, sie sollen in ihre Zimmer verschwinden. Anscheinend kann ich genauso angsteinflößend sein wie McGonagall."
Ich lächelte matt und nahm ihn in den Arm.
"Harry, alles wird gut."
"Wie kannst du sowas wissen?"
Ja... wie konnte ich das wissen? Ich wusste es eben, denn er und ich waren Freunde, Ron und wir waren Freunde, die Erde drehte sich nun einmal weiter, egal was passierte.
"Ich weiß es eben, denn du bist mein bester Freund und das ist alles, was zählt." Meine Wangen glühten etwas, ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und strich ihm über den Rücken.
"Vielleicht kommen sie ja zurück, Harry. Du darfst die Hoffnung nie aufgeben, aber dich auch nicht darin verlieren."
"Ich wünschte, ich könnte nur einmal noch mit ihnen sprechen. Ich würde Remus und Tonks zu Teddy bringen, Sirius noch einmal umarmen, Mum und Dad all die Fragen stellen, zu denen ich nie die Gelegenheit hatte."
"Es war unfair, sie dir zu nehmen, doch die Verstorbenen sind von uns gegangen aus einem Grund..."
"Einem scheiß Grund!" Er trat gegen das Holz im Kamin und steckte dabei beinahe seinen Schuh in Brand.
Ich hatte reflexartig meinen Zauberstab gezogen, ihn auf Harrys Bein gerichtet und den Löschzauber gesprochen, doch nichts... Harry blieb trocken.
Irritiert starrte ich das Stück Holz in meiner Hand an, Harry tat es mir nach. Ich klopfte ein paar Mal mit der Hand dagegen, richtete ihn auf den Tisch neben uns und sagte: "Wingardium Leviosa." Ich wutschte und wedelte, doch der Tisch hob sich keinen Zentimeter vom Boden ab.
Es war soweit, der Zauber - seine Quelle war für den Moment versiegt. Der Schmetterling hatte mit dem Flügel geschlagen, wie lange würde es wohl dauern, bis der Hurricane ausbrach?
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